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COMPARATIVE ZOOLOGY,
AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS.
jFounDeli 65 prftate sulmcrfjjtfon, fn 1861.
DR. L. de KONINCK'S LIBRARY.
No. /?2. .
Sitzimgskrichte
dcr
kaiserlkhcn Mademie
der
Wisseiisrliafleit.
Mathematiseh-naturwissenscliaftliche Classe.
Ffi lifter IttiiMl
— m*^Bm* —
Wien, 1850.
Aug der kaiserlich-koniglichen Hof- und Staats-Druckere
In Commission beiW.Braumiiller, Buchhiindler des k. k. Ilofes und
der k. Akadcmio der Wissenschaften.
Sitzimgsberichte
tier
isiathematiscIi-naturwissenschaftlicIienCIasse
der kaiserlichen
Akademie tlerWisseiiscIiaften.
Fii-nfter Band.
Jahrgang 1850. Heft 6—10.
(Juni — December.)
ArWien, 1850.
A,,s der kaiserlich-koniglichen Hof- und Staats-Druckerei.
In Commission bei W. Braumiiller, Buchhandler des k.k. Hofes und
der k. Akademie der Wissenschafien.
I
I ii h a 1 1.
Sitzung vora 6. Juni 1850. Seite
Se. Exc. der Hr. Prasident zeigt der Classe an, dass nunmehr der
prov. General - Secretar Prof. Schrotter sein Amt ange-
treten habe, und dankt dem Reg.-R. von Ettingshausen fur
seine bisherige Geschjiftsleitung 3
Giidel , G. Consul zu Beirut, iibersendet ein (weiblicb.es) Exemplar
von Hyrax syriacus —
Minislerium des Cultus und offentlichen Unterrichtes iibersendet
die meteorologischen Beobachtungen des Prof. Gallo in Triest 4
Unger, Brief iibcr die Flora von Sotzka —
Rochleder und Ulasiwetz, Abbandlung fiber die Wurzel der Chio-
cocca racemosa , 6
Brendl, meteorologiscbe Beobachtungen im Moriate Mai .... 15
Kollar , Bericht iiber ein von Herrn Brittinger in Steyr eingesen-
detes Insect (Blatta germanica) —
„ 5ber Monas prodigiosa Ehrb 16
„ Abhandlungen des naturwissenscbaftlicbenVereins in Hamburg 18
Weriheim, Wilhelm , Hauptresultate seiner neuesten Untersuchungen
iiber die allgemeincn Gesetze des Gloichgewichtes und der
Bewegung der fliissigen Korper 1!>
Ettingshausen, zur Nachweisung der Eixstenz der Wurzeln alge-
braischer Gleichungen 31
„ Beitrag zur Integration irrationaler Differential-Pormeln . 34
&itzung vom 13. Juni 1850.
ioios-Verein dankt fiir die ihm bewilligte Unterstiitzung .... 37
Kreil, Vortrag iiber das Inductions - Inclinatorium an der Prager
Sternwarte u. iiber ein selbstregistrirendes Metalltbermometer —
Schalus, Vortrag iiber die Krystallformen des Weinsteius und
des essigsauren Kupferoxyd-Kalkes CaO, CuO, C4 H3 03, 8HO 42
Pierre, Debar eine Methode, die Spannkraft der Diimpfe in der
Luft direct zu messen 46
Haidinger , Antrag, naturwissenscbaftliche Expeditionen betreffend 75
Bone, Antrag auf Begriissung der British Association 76
Sitzung vom 20. Juni 1850.
Abgabe der Fossilien aus Lesina und Santorino an die k. geolo-
gische Reichsanstalt und das k. Hof-Mineralien - Cabinet . —
Rochleder und. Hlasiwetx, Notiz iiber ein Stearopten aus Cassia-Oel 77
Ansuchen der nied. osterr. Ijandwirthschaftsgesellschaft um Be-
theilung mit den akademischen Druckschriften 80
Ministerium fiir Landescultur iibersendet den Bericht des k. Berg-
gerichtes zu Schemnitz iiber magnetische Declinations-Be-
obachtungen ....... 81
Ettingshausen, Bericht iiber Spitzer's Abhandlungen ..... 82
„ Aufsuchung der reellen und imaginaren Wurzeln einer Zah-
lengleichung hiiheren Grades —
„ Gesetze in den hiiheren Zahlengleichungen mit einer oder
mehreren Unbekannten .... —
„ Skizzen aus dem Gebiete der hiiheren Gleichungen ... —
Kollar, Ueber Weinbeschiidigung durch einen kleinen Nachtfalter
Tortrix Roserana 89
Haidinger , Ueber Dr. Constantin v. Ettinghausen's Synopsis der
fossilen Flora von Radoboj ........ . . . 61
Seite
Si tzung vom 4. Juli 1850.
Vaisse, Methode, die geographlschc Liinge avif der See zu bestimmen 95
Briihl, kleine BeitrKge zur Anatomie der Haussaugethiirc .... —
Ausschuss der Landwirthschaftsgesellschai't iibersendet die neuen
Gesellschaftsstatuten —
Rochleder, liber das Caffe'in 96
Boue, fiber sein Werk: „La Turquie d'Europe" lot
A. V. Ettingshausen, iiber einige Eigenschaflen der Fl&chen, welche zur
Construction der imaginaren Wurzoln der Gleichungen dienen 119
Sitzung vom 11. Juli 1850.
■ Academic de Medecine zu Paris, Tauschantrag 127
Kunssek , Bericht iiber die bisherige Wirksamkeit der meteorologi-
schen Commission . . . .* —
Sehrotter, Bericht der wegen Untersuchung der inliindischen Koh-
len niedergesetzten Commission 135
Haidinger : Mittheilungen,
a) Auszug aus einem Berichte des Dr. Const, v. Ettingshau-
sen an die k. k. geol. Reich san Malt, iiber seine neucn For-
schungen 136
b) Mittheilung eines Briefes von R. Gbppert in Breslau iiber
dieVersteinerungen der Steinkohlenformation in den Schie-
ferbriichen aus der Gegend von Troppau 137
c) Ueber Arnstein's Beobachtungen iiber die Eisperiode des
Winters 1849— 1850 in Pesth 138
d) Ueber das von Herrn Patera in Przibram mit giinstigem Er-
folge ausgefiihrte Vcrfahren, das Silberchlorid aus den Er-
zen mit einer concentrirten Kochsalzlbsung unter Anwen-
dung eines massigen Druckes zu gewinnen 139
e) Ueber zwei Schiidel von Ursus speliius 140
Briicke, iiber die Abhandlung „Beobachtungen iiber die Gesetze der
Pulsfrequenz und Kijrperwarme in den normalen Kustiinden,
so wie unter dem Einflusse bestimmter Ursachen" von Ru-
dolph Lichtenfels und Rudolph Frbhlich 141
Heckel, iiber das Wirbelsiiulen-Ende der Ganoiden und Teleostiern . 143
KHz ii nit vom 18. Juli 1850.
Weisse, metcorologische und magnetische Beobachtungen von Kra-
kau, im Monat Juni 1850 I*8
Kusche, Ansuchen, das im Besitze der Akademie beflndliche Kilo-
gramm copiren zu diirfen
Vnger, Schreiben , in welchem derselbe seine Prioritiit in Bezug
au£ die Flora von Radoboj und Solzka gegen Dr. Const.
v. Ettingshausen geltend macht —
Koller, Bericht iiber Bohm's Abhandlung „Beobachtungen von Son-
nenflecken, und Bestimmung der Kotations-Elemente der Sonne" 150
Briicke, Bericht iiber Molin's Abhandlung „Studi anatomieo - mor-
phologic! sugli stomachi degli uccelli" 153
Doppter, einige Mittheilungen und Bemerkungen, seine Theorie des
farbigen Lichtes der Doppelsterne betreffend 154
Rochleder , Bericht iiber mehrere in seinem Laboratorium vorge-
nommene Arbeiten :
a) Sehwarz, Robert, „iiber die Producte der trockenen De-
stination mit Kalk" 159
b) Hlasiwetz, Heinrich, ,, iiber einige Verbindungen der Ra-
dical a ih «"" 171
c) Willigk, Erwin, „iiber die Wurzel der Cephaelis Ipeca-
cuanha" 190
Seitc
Ilaidinger, a) iiber das erste Quartalheft des Jahrbuches der k. k.
geologischen Reichsanstalt 198
b) iiber einen Bericht des Dr. Constantin v. Ettingshau-
sen, enthaltend die Resultate seiner Studien fiber die
fossile Flora von Parsehlug 200
c) Eisverhallnisse der Donau, beobaehtet in Pesth im
Winter 18*a/5|1, von Prof. Dr. Arenstein 201
Kollar, fiber die Cerr-Eichen-Blattwespe Tenthredo (Emphytus) Cerris 206
Schabus , fiber die Krystallformen der Zimmtsaure , der Hyppur-
siiure und des hyppursauren Kalkes —
Sitzung vom 3. October 1850.
Martin, Neue Behandlung des Starkekleisters fur Photographie auf Glas 227
Fuchs, Ansuehen, seine „Geschichtliche Oarstellung des ungarischen
Hiittenwesens etc." betreffend 228
Boue, Ueber die ewigen Gesetze der Natur, besonders in der Mi-
neralogie, Geologie und Paliiontologie —
Schmidt , Ueber einen neuen Fundort der Proteen ....... —
Spiizer, Ueber die Aufliisung transcendenter Gleichungen mit Einer
oder mehreren Unbekannten 232
Briicke, Untersuchungen fiber die subjectiven Farben 232
Sitzung vom 10. October 1850.
Kenngott, Beitrage zur Bestimmung einiger Mineralien 234
Fuchs, Ueber einigenoch wenigbekannte metallurgischeErscheinungen 270
Godel, Sammlung von Fischabdrficken aus dein Lycusthale . . . 279
Sitzung vom 17. October 1850.
Briicke, Beitrage zur vergleichenden Anatomic und Physiologie des
Gefiissysteins 279
Hyrtl, Ueber Mormyrus Kaschive 280
Kollar, Ueber lebende Termiten aus Schonbrunn 280
Pierre, Bemerkungen fiber zweekmassige Construction von Beise-
barometern 281
Sitzung vom 31. October 1850.
Cubich, Fische aus den Quarnerischen Inseln 289
v. Etlinyshausen, Const., Vervvahrung gegen Pr. Unger, dessen
literarisches Eigenthum an Bearbeitung der fossilen Flora von
Badoboj nicbt beeintrachtigt su haben
Briicke, Ueber seine und des Dr. Semmelweiss Versuehe an
Thieren, die Entstehung der Puerperaliieber betreffend . . 391
Fitzinger, Ueber den Proteus anguinus —
Hyrtl, Bemerkung fiber den Proteus anguinus 303
v. Hauer , Ueber Barrande's Versuch einer Classification der
Trilobiten 304
Langer, Ueber eine Binnen-Muskel des Cephalopoden-Auges . . 324
Skuhersky, die orthographische Parallelperspective 32fi
Zippe, Uebersicht der Krystallgestalten des rhomboedriscben Kalk-
Haloids 3 43
Sitzung vom 7. November 1850.
Ministerium ffir Landescultur ermiiglicht dem Dr. Fuchs die Be-
niitzung der entsprechcnden Acten zur Vollendung seiner
Geschicbte des ungarischen Hiittenwesens .34 7
Groll , Lichtbilder auf Glas . —
Natterer, Gasverdichtungs-Versuclie 351
Heckcl , Ueber die Wirbelsaule fossiier Ganoiden ....... 358
Kollar , Ueber Titanethes albus 368
Scheffer , Verzeichniss der in der Wiener Gegend vorkominenden
Hymenopteren —
Seitc
Schabusy Ueber die Krystallformen des zweifach ehromsauren
und des pikrinsalpetersauren Kalis 369
Sitzung vom 14. November 1850.
Ministerium des Aeussern iibersendet den Bericht des k. k. Ge-
schaftstrSgers H. Sonnleithner zu Rio - Janeiro iiber das
Schicksal des Hrn. Virg. v. Helmreichen ...... 394
v. Steinheil, Beschreibung einer von ihm neu construirten Brficken-
wage 398
Unger, Schreiben an das Curatorium des standischen Joanneums
in Gratz und Antwort desselben 402
„ Iconographia plantarum fossilium hucusque ineditarum . . 406
„ Fossile Flora von Radoboj und Parsehlug .......
Hone, Ueber die jetzige Paliiontologie und die Mittel diese Wis-
senschalt zu heben
Bruche, Ueber die Mechanik des Blutumlaufes bei den SchildkrSten 415
Molin, Sulle tonache museolari del tubo intestinale del pesce de-
nominato Tinea chrisiiis • • **"
Sitzung vom 28. November 1850.
Fritseh, Resultate dreijahriger Beobachtungen iiber die jahrliche
Vertheilung der Papilioniden *26
Unger, Die Gattung Glyptostrobus in der Tertiar-Formation . . 434
Molin, Sulla callosita faringea dei ciprini 436
Schr olter , Versuche zur Bestimrmmg der Aequivalente des Phos-
phors und einiger anderer in dieselbe Gruppe gehiirigen
Grundstoffe • • ***
JIaidinger, Mittheilung eines an ihn gerichteten Schreibens des Sir
David Brewster iiber die Natur der Polarisationsbuschel 442
Sitzung vom 5. December 1850.
Rochleder, Vorlaufige Notiz iiber die Elektrolyse organischer Basen 447
Millitzer, Vergleiehung der drei zu Regnault's Psychrometer von
Fastre in Paris verfertigten Thermometer 4 48
Fuehs, Einige Bemerkungen fiber die Ijagerungsverhaltnisse der
Venetianer Alpen 453
Schmidt, Beitrag zur Hohlenkunde des Karst 464
Sitzung vom 12. December 1850.
Ministerium fur Handel iibersendet den Bericht der von der tur-
kischen Regierung nach Aegypten gesendeten Commission
iiber das dortige Quarantaine-Wesen und das Gutachten
der Commission zur Erforschung fiber die Brauchbarkeit
der mineralischen in Bohmen vorfindigen Kohlengattungen
zur Locomotivheitzung etc 479
Berzelius, Medaille auf denselben, in Silber, von der Akademie zu
Stockholm eingesendet
Schrbiter, Ueber das Verhiiltniss der cbemischen Anziehung zur
Warme
Wedl, Ueber die traubenformigen Gallengangsdrfisen 481
lunger, Ueber das capillare Blutgefass der Cephalopoden . . . 488
Weiss, Physiologisch-chemischer Bericht fiber die Bestimmung der
gesammten Blutmenge und Hirer Vertheilung in thierischen
Organismen 492
Seidl, Allgemeine Uebersicht der nieteorologischen Beobachtungen
zu Ilodenbacli in Bohmen im Jahre 1849. Zusammenstellung
der meteorologischen Beobachtungen vom Jahre 1829—1849.
Seite
MHzung vom 14. November 1850.
Ministerium des Aeusscrn fibersendet den Bericlit des k. k. Ge-
schaftstragers H. Sonnleithner zu Rio - Janeiro fiber das
Schicksal des Hrn. Virg. v. Helmreichen ...... 394
v. Steinheil, Beschreibung einer von ihm neu construirten Brficken-
wage 398
Unger, Schreiben an das Curatorium des standischen Joanneuma
in Gratz und Antwort desselben 403
„ Iconographia plantarum fossilium hucusque ineditarum . . 400
„ Fossile Flora von Radoboj und Parschlug —
lioue , Ueber die jetzige Palaontologie und die Mittel diese Wis-
senschaft zu heben — -
Briicke, Ueber die Mechanik des Blutumlaufes bei den Schildkrijten 415
Molin, Sulle tonache muscolari del tubo intestinale del pesce de-
nominate Tinea chrisitis 410
Nitzung vom 28. November 1850.
Fritsch, Resultate dreijahriger Beobaehtungen fiber die jahrliche
Vertheilung der Papilioniden 426
Unger, Die Gattung Glyptostrobus in der Tertiar-Formation . . 434
Molin, Sulla callosita faringea dei ciprini 430
Schr Biter , Versuche zur Bestimmung der Aequivalente des Phos-
phors und einiger anderer in dieselbe Gruppe gehBrigen
Grundstoffe 441
llaidinger, Mittheilung eines an ihn gerichteten Schreibens des Sir
David Brewster fiber die Natur der Polarisationsbfischel 442
Sitzung vom 5. December 1850.
Rochleder, Vorliiunge Notiz fiber die Elekfrolyse organischer Basen 447
Militzer, Vergleichung der drei zu Regnault's Psychrometer von
Fastre in Paris verfertigten Thermometer 448
Ruths, Einige Bemerkungen fiber die Lagerungsverhiiltnisse der
Venetianer Alpen 452
Schmidt, Beitrag zur Hohlenkunde des Karst 404
Mitzung vom 12. December 1850.
Ministerium ffir Handel fibersendet den Bericht der von der tur-
kischen Regierung nach Aegypten gesendeten Commission
fiber das dortige Quaranlaine-Wesen und das Gutachten
der Commission zur Erforschung fiber die Brauchbarkeit
der mineralischen in Bohmen vorfindigen Kohlengattungen
zur Locomotivheitzung etc 479
Berselius, Medaille auf denselben, in Silber, von der Akademie zu
Stockholm eingesendet —
Schrotter, Ueber das Verhjiltniss der chemischen Anziehung zur
Wiirme —
Wedl, Ueber die traubenformigen Gallengangsdrusen 481 .
Langer, Ueber das capillare Blutgefass der Cephalopoden . . . 488
Weiss, Physiologisch-chemischer Bericht fiber die Bestimmung der
gesainmten Blutmenge und ihrer Vertheilung in thierischen
Organismen 492
Seidl, Allgemeine Uebersicht der meteorologischen Beobaehtungen
zu Bodenbach in Bohmen im Jahre 1849. Zusammenstellung
der meteorologischen Beobaehtungen vom Jahre 1829 — 1849.
Aiiliang.
Schrotter, Bericht an die kais. Akademie der Wissenschaften fiber
eine mit deren Unterstfitzung nach England und Frankreich
unternommene wissenschaftliche Reise.
S,-ik-
HaidhwW, a) fiber das erste QoarUlbeft des .lalnbucl.es der*. k. •
geologischen Reichsanstalt
b) fiber einen Bericht des Dr. Constants v. Ettingshau-
sen, enthaltend die Resultate seiner Studien fiber die
fossile Flora von Parschlug 200
c) Eisverhaltnisse der Donau, beobachtet in Pesth im
Winter 18*%0 , von Prof. D. Arenstein 201
Kollar fiber die Cerr-Eichen-Blattwespe Tenthredo(Ernphytus)Ccrris 206
Schabus , fiber die Krystallformen der Zimmtsaure , der Hyppur-
saure und des hyppursauren Kalkes
^"^^NetS^a^^
Fucks, Ansuchen, seine „Geschichtliche Darstellung des ungarischen
Hiittenwesens etc." betreffend
Boue, Ueber die ewigen Geset/.e der Natur, besonders in der Ml-
neralogie, Geologie und Palaontologie . .......
Schmidl, Ueber einen neuen Fundort der Proteen . . —
Spitzer, Ueber die Auflosung transcendenter Gleichungen mit Emer
oder mehreren Unbekannten . . °
Brucke, Untersuchungen fiber die subjectiven Farben AAA
SitsBtinS vom 10. October 1850.
KcnnaoU, Beitrage zur Bestimmung einiger M.nera hen ... . . 33*
F«CJ,Uebereinigenochwenigbekanntemetallurg.ScheEr.sche)nungen 270
Klnngott, Beitrage zur Bestimmung einiger Minerahen
Fucks, Ueber emigenochwenigbekanntemctallurg.scheEr
Giidel, Sammlung too Fischabdrficken aus dem Lycusthale . . . 27J
Sitzung vom 17. October 1850.
Brucke, Beitrage zur vergleichenden Anatomie und Phys.ologie des
Gefass-Systems
Hj/rtf, Ueber Mormyrus Kaschive . . . .
Kollar, Ueber lebende Termiten aus Schonbrunn ....... 280
Pierre, Bemerkungen fiber aweckmiissige Construction von Eeise- ^
barometern
Sitzung vom 31. October 1850.
C*6ioft, Fiscbe aus den Quarner.schen Inseln . . . . . . ^ . •
,, FAtingshausen, Const., Venvahrung gegen Pr linger, dessen
literarischcs Eigenthum an Bearbeitung der fossilen Flora von
lladoboi nicht beeintriichtigt zu haben •••••'•'•
Brucke, Ueber seine und des Dr. Se m m e Iw ei s s Vers cb „
Thieren, die Entstehung der Puerperalfieber betieflend . . AJl
fitninger, Ueber den Proteus anguinus
tfyWt' Bemerkung fiber den Proteus angu.nus . . . . . . • • • >
v Bauer, Ueber Barrande's Versuch emer Classification der ^
Trilobiten ,'',"'.*„ q?i
fcanaer, Ueber einen Binnen-Muskel des Cephalopoden-Auges . . 32*
Skukersky, die orthographische Parallelperspectivc . . . ■>-
Zippe, Uebersicht der Krystallgestalten des rhomboednschen Kalk- ^
Haloids ....•••-*'
Sitamnff vom 7. November 1850. Wnr.h« m«
Ministerium fur LandesculU.r ermiiglicht dem Dr Fnch «•
BenfiUung der entsprechenden Acten zur Vollendung seiner
Geschicbte des ungarischen Hiittenwesens »*?
OoJZ, Lichtbilder auf Glas ' * *
batterer, Gasverdichtungs-Versuche
Hecfeci, Ueber die Wirbelsaule fossiler Ganoiden 358
Kollar. Ueber Titanethes albus • • ♦ * •
Scheffer, Verzeichniss der in der Wiener Gegend vorkommenden
Hvmenopteren '
Schabus, Ueber die Krystallformen des zweifach chromsauren
and des pikrinsalpetersauren Kali's •
Sitzungsbericlite
iler
mallieiHalisch-iiaiurwissenscliafUiclieii
Classe.
' " Jahrgang 1850. 1. Heft (Juni),
on
Sitzonffsbcrichtc
der
mathcmatisch - naturwissenschaftlichen Classe.
Sitzung vom 6. Juni 1850.
>3e. Excellenz der Herr Vice - President machte die Mitthei-
lung-, dass Herr Professor Schrotter, in Folge der in der
Gesammt-Sitzung vom 29. Mai d. J. auf ihn gefallenen Wahl,
heute als provisorischer Secretar der Classe und zugleich als
General-Secretar seinen Platz eingenommen habe. Die Ueber-
gabe der Geschiifte durch den abgetrctenen General-Secretar
Herrn Regierungsrath A. von Ettingshaus en , an seinen
Nachfolger habe von der dazu bestellten Commission — die aus
den Herren Wolf, B e r g m a n n und Redtenbacher bestand—
Statt gefunden. Der Herr Vice-Prasident dankte ferner dem Herrn
A. von Ettingshaus en im Namen der Classe fur den Eifer
und die rastlose Thatigkeit, vvomit er die Geschiifte derselben
bisher gefiihrt habe.
Herr Regierungsrath A. von Ettingshausen driickte
nun seinerseits der Classe fiir das ihm geschenkte Zutrauen
seinen Dank aus, und versicherte, dass nur seine andervveitigen
amtlichen Verhaltnisse und wissenschaftlichen Beschaftigungen
ihn haben bewegen konnen, seine Stelle als General-Secretar
und Secretar der Classe niederzulegen, dass er aber nicht er-
mangeln werde, nach Moglichkeit der Akademie seine wissen-
schaftliche Thatigkeit zu widmen.
Der k. k. General-Consul God el, zu Beirut zeigt in einem
Schreiben vom 1. Mai d. J. an, dass er auch ein weibliches
Exemplar der Hyrax syriacus , und zwar im trachtigen Za~
stande erfaalten und der Akademie iiberscndet babe. Die Kiste
mit dem in Weingeist aufbewahrten Thiere war auch bereits
angelanfft und warde Herrn Professor Hyrtl ausgefolgt.
Das k. k. Miuisteriura des Cultus und Unterrichtes fiber-
sendet dd. 11. Mai, Z. "Vice die dcmselben vorgelegten me-
teorologischen Beobachlungen des Professors der Nautik in
Triest, Hrn. Dr. Vine. Gallo. Dieselben vvurden der meteorolo-
gischen Commission zugewiesen.
Das w. M., Herr Prof. Dr. Franz Unger fiberreichte
fiir die Denkschriflen cine Abhandlung fiber die Flora Sotz-
kiana , mit nachfolgendem Einbegleitungsschrciben an den
General - Secretar.
„Die Arbeit, welche ich so eben beendet babe, betrifft eine
ziemlich umfangsrelche Untersuchung einer Local-Flora der Vor-
welt die ihrer Eigenthttmlichkeit und Reichhaltigkeit wegen die
Aul'merksamkeit des Palaontologcn im tiohen Grade verdient.
Erlauben Sic, dass ich mich fiber diescn Gegensland etwas niiher
ausspreche und in Kiirze die wichtigsten Ergebnisse beriihre,
die eine Folge dieser Untersucbungen waren.
Man kann annehmen, dass die Mannigfaltigkeit und der
Reichthum der verschiedenen Floren, welche nach und nach in
den einzelnen Perioden der Erdbildung auf einander folglen,
ge^en die jiingere Zeit im Zunehmcn begriffen waren. Der
grosse Wendepunct in dem Character der Vegetation, ungeach-
tet eine stetige Veredlung der Formen nicht zu verkennen ist,
trat in der Kreidezeit ein, und obwohl wegen der damaligen
o-eographischen Beschaffenheit der Erdobcrflache ein grosser
Reichthum in der Production von Pflanzenmassen kaum moglich
war, so erhielt dieselbe doch gcrade zu dieser Zeit ein Ge-
prage, welches sie bis auf die letzte der geologischen Perioden,
ja selbst bis auf unsere Zeit erhalten hat. Auf diese Periode
folgte die alteste Tertiar- oder Eocen- Periode. Mit ihr ge-
wann das Festland unstreitig mehr Ausdehnung, und obgleich
noch auf einzelne Inseln und Inselgruppen beschrankt, konnte
doch in eben dem Masse auch die Vegetation einen grosseren
Umi'ang erhalten. Aber nicht b!os die Masse, sondern auch
die Mannigfaltigkeit der Ausbildung des pflauzlichcn Typus ist
es, dem wir hier zuerst im vollen, reichen Masse begegnen.
Was wir bisher aus England, Frankreich und Italien, wo
diese Formation vegelabilische Einschliisse darbot, erhalteii ha-
ben, ist immerhin sehr sparsam gewesen. Das Pariser und
Londoner Becken, die Schichten des Monte Bolca u. a. geben
kaum einige Dutzend Pflanzen, theils in Friichten und Samen,
theils in Blattresten. Bei weitem reichhaltigrer hat sich diese
Formation, in der siidlichen Steiermark, wo sie erst vor kurzem
enldeckt wurde, gezeigt. Ich kann sagen, eine einzige Loea-
litat, namlich Sotzka , eine halbe Meile nordlieh von Cilly, hat
e|ne solche Menge von Pflanzen, in Blattern, Friichten, Samen
>'• s. vv. geliefert, dass sie die Zahl sammtlicher bisher aus die-
ser Formation bekannteu Pflanzenarten nocb weit fibersteifft.
o
In dem beifolgenden Portfeuille sind sechsthalbhundert einzelne
Pflanzentheile aus dieser interessanten Fundgrube abgebildet, die
ZU 121 gut von einander zu unterscheidendea Arten und diese
vvieder zu 42 verscliiedenen Pflanzenfamilien gehoren, und daber
ein hinlangliches Zeugniss von der lleicbbaltigkeit der Flora
jener Zeit ablegen, wovon man bisher keine Ahnong hatte.
Aber unser Erstaunen wird noch urn so mehr gesteigert,
sobald wir einen Blick auf die Einzelheiten dieser Flora selbst
lenken. Wenn uns die sparsamen Ueberbleibsel der dieotyle-
donen Pflanzen aus der Kreidezeit wie unerklarte Rathsel er-
scheinen, wenn wir anderseits in der Vegetation der jiingeren
Tertiarzeit eine offenbare Hinneigung der Pflanzenwelt zu der
dermaligen Vegetation von Nordamerika und Hochmexiko wahr-
tiehmen, so stehen die Pflanzen, welche ich hier zu erklaren,
d. i. auf ihre verwandten Typen zuriickzufiibren suchte, seltsam
genug, wie vermittelnde Weltbiirger da, und tragen unverkenn-
bar den Charakter der ihre Arme weithin verbreitenden ocea-
nischen Flora an sich, — eine Thatsache, welche fur die Ge-
schichte der Vegetation unseres Erdballs von der grossten Bedeu-
tung ist, und die Quelle der wichtigsten Folgerungen werden kann.
Ich beschranke mich hier nur darauf hinzuweisen, dass ich
es an Fleiss nicht fehlen liess , diese Flora, die ich die fossile
Flora von Sotzka nennen will, in einem ihrem Interesse wiir-
digen Kleide auszustatten.
6
DerText, welcherin einen allgemeinenraisonirenden und einen
speciellen,beschreibenden zerfallt, ist bereits geschrieben und kann in
wenigenWochen derAkademiezumDruckefertig vorgelegt werden.
Schliesslich muss ich noch Herrn A. v. Morlot bier ciffent-
lich meinen Dank ausdriicken, da durch dessen Vermittlung eben
das reichhaltige Material, das dieser Arbeit zum Grunde liegt, zu
Stand e gebracht wurde.
Das Ansuchen des Hrn. Prof, wurde einstimmig genehmigt.
Das \v. M., Herr Professor Friedrich Rochleder in
Prag, iibersandte nachstehende von ihm und Dr. Hlasiwetz
gemachte Untersucbung: „Ueber dieWurzel AerChio-
cocca race mo s a."
Die Wurzei dieser in dieFamilie derRubiaceen gehorigen Pflanze
wurde von Francois, Pelletier und Caventou untersucht.
Es wurde von ihnen eine eigenthiimliche Substanz darinnen ent-
deckt, das Caincin, auch Caincubitter oder Ca'incasiiure genannt,
welche Substanz von Li ebig analysirt wurde, der dafiir die Forme!
Cs Hn Ok aufstellte.
Bran des fand in dieser Wurzei einen Stoff von basischer
Natur, welcbon er Chiococcin nannte, welchen v. Santen fur
identisch mit Emolin erklart.
Wir haben die Untersucbung dieser Wurzei wieder aufgc-
nommen, um die in ihr enthaltenen Stoffe genauer kennen zu
lernen, ihren Zusammenbang untereinander und ilire Beziehungen
zu den Stoffen festzustellen, welche in andern Pflanzen derselben
natiirlichen Familie vorkoramen. Diese Arbeit schliesst sich an
jene fiber Coffea arabica an, womit der Fine von uns seit liingerer
Zeit beschiiftigct ist.
Die Caincawurzel entbiilt in ihrem Holze wenig losliche
Stoffe, die grosste Menge derselben ist in der Rinde der Wurzei
enthalten. Durch Stossen der bei 100° C. getrockneten Wurzei
lost sich die Rinde von dem Holze ab, und kann ziemlich genau
von den Holztheilen getrennt werden.
In der Rinde ist ein Stoif enthalten, der im Holze nur in
iiusserst geringer Menge vorkommt, der dem wasserigen Auszuge
der Rinde die Eigensehafl crtheilt, durch Eisenoxyd-Salze gruti
gefiirbt zu werden. Diese Materie. ist die Kaflfegerbsaure.
Wird die Wurzelrinde mit Weingeist ausgekocht und die
filtrirte Fliissigkeit mit weingeistiger Bleizucker-Lbsung vermischt,
so entsteht ein gelber Niederschlag, dessen gelbe Farbe von einem
Gehalt an kaffegerbsaurem Bleioxyd herriihrt, er enthalt nebstbei
ca'incasaures Bleioxyd und Bleisalze unorganischer Siiuren, nament-
lich Pbosphorsaure. Die Fliissigkeit, die von diesem Niederschlage
abfiltrirt wird, gibt mit dreibasisch essigsaurem Bleioxyd einen
sehr blassgelben Niederschlag, der grosstentheils aus ca'incasaurem
Bleioxyd besteht, mit kleinen Mengen von kaffegerbsaurem Blei-
oxyd verunreinigt. So leicht es auf diese Art gelingt, die grosste
Menge der Caincasaure von der meisten Kaffegerbsaure zu trennen,
so schwer fallt es , die letzten Spuren Caincasaure aus der Kaffe-
gerbsiiure zu entfernen, und reine Kaffegerbsaure oder ein reines
kaffegerbsaures Salz zu erhalten.
Durch Zerlegen des ersten, oben erwahnten Niederschlages
mit Schwefelwasserstoff und partielles Ausfallen der hiedurch
erhaltenen Fliissigkeit mit Bleizuckerlosung und oftere Wieder-
holung dieses Verfahrens gelang es , eine von Caincasaure voll-
kommen reine Bleiverbindung der Kaffegerbsaure darzustellen,
welchebei der Analyse 40,83 pCt. Kohlenstoff, 4,11 Wasserstoff
und 25,66 Bleioxyd gab. Daraus berechnet sich fiir die mit dem
Bleioxyd verbundene Substanz folgende Zusammensetzung :
28 Aequivalente Kohlenstoff
17 „ Wasserstoff
15 „ Sauerstoff
39,5?
100,00 —
100,00
Die Forinel
fts H^ On = Cn Hs 07 + C« H8 On , HO.
Die aus diesem Salze abgeschiedene Siiure besitzt alle Eigen-
schaften der Siiiire in den Kaffebohnen , sie fiirbt Eisenoxydsalze
dunkelgriin, gibt mit Bleioxyd gelbe Verbindungen, wird mit
Ammoniak der Luft ausgesetzt griin, die griine Losung wird bei
Zusatz von Essigsaure braun und wird dann durch Bleizucker blau
gefallt. Mit Kali der Luft ausgesetzt wird sie braun. Mit einem
Worte. sie ist identisch mil der Kaffegerbsaure.
8
Die Caincasaure wird erhalten, wenn der oben erwahnte
zweite, blassgelbe Niederschlag mit Schwefelwasserstoff zersetzt,
die Flussigkeit vom Schwefelblei abfiltrirt und etwas eingedampft,
hierauf durch einige Zeit sich selbst uberlassen wird. Es bildet
sich ein flockiger Niederschlag, der unter dem Mikroskope als ein
Haufwerk vierseitiger Prismen erscheint. Eine weitere Menge von
Caincasaure erhalt man, wenn der erste gelbe Niederschlag, wel-
chen Bleizuckerlosung in dem weingeistigen Dekoct der Wurzel-
rinde hervorbringt , mit Schwefelwasserstoff zersetzt, die vom
Schwefelblei abfiltrirte Flussigkeit nach Austreiben des uberschiis-
sigen Schwefelwasserstoffes mit einer Bleizucker-Losung gefiillt,
von dem Niederschlage die Flussigkeit abfiltrirt und mit dreibasisch
essigsaurem BIcioxyd ausgefallt wird. Der Niederschlag wird mit
Schwefehvasserstoff zerlegt, und die vom Schwefelblei abfiltrirte
Flussigkeit durch Verdampfen im Wasserbade concentrirt und sich
selbst uberlassen. Nach einiger Zeit krystallisirt die Caincasaure
heraus. Man sammclt die aus den beidenNiederschlagen gewonnene
Saure auf einem Filter, lasst die Mutterlauge abtropfen, wascht
mit wenig kaltem Wasser die Masse aus, presst sie zuletzt zwischen
ofters erneulem Lo'schpapier aus und lost sie in der kleinsten
Menge siedenden Wassers, dem eine kleine Menge Weingeist jai-
geselzt wurde. Die filtrirte Losung setzt nach dem Erkalten die
Caincasaure ab, deren Menge sich beim Stehen noch etwas ver-
mehrt. Durch vier oder fiinfmaliges Umkrystallisiren erhalt man
sie vollkommen rein,
Sie stellt eine rein weisse , seidengliinzende, aus feinen , ver-
filzten Nadeln bestehende, geruchlosc Masse dar, die beim Erhitzen
unter Verbreitung cines Weihrauch ahnlichen Geruches sich zer-
setzt, und keine Spur Asche zurucklasst. Sie lost sich in Wasser
und Weingeist auf, und glbt mit Eisenoxydsalzen keine Fitrbung ;
mit Bleisalzen rein weisse Niederschlage, Alkalien bewirken keine
Veranderung in der Losung. Verdunnte Schwefelsaure, Salzsaure
und Salpetersaure bewirken in der wasserigen Losung beim Erwiir-
men augenblicklich eine Zersetzung, es scheidet sich eine unlos-
liche Materie in gallertartigen Flocken aus, wahrend ein anderer
Stoff in Losung bleibt. Die Saure verschwindet vollkommen.
Die reine bei 100° C. getrocknete Saure gab folgende Resultate
bei der Analyse :
I. 0,3690 Substanz gaben 0,7903 KohlensSure und 0,252G Wasser
II. 0,2809 „ „ o!5082
III. 0,2494 „ „ o,5335
IV. 0,2980 „ „ 0)C357
V. 0,2144 „ 0i4570
0,1965
0,1780
0,2111
0,1489
Diess gibt auf 100 Thcile berechnct folgende Znsammensctzunn-
ii.
III.
IV.
16 Aeq. Kohlenstoff
= 1200,0- 58,18- 58,40- 58.08- 58,34- 58,18- 58 13
13 Aeq. Wasserstoff
7,93- 7,87— 7.72
7,60-
7,77-
= 162,5— 7,8
7 Aeq Sauerstoff
= 700,0- 33,04- 34.00- 34,15- 33,73- 33,95- 34. 1 5
2062,5— 100,00— 100,00-100,00— ioo.oo^TooT^TooToo
Diese Formel unterscheidet sich von jener, welche Liebig
aufgestellt hat, um ein Aequivalent Wasser.
Cu Ha 08 = Ci6 Hi5 07 + HO.
Die unter I und II aufgefiihrten Analysen waren mit Ca'inca-
siiure von einer Bereitung angestellt, die Saure zu den Analysen
III und IV war von einer andern Portion Wurzel bereitet, die
Analyse V war mit einer Saure angestellt, die aus einer dritten
Portion Wurzel bereitet wurde. *)
In dem weingeistigen Auszuge derWurzelrinde ist eine gewisse
Menge von Kalk enthalten, die durch Bleisalze erzeugten Meder-
schliige sind daher kalkhaltig, u„d ihr Kalkgehalt geht bei der
Zersetzung durch Schwefelwasserstoff in die Fliissigkeit fiber.
Wird eine solche kalkhaltige Losung im Wasserbade zur Syrups-
dicke verdunstet und mit einer grossen Menge wasserfreiem Wein-
geist vermischt, so fallt eine weisse flockige Materie nieder, welche
einsauresKalksalzderCamcasaureist, es wurde auf dem Filter
mit Alkohol ausgewaschen, zwischen Loschpapier geprcsst und
bei 100° C. getrocknet.
)AIIe Verbremmngen w„rden In der Art ausgefiihrt , dass die Substans
mit chromsaurem Bleioxyd warm gemischt in die Rohre gebracht und
e.ne lange Schichte grobkSrniges Kupferoxyd vorgelegt wurde. Von dem
warmen Mischen ruhrt der geri„ffe Wa«er.toff-Gehalt in der Aaalyse her.
10
Die Zusammcnsetzung ist folgcnde:
I. 0,329 Sulistanz geben 0,607 Kohlensaure.
11.0 1725 „ « °>319 Kohlensaure und 0,118 Wasser.
III. 0 3865 „ » 0,0535 schwefelsauren Kalk.
IV. 0,3235 „ » 0..043 „
Diess entspricht folgender Formel:
bevcchnet
gefunden
I. II.
160 Aeq. Kohlenstoff = 12000,0-
145 Aeq. Wasserstoff = 1812,5-
85 Aeq. Sauerstoff = 8500,0-
4 Aeq. Kalk = 1400,0-
50,61—50,31-
7,64—
35,85—
50,43
7,60
36,50
i.90-
5,69— 5,47
23712,5-100,00- . . . -100,00
Die Formel
10(ftf, Hn 07) + kCaO+ Maq.
liisst sich betrachten als zusammengesetzt aus
= C,« Hn Oi CaO + 3 [Ca 0 + 3 (Cu Hu Or) + 5a?].
Die Losung der reinen Caincas'aure in Alkohol gibt mit einer
alkoholischen Bkizuckerlosung eine geringe Menge eines weissen
Niederschlages, der bei 100° C. getrocknet folgende Zusammen-
setzung zeigte:
I. 0,3264 Substanz gaben 0,4184 Kolilensaure u. 0.1309 Wasser
II. 0,3250 „ „ 0,1310 Bleioxyd.
Diess gibt auf 100 Theile berechnet:
berechnel gefunden
16 Aeq. Kohlenstoff = 1200,0- 34,71— 34,95
13 Aeq. Wasserstoff = 162,5— 4,70— 4,45
7 Aeq. Sauerstoff = 700,0— 20,25— 20,30
1 Aeq. Bleioxyd = 1394,5— 40,34— 40,30
3457,(^401^00^100,00"
Mit dreibasisch-essigsaurem Bleioxyd erhalt man aus einer
Caincasiiure-Losung einen reichlichen weissen, schleimigen, schwer
auszuwaschenden Niederschlag von folgender Zusammensetzung :
I. 0,5805 Substanz gaben 0,5675 Kohlensaure
II. 0,425 „ „ 0,2185 Bleioxyd.
11
Diess cntspricht folgender Formel :
bereehnet gefunden
48 Aeq. Kohlenstoff = 3600,0— 26,67—26,60
42 Aeq. Wasserstoff = 525,0— 3,89—
24 Aeq. Sauerstoff = 2400,0— 17,78—
5 Aeq. Bleioxyd = 6972,5— 51,66—51,40
1 3497,5^—100,00 —
Die Analyse des ersten Bleisalzes gibt etwas weniger Wasser-
stoff und kommt der Formel Cu H^ O? zunjichst. Diese Formel
lasst sich aber weder mit den Analysen der reinen Saure noch mit
den Zersetzungsproducten der Saure in Einklang bringen.
Wird Ca'incasaure in concentrirter Kalilauge gelost, einige
Stiicke von Kali der Losung zugesetzt und die Mischung in einer
Silberschale erhitzt, so schiiumt die Masse stark auf, wird unter
Gasentwicklung gelb und man erhalt eine gelbbraunliche Masse,
die, wenn das Erhitzen niclit zu weit gegangen ist, nach dem
Auflosen in Wasser auf Zusatz von Essigsiiure unter Kohlensaure-
Entwicklung eine gallertartige Substanz fallen lasst. Diese Gal-
lerte erhalt man viel leichter und in grossererMenge durch Behand-
lung der wiisserigen Losung von Ca'incasaure mit verdiinnten Siiuren.
Die klare Fliissigkeit wird beim Erwarmen triib, wenn sie con-
centrirt war schleimig, und lasst auf Zusatz von Wasser eineflockige
Masse fallen, die leicht in Weingeist liislich, in Wasser unlos-
lich ist, die wir mit dem Namen Chiococcasaure bezeiehnen
wollen.
Um diese Saure rein zu erhalten, wird sie in siedendem Wein-
geist gelost, woraus sie sich, wenn er hinreichend wasserhaltig
war, beim Erkalten grosstentheils ausscheidet. Die ffclblich jre-
farbte Mutterlauge ist von der ausgeschiedenen Saure wie von
einem Schwamm eingesaugt. Die Masse hat viel Aehnlichkeit mit
transparenter Seife. Man presst zwischen feinen Leinen die Fliis-
sigkeit ab, lost wieder in Weingeist und wiederholt diess Verfahren
so lange, bis die weingeistige Losung vollkommen i'arblos erscheint.
Eine solche Losung wird durch Wasser in Form von Kieselsaurc-
Gallerte geiiillt, Bleizncker- Losung bringt in derselben einen
Niederschlag von weisser Farbe hervor , der mit Weingeist gewa-
schen und bei 100°C. getrocknct folgende Zusammensetzung gab:
12
I. 0,429 Substanz gab en 0,070 Kohlensaure und 0,205 Wasser
II. 0,114 „ „ 0,043 Bleioxytl.
Diess gibt auf 100 Theile berechnet folgende Zahlen:
berechnet gefunden
192 Aeq. Kohlenstoff — 42,92— 42,90
144 Aeq. Wasserstoff — 5,30— 5,30
48 Aeq. Sauerstoff — 14,31— 14,03
9 Aeq. Bleioxyd — 37,41— 37,71
100,00—100,00
Gn Hm 048 , 9 PbO^U[Cn Jh 0s] + 9 PbO.
Die Gallerte selbst gab folgende Resultate bei der Analyse:
I. 0,4800 der Chiococcasaure mit Salzsaure aus der Cainca-
saure dargestellt und bei 120° C. getrocknet gaben 1,236? CO,
und 0,3872 Aq.
II. 0,3135 der Substanz von einer zweiten Bereitung, bei
100° C. getrocknet gaben 0,8021 COz.
III. 0,5335 derselben Substanz gaben 0,41 57 Aq.
IV. 0,2019 Chiococcasaure gaben bei 100° C. getrocknet
0,5165CO3 und 0,15954?.
Diess gibt auf 100 Theile berechnet:
berechnet ^efunden
i. n. u. hi. iv.
48 Aequiv. Kohlenstoff =3600,0— 70.07— 70,18— 69,78— 69,77
35 Aequiv. Wasserstoff = 437,5— 8,52— 8,05- 8,65— 8,78
11 Aequiv. Sauerstoff =1100,0— 21,41— 20,87— 21,57— 21.45
5137,5—100,00—100,00—100,00—100,0(1
Cm HM On = 4 . (Cu i/9 08) - HO.
Aus reiner Ca'incasiiure dargestellte Gallerte im Vacuo ge-
trocknet gab: 0,4013 Substanz 1,0065 Kohlensaure und 0,319
Wasser.
Diess entspricht der Formel :
12 Aeq. Kohlenstoff = 900,0— 08,57— 08,40
9 Aeq. Wasserstoff = 112,5— 8,57— 8,83
3 Aeq. Sauerstoff = 300,0— 22,80— 22,77
1312,5 — 100,00—100,00
13
Die Siiure lm Vacuo getrocknet ist weiss, bei 100° C. ge-
trocknet bekommt sie einen Stich ins Gelbgraue.
Die Chioeoccasaure ist im frisch gefallten Zustande eine der
Kieselgallerte ahnliche Substanz , sie trocknet zu einer durchschei-
nenden hornartigen Masse ein , die sich leicht zu Pulver zerreiben
liisst. Beim Erhitzen wird sie schwarz , es sublimiren glanzende
Krystalle, die dem Gewichte nach sehr wenig betragen, und dann
destillirt ein dickfliissiges Oel von starkem Weihrauch- und Petro-
leum-Gcruche fiber. Das Destillat rcagirt sauer. Die Chiococca-
siiure enthalt die Elemente von Terpenthinbl oder einem damit
isomeren Korper und Ameisensaure.
C12 Ha Os = Cio Ha + Cz H Oi.
Zieht man die Forme] der Chioeoccasaure von der Formal der
Ca'incasiiure ab, so bleibt die Formel eines Kohlenhydrates fiber.
&t H. o7 - ciZ m Q* = a h, o4.
Um uns zu fiberzeugen, ob CtHk Ok als Essigsiiure oder sonst
in einer abnlieben Form in der CaTncasaure enthalten sei, wurde
folgender Versuch angestellt.
Reine krystallisirte Ca'incasaure wurde mit verdunnter Schwc-
f elsiiure in einem Destillirgefasse erhitzt. Es entvvickelt sich biebei
vveder Kohlensaure noch ein brennbares Gas. Die Flussigkeit
wurde mehrere Stunden lang im Wasserbade erhitzt , von der
Gallei'te abfiltrirt und mit Barytwasser versetzt. Der Niederschlag
wurde von der Flfissigkeit getrennt und der geloste fiberschfissige
Baryt entfernt, durch Einleiten von Kohlensaure, Erhitzen der
Flussigkeit und Abfillriren von dem kohlensauren Baryt. Die
Flussigkeit wurde im Wasserbade eingedampft , der Buckstand in
Weingeist gelost, von einigen Flocken abfiltrirt und abermals
im Wasserbade zur Trockne gebracht. Es bleibt ein sfisslich fad
schmeckender Buckstand von schwachgelblicher Farbe, der beim
Erhitzen den eigenthiimlichen Geruch des gebrannten Zuckers gibt
und durch sein Verbal ten zu Kupfervitriol-Losung und Kali sich
als Traubenzucker zu erkennen gab.
Die Ca'incasaure ist demnach eine gepaarte Verbindung von
Chioeoccasaure und einem Kohlenhydrat , welches Letztere durch
Einvvirkung von Sauren in Traubenzucker fibergefiibrt und von der
14
Chiococcasaure getrennt wird. Daher kommt es auch , dass die
Ca'incasaure mit Kalihydrat im Ueberschuss erwiirmt den Geruch
nach Metaceton von sich gibt, was bei der Chiococcasaure nicht
mehr der Fall ist.
Diese Art der Zusammensetzung stellt die Ca'incasaure neben
das Salicin , Phlorrhyzin und Amygdalin , welehe ebenfalls gepaarte
Verbindungen sind, die ein Kohlenhydrat (indifferentes) en tb alt en.
Die Chiococcasaure stent zur Ca'incasaure in demselben Ver-
hiiHnisse, wie die Gallussaure zur Gerbsiiure.
Ca'incasaure =C,,
Chiococcasaure :
^16 "\i "l
■cltHa o3
Ci H, Ok
Gerbsiiure = Clg Hs 012
Gallussiiure =Cj4 Jfj Og
C4 #* o4
Wenn wir die Formeln der Siiuren neben einander setzen, die
in verschiedenen Pflanzen derFamilie derRubiaceen vorkommen so
stellt sich eine interessante Aualogie in ihrer Constitution heraus.
Chinasaure ) (Cz Hz Oz
CuHwOio J \C,zl:hOs
Diese Gruppirung erkliirt die Erscheinungen bei der trocknen
Destination, welehe Wo hi er untersuchl; hat. Die Gruppe Cz Hz Oz
zerfallt in Cz Oz, welches als Kohlenoxyd entweicht, wjihrend der
Wasserstoff theils zu noch unzersetzter Chinasaure tritt und diese
in Benzoesaure und salicylige Siiure umwandelt;
Cu Ha Oio + Hz — Gag = Cu He On ,
theils zu dem aus der Gruppe Cm H8 0% entstandenen Chinon tritt
und dieses in Hydrochinon verwandelt.
Caflegerhsiiure ) (Cz Hz Oz
C* Ht O, ) (Gz He 05
Die Gruppe C% Hz Oz geht durch Oxydation in Cz H Os tiber
und es entsteht die Viridinsaure , sie kann auch von der Gruppe
dz Hs Oi getrennt werden , wobei diese Letztere in Ciz H Or,
iibergeht.
Cateehusaure) [Cz H Oi
Cm HO, ) = \Ci% He Oi
Durch die trockene Destination entsteht das Brenzeatechin
Cit He Ok oder C6 H Oz.
15
Ca'ineasaureC (Ci H^ Oa
cu Hn o7 j "" \Cu n»o3
Durch schmelzendes Alkali oder verdiinnte Siiuren in der
Warme wird die Chiococcasaure Cn H3 Os von der Gruppe
2 . (Ca Hz Oi) getrennt, und Letztere inTraubenzucker vervvandelt
oder zerstort. Auf diese Art betrachtet,besteht ein inniger Zusam-
menhang zwischen diesen Stoffen, so wie zwischen der Ca'inca-
saure und Kaffegerbsaure, die in einer und derselben Pflanze
neben einander vorkommen. Die Kaffegerbsaure enthalt die
Gruppe Cz Hz Oz, die Ca'incasaure die Gruppe 2 . (C3 Hz Oz)-
Die Kaffegerbsaure enthalt eine zweite Gruppe &z He Osj die
Ca'incasaure die Gruppe
Ci2 H8 Os = dz Ha 05 + ZAq — 05.
Unter Aufnahme von Wasser und Abscheidung von Sauer-
stoff geht die Kaffegerbsaure in dieser Pflanze in die Ca'inca-
saure iiber.
Es bleibt noch der brechenerregende Stoff der Ca'inca-
wurzel zu untersuchen , womit wir so eben beschaftigt sind.
Herr Brendl in Starkenbach ubersandte seine im Monate
Mai angestellten meteorologischen Beobachtungen, vvelche der
meteorologischen Commission zugewiesen wurden.
Das w. M., Herr Custos Kollar, erstattete nachstehende
Berichte:
a) Ueber ein von Herrn Christian Brittinger, Apo-
theker in Steyr, an die kais. Akademie derWissen-
schaften gesendetes Insect.
„Herr Apotheker Chr. Brittinger in Steyr sendet,
wie aus dem nachfolgenden Schreiben hervorgeht , an die
k. Akademie der Wissenschaften mehrere Individuen von einem
Insect, welches sich in einigen Dorfern von Oesterreich ob der
Enns als ein sehr liistiges Ungeziefer in den Hausern zeigt, bei
den Landleuten unter dem Namen „Russen" bekannt ist und
durch Teichgraber aus Bohmen eingeschleppt sein soil. — Herr
16
Brittinger erkennt in diesem Insecte ganz richtig die Malta
Germanica Fabr. ; es ist eine Art der unter dem Namen ,Ka-
kerlaken oder Ktichenschaben" bekannten Geradfliigler (Orthop-
tera) und gehort allerdings gleich der bei uns haufig vorkom-
menden Blatta orientalis Lin. zu der Zahl jener Thiere, welchc
den Menschen in alle Klimaten begleiten, sich sowohl von ver-
schiedenen vegetabilischen als auch animalischen Stoffen nahren
und bei allzugrosser Vermehrung, an Nahrungsmitteln, Waaren
und Stoffen aus Leder bedeutenden SMiaden anrichten konnen'.
Sie kommen nicht allein in einem grossen Theile von Europa
selbst im hohen Norden in Russland, dann auch in Kleinasien'
an der Nordkiiste von Afrika vor, sondern begleiten auch die
Schiffe nach den Tropenlandern, wie der schwedische Naturfor-
scher Dr. Sundowahl1) berichtet. Nach den Beobachtungen
des letztgenannten Naturforschers ist ein kleiner Kafer, der
Symbius blattarum, ihr naturlicher Feind, der seine Verwand-
lung in den Leibern dieser Kakerlaken durchmacht und sie todtet
In der Nahe von Wien ist die Blatta Germanica noch
nicht heobachtet worden, wohl aber in Schlesien und in Boh-
men im Budweiser und Prachimer Kreise, wo sich die Landbe-
wohner auf keine andere Weise von dem lastigen Insecte be-
freien konnten, als dass sie im Winter Thiiren und Fenster
durch liingere Zeit geoffnet Iiessen.
Eine sehr umstandliche Naturgeschichte dieser Blatta liefert
der russische Naturforscher Hummel in seinen Essais
cntomol. Nr. 1."
b) „Bericht uber das Vorkommen einer Kaker-
laken - Art im Traunkreise in Oberosterr eich."
Vor ganz kurzer Zeit kam ein Landmann in meine Apo-
theke uud verlangte ein Mittel zur Vertilgung der sogenannten
Schwabenkiifer; und gab vor, dass in seiner Gegend die meisten
Bauernhauser, seit nicht langer Zeit, von einer Gattung Kafer,
welche dort unter dem Namen „Russen" bekannt sind , sehr
geplagt seien.
Ich stellte nun an ihn die Frage, wie denn diese sogenann-
ten Russen in ihre Gegend gekommen seien, und er berichtete mir
1). Jsis. v. J. 1831.
17
Folgcndcs dariiber: Sie seien durch Teichgraber aus Bohmen
nach Oberosterreich gebracbt worden, und selbe wieder durch
russischeUnterlhanen, welche als Taglohner zum Stocke-Ausreitern
von dortigen Glashiitten-Besitzern verwendet warden, nach Boh-
men gekommen, daher sie den Namen 3,Russen" erhalten hatten.
Ubschon mir letstere Augabe nicht wahrscheinlich vorkam,
so war ich doch sehr neugierig, diese neuen Gaste naher kennen
zu lernen. Ich gab nun diesem Landraanne, von gana gesundem
Hausverstande, zwei kleine Scliachtelchen wit der Bitte, mir
ehestens mehrere dieser Kafer lebend zu bringen ; ich wiirde
dann sehen, was es fur Tbierchen sind, und ihm dann vielieicht
eher zur Vertreibung derselben, einen Rath ertheiien konnen.
In aciit Tagen kam richtig der gute Mann, und brachte mir
diese Thierchen lebend, ich habe dieselben beobachtet und nach
Moglichkeit zu erortem gesucht. Es zeigte sich sogleich , dass
diese Gaste der Gattung Blatta der Hemipteren (Vlonata und
Rlujngola Tab.) angehoren und zwar, nach der mir wenig Hilfs-
quellen zu Gebothe stehenden Insecten-Abtheilung diirfte es Blatta
Germanica sein, die Diagnose ware folgende:
„Blatta livida, corpore flavescentc, thorace lineis duabus
parallelis nigris."
Es folgen nebenbei in einem Schachtelchen von dieser nun
ein Mannchen und drei Weibchen, zur gefalligen Ansicht; wovon ein
Weibchen noch ein Eier-Behaltniss (Hiilse) im Leibe hat, welches
diese so Iange aus dem Leibe hervorstehend herum zu traeen
scheint, bis durch die Luft die aussere Schale etwas getrocknet
und erhartet wird ; wo sie es dann fallen lasst.
Auch folgt besonders ein derlei Eier-Behaltniss, in welchem,
wenn man dieses in zwei gleiche Halften theilen wiirde, man in
Jeder Halfte achtzehn Zellen fiinde, in denen achtzehn weisslich-
langliche Eier, ahnlich denen der Ameisen, enthalten sind.
Im Leibe der Mutter bildet sich also ein Eierkastchen, in
welchem sich ihre sechs und dreissig Kinder nach und nach zu
entwickeln anfangen!
Der gemeine Kakerlak (Blatta orientalis) hat deren nur acht
Eier in jeder Halfte, also zusammen sechszehn. Wie sehr sich
diese Thiere vermehren, ist diesen Landleuten nur zu bekannt,
sie halten sich vorzuglich in den holzernen Zimmerdeckboden auf,
Slteb, d. mathem. naturw. CI. Jahrg. 1850, II. Bd. I. Heft. 2
18
und wo sie sich einmal eingenistet haben , sollen sie selbst die ge-
wohnlichen Kakerlaken vertreiben? Sie werden iibrigens eine wahre
Pla^e der Bewohner, und man furchtet den Besuch dieser Gaste
sehr.
Verbreitet sind sie schon in mehreren Pfarreien z. B. in Pfarr-
kirchen, Nussbach, Kemathen bei Hall und Sirming, audi bei
Gschwent, und Pfarr Konrad bei Gmunden, nach Aussage obigen
Landmannes.
Wahrscheinlich diirfte es indessen sein, dass diese Kakerlaken
sich wie mehrere andere Arten, als : Blatta lapponica , Blatta
maculala, Blatta perspicillata , Blatta sylveslris, etc., unter
der Rinde in Baumen und Wurzelstbcken der Wiilder aufhalten
und durch das Ausreitern der Stocke, in denen sie sich aufgehalten
haben, in die Klcider der Arbeiter gekommen sind ; welche sie in
die Wohnungen gebracht haben, wo sie sich eingenistet, und ein-
geburgcrt haben, und so durch die bohmischen Teichgraber, in
unsere Gegend gebracht worden sind!
Custos Kollar iibergab hieraut einige ihm bei seiner Durch-
reise durch Berlin vom Herrn Professor Ehrenberg fur die
kaiserl. Akademie der Wissenschaften mitgetheilte, blutroth ge-
fleckte Brotstiicke, mit der Bemerkung, dass diese rothe Farbung
von der durch Ehrenberg im September des Jahres 1848 in
Berlin entdeckten Monas prodigiosa Ehrb. herruhre, eincs Infu-
sions-Thierchens, dasnur %000 — y8000 einer LinieimDurchmesser
betrage und somit 46 bis 884 Billionen dieser Thiere auf einem
Kubik-Zoll Brot beisammen wohnen. Dieses Thierchen sei auch,
wie Herr Ehrenberg in einer sehr gelehrten Mittheilung an die
Berliner Akademie gezeigt, Ursache an dem seit alten Zeiten be-
ruhmten Prodigium des Blutes oder dem Blute im Brote. Aus dem
Monatsberichte der konigl. preuss. Akademie der Wissenschaften
vom September und Oktober sei zu entnehmen, dass Ehrenberg
diese Erscheinung bis zum Jahre 332 vor Christi Geburt verfolgte
und dass irrige Ansichten daruber hiiufig Anlass zum Aberglauben
und zu grausamen Verfolgungen, Misshandlungen und Menschen-
opfern gegeben haben.
19
Das correspondirende Mitglied Ilea- Dr. Wilhelm Wert-
„Ueber die Hauptre-
heim hielt nachfolgenden Vortrag
sultate seiner Unt ersuchungen der allgemeinen
Gesetze des Gleichgewichtes und der Bewegung
der testen und flussigen Korper".
Ich bitte die Akademie um die Erlaubniss, ihr die Haupt-
resultate der Uutersuchungen vorlegen zu diirfen, die ich in den
letzten Jahren angestellt habe, und die, wenn sie auch noch kein
luckenfreies Ganzes bilden, doch schon einen Gesammtiiberblick
gestatten. Diese Arbeiten, die ich zuvorderst bios in der Ab-
sicht angestellt batte. die Richtigkeit einiger allgemein ange-
nojnmenen Gesetze des Gleichgewichtes fester elastischer Kor-
per zu erproben, haben nach und nach eine solche Ausdehnun"-
gewonnen, dass sie jetsit die allgemeinen Gesetze des Gleichge-
wichtes and der Bewegung der festen sowohl als der flussigen
Korper umfassen und modificiren. Bekauntlich hat das Bestreben,
Chladni's Klangfiguren auf analytischem Wege zuerklaren, zu
der neueren mathematischen Theorie der Elasticitat den Anstoss
gegeben, die von FrI, Sophie G e r in a i n und von IV a v i e r begrun-
det, durch Lame u. Clapeyron's, Poisson's Cauchy's
Duh am el's und Blanchet's Arbeiten zu ihren gegenwarti-
gen Ausbildungsgraden gediehen ist; durch dieselben sind die
Gesetze der Elasticitat auf die Gesetze der Molekularkrafte zu-
riickgefiihrt, und somit ist die Erforschung der letzteren ange-
bahnt worden,
Es war daher unumganglieh nothig zu untersuchen, ob die
aus der Theorie sich ergebenden Gesetze auch wirklich mit der
Erfahrung (ibereinstimmen, denn diese Untersuchung war bisher
nur in wenigen Fallen und immer nur mit dem offenbaren Be-
streben unternominen worden, die gewiinschten "tibereinstimmen-
den Resultate zu linden. Zu diesem Behufe musste vor Allem
die von der vorausgegangenen mechanisehen Behandlung, von
der chemischen Zusammensetzung und von der Temperatur des
Korpers abhangige Constante, die in alle betreffenden Formeln
emgeht. , der Elasticitatscoeffieient namlich, initlelst einer von
eben diesen Formeln unabhangigen Metbode bestimmt werden;
ich bediente mich daher ausschliesslich der linearen Ausdeh-
«»Wgj und die mittelst derselben erlangten Werthe der Elastic!-
2 *
20
tatscoefficientcn, die in meinen KUern Abhandlungen enthalten
sind, weichen, wie ich bald bemerkte, in vielen Fallen von den-
jenigen bedeutend ab, die man mittelst Methoden und mit An-
wendung der aus der Theorie abgeleiteten Formeln erhalt. Am
auffallendsten stellte sich diese Niehtubereinstimmung bei Ge-
legenheit der vor Kurzem von Regnault angestellten Ver-
suche tiber die Zusammdriickbarkeit der Fliissigkeiten heraus.
Er bestimmte dabei die kubische Zusammdriickbarkeit der dazu
verwendeten gliisernen und metallencn Piezometer, berecbnete
dann in jedem Falle mittelst der von Lame entwickelten For-
meln den Elastieitatscoefficientcn der betreffenden Substanz, und
fand bestandig grossere Werthe als die- von mir fiir dieselben
Substanzen mittelst der diiecten Ausdehnung bestimmten. Die
Differenzen uberstiegen um ein Bedeutendes die Fehlergranzen
der b eider artigen Beobaehtungsmethoden, und konnten daher nur
der Theorie zugeschrieben werden, wodurch ich roich veran-
lasst sah, dieselbe einer vollstandigen Priifung zu imterwerfen.
Das einfachste und dem Experimente am leichtesten zugang-
iche unter den theoretisch aufgestellten Gesetzenist wohl Po is-
s o n's bekanntes Gesetz tier Volumsveranderungen fester ela-
stischer Korper, das also lautet: Wenn man einen Cylinder
oder ein Prisma seiner Lange nach ausdehnt oder zusammen-
driickt, so nimmt sein Voiumen im crsten Falle zu, im zwei-
ten Falle ab, und in beiden Fallen ist die proportionale Volums-
veranderung gleich der Halfte der proportionalen Liingenande-
rung. Dieses Gesetz hatte durch ein von Cagniard - Latour
angestelltes Experiment eine scheinbareBestatigung erhalten, aber
bei naherer Priifung iiberzeugt man sich leicht, dass die von
ihm angewandte Methode ihrer Natur nach kein genaues Re-
sultat geben konnte.
Cagniard -Latour mass die an sich schon sehr kleine
Volumsanderung, welche ein dunner Metalldraht bei seiner Ver-
langerung erleidet , mittelst der noch kleineren Aenderung des
Niveau einer in einer engen Rohre enthaltenen Fliissigkeit , in
welche der Draht eingetaucht ist ; dazu kommt noch, dass man
beim Ansdehnen des Drahtes eine Fliissigkeitsschichte mitnimmt,
und dass das Verhaltniss des Querschnittes der Rohre zu dem des
Drahtes nicht mit hinlanglicher Genauigkeit bestimmt worden
21
war; alle diese Fehlerqueilen machen Cagniard - L atour's
Experiment zu einem ganz unzureichenden.
Ich verfuhr nun auf folgende Art: ich bediente mich langer
und dicker vierseitiger Prismen aus Kautschuk, die ich beliebig
und gleichmassig verlangern , und deren Querdurchmesser bei
jeder Verlangerung ich mittelst des Dickenzirkels mit hinlang-
licher Genauigkeit messen konnte. Dabei ergab sich sogleich,
dass die Volumsveranderung das Poisson'scho Gesetz nicht be-
folgt, indem die lineare Verkiirzung der Seite des Querschnit-
tes, die wir b nennen wollen, viel besser mit dem dritten als
mit dem vierten Theile der betreffenden Langenausdehnung iiber-
einstimmt, wie es doch dem Gesetze gemass sein sollte. Ich
will hier sogleich bemerken, dass auch diese Gleichung 6 = -
nur innerhalb gewisser CJranzen vvahr ist; sobald die Langenaus-
dehnung sehr bedeutend wird, so weichen die Volumsveranderun-
gen des Iiautschuk von obigem Gesetze auf gleiche Weise ab wie
die Volumina der Gase unter starkem Drucke das Mariott'sche
Gesetz zu befolgen aufhoren; ich werde spiiter Gelegenheit ha-
ben, auf diescn sehr wesentlichen Punct zuriickzukommen.
Nach dieser vorliiafigcn Untersuchung bediente ich mich
einer weniger directen aberviel genauerea von Eegnault angege-
benen Methods aur Bestimmung des Verhaltnisses zwischen der
Langenausdehnung und der entsprechenden Volumsvergrosserung.
Diese Methode besteht in der Amvendung eines langen hohlen
Cylinders, der an einem Ende verschlossen ist und an dem an-
dern Ende mit einer offenen glasernen Capillar - Rohre in Ver-
bindung steht. Nachdem man* die Dicke der Wandung des Cy-
linders und seinen innern Querschnitt so wie den der Capil-
lar-Rohre mit gehoriger Genauigkeit bestimmt hat , fullt man
ihn mit Wasser so, dass dasselbe bis zu einer gevvissen Hohe
in die Rohre reicht; sodann belastet man den vertical hangen-
den Cylinder an seinem untern Ende mit Gevvichten und misst
mittelst zweier Cathetometer sowohl die Langenausdehnung,
die er erleidet, als auch die Senkung der Fliissigkeitssaule in
der Glasrohre ; man erzielt auf diese Art , da der Durchmesser
des Cylinders gegen den der Rohre sehr bedeutend ist, eine
Messung der Volumsanderung, die noch viel genauer ist als die
22
Messungder Verliingerung. Ichhabe diese Versuche an 3 Messing-
und an 5 Glascylindern von verschiedener Wanddicke und von
verschiedenem innern Durchmesser mit stufenweise steigenden Be-
lastungen angestellt und immer dasselbe Resultat erhalten wie Lei
den Kautschuk-Prismen. Die Experimente geben uns somit iiber-
einstimmend folgendes Gesetz: Die Volumsvergrosserung und die
lineare Verkiirzung der Transversal- Dimensionen sind einander
und dem dritten Theile der longitudinalen Verliingerung gleich.
Poisson's Gesetz ist somit ungiltig, und da es ein unmit-
telbares Resultat der Theorie ist, so fallt dieselbe mit ihm,
und der ganze Calcul miisste eigentlich von Neuem begonnen
werden, und zwar mit veriinderton Grundhypothesen, da die Feh-
lerquelle nur in diesen liegen kann. Gliicklicher Weise hat nun
Cauchy in dem ersten Theile seiner Untersuchungen das Problem
auf cine allgemeinere und von der Molekulartheorie unabhiingige
Art betiandell. Er betrachtet die festen Korper nicht als Aggre-
gate von Molekulen sondern als continuirliche Masscn, und ge-
langt dabei zur Einluhrung zweier Constanten k und K, die man
fiiglich als den linearen und den kubischen Elasticitats-Coefficien-
ten bezeichnen konnte. Sollen nun Cauchy's Formeln mit denen
Poisson's und Navier's tibereinstimmen, so muss man k — 2K
setzen ; sollen sie hiiigegen das von uns gefundene Gesetz der
Volumsauderung geben, so ist man genothigt: k—K zu setzen.
Substituirl man nun diese letztere Gleiehiing in die allgemeinen
Formeln, so gelangt man zu neuen von den Naviers'schen ver-
sehiedenen Differenzialglcichungen des Gleichgewiehtes und der
Bevvegung fester elastischer Korper,
Man sieht auf wie einfache Art ich dureli die Combination des
Calculs mit dem Experimente zu diesen Gleichungen gelangt bin ;
indessen beruben sie doch immer auf der hypolhetischen Voraus-
setzung Cauchy's, dass die Hauptspannungen nicht bios den li-
nearen Ausdehnungen sondern auch den Volumsanderungen pro-
portional seien; sie durften daher nur dann als wabr angenommen
werden, wenn sie auch in alien iibrigen Consequenzen mit der
Erfahrung ubereinstimmten, und diese Verification gab Veran-
lassung zu einer Reihe von Untersuchungen, die ich, um die
Zeit der gelehrten Versammlung nicht zu schr in Anspruch zu
nehmen, nur rasch durchgehen will.
83
Das erste Priifungsmittel boten mir die schon erwahnten
Versuche Regnault's iiber die kubischeZusammdruckbarkeit der
Substanz der Piezometer; fiihrt man niimlich die Rechnungen nach
den neuen Formeln aus sowohl fur sphiirische Piezometer als fur
cylindrische mit ebenen oder mit halbkugelformigen Enden, und
nimmt man darauf Riieksicht, dass die kubische Zusammdriick-
barkeit der linearen gleich ist, so erhalt man fiir die Elasticitats-
coefficienten VVerthe, welche mit den durch direete Verlangerung
erfundenen auf dasgenauesteiibereinstimmen; in diesemPunctewar
somit der Zwiespalt zwischen der Theorie und dem Experimente
durch die blosse Aenderung in den Formeln sogleich beseitigt.
Einen zweiten Vcrgleichungspunct findet man in den Tor-
sionswinkeln und in der Anzahl der drehenden Schwingungen cy-
lindrischer und rechteckiger Stiibe: der numerische Coefficient
dieser Functionen des Elaslicitatscoefficienlen erleidet gleichfalls
eine Veranderung, und auch hier war die Mangelhaftigkeit der
iilteren Formeln schon seit langerer Zeit bemerkt worden, Schon
Biot machte darauf aufmerksam, dass er bei der Berechnung von
Coulomb's bekannten Torsionsversuchen, sowohl fiir Eisen als
fiir Kupfer einen zu kleinen Elasticitiitscoefficienten fand, die-
selbe Bemerkung machte Navier in Beziehung auf Dul can's
Resultate, und wenn man die von Beran, von Savart, von
Giulio, und die in neuester Zeit von Kupffer, mit grosser
Precision angestellten Drehversuche durchgeht , so findet man,
dass von ihnen Allen dasselbe gilt. Was die tonerzeugenden
drehenden Schwingungen betrifft, so sollte sich ihre Schwin-
gungszahl nach den alten Formeln zu jener des longitudinalen
Tones verhalten wie 1 zu 1. 58,- Savart fand jedoch das Ver-
haltniss wie 1 zu 1. 66. Allediese constanten Differenzen zwischen
der Theorie und der Erfahrung verschwinden durch die Anwen-
dung unserer Formeln so vollkommen, dass nur sehr kleine, in-
nerhalb der Fehlergriinzen liegende Abweichungen iibrig bleiben,
und man sieht, dass die iilteren Formeln einen urn Vie zu klei-
nen Werthdes Elasticitiitscoefficienten gebenmussten, eineGrosse,
die durchaus nicht zu vernachliissigen ist, da sie z. B. bei dem Eisen
2500 Pfd. pr. Quadratmillimeter betragt. Ebenso gaben meine Versu-
che fiir das Verhaltniss der longitudinalen zu den drehenden Schwin-
gungen den mit der Rechnung iibereinstimmenden Werth: 1.63.
24
Wenden wir uns nun zu den Schwingungen runder elasti-
scher Scheiben als drittem Vergleichungspunete, so finden wir,
dass die Experimente imd Messnngen, am vollkommen entschei-
dend zu sein5 einen bis jetzt kaum erreichbaren Grad der Ge-
nauigkeit besitzen miissten. Poissonhat namlich fur die ein-
fachsten Fiille, in welehen bios ein Knotenkreis oder mehrere
concentrische Kreise entstehen, dieDurchmesscr derselben und die
cntsprechenden Schwingnagszahlen durch Gleichungen ausge-
driickt, die nur approximativ aufgeliist vverden konnen. Ich be-
rechnete nun die Werthe dieser Grossen nach beiden Hypothesen
und durfte, am hinlangliche Genauigkeit zu erzielen, nur die die
14*8 iibersteigenden Potenzen der VariaMen vernaehlassigen. Die
experimentalen Bestimraungen. der Tone und Durohraesser warden
an mehreren Scheiben von Eisen, Messing und Glas angestellt;
nun liegen die durch den Calcul in beiden Fallen gegebenen Werthe
einander allerdings so nahe und von dem Resultate des Experi-
mentes haufig so fern , dass es sehr schwierig wird, ein Urtheil
zu fallen : indessen stimmen doch namentlich die Tonverhaltnisse
besser mit unseren Zahlen als rait jenen, die man nach Pois-
son's Theorie erhiilt
Zugleich ist es mir gelungen nachzuweisen, dass die Tone
und Knotenlinien einer an einigen Puncten ihres Randes befestig-
ten Scheibe den Uebergang bilden von den Tonen und Kreisen
einer am ganzen Rande freien zu den Tonen und Kreisen eiaer
am ganzen Rande befestigten Scheibe,
Kirchhoff hat sich vor Kurzem gleichialls mit diesem Ge-
genstande beschaftiget, und nach beiden Hypothesen niclitblos die
concentrischen Kreise sondern auch jene Figuren und ihre ent-
sprechenden Tone berechnet, welche aus Kreisen und Durch-
messern bestehen. Seine Resultate verglich Kirchhoff, was
die Tone betrifft, mit Chladni's Experimented und was die Fi-
guren betrifft, mit St r e Ike's genauen Messungen. Diese letz-
teren stimmen mit den aus meinerBvpothese berechneten Werthen
besser iiberein als mit jenen, die sich aus Poisson's Hypothese
ergeben ; bei den Tonen findet scheinbar das Gegentheil Statt ;
jedocfa ist, wie Kir chhoff selbst bemerkt, die IVichtiibereinstim-
mung zwischen der Theorie und der Erfahrung hier uberhaupt
so gross, dass die Differenzen, die aus der Verschiedenheit der
25
Hypothesen entstehen, gegen sie verschwinden ; dazu kommt noch,
dass Chladni die Tone nicht nach ihren Schwingungszahlen,
sondern annahernd nach ihrein inusikalischen Werthe bestimmte,
imd somst nicht die fur unsere Fragc erforderlicke Genauigkeit
erzielen konnte.
Wir kommen nun zu dem, vvie ich glaube, wichtigsten
Theile dieser Untersuchungen , namlich zu den Folgerungen, die
sich aus der Integration der veranderten Differenzialgleichungen
der Bewegung ergeben. Poisson undCauchy haben bewie-
sen, dass eine auf einern engen llaume umschriebene Erschiitterung
mi Allgemeinen in unbegranzten homogenen festen Korpern zwei
« ellen hervorbringen muss : eine Transversalwelle, in welcher die
ochwingungsrichtung auf der Portpflanzungsrichtung senkrecht
stent und eine Longitudinalwelle, in welcher diese beiden Richtun-
gen zusammenfallen ; setzt man die Geschvvindigkeit der ersteren
= 1 3 so soil die der letzteren = j/3 sein, und man hat bisher an-
genommen, dass die longitudinale Welle allein eine tonerzeugende,
eine sogenannte Schaliwelle ware. Ferner ist die Geschvvindig-
keit der Longitudinalweile selbst eine verschiedene , je nachdem
sie sich in einem Stabe, dessen Lange gegen seine Querdimensio-
nen sehr bedeutend ist oder in einer unbegranzten Masse fort-
pflanzt; das Verhiiltniss der Geschwindigkeiten in diesen beiden
Fallen sollte wie 1 zu \/^- sein.
Nach unseren Formeln werden diese Verlniltnisse viel ein-
facher : die Geschwindigkeit der Transversalwelle ist zu der der
Longitudinalweile wie 1 zu 2 und die Geschwindigkeit der linea-
ren Longitudinalweile zu der der kugelformigen wie 1 : 1/1
Es wurde sich nun darum handeln, mittelst eines Experi-
mentes zwischen den beiden Theorien zu entscheiden.Der directe
Versuch konnte nur an der Erde selbst angestellt werden : man
miisste an einem bestitnmten Orte eine sehr heftige Erschutte-
rung kiinstlich hervorbringen und iu verschiedenen Distanzen
von diesem Erschuticrungsmittelpuncte den Durchgang der
Wellen beobachten, urn zu bestimmen, ob wirklich zwei Wellen
entstehen und mit welcher absoluten Geschwindigkeit jede der-
selben fortschreitet,
26
die kiiiistlieh kauin erzeugt wer-
Solche Erschutterimgeiij
den konnten, bietet uns die Natur in den Erdbeben von selbst dar,
und wirklich sind alle Beobachter heftiger Erdstosse darin einig,
dass man stets deutlich zwei Bewegungen bemerkt, die mebr
oder minder rasch aufeinander folgen und von welchen die
eine, die horizon tal e , von miissigen Oscillationen beglei-
tet ist , wiihrend die andere, die verticale, viel heftiger wirkt
und Erderhebungen und Spaltungen her,vorbringt ; nach dem Ietz-
ten Berichte der englischen Naturforschergcsellscbaft ist diese
letztere Bewegung sogar auf offenem Meere sehr fiihlbar , ein
Phanomen, dessen Erkliirung sicli avis unsern Untersuchungen
fiber die Schwingungsgesetze der Fliissigkeiten von selbst erge-
ben wird. Man begreift auch leicht, dass, wenn die Explosionen
oder Erdstosse, deren jeder zwei Wellen erzeugt, etwas rasch
aufeinander folgen, dann hiiufig eine vorausgehende Transversal-
von einer nachfolgenden Longitudinalwelle eingeholt werden kann,
und dass auf diese Art concentrische Krcise entstehen, in wel-
chen durch das Zusammentreffen zweier Wellen selbst in grossen
Entfernungen vom Erschiitterungsmittelpuncte viel grossere Ver-
wiistungen angerichtet werden konnen, als eine einzelne Welle
selbst in seiner Nahe hervorzubringen im Slande wiire, wie esauch
wirklich die Erfahrung zeigt. Wenden wir uns nun, ohne die-
sen mehr hypothetischen Theil weiter zu verfolgen, zu den po-
sitiven Thatsachen , darch die ich die Richtigkeit der oben auf-
gestellten Gesetze wenigstens bochst wahrscbeinlich gemacht zu
haben glaube.
Es ist mir gelungen, Wassersaulen in Orgclrohrcn mittelst
eines Wasserstromes auf dieselbe Art in longitudinalc Sehwin-
gungen zu versetzen, wie man Luftsaulen gewiihnlich mittelst
eines Luftstroms zum Tonen bringt. Die Gesetze dieser Schwin-
gungen sind in beiden Fallen dieselben ; man konnte daher bei
gehoriger Beriicksichtigung der anzubringenden Correction die
lineare Geschwindigkeit der Iongitudinalen Welle direct aus dem
Experimente ableiten; und ich fand im Mittel aus sehr vielen
Versuchen diese Geschwindigkeit bei der Temperatur von 15 Cen-
tesimalgraden = 1173.m4 in der Secunde, wahrend Colladon
und Sturm im Genfersee die Schallgeschwindigkeit von 1435"
gefunden hatten. Diese so ungemein bedeutende Differenz blieb
27
mir lange unerklarlich, bis mir endlich beifiel, die theoretisch
bestimmte Relation zwischen der Geschwindigkeit der linearen
und der kugelformigen Schallfortpflanzung in festen Korpern
auch auf die Fliissigkeiten auszudehnen. Multiplicirt man nam-
lich die gefundene lineare Geschwindigkeit mit ]/'i-, sofindetman
den numerischen Werth von 1437*", der mit dem" Resultate des
von Co Had on und Sturm angestellten Experimentes aufs ge-
naueste iibereinslimmt. So frappant nun auch diese Uebereinstim-
mungist, konnte sie doch, so lange diese Thatsache isolirt dasteht,
ememZufalle oder einem Beobachtungsfehler zugeschrieben werden.
Es war daher nothig, das Experiment an andern Fliissigkei-
ten zu wiederholen, nur konnte dann die Fortpflanzungsgeschwin-
digkeit bei kugelformiger Ausbreitung natiirlich nicht direct be-
stimmt werden. Ich bediente mich daher der Zusammendriickbar-
keit der Fliissigkeiten ; wenn namlich das von uns aufgestellte Ge-
setz fur alle Fliissigkeiten giltig ist, so muss man, um die wahre
Zusammendriickbarkeit einer Fliissigkeit zu linden, in die be-
kannte Formel Laplac e's nicht die lineare Geschwindigkeit sub-
stituiren^die uns unser Experiment giht, sondern dieselbe vorher
mit \/~ mutipliciren, und dann substituiren. Wiihrend ich auf
diese Art dieCompressibilitiit einer gewissen Anzahl von Fliissig-
keiten aus ihrer linearen Schallgeschwindigkeit berechnete, be-
stimmte Grass i dieselbe direct mit Regnault's Piezometer;
und obwohl die beiden Versuchsreihen ganz unabhiingig von einan-
der und mittelst so sehr verschiedener Methoden angestellt worden
waren, so stimmten die numerischen Resullate dcrselben doch viel
genauer mit einander iiberein, als man es hatte erwarten konnen.
Somit gilt unser Gesetz fur alle Fliissigkeiten, und dicselben ver-
halten sich in Bezug auf die Schallschwingungen nicht wie dieGase
sondern wie die festen Korper. Das Princip der Gleichheit des
Druckes nach alien Richtungen, welches der Hydrostatik zur
Grundlage dient, ist somit, wie Poissonschon vermuthete, in
der Hydrodynamik nicht mehr anwendbar , sobald es sich um
rasche Variationen handelt.
Diese letztere Thatsache hoffte ich mittelst eines Experimen-
tes bestatigen zu konnen, das aber bisher leider nur ein nega-
tives Resultat gegeben hat. Bekanntlicb. hat Biot die Entde-
25
kung gemacht, dass ein geradlinig polarisirter Lichtstrahl, der
durch einen GlasstreifeR hindurchgeht, depolarisirt wird, sobald
man den Glasstreifen in longitudinal© Schwingungen versetzt ; bei
naherer Untersuchnng fand ich. dass die Depolarisation ihr Maxi-
mum erreicht, vvenn die Schwingungsebene mit der Polarisations-
ebene einen Winkel von 45° bildet, dass sie von da an nach beiden
Seitcn hin abnimmt und ganzlich verschwindet, wenn der Winkel
== 0 oder == 90° wird. Das Glas wird somit durch die Schwin-
gungen und durch die sie begleitenden abwechselnden Ausdehnun-
gen und Zusammendriickungen zum doppeltbrechenden Mittel, und
nach allem Vorhergeheuden konnte man vermuthen , dass dasselbe
auchbei den Flussigkeiten Statt finden wiirde. Ich brachte daher in
den Wandungen des Wasserbehalters und der Orgelrohre vier
correspondirende und durch kleine parallele Glasplatten ver-
schlossene Oeffnungen in der Art an, dass ein Lichtstrahl senk-
reeht auf die Axe der Rohre durchgehen konnte. Dieser Licht-
strahl wird vor seinem Eintritte mittelst eines Nichol'schen Pris-
ma's, dessen Hauptschnitt mit der Axe der Rohre einen Winkel
von 45° bildet, polarisirt, geht dann perpendicular durch die
longitudinale schwingende Fliissigkeitssaule hindurch, und wird
bei seinem Austritte aus den Wasserbehalter mittelst eines dop-
pelt brechenden Prismas analysirt. Das Experiment ist al-
so dem Biot'schen ganz analog, und doch habe ich nie erne Spur
von Deplorisation entdecken konnen 5 vielleicht ist das Phano-
men so schwach, dass es nuf bei Anwendung einer Fliissigkeits-
saule von grossem Durchmesser bemerkbar wiirde.
Wie dem auch sei, so viel steht fest, dass das oben aufge-
stellte Verhaltniss zwischen den Geschwindigkeiten derlinearenund
kugelformigen Schallfortpflanzung in den Flussigkeiten wirklich
Statt findet.
Die experimentale Bewahrheitung des andern Gesetzes, wel-
ches das Verhaltniss zwischen den Geschwindigkeiten der Longi-
tudinal- und der Transversalwelle in unbegranzten Massen aus-
druckt, konnte, wie wir schon bemerkt haben, nur durch genauc
Beobachtungen der Erdbeben bewerkstelligt werden. Es ist kaum
z,u bezweifeln, dass die beiden Wellen auch in den Flussigkeiten
entstehen; die Fiihlbarkeit des verticalen Stosses auf offener See
so wie der Nachhall und die scheinbaren Echo, die C ollado n im
29
Genfersee beobachtet hat, deuten darauf hin, unci ich hoffe, dass es
mir nicht unmoglich sein vvird, directe Beobachtungen fiber diesen
interessanten Punct in einem der grossen Seen Oesterreichs an-
zustellen.
Dass aber in elastischen Staben wirklich zwei Wellen von
dem gesuchten Geschwindigkeitsverhaltnisse sich erzeugen, das
lasst sich durch die Entstehnng eines schon oftbeobachteten, bisher
aber unerklarten Tones beweisen. Versetzt man namlich einen
elastischen Stab von was. immer fur einer Form und Materie mit-
tclst einer gewissen Art des Streichens in heftige longitudinale
Schwingungen, so hortman nicht bios den longitudinaienGrundton
sondern stossweise auch seine tiefere Octave.
Beriicksichtigt man nun alle Umstande, von welchen die Er-
zeugung dieses tiefen Tones begleitet ist : die heftige Fortschleu-
derung des aufgestreuten Sandes, die Versetzung der Knotenlinien,
die vergrosserte Entfernung derselben von einander, die Erschiitte-
rung, die man selbst in derMitte des Stabes, an der Stelledes lon-
gitudinalen Schwingungsknotens verspiirt , die Leichtigkeit , mit
welcher Glasstabe auf diese Art zerbrochen werden u. s. w., so
bleibt kein Zweifel, dass es wirklich eine transversale Bewegung
ist, die diesen tiefen Ton erzeugt. Uebrigens liess ich nach Du ba-
rn el's Methode die Schwingungen von dem Stabe selbst auf einen
mit Russ uberzogenen Glasstreifen zeichnen, und konnte so alle
Combinationen der longitudinalen mit der transversalen Bewegung
studiren. Savart, der sich schon mit diesem Tone beschaft.igte,
suchte ihn mittelst. derselben begleitenden Bewegung (mouvement
comomitant) zu erklaren, welcher er auch das Entstehen der Kno-
tenlinien bei dem gewohnlichen Longitudinaltone zuschreibt; nur
sollen im letztern Falle transversale Halbschwingungen, im ersteren
ganze Schwingungen stattfinden. Aber diese Erklarungsart ist
selbst dann ungenfigend, wenn man die ganz hypothetischen Halb-
schwingungen als reell annimmt.
Nach Savart's Theorie konnte der tiefe Ton nur bei jenen
Staben entstehen, welche im gewohnlichen Falle abwechselnde
Knotenlinie zeigen, der Ton musste, wie schon S u b u k bemerkt
hat, nicht urn eine sondern um zwei Octaven tiefer sein als der
Longitudinalton \ es ist ferner kaum zu begreifen, auf welche
Art die Veretaikung der Langenschwingungen eine Transform
30
mation der transvertalen Halbschwingungen in gauze Schwin-
gungen bewirken sollte; dazu kommt noch, dass ich die tiefe
Octave nicht bios in festen Korpern sondern auch in den Fliis-
sigkeiten beobachtet babe, bei welchen von derartigen trans-
versalen Ausbeugungen nicht die Rede sein kann.
Alle diese Schwierigkeiten verschwinden durch die Auffin-
dung des richtigen Verhaltnisses zwischen den Geschwindigkei-
ten dei' Longitudinal- und der Transversalwelle ; der Transver-
salton muss um eine Octave tiefer sein als der Longitudinale,
• weil die entsprechende Welle sowobl in festen Korpern als in
Fliissigkeiten mit der halben Geschwindigkeit fortschreitet, der
aufgestreute Sand muss von der Oberflache des Stabes im Augen-
blicke des Durchganges der Welle perpendicular fortgeschleudert
werden, der die Mitte des Stabes haltende Finger muss einen
Stoss verspuren, da sich dort wohl ein longitudinaler aber kein
transversaler Schwingungsknoteu befindet; endlieh miissen sich
die aufeinander folgenden transversalen Wellen durch ihre- Durch-
kreuzung in stehende Wellen verwandeln und so die Knotenlinien
erzeugen, die man wirklich beobachtet.
Somit beweist das Experiment, das in Staben jenes Ver-
haltnisses wirklich Statt findet, welches man fur unbegranzte
Massen bios analytisch nachweisen konnte.
Fassen wir nun alles Gesagte zusammen, so sehen wir, dass
alle Consequenzen, die sich aus den veranderten Formeln erge-
ben, wenn sie nur dem Experimente zugiinglich waren, durch
dasselbe auch wirklich ihre Bestatigung erhalten haben, wjihrend
die altere Hypothese auch nicht durch eine einzige positive That-
sache gerechtfertigt ist. Stehen somit unsere Gleichungen fest,
so konnen wir uns derselben auch bedienen, um die Hypothesen
zu priifen, welche man der Molekulartheorie zu Grunde legt.
Sollen namlich die Formeln, welche sich aus dieser letzteren
ergeben, mit denjenigen ubereinstimmen, welche man erhalt,
wenn man die Korper als continuirliche Massen betrachtet, so
muss man gewisse Bedingungsgleichungen annehmen, und com-
binirt man diese mit der durch das Experiment gegebenen Glei*
chung k — K, so gelangt man zu dem aunallenden Resultate,
dass die Molekularkraft der 14. Poteiiz der Entfernung verkehrt
proportional sein musse* Dabei gerath man aber, wie Clausius
31
sehr richtig bemerkt hat, auf einen Widerspruch, indem dann
der aussere Druck audi zu einer Function der Molekularkraft
wttrdc; somit schien es, als musste man die bisher angenomme-
nen Grundhypothesen verwerfen und neue aufstellen. Nun haben
schon meine Anfangs erwahnten Versuche am Kautschuk ge-
zeigt, dass das Gesetz der Volumsanderung, welches wir in dem
Calciil eingefiihrt baben, nur so lange giltig ist als die Liingen-
iinderungen eine gewisse Granze nicht iiberschreiten ; so wie
dieselben so bedeutend werden, dass man ihre Quadrate nicht
mehr vernachlassigeu kann, so horen selbst die angefuhrten Ge-
setze der Transversal-Contraction und der Volumsanderung iden-
tisch zu sein auf. Man vvird daher vor Allem suchen miissen,
das allgemeine Gesetz der Volumsiinderungenj welches das uns-
rige als specieller Fall enthalten muss, aufzufinden und behufs
der Erforschung der Molekularkrafte in dem Calcul einzufuhren.
Sollte es mir geliugen, auf diesem Wege ein neues Resultat zu
erhalten, so werde ich mich beehren, dasselbe der Akademie
vorzulegen.
Das wirkliche Mitglied Hcrr Regierungsrath A. v. Et tings-
hausen uberreichte nachstehende zwei Noten, deren Hauptinhalt
er in einem freien Vortrage erorterte.
a) Das Studium des dritten Gauss'schen Beweises'der Zer-
legbarkeit ganzer algebraischer Functionen in reelle E'actoren
(Comment. Soc. R. Sc. Gotting. rec. T. HI, p. 135) hat mich
auf eine Einkleidung desselben gefuhrt, welche eines Platzes in
den Sitzungsberichten der kaiserl. Akademie nicht unwurdio- sein
diirfte.
Es sei x die irgend einer Function zu Grunde liegende Va-
riable. Man setze
re1
wo t stattder imaginaren Einheit /~T steht, e die Grundzahl
der naturlichen Logarithmen bedeutet, und r, f reelle Grossen
sind , deren erstere jeden positiven Werth haben kann , Ietztere
aber zwischen die Grenzen 0 und n (unter n die Lange des
Kreisumfanges fiir den Durchmesser 1 verstanden) eingeschlos-
32
Gen ist. Die vorhandene Function wlrd sich stets auf eine ahn-
liche Form bringen lassen , so dass wenn f (x~) tliese Function
vorstcllt,
f(re^) = Re^
gesetzt werden kann, wobei it und ip a^s reelle Functionen der
von einander unabhiingig gedachten Grossen r und tp erschcinen.
Bezeichnet f (x) den Differential quo tienten ■ V so er-
gibt sich, wenn man die obige Gleichung ein Mai nach r, das
andere Mai nach 55 differenzirt,
ire'
f(re<*),
f (re{?)
Hieraus folgt
8fl .„
-5— + iR
oder, wegen iz = — 1 ,
a4|)«'*
8rj
-(If * «{*)••
8j<
8?
• r1
8K
8/
+ iR
hj,
9
Sit .„ Sip „8t|/ . 8K
mithin, weil die reellen Theile beiderseits des Gleichheitszeichens
fur sich, und eben so die imaginaren fur sich iibereinstimmen
tnussen :
Zr ~ rR hf ' 8 ? ^ H Br'
Nehmen wir nun an , die vorliegende Function f (a;) sei
von der Art, dass in dem Ausdrucke fur R die Grosse cp bloss
unter den Zeichen sin und cos auftritt. Diess findet Statt,
wenn f(x) eine ganze rationale Function von x ist, d. h. die Form
A0xK + Aix"-* + A2x~-*+ . . . A„_ix + An
hat, wobei n eine positive ganze Zahl bedeutet und die Coeffi-
cienten Aa, At , Aa , . . . . A„_i , A„ von a? unabhangig sind.
In solchem Falle erha.lt der Differ en tialquotient |^ sowolil fiir
to = 0 als auch fiir m = %n einen und denselben Wertb, vvoraus
folgt, dass das auf die so eben genannten Werthe von y als Gren-
ssen bezogene Integral
8aip
/
8r 3^
3y?
33
if
(lessen unbestimmter Ausdruck ■£■ ist, verschwindet, mithin auch
fur jeden Werth der positiven Grosse h
8r = 0
sein muss.
Betrachten wir jetzt dasselbe Doppelintegral bei venvechsel-
ter Ordnung der Integrationen. Aus dem obigen Ausdrucke fiir
•||- erhellet, dass derselbe fur r = 0, sobald —■ fur diese Sub-
stitution nicht unendlich vvird, und R von 0 verscbieden bleibt,
sicher verschwindet. Bezeichnen wir nun durch H den Werth,
welchen
8fl
8r
fiir r = h annimmt, so ergibt sich
fr£k>'*?->f'»^
L'asst sich h so wahlen, dass H, wahrend die Grosse o alle Werthe
von 0 bis 2 n durchlauft, stets positiv bleibt, so ist das Integral
f
eine von 0 verschiedene Grosse, folglich besteht zwischen den
beiden Integralcn
und
8r8(
ein Unterschied. Der Theorie der Doppclintegrale gemass kann
diess nur eintreten, wenn der Differentialquotient
8'
x" + -4-1 ^c""1 + ^a xn~'i + . . . + A„_t x + An
Sitzb. d. mathem. natorw. 01. Jahrg. 1850. II. Bd. I. Heft. 3
34
x^reif, so ergibt sich nach Umsetzung tier Expanential-
grossen in die entsprechenden Kreisfunctionen
R* = (A0 r" cos ny + Ai r""1 cos (n-1) y + ... + A„_, rew y)'
+ (A„ r" sin nf + A, r-1 «« (n-1) y + ... + A„_, r «*i y)
= 40r3" + 2A0 A4 r2"-1 cos (2n~-l)y + - + A„3
also
8B
8 r
+ (2W_1) A„ A, W8-8 cos (2n—l) y +
1st A positiv, was immer vorausgesetzt wcrden kann, so Iasst
sich offenbar r=A so gross wiihlen, dass das crste Glied dieses
Ausdruckes die Summe der numerischen Werthe aller folgcnden
Glieder nach Lostrennung der von y abhangenden Factoren uber-
trifft, mithin um so mehr, wenn genannte Factoren zuriick, und
die gehorigen Zeichen hergestellt werden, R^ positiv ausfallt.
Dasselbe gilt daher auch Mr Jg {£ - .-jr H*£~H, bei jedem
Werthe von y.
„Beitrag zur Integration irrationaler Differen-
tial form el n.
Bei derDurchsicht desAufsatzes des Hrn. Zmurko in unsern
Sitzungsberichten (Jahrgang 1849, Juni und Juli, S. 40 u. fF.),
hat sich mir die Bemerkung dargeboten, dass die dort nam-
haft gemachtcn Vortheile in der Behandlung der Differential-
formel sin «T cos f 3
— a)m.
Nach verrichteter Operation kommt Va + bm* an die Stelle von t.
II. Mittelst der Substitution
a + bxn^ x" f
erhalt man
P m+l jj
fxm (a + bxn) * 3x = q— />+»-* ('SHI} ~S T-1
y v J na J \ a ) %t.
Es sei n = 2, q-=2 und m + p+l = — 2, so wird
p
J x- (a + bxi)z 3 x = i-/> **(*• — by-* 8 *,
wobei
* =
Va + bx*
st. Die Integration geht also hier durch blosse Entwicklung von
(f— by-' von Statten, sobald g einen positiven ganzen Worth hat.
III. Sctzt man
so folgt
ZVa.t S.r
V a+ ft/= Va + xt,
b + fi
b-t* ' it ~ *^a ' (6_"<»ji
Hiedurch wird
und Va + bx" = ~^ ■ Va.
J'xm{a + bx') 3 %x = 2"
wobei
m+p+i
7> (6 + fy+i (b—f)-m-"~2dt,
a + b.v" — V a
ist.
3<>
IV. Setzt man
so wird
daher
\Za + bx2 = t — xYb,
rr , K-r = =5 — r und V a + 0 or =>
t*+a
yV (« + b ar8) 8 3x = a-*""-1 ft s J*~*-\t— a)m(f + «T1 2'
wobei f = 1/a + #«* + a.V?> ist.
V. Setzt man
Va—bx* = (fa + JJV'fe) <,
so erhiilt man
1 — 1% i/a Jk£
mithin
1
■ 2P+3 «
-r-a^ft"^ /r+1 O-^C1 +*T,-p-S 8*;
wobei
rVi
V a — a: V 5
ist.
Erscheinen die Exponenten der zweigliedrigen Ausdriicke
unter dem Integralaeichen positiv , so lassen sich die Integrals
nach blosser Entwicklung dieser I'otenzen und deren Productes
darstellen. Insbesondere gibt die Formel in IV fur die Annahmen
p = — 1 und p — + 1 '•
x™%x _ 1 ft — a)™ dt
J Va - 6** "" 2™ Y0^~' J t" •
37
fx"Va + bxzlx = — — 1= r ~ay
{t~ — «)»(^ + a)-
Zt,
wobt
t—\/a + bxz + xVb
ist.
Eben so foist aus der Formel in III, wen man ziurlcich
das Zeichen von m iindert:
8,-c _ 1 (6 — <3)--' 8*
J *"' 1/a+fta;3 " 2"'-' 1-V J <"'
s
Va + bx* .8-r = 1 H& + <3) (6 — <8)"—8 8<
wobei, wie oben,
ist.
< =
V'a + 6 a;2 — V a
Sitzung vom 13. Juni 1850.
Von dem Vorstande des naturhistorischeu Vereines Lotos
in Prag, ist ein Dankschreiben fur die demsi'lben von der
Akadeinie zugevvendete Unterstutzung von 100 il. C. M. ein-
gegangen.
Das w. M. der Director der k. k. Sternvvarte in Prag,
Herr Carl Kreil, hielt folgenden Vortrag:
Ueber das aufder Prager S tern war te aufgestellte
Induct ions-Inclinatorium und iiber ein auto gra phe s
Thermometer aus Zinkstangen.
Das an der Prager Sternwarte im Verlaufe des vergangenen
Winters aufgestellte und seit zwei Monaten in Thatigkeit be-
findliche Inductions - Inclinatorium zur Messung der Variationen
der magnctischen Inclination, dessen Bescbreibung und Gebraucb
in Nr. 70
73 der von mir ffcirebenen Instruction zur
Ausffihrung magnetischer Beobachtungen (Entwurf eines
mcteorol. Be obachtungs- Sy s te m s fur die oster-
38
reiohische Mo n archie IV. A b s c h n i 1 1) enthalten ist , gab
Veraiilassung zur Wahrnehmung einiger Umstande , deren Kennt-
niss den Beobachtern , vvelche mit der Einrichtung eines ahii-
lichen Apparates zu thun haben, von Nulzen sein kann.
Den Warme - Coeffieienten suchte man dadurch zu bestim-
men, dass man die beiden weichen Eisenstiibe in bohle Messing-
cylinder einschloss, die durch eine horizontale Rohre in Ver-
bindung wares, und abwechselnd mit heissem und kaltem Was-
ser gefiillt wurden. Die ersten derartigen Temperatur - Aende-
rungen brachten wohl bedeutende Aenderangen in der Anzie-
hungskraft der Stabe hervor, allein bald zeigten sich dieselben
gegen Warmeanderung so unempfindlieh, dass kein entschiede-
ner Werth des Warme -Coeffieienten angegeben werden konnte.
Dagegen bemerkte man, auch nachdem das abwecbselnde Er-
warmen und Abkiihlen der Eisenstabe aufgehort hatte, eine fort-
wahrende Zunahme der ablenkenden Kraft, ungeachtet die Stabe
wahrend und nach der versuchten Bestimmung des Warme-
Coefficienten ihre verticale Richtung nie geandert batten, welche
Zunahme durch 14 Tage anhielt ; und als die Stabe nach die-
ser Zeit, da ihre ablenkende Kraft bereits nahezu constant ge-
worden war, aus Veraiilassung einer nothigcn Abandoning am
Apparate aus den Hiilsen geuonunen, jedoch stets ihre ver-
ticale Richtung bewahrend, auf einige Stunden entfernt worden
waren, ausserten sie, vvieder an ihren friiheren Platz gebracht,
aufs Neue eine starke Zunahme der Ablenkungskraft , welche
durch 16 Tage anhielt, so dass man erst nach Verlauf dieser
Zeit die regclmiissigcn Aufzeichnungen der Inclinations -Aende-
rungen beniiUen konnte.
Der Ablenkungswinkel wurde zuerst nach dem in der oben-
erwahnten Instruction angetleuteten Verfahren, namlich durch
einen untergelegten Krcis, dann auch noch durch eine Hilfs-
scala bestiinmt, welche dem Spiegel der abgeleokten Nadel so
gegeniiber stand, dass in dem iiber der llauptscala angebrachten
Fernrohre der Scalentheil S.. derselben erschien, wahrend man
ohne den weichen Eisenstaben, also ohne Ablenkung, den Scalen-
theil S, der llauptscala beobaehtete. Ist dann S der spiegelnde
Punct, so Warden die Entfernungen SS„ SS.. S S., gemessen, und
durch Auflosung des Dreieckes der Ablenkungswinkel berechuet.
39
Der Inductions - Coefficient wurde durch einen Magnet von
11 Par. Zoll Lange, 16 Linien Breite und 3 Linien Dicke be-
stimmt , welcher in einer Entfernung von 6'/3 Fuss iiber der
Nadel angebracht. eine Verstellung derselben um 41-5 Scalen-
theile oder 2-9 Miuuten bewirkte.
Ich theile ferncr die Beschreibnng eines authograpben
Thermometers aus Zinkstangen mit, welches nach seiner Angabe
ausgefuhrt wurde , und nachstens aufgestellt werden wird.
Fig. 1 stcllt ein Hebelsystem von drei Zinkstangen dar; in A
ist die erste Stange an einem Kloben KL befestigct, und triigt
an ihrcm entgegengesetzten Ende in m das Messingsiiick mn, das
sich um die am Kloben MN befestigte Achse k drehen kann, und
mit zwei genau ausgedrehten Lochern m und n zwei Zapfen
umfasst, von denen der eine an der ersten Zinkstange Am, der
andere an der andern Zinkstange m'n angebracht ist. Die erste
Zinkstange ist 1 Fuss lang, 1 Zoll breit und 2 Linien dick; die
zweite Zinkstange ist eben so breit und dick wie die erste, und
um y2 Zoll liinger. Sic greift mit dem Zapfen m! wieder in ein
genau ausgedrehtes Loch des Messingstiickes m'n' ein, das sich
um die am Kloben KL festffcmachte Achse k' drehen kann. In
n' greift die dritte Zinkstange m"n' ein, welche um 2 Zoll liin-
ger aber eben so breit und dick ist, als die erste, und die in m"
das dritte Messingstiick m"n" tragt, dessen Bewegung um die
fixe Achse k" geschieht. Es ist am entgegengesctxten Ende bei n'
mit dem Dralite in Verbindung, der sich um die Bolle B schlingt
und den Zeichnungshebe] in Bewegung setzt. Die Achsen- und
Zapl'enlocher an den Mcssingstiicken sind so angebracht, dass
n/r= 3mk, n'fe'== 3m'k', n"k" = 3m"k"
Die Messingstucke stehen zwischen den Zinkstangen und den
Kloben, die /Aveite und dritte Stange muss jede ihren eigenen
Kloben haben.
40
,3
Figur 1.
$—£■■,
£>'/»'!
rfjc
D
—
-»']WV
^
\
°fl
0
it
1 ..
ojn.
,0
5 t
=U-
J?
•* i If •'
Masstab fur Fig. 1 .
Figur 3.
nil
G
QZ
Der Zeichnungshebel ist aus Fig. 2 ersichtlich. Sein Ruhe-
punct in Z? ist so angebracht, dass ^7) = 4.2 CD ; in E ist
der Bleistift in einer Hiilse eingesteckt, die ausserlich ein Schrau-
bengewinde hat, wie bei den anderen Authographen. Der Kloben
BH, der die Rolle tragt, so wie jene, die die Zinkstangen tra-
41
gen (KL, MN) , sind 2 Puss , 3 Zoll von der Mauer entfernt.
Fist ein Gewicht, das den Faden CBc stets gespannt halt.
Da das Zink sich fur 80° R. um 00033 seines Voluraens
ausdehnt, so ist die Ausdehnung der ersten Zinkstange fiir
1 ° R. = 0-'"006, daher die Rewegung von n
fur 1° R 0 .018
die zweite Stange nm! ist = 1*04 Fuss, ihre Ausdehnung
fiir lo R. ist daher 0-0062
Bewegung von m' fiir 1°R 0-0242
Bewegung von n' do. 0-0726
Stange rim" = 1.16, daher Ausdehnung fiir 1° R. ... 00070
Bewegung von m" fiir 1°R , 0-0796
Bewegung von n" do. . 0-2388
Bewegung des Bleistiftes = (0-2388) (4,2) = 103 Linien.
DasEnde der Messingstange n" muss einekJeineRolle tragen,
auf welche der Draht aufgewunden werden kann, bis er die ge-
horige Lange hat. Es kann an diesem Ende auch ein Zeiger an-
gebracht werden, der auf einen Gradbogen spielt, und darauf
die Temperatur angibt.
Die Zapfen sollen nicht von Stahl oder Eisen sein.
Das Thermometer ist mit einem Mantel zu bedecken, der ein
freischwebendes und hervorragendes Dach hat, damit die erwarmte
Luft entweichen konne. Er ist an den Kloben durch Hiikchen zu
befestigen.
Der hier beschriebene Apparat ist als erster Versuch in etwas
grosserer Dimension ausgefiibrt als vielleicht nothig ist. Hoffent-
lich wird er sich mit kleineren Zinkstangen , deren Anzahl auch
vielleicht noch vermehrt werden kann, viel compendioser anfertigen
lassen, und kann dann durch eine feuchte Umhiillung auch zu Psy-
chrometer-Beobachtungen dienen.
Professor Sch rotter benutzte diese Gelegenbeit, wieder-
holt auf die photographischen , sclbstregistrirenden Instrumente
von Brooke aufmerksam zu machen, welche er in England
42
in Thatigkeit zu sehen Gclegenheit hatte, und bemerkte, dass
er dieselben fur die vollkommensten halte, die man jetzt kennt,
so dass sie an keinem wohleingerichteten meteorologischen Ob-
servatorium fehlen diirfen.
Herr Jacob Schabus hielt nachstehenden Vortrag, den
er durch Zeichnungen erlauterte.
„U eber dieKrystallformen des zweifach wein-
sauren Kalis KO, HO, Cg Hk Ow und des essigsauren
Kupferoxyd-Kalkes CaO, CuO, ZCJhO*, 8//0."
i.. Das zweifach weinsaurc Kali.
Dieses unter dem Namen Weinstein allgemein bekannte Salz
krystallisirt im orthotypen Systeme. Es wurde diese Verbin-
dung zwar schon von Brooke krystallographisch unter-
sucht (Annals of Philosophy 7, 161); allein er konnte einpaar
dcr wichtigeren Winkel wegen der unvollkomraenen Ausbildung
der Krystalle nur sehr oberflachlich bestimmen; auch scheint
er eine daran vorkommende Gestalt nicht beobachtet zu haben,
denn er erwalint derselben in der angefuhrten Abhandlung nicht.
Ich habe daher , da ich von Herrn Prof. Dr. Red tenb a cher
sehr schone Krystalle erhielt, dicMessung nochmals vorgenonimen.
Die von mir gemessenen Winkel weichen von denen Brookes
mehr weniger ab, stimmen jedoch mit denen durch Rechnung
gefundenen sehr nahe uberein , vvesshalb ich mir erlauhe, die
Resultate dieser meiner Untorsuchung der k. Akademie vorzu-
legen. — Wiihreud die gewohnlichen Krystalle des Weinsteines
hochstens halbdurchsichtig sind, zeiehnen sich die, welche mir
zu den Mcssungen dicntcn, durch vollkoinvnene Durchsichtigkeit,
Farblosigkeit und schonen Glasglanz aus. — Ihre Harte liegt zwi-
schen der des Steinsalzes und Kalkspathes und betriigt etwas
mehr als 25. — Die Dichtc fand ich gleich 1943. — Der
Geschmack ist sehwach siisslich zusammenziehend.
Die BeschafFenhcit der Krystalldiichcn ist versehieden.
Wahrend namlich die Flachen des Orthotypes p (Fig. 2 bis 11 )
43
und die der Prismen M und to immer glatt, dabei aber, be-
sonders die der beiden erstern Gestalten , meistens etvvas ge-
kriimmt sind, sind die Flachen J°, welche die scharfen Axenkanten
des vertikalen Prismas M abstumpfen, immer horizontal gestreift,
was auch meistens bei denen der horizontalen Prismen u und v
der Fall ist; das verticale Prisma N jedoch scheint fast durch-
gehends raulie Bcgranznngsflachen zu haben, da letztere mei-
stens fast glanzlos sind und ich nur Eine Fiiche so glanzend
fand, dass die Neigung derselben zu denen des Prismas M be-
stimmt vverden konnte. — Die Krystalle sind in mebreren Rich-
tungen theilbar , und zwar : senkrecht auf die Kanten des ver-
ticalen Prismas M, also parallel zu den als Krystallgestalt nie
beobachteten Flachen P — oo, ausgezeichnet; parallel zu den
Flachen des horizontalen Prismas w, ebenfalls sehr vollkommen ;
parallel zu P, welche Theilungsrichtung jedoch schwer zu er-
halten und meistens durch muschligeu Bruch unterbrochen ist,
uuvollkommen. Der Bruch ist muschlig.
FigUr i. Was nun die Formen der
Krystalle betrifft, so sind diesel-
ben ziemlich mannisrfaltis
Oft
Figur 2.
bestehen sie namlich aus dem in
Fig. 1 besonders dargestellten,
als Grundgestalt angenommenen
Orthotype p, dem verticalen Pris-
ma M und den die scharfen Kan-
ten dieses letzteren abstumpfen-
den Flachen P, wie Fig. 2 zeigt,
Figur 3. in welchem Falle
meistens an den
scharfen Axen-
kanten des Ortho-
types die horizon-
talen Prismen u,v
und w erscheinen,
wo durch die Indi-
viduen ungefahr
die Form Fig. 3
erluilten.
44
Es gehort jedoch zu denSeltenheiten, dass die Krystalle diese
regelmassige Ausbildung besitzen, sie zeigen im Gegentheile ein
sehr grosses Bestreben, Formen zu bilden , an denen gewohnlich
vier Flachen des Orthotypes — und zwar an dem Hauptpuncte
(der obern Spitze) die abwechselnden und an dem Nebenpuncte
(der untern Spitze) die zu den ersteren geneigten — vergrossert
erscheinen , wodurch dann die andern entweder kleiner werden
oder theilweise auch ganz verschwinden. Die hiiufigsten Falle
dieses Vorkommens sind in Fig. 4 und 5 dargestellt.
Fig. 4, a zeigt ein Individ uum in perspeetivischer Ansicht,
an welchem am Hauptpuncte die Flachen p der einen Halfte des
Orthotypes, und zwar die der positiven (rechlen) vergrossert er-
scheinen und zugleich die damit verbundenen des verlicalen Pris-
mas M sich mehr Figur 4, a. Figur 4, b.
ausgedehnt haben,
wie besonders aus
der horizontalen
Projection dessel-
ben (Fig. 4, b) er-
sichtlich ist; aus-
serdem befinden
sich an dem Haupt-
puncte noch die
zwei andern Fla-
chen ,p des Orthotypes und diebeiden horizontalen Prismen u und v;
auch sind an diesemlndividuum die zur Axe parallelen Prismen JfundiV
nebst der Gestalt P vorhanden. An dem Nebenpuncte, an welchem
die Krystalle gewohnlich aufsitzen, Fj r 5 , B
also selten ausgebildet erscheinen,
haben sich hier alle Flachen in der
Spitze vereinigt.
In Fig. 5 sind dieselbcn Kry-
stallgestalten enthalten , nur ist an
dem Hauptpuncte die eine Flache der
negativen (linken) Halfte des Ortho-
types ganz verschwunden , so wie
auch die Flachen der beiden horizon-
talen Prismen auf dieser Seite ganz
45
fehlen und auf der andern die von u wegblieb, wie ans der
horizontalen Projection (Fig. 5, ft) zu ersehen ist. Am Neben-
puncte kommen, ausser dem verticalen Prisma N, sammtliche Ge-
stalten vor , die sich in Fig. 4 finden , und es sind dort die zu
den am Hauptpuncte geneigten Flachen des Orthotypes vergros-
sert. — - Fig. 5, c stellt die horizontale Projection des Neben-
punctes vor.
Figur 5 , b. Figur 5 , c.
In manchen Fallen
Figur (i.
verschwinden, wenn sich 4 Fliichen des
Orthotypes vergrossern, nicht nur die
4 andern Flachen desselben, sondern
auch die der horizontalen Prismen u
und v des verticalen Prismas N und
der Gestalt P ganzlich, wesshalb nur
noch die positive (rechte) Halfte des
Orthotypes mit dem verticalen Pris-
ma M in Verbindung bleibt, wie
Fig. 6 zeigt.
Oft endlich erscheinen nur die
von 4 ungleichseitigen Dreiecken ein-
geschlossenen,tetraederahnlichenHalf-
ten des Orthotypes, wie Fig. 7 eine
darstellt.
Sonderbar ist der Umstand, dass
bei dieser hemiedrischen Ausbildung
bald die positive(rechle), bald die nega-
tive (linke) Halfte des Orthotypes vor-
herrschend erscheint. Herr Sections-
rath II a id inger land namlich bei der
Figur 9 , 5.
46
Utttefswihung dieses SalaesimvorigenJahre, die er mir mitzntheilen
die Gflte hatte, melir als 50 Individuen, an welchen die negative
(linke) Halfte vorherrschend war. Die gewohnlichsten von ihm
beobachteten Individuen stellen Fig. 8 und 9 vor. Erstere besteht
aus dem vertical en
Prisma M und der
negativen (linken)
Halfte tp des Or-
thotypes, wahrend
in Fig. 9 ausser-
dem nocb die an-
dere Halfte p, dann
ein horizontals
Prisma x, das an
den stumpfenAxen-
kanten des Ortho-
types mit parallelen Combinationskanten
erscheint, und die die scharfen Kanten des
Prismas M abstumpfenden Flachen P, vor-
kommen. •— Fig. 9, b zeigt die horizontale
Projection dieses Individuums.
Die Krystalle , welche ich unter-
suchte , und wovon wohl wenigstens 60
Individuen so schon ausgebildet waren, dass
ich ihre Formen genau erkennen konnte?
waren siimmtliche mit der rechten Halfte vorherrschend , was
auch bei 150 Individuen vom gewohnlichen im Handel vorkom-
menden Weinsleine der Fall war.
Mit dieser Eigenthiimlichkeit der Ausbildung scheint auch
noch das Vorkommen gewisser Gestalten im innigsten Zusam-
menhange zu stehen. Denn wahrend an keinem von mir un-
tersuchten Individuum, deren Zahl wohl 200 ubersteigt und die
alle die positive (rechte) Halfte des Orthotypes vorherrschend
haben, die Flachen des horizontalen Prismas x sich fanden,
hingegen an jedem wenigstens eine, moistens bcide an der schar-
fen Axenkante gelegenen Prismen u und v ausgebildet waren,
so haben die von Haidinger beobachteten negativ (links) aus-
gebildeten Krystalle meistens die Flachen des horizontalen Pris-
mas x und fast nie die von u und v gezeigt.
47
angegebene Form
st in Fig. 10 dar-
Die von Brooke
gestellt und bedarf, da die Flachen mil den an den fruheren
Pigur 10. Combinationen vorkommenden Buchstaben
bczeichnet sind , keiner weiteren Aus-
einandersetzung.
IVoch muss ich erwiihnen, dass es,
da die Krystalle die eben angefiihrte ver-
schiedenartige Ausbildung 7,eigen, oft sehr
schwierig ist, die richtige Stellung der-
selben an linden; dass jedoch bei der
Orientirung die Flachen P, welche meistens
vorkommen und immer horizontal restreift
sind, sehr gute Dienste leisten und man
sich, bei gehoriger Beriicksichtigung die-
ses Umstandes, bald zurecht findet.
Was nun die einzelnen an den Combinationen vorkommen-
den Gestalten betrifft, so werden die krystallographischen Zei-
chen derselben die folgenden sein. (Siehe Fig. 2 bis iucl. 11.)
Die 4 Flachen p bilden
11
4
4
4
4
4
4
4
2
a:
w
v
v.
M
N
P
»
' 2
P
~ 8
Pr
Pr
Pr+ n
s(Pr + ri)
P+oo
(P+ °°y
Pr + oo.
Die Axenverhiiltnisse seien
b : c das fur die Gestalt p
b' :c'
d
c
a
i
a
a!1
a"
a
a?
: b"
: b'''
:blv
:by
: 6VI
cIV
cv
cVI
n
55
55
55
55
11
11
11
11
11
11
11
55
55
11
11
11
11
11
11
11
11
11
u
V
N
M
w
X
X ,
P ,
P i
P >
W , V , u , p
M,
in denselben Zonen.
Einzelne der oben angefiihrten Gestalten lassen sich unmit-
telbar, obne weitere Messung oder Rechnung bios aus der Lage
ihrer Combinationskanten bestimmen; andere konnen auf sehr
einfache VVeisc mit Hilfe der Zonengleichung gefunden werden;
bei noch andern endlich wird es nothwendig werden, die durch
Messung erhaltenen Resultate zu Rathe zu ziehen.
Bestimmung der Axen des verticalen Prismas 31 und
der horizontalen Prismen x und w.
Nimmt man. die zwei zusammengehorigen Halften p und ,p
des Orthotypes als Grundgestalt an, so wird, da die Flachen
des horizontalen Prismas x an den stumpfcn , die von w aber
an den scharfen Axenkanten der Grundgestalt mit parallelen
Combinationskanten erscheinen ,
= 6
= a,
und
ferner wird, da die Combinationskanten, welche das Prisma M
mit der Grundgestalt hervorbringt, horizontal sind
blv =ft
werden.
durch
Die Axenverhaltnisse dieser Gestalten werden also
blv
bv
6VI
cIV =oo : 1-3565 : 09652 fur M
r»V . W
X
q- = 1 : 1-3565 : oo
cyI = 1 : oo : 0-9652
avisgedriickt erscheinen.
49
Bestimmung derAxcn des horizontal n Prismas v.
Da die Flachen des horizontalen Prismas v mit denen des
Orlhotypes p und des verticaien Prismas M in einer Zone lie-
gen, so kann das Axenverhaltniss desselben mit Hilfe der Zonen-
gleichung
ab'c" + a'b"
1 1
+
1
a"b> e
a"br' n/,"e' + a'b c
gefnnden werden.
Bezeichneu namlieh
a , b , c
die Axen der Grundgestalt p,
a' , V , c'
die des horizontalen Prismas v und
a" , b" , c"
die des verticalen Prismas M, so erhall; man , wenn man be-
riieksichtigt , dass
a' = x.
ist .
also
c' ~
-oo
?
a" -
-oo
■>
»" =
= —
-b
in
d c" -
■ C
1
a b e
1
x b a
l
+ — ■
oo
1
ffl
= -
l
a
X
.r =
2a
= a".
x b <:
od er
Auch das Axenverhaltniss einer der Gestalten u und JV
kann mit Hilfe diesor Gleichung gefunden werden. Diese Bestim-
mung kann man jedoch erst dann vornehmen, wenn das Axenver-
Siiy.b. 4. matfaem, naturw. CI. Jahrg. 1850. II. Bri. [. Heft. 4
50
hallniss der Grund-
gestalt und dass ei-
ner der beiden eben
genannten Prismen
durch die durch
Messung crbaltenen
Winkelausgcmitlelt
wurde.
Die durch Mes-
sung bcstimmten
Winkel abcr siiid
folgende (Fig. 11 ,
a und b):
Figiir 11
Figur 11, b.
NeiaruDK von M zu M= 109° 8'
ou"c
. IUI
in
IJU
n
11
M
r>
M'= 70» 52'
ii
11
M
n
P = 125° 26'
11
11
M
n
N = 160o 30'
ii
11
N
55
P= 144° 56'
ii
11
M
ii
p = 141° 49'
ii
11
V
r>
p = 76° 22'
ii
11
w
ii
w'= 107" 14'
ii
11
V
n
w = 160° 33'
Il-
11
u
55
v = 169" 44'
l's
11
p
)5
u = 155° 40'
aus welchen bercchnet wurden:
Neigung von V zu /,= 145°50'
w „ P= 126" 23'
70° 8'
IV' = 109o 52'
55
55
55
55
55
N „ N-
N
«'= 68° 20'
«' = 48° 40'
Beziiglich der Messungen muss ioh bemerken, dass selbst
unter diesen schiinen Krystallen nur wenige in der Art ausgebil-
det waren , dass sie vollkommen verliissliche Resullate gaben.
Es rfihrt die geringe Scharfe der Kanten theils von der Kriim-
mung der Fliichen der Grundgestalt p und des verticalen Pris-
A
51
mas M, theils von der mehr weniger starken horizontalen Strei-
fiing her, welche an der Gestalt P immer, an den Prismen u und v
meistens sich findet. Die Flachen des horizontal, Prismas w
und die des verticalen N babe ich nur an Einem Krystalle von
soicher Grosse und solchem Glance gefunden , dass 'ich genaue
Messungen vornehmen konnte, vvesshalb es mir auch nicht m6g-
lich war, ttber die Different der von ihnen gebildeten Kanten-
winkel Beobachtungen anaustellen. Die iibrigen Kanten zeigten
bei den wenigen vollkommen ausgebildeten Krvstallen Abweichun-
gen von hiichstens 5 Minuten , und es warden ans mehreren
Messungen die Mittelwerthe bestimmt.
Bestimmung der Axen der G rund g e s tal t.
Um nun aus den angefuhr-
ten Winkeln das Axenverhaltniss
der Grundgestalt zu linden, falJe
man aus dem Mittelpuncte M der
Basis BCBC (Fig. 12) auf BC
die Senkrechte MD. Setzt man
den Winkel, vvelchen die Seite
BC mit der kiirzern Diagonale
CC bildet, also
Winkel MCB = MCD = m ,
die halbe grossere Diagonale MB = b,
k] ein ere
Linie
so vvird
MC = c,
6 =
cos m
d
sin m
wcrden. 1st ferner AD XD' (Fig. 13) der
durch die Axe und das Loth OD' eeleirte
Schnitt, so wird, wenn man
die Neigung der Linie AD zur Axe = «
und die halbe Axe itX-a
setzt.
52
(I — a . tang a
werden, wodarch die ©bigen Gleichungen in die
b =
u n (1
a , tang a
cos m
a . tang a
iiliei-o-ehen, durch deren ZnsammenstelliiDg die Proportion
a : : b : c = 1
erhalten wild.
In dieser Proportion ist
I
tang a _ tang a
cox m ' sin. m
— Neigung von M zu M— 54° 24'
n nd
wesshalb
also
oder
i
: b : c = 1
tan# 38° 11 _ !);$!«
vvird , nnd vvodurcli das Axenverhallniss der Greadgestalt ge-
geben is!.
B (i s t i m in n n g d e r Ax e n d e s !i o r i /, o n I a I e n P r i s m a s n.
1st ABXB' (Fig. 14) eine sfinkrecht auf P'sor 14-
die Kanten dieses Prismas gelegte Kbenc,]
so wird
die halbe Axe A¥= «',
„ „ Diagonale BM— />' = A
and der Winkel AB'M<= m == 65*40'
sein, vvetin namlich m den Neigungswinkel
der Prismaflache zur grosseren Diagonale an-
aeigt. Aus der Gleichnng
a = t> • tang m - b ■ tuny 05° W
53
vvird, vvenii man f'iir b den obeii gefundeneit Worth substituirl
«' = !35G5x2 2113
oder
a' =2-9996
also sehr nahe
a = 3
werden, vvoraus die Gleichung
a : b' : c — 3 : 1*3565 : oo
folgt.
Bestimmung d e s Axenverhaltnisses d e s verticalen
P r i s m a s TV.
Setzt man in die oben angefuhrte Zonengleichung — welehe
zur Bestimmung der kiirzern Diagonale dieses Prismas beniitzt
werden kann, weil die Flachen N, u und p in einer Zone liegen
— in der vvieder
die Axen der Grundgestalt />,
a , b' , c
aber die des horizon talon Prismas u and
die des verticalen N anzeigcn sollen, die Wertbe
a = 3 a ,
b' = 6,
C =oo,
so wird
a b .
ode
a = oo ,
b" = — b
und
3 «/i
!
I
; C oo
+
oo S a 6 s
r oo
•Z" = 2 <■
54
werden , also ist das Axenverhiiltniss von N durch die Pro-
portion
a'" : b'" : <:'" = oo : 13565 : 2x09652
gegcben.
Fiir die Axenverhaltnisse sammtlicher vorkommendeu Ge-
stagen gelten also die folgenden Gleichungen, und zwar:
a : b
a' :b'
a" : b"
a'" : b'"
a,v : bw
a1 :V
«VI : V1
: c = 1 : 13565 : 09652
:c = 3 : 13565 : oo
:c" = 2 : 13565 :' oo
: c"' =oo: 1-3565 : 2x09652
:c,v =oo: 1-3565 : 0-9652
:cv =1 : 13565 : oo
: cVI =1 : oo : 09652
fur j)
„ u
» ^
Die bei der allgemeinen Entwioklung aufgestellten Coeffi-
cienten werden daher, da
2" =2 fiir v,
2"'-s = 3 und fiir 2"' = 4, «== I fiir u
und m = 2 fiir JV
ist, die Werthe: n = 1, w' = 2, s = f und m = 2 erhalten, wodurch
F
p durch das krystallograpbische Zeichen -5-
P
"pV
w?
v
u
M
N
P
ausgedriickt ersel
ii
n
ii
ii
ii
ii
»
ii
ii
n
ii
Pr
Pr + l
iPr + 2
P + oo
(P + oo)2
Pr + oo
eint.
55
Besti minting der Winkcl tier Hauptschnitte der
Gru n dg est alt und ihrer Axenkan'ten.
Figur 15.
Zur vollkommenen Kenntniss der
Grundgestalt wird es noch erforderlieh
sein , die Axenkanten derselben zu be-
stimmen , zu welchem Behufe die Win-
kel ihrer Hauptschnitte berechnet wer-
den musseii.
1st ACXC' (Fig. 15) der idurch
die stumpfen Axenkanten gelegte Haupt-
schnitt, so wird, da
die halbe Axe A M = a = 1
und „ „ kl.Diag. MC—c
n rait r der Ncigungswinkel, welchen die stumpfe Axen-
0-9652
ist, wen
kante mit der Axe bildet, bezeicb.net wird,
tang r
c
a
09652
also
r = 43° 59;
Figur .16.
ist ferner ABXB (Fig. 16) der
in die seharfen Axenkanten ge-
legte Hauptschnitt, so wird, wenn
man den Neigungswinkcl, den die
soharfe Axenkante mit der Axe
bildet, mit n bezeichnet
tang n
_= 1-3565
a
wcrden, oder
n = 53" 36',
weil namlich wieder
die halbe Axe A JH » « = 1
und die halbe grossere Diag. BI=J= I 3565
ist.
56
Die Winkel der drei Hauptschnitte des Orlhotypes sind
also :
Neigung der stumpfen Axenkanten = 87° 58'
„ scharfen - = 107° 12
= 109° 8'
und „ „ Seitenkanten „
Denkt man sich nun ein spharisches Dreieck, welchem die
Kantenwinkel , die von den durch die , scharfen und stumpfen
Axenkanten gelegten Ebenen und einer Orthotypflache gebildct
werden, zukommen, so wird fur dasselbe, wenn A, B und C
die Winkel und «, |3 und 7 die diesen gegeniiberliegendcn Sei-
ten sind,
a = r = 53° 36',
0 = n = 43° 59'
und C = 90° 0'
sein. Setzt man diese Werthe in die beiden Formeln
cotg A = cotg a. sin (3
und cotg B = cotg ft sin a
so erhalt man aus ersterer
log cogt A = log cotg 53° 36' + log sin 43° 59',
log cotg 53° 36' = 0-86762— 1
+ log sin 43° 59' — 0841 64— 1
log cotg ,4=0-70926— \ = cotg 62« 53'
A — 62° 53' = x
und aus letzterer
log cotg B = log cotg 43° 59' + log sin 53° 36' ,
log cotg 43° 59' = 00 1542
+ log sin 53° 36' = 090574— 1
log cotg JB = 0-92116— 1 '= log cotg 50° 10 5 ,
also S = 50" 105'=i/.
Nun aber ist, wenn man die stumpfe Axenkante mit B,
die scharfe mit A und die Seitenkante mit S bezeichnet
A — %y ,
B = 2.r,
und S=180° — Kaute -£-
V
also win!
und
A = 100° 21',
B = \ 25" 46'
S=103°38'
werden.
Die krystallographische Beschreibung dieses Salaes ist daher
die folgende :
1. Nach Mohs.
Grundgestalt. Orthotyp.
P=125<>46'; 100" 21' ; 103° 38'
a : b : c = 1 : V 18402 : V09316
Einfache Gestalten.
•dp)? Pr(x); Pr(w)
— 605 -t
Pr + 1 («) 5 i Pr + 2 (u) ; P + oo {M ) 5
(P + oo)3(iV); (Pr + oo(P).
Character der Combinationen. Hemiprismatisch mit geneig-
ten Flachen.
Gevvohnliehe Combinationen.
2.—
3.
4.
5.
6.
7. ■
8.
2
P
~2~
P
T"
p
~2"
P
"a-
p
~2~
P
p
~2~~
P+oo
.f+oo
p eg1
— . P + oo . Pr + oo
p — —■
r- . Pr ■ P + oo . Pr + oo
£• • Pr + 1 • \Pr + 2 • P+ oo . Pr + oo
£- . Pr.Pr+l • f-Pr+2 • P + oo-Pr+oo
L . pr + 1 . iPr + 2 • P + oo ■ ("P+ oofPr + oo
~~~T' ^•^ + 1-^ + 2- P+oo(P+oo)3Pr + oo.
2*. Nach H a i d i n g e r.
Grundgestalt. Orthotyp.
0= 125° 46' ; 100° 21' ; 103° 38'
fit : b : t = l : V 1-8402 : 1 0 1)316.
58
Gewohnliche
C
ombinationen
1.
0 fh
t.
0 n
-T-, «0
3.
0 0
~2~~ ' 2~
5
ooO , ooO
4.
0 0
2 ' 2
9
D , ooO ,
5> 2 ' " * 2 '
>z>
2D , 3D , ooO , ooD
6. -^- , — -^ , O , 2D , 3D , ooO , oo#
7. -^ , — -| , 2D , 3D , ooO , oo02 , D
8- -^-, §- , D, 2D, 3D, ooO , oo02 , ooD.
3 . Nach Naumann
(Rhombisches System).
a:5:c = l : 18565 : 09652
Gewo
tinliche C
1.
P
~2~
ooP
a.
P
~ IT '
OoP
3.
p
~2~ "
p
2~
4.
P
P
2
' s
5.
P
p
^__
' 2 '
6.
P
P
— IT
7.
p
P
2~ "
8,
p
2
P
~ 2
00P • 00P00
* '
.Poo • 00P . oojPoo
2Poo • 3Poo • eoP.ooPoo
Poo 2Poo 3Poo 00 P oop£o
2Poo 3Px> • 00P ooP2 ooPoo
Pop • 2Poo • 3Poo . ocP . ooP2 • ooP J
59
II. IMe IJoppelverbindung; von essigsanrem Kupferoxyde
unci essigsaurem Kalk.
Die Krystalle dicser Verbindung, vvelche in Red ten bach er's
Laboratorrum dargesteM wm-den, haben cine lasurblaue Farbe
und einen Iicht-himmelblaoen Strich. — Ihre Harte bstrSgt 2-0
und ihre Dichte 1-4206. Dieselbe wurde so wie bei der vorher-
gehenden Verbindung, in Naplita bei 23-5° C. bestimmt und die
Dichte des Wassers bei dieser Temperatur =1 gesetzt. — Ihr
Brach 1st mehr weniger uneben, auch sincl sie ansgezeichnet leicht
Figur 17. thcilbar, parallel zu den Krystallflii-
chenMund IV (Fig. 18 und 19). Es
gehort diese Verbindung zu den vve-
nigen, die im pyramidalen Systcme
krystallisiren. Die Grundform ist die
in (Fig. 17) besonders dargestellte
gleiehkantige vierseitige Pyramide.
Die gevvolmlichen Formen bestehen
aus den beiden vierscitigen in dia-
gonalerStellung befindlichen Prismen
M und N dieses Systemes, und den
auf diese beiden senkrechten Fla-
cn noch hau-
chen o, wie Fig. 18 zeigt. Ausserdem erschein
Figur 18.
Fig. 19
fig an den Kanten,
welche von M und
o gebildet werden
die Flachen eider
gleichkantigen 4-
seitigen Pyramide
p, wodurch die
Krystalle die Form
Fig. 19 erhalten.
Diese Figur besteht also aus den foigenden Gestalten:
Die 2 Flachen o bilden P -
« 8 » v „ P
* * » M „ P + oo
60
Was die Messungen betrifft , so muss ich bemerken , dass
an den meisten Individuen sovvohl die Piachen des Prismas M,
als auch die von N mehr weniger gekriimmt waren , was audi
von den Piachen o gilt. Der Glanz war fast an keiner Kry-
stallflache so stark, dass das Fadenkreuz vollstandig reflectirt
wurde. Die Winkel der Prismen habe ich jedoch mit Hilfe der
Theilungsflachen, welche das Fadenkreuz vollkommen reflectirten,
bestimmt, und es betrugen die Differenzan nicht mehr als funf
Minuten. Schwerer zu bestimmen war die Neigung der Pyrami-
denflachen zu denen der Prismen, da die ersteren ebenfalls nur
schwachen Glanz besitzen, und in vielen Fallen nur als sebr
schmale Streifen erscheinen. Nur an zwei Individuen waren
sie derart ausgebildet, dass ich die Neigung zu den Piachen
o und p bestimmen konnte , wobei die grosste Different die
Grosse von 7 Minuten erreicbte.
Die Neigungswinkel der einzelnen Piachen sind der Mes-
sung zu Folge (Fig. 18 und 19):
Neigung von o zu M oder N= 90" 0'
M „ M = 90" 0'
= 90° 0'
= 135o 0'
= 124° 25'
11
ii
n
11
ii
N
ii
N
11
ii
N
ii
M
11
ii
0
ii
V
n
n
0
ii
M
= 145° 35'
Zur Berechnung der Axen der Grund-
gestalt denke man sich von der obern
Spitze der gleichkantigen vierseitigen Py-
ramide auf die Basen der gleichschenk-
ligen Dreiecke Senkrechte gefiillt, und
durch zwei solche an gegeniiberliegen-
den Flacben sich befindende Lothe eine
Ebene ADXD' (Fig. 20) gelegt. Nimmt
man nun die Seite der horizontalen Pro-
jection der Pyramide als Einbeit an, so
wird
Fig. 20.
und
.41 =
01
wenn man namlich
die Axe AX = a
setzt. 1st <3 der Neigungswinkel der Senkrechten sur Axe . so
wird
and also
oder
werden.
/3 = Kante — 90" = 34" 25'
V
a = cotg 34° 25
a= V 2- 1303
Fig. 21.
Die Neigung der Axenkanten
zm- Axe wird , da in dem dnrch
dieselbcn gelegten Hauptschnitte
ABXB (Fig. 21)
11 =
BM
V%
ist, aus der Forniel
tang a
Vl
a y 2 a
erhalten, wenn namlich « der Xeignugswinkel ist. Setzt man fur
a den Werlli, so wird
also
/'{/ ^r — — —
62
es wird also
daher
log tang -i- =, /05f co,„ p _ ^ a>
log cos fi= 091643— 1
— %f a =—0-16422
log tang— = 0-75221—1 = log tang 29° 285'
—-— 29o 88-5'
und £ = 58° 57'
werden.
Den Winkel der Axenkante erhalt man aus dcr Gleichung
cos A =
l + a2
welche, wenn man fur a den Werth substituirt, in die
cos A = —0-31946
iibergeht und wodurch
A = 108° 38'
wird.
Die krystallographischenAng-aben fiber dieses Salz sind also:
1. Nach Mohs.
Grundgestalt. Gleichkantige vierseitige Pyramide
P=108°38'; 111" 10'
a = V/2:1303T
Character der Combinationen. Pyramidal.
Gewohnliche Combinationen.
1. P— oo.P+oo. [JP + oo]
2. P-oo.P.P+oo. [JP + oo].
2. IVach Haidinger.
Grundgestalt. Pyramide.
P=108°38'; 111° 10'
a = V/271303.
Gewohnliche Combinationen.
1. 0, ooP, ooP'
2. (>,/», ooP, ooP1.
63
3. Nach Na um a nn.
(Tetragonales System.)
a = 10319
Gewohnliche Corabinationen.
1. OP.ooP.aoPac
2. OP. P. ooP.ooPao.
Zum Schlusse muss ich noch bemerken, dass ich die Zeich-
nungen nach der von Haidinger beschriebenen Methode <)
ausfuhre, und nur dort, wo das Axenverhaltniss es unumgjing-
lich nothvvendig macht, davon abweiche.
Herr Dr. Victor Pierre zeigte ein nach seiner Idee
ausgefiihrtes Instrument zur Bestimmung der in der Luft ent-
haltenen Wassermenge vor, und entwickelte die Theorie des-
selben in folgendem Vortrage:
„Ueber eine Methode die S pan nkr aft der Dampf e
in der Luft direct zu messen."
§. 1. Unter alien meteorologischen Instrumenten lassen die
zur Bestimmung des Feuchtigkeitsgrades der Luft dienenden
ohne Zweifel das meiste zu w'unschen iibrig, indem die Ver-
lasslichkeit der mit denselben gemachten Beobachtungen, fast
mochtc man sagen unverhaltnissmiissig weit hinter jenen zuriick-
stent, vvelche man durch Barometer und Thermometer erreichen
kann. Aus diesem Grunde sind die Hygrometer von jeher Ge-
genstand der Untersuchungen und Bemiihungen der ausgezeich-
netsten Meteorologen und Physikcr gewesen, ohne dass aus den-
selben mehr hervorgegangen wiire als die Ueberzeugung von der
Unsicherheit der meisten bis jetzt angevvandten Methoden, den
Feuchtigkeitsgrad zu bcstimmen.
Nachdem man sich bald von der Unbrauchbarkeit aller
derjenigen Apparate, welche diese Grosse unmittelbar angeben
sollten, iiberzeugt hatte, schlug man den wissenschaftlichen Weg
ein, man suchte namlich die den Fcuchtigkeitsgrad bedingenden
Elemente zu bestimmen.
§. 2. Unter den zu diesem Ziele fiihrenden Methoden haben
die indirecten der Beobachtung des Thaupunctes und der
*) Handbuch der bestimmenden Mineralogie von Wilhelm Haidinger,
Wien 1845, pag. 61 und Poggd. Ann. (JL, 507).
64
Nasskalte die schnellste Verbreitung und haufigste Anwendung
gefunden, indem der directe Weg die absolute Dampfmenge
in einem bestimmtcn Luffvolum durch die Gewichtszunabme
absorbirender Substanzen (Chlorcalcium u. dgl.) zu bestimmen,
einerseits zu langwierig erscheint, eine genaue Wagung erfordert,
und iiberdiess nur ein mittleres Resultat ergeben kann. Gleichwohl
bat dieses Verfahren, von den obigen Uebelstanden abgesehen, den
Vorzu"- der grossten Precision vor alien ifbrigcuMethoden voraus.
§. 3. Die Fehlerquellen an den sogenannten Condensations-
Hygrometern hat bereits Regnault (Hygrometrische Studien
Poffdff. Ann. Bd. LXV) so grundlich beleuchtet, dass eine aber-
malige Erorterung des Gegenslandes ribcrfliissig erscheint, und
die Verweisung auf R egn au 1 Vs Abbandlung geniigendiirfte. Es
hat derselbe in dieser ein Instrument bescbrieben , bei welchem
zwar die Hauptfehlerquellen beseiligt werden, und aueh die Beob-
achtung an Scharfe ungeinein gewinnl ; trotz alledem bleibt ein
Uebelstand unvermeidlich , auf den iibrigens sehon der Erfinder
selbst hingewiesen hat, mimlieh der, dass man beim Gebrauehe
ehies jeden Condensaiionshygrometers Tal'cln der Spannkrafis-
maxima des Dampfes in der Luft benolhigen wiirde, indessen man
auf solehe nur fur den leeren Raum gelfendeTafeln angewiesen ist.
Nun stimmen einerseits die von verschiedenen Physikern ent-
worfenen Tal'eln dieser Art so vvenig iiberein, dass man bei An-
wendun"* verschiedener Spauiikraftsiabellen auf dieselben Beobach-
tunjrsdalen, Resultate erhallen kann, die urn 5 bis 8 Percent
des Feuchtigkeilsgrades differiren, andererseits bleibt der Zweifel
noch immer unbehoben , oh das Dalton'sche (iesetz fiir ein
Gemcnge von Luft unil Wasserdampf voile Giilligkeit behalte. ')
Regnault hat nun in letzterer Hinsichl Versuche angestellt,
aus denen hervorzugehen scbeint, dass die Spaunuug des YYas-
serdampfes in der Luft vvirklich elvvas kleiner sei als bei
') Kegnaultsagt I.e. Bei hygrornetrisehen Beobachtungcn bedarf es der Kennt-
niss der Spannkraft des Dampfes nicht im leeren Baume, sondern in der
Luft unter dem Drucke der Atmosphare. Nach Annahme der P h y s i-
ker sind diese Spannkriilte durchaus dieselben wie im Vacuo. Vergebens
habe ieh in den Annalen der Wissenschaft gesucht, auf welche Versuche
diese Einerleiheitbegriindet sei, und ichglanbe nicht, dass man mittelst der
in den Lehrbiichern besehriebenen Apparate hinreiehend genaue Versuche an-
stellenkonne, um hinsieht.lich dieses Gegenslandes jeden Zweifel z.u heben.
05
gleieher Tempcratur im Vacuo. Da indessen die Diflcrenzen im
Ganzen nur klein sind, so gesteht R. selbst die Moglichkeit
eines constanten Fehlers im Verfahren zu, dessen Ursache er
jedoch nicht aufzufinden vermag *). (Nach Versuchen, deren
Resultate ich im verflossenen Jahre mittheilen zu kiinnen die
Ehre hatte, scheint jedoch far mittlere Temperaturen sich in
der That keine Abweichung voni Dalton'schen Gesetze zu ergeben;
fur hohere Temperaturen wurdenabcr die Beobachtungen so unsi-
chcr, dass sich daraus keine bestimmten Schliissc ziehen lassen.}
§. 4. Regnault wendet sich nun zu der zweiten Art
der gebrauchlichen Hygrometer, namlich zum Psychrometer ; die
Resultate dieser verdienstvollen Untersuchungen , welche den
Meteorologen hinlanglichbekannt sein werden, haben ergeben, dass
derGebrauch des Instrumentes an viel mehr Riicksichten gebunden
sei , als man bisher anzunehmen pflegte, und da man tiberdiess bei
demselben einer Tafel der Spannkraftsmaxima bedarf , gesellt sich
zu der in den sogenannten Constanten der Psychromeferfor-
mel gclegencn noch eine ahnliche und aus derselben Quelle flies-
sende Unsicherheit wie bei den Condensationshygrometem.
Dasselbe lasst sich von einem im J. 1841 von Majoc-
c h i bekannt gemachten Apparate sagen , den er Spannungs-
hygromelcr (igrometro a tensione) nennt, indem man an dem-
selben untersucht, um wie viel die wirkliche Spannkraft des
Dampfes vermehrt werden muss, damit derselbe das Maximum
der Spannung fiir die herrschende Tempcratur annehme. Ab-
gesehen davon, dass man auch bei diesem Instrumente auf die
Spannkraftstafeln fiir den Iccren Raum angewiesen ist, muss
(lurch das in der abgesperrten Luft verdampfende Wasser der-
selben Warme entzogen und ihre Temperalur verringert, so-
mit auch das Maximum der Spannkraft zu klein erhalten wer-
') Eine solche kiinnte jedoch in der von R. unberiieksichtiglen Eigenschaft
des Glases liegen, sich nach einer vorangegangenen Erhit/,ung nicht so-
gloich auf sein voriges Volumen /.usammen 2u7.ieb.en, wenn die friihere
Temperatur wiederkehrt ; eine Eigenschaft, die beim Thermometer durch
Verriickung des Nullpunctes sliirend wirkt, und bei Ilegnauit's Versuchen
um so mehr von Einfluss sein konnte, als der Appai-at vor der Messung
der Spannkriil'te der Dainpl'e erhitzt, dann auf 0° abgekiihlt, und wieder
allmiihlig erwiirmt wurde. Dadurch aber war das Volum nicht constant
dasselbe bei Anwendung der trockenen und der mit Wasserdampf gesiit-
tigten Luft.
Sitz.b. d. mathem. naturw. CI. Jahrg. 1850. II. Bd. I. Hft. 5
■
f»6
den. Auch geht die Dampfbildung in einem gesehlossenen rait
Luft erfiillten Raume so langsam vor sich, dass, will man der
Sattigang der Luft rait Wasserdampf gewiss sein, man geraume
Zeit wird zuwarten miissen. Indessen kann die Temperatur sich
namhaft iindern , was wieder von Einfluss auf die Maximal-
spannung des Dampfes ist , und somit die Unsicherheit des
Apparates so ziemlich ausser Zweifel stellt. (Aus diesem Grunde
hat auch Poggendorff dasselbe Princip , fur welches er
die Prioritat der Erfindung beansprucht , verlassen , indem
er nicht glaubt , dass dasselbe Vorziige vor den bisherigen
habe.)
§. 5. Es blieb demnach immerhin wiinschenswerth, ein Mittel
7Ai besitzen, durch welches man dieSpannkraft desWas-
ser dampfes inder Luft ohne die Giltigkeit des Dal-
ton'schen Gesetzes voraussetzen zu miissen, direct zu mes-
sen im Stande ist, und der Verfasser erlaubt sich, auf ein
neues hygrometrisches Verfahren hinzuweisen, welches er bereits
im J. 1845 angegeben hat, ohne dass es ihm bisher moglich
war, den dazu erforderlichen Apparat in entsprechender Weise,
und wie er es wiinschte, ausgefuhrt zu erhalten.
Man wird namlich ohne Schwierigkeit zugeben , dass die
Spannkraft eines Gemenges vonLuft und Wasserdampf cine Summe
ist von der Spannkraft der trockenen Luft, und jener, welche der
Wasserdampf wirklich hat, gleichgiltig ob diese dieselbe ist, welche
ihm zukame, wenn er denRaum allein ausfiillte , oder nicht. Bringt
man nun in eine abgesperrte, feuchte Luftmasse eine absorbirentle
Substanz,somuss die Spannkraft der Luftnachvollendeter Absorp-
tion abgenomraen haben und zwar umden Betrag der Spannkraft des
Dampfes. Bei der wirklichen Ausfijhrung eines solchen Vcrsuches
stosst man auf mancherlei nicht unerhebliche Schwierigkeiten; na-
mentlichhaltes schwer, die abgesperrte, feuchte Luft ohne Volums-
anderung, und ohne dass der Feuchtigkeitsgrad schon vor der
eigentlichen Messung eine Verrainderung erfahrt, mit der absor-
birenden Substanz in Contact zu bringen. In wieferne es mog-
lich war diesen Schwierigkeiten zu begegnen, wird aus der na-
heren Beschreibung des Instrumentes zu entnehraen sein.
§. 6. Die beiliegende Tafel enthalt eine nur skizzenhaft
gehaltene Zeichnung desselbcn und seiner Theile ; die Verhiilt-
67
nissc der Dimensionen sind nur beilauflg beriicksichtigt. Fig. I.
A ist ein weites cylindrisches Gefiiss von Messing mit doppelten,
einc Luftscliicht zwischen sich einschliessenden Wanden , dessen
Hohe mehr als das doppelte seines Durchmessers betragt. In
demselben befindet sich der untere Theil des Heberbarometers
Hff, welches rait Millimeteriheilung und Mikrometerschraube ver-
sclien ist, ferner ein sehr empfindliches Thermometer, dessen lang-
cylindrischer Quecksilberbehalter ungefahr die Mitte von A ein-
nimmt, und dessen Rbhre bei GG hervorragt. Nach unten ist
das Gefass A, welches wir zukiinftig den Luftbe halter nen-
nen wollen, rait einem breiteu, genau geebncten Rande CC ver-
sehen, der auf den gleichfalls eben gcschliffenen oberen Rand DD
des Absorptionsapparates B luftdicht aufsitzt. Der Absorptions-
apparat selbst ruht auf einem Dreifusse mit Stellschrauben, und
ein an der Hiilse des Barometers angebrachtes, in der ZeichnunT
nicht sichtbares Loth, lasst die verticale Stellung des Barome-
ters erkennen. Durch den Boden von B geht ein Zapfen luftdicht
hindurch, und kann von Aussen mittelst des Griffes F so um
seine Axe gedreht werden, dass dadurch eine Communication
zwischen der abgesperrten Luft und der absorbirenden Subslanz
liergestcllt wird. Fig. 2, 3 u. 4, in denen die iibereinstimmenden
Theile mit gleichen Buchstaben bezeichnet sind, lassen das De-
tail der inneren Einrichtung erkennen, AA' AA' Fig. 2, ist der
Durchschnitt des Luftbehalters , dessen iiussere Wandung LL von
der inncrenL'L' durch eine mehrere Linieu dicke Luftscliicht ge-
trennt ist, welche jedoch mit der inneren Luft nirgends communici-
ren kann, und nur den Z week hat, als schlechter Warmeleiter, die
durch die Niihe des Beobachters veranlassteTemperaturs-Aende-
rung (in Folge der Warmestrahlung und Mittheilung) moglichst zu
beseitigen. ././ist der untere Theil des Heberbarometers, das mit
dem Thermometer KK in den auf AA luftdicht aufgepassten Ansatz
MM ebenfalls luftdicht eingekittet ist. Der untere ebene Rand A' A'
erscheint auf dem oberen Band BB des in Fig. 3 und 4 abge-
sondert gefteiehneten Absorptionsapparates aufgesetzt. Der Letz-
tere ist in zwei durch eine breite Scheidewand gctrennte Kam-
mern CC abgelbeilt. Durch die Scheidewand der Kammern geht
die durch den Griff // von Aussen drehbare Achse GG luftdicht
hindurch und tragt an ihrein oberen Ende ein Qucrstiick FF,
5 *
68
(lurch welches die belden in Charnieren bcweglicheii Deckel DD
der Kammern niedergedriickt werden, wa'hrend von unten in den
Kammern angebrachte Federn EE entgegendriickeu und die De-
ckel zu offnen streben. Stent nun FF senkrecht gegen die Rich-
tung der Scheidewand (Fig. 2 u. 4), so sind die Kammern voll-
standia: srescblossen und von der feuchten Luft des Luftbeluil-
ters abgesperrt, drcht man aber mittelst des Griffes It das Quer-
stiick FF in die Richtung der Scheidewand, so offnen sich die
Deckel mittelst ihrer Federn und die feuchte Luft ist in Com-
munication mit der absorbirenden Suhstanz gesetzt. Damit das
Niederdrlicken der Deckel leicbter und vollstandiger erfolge, sind
auf denselben gegen den Rand hin gekrummte schiefe Ebenen aa-
gebracht, auf denen die Enden des Querstuckes FF gleiten, me
diess am besten aus den lcicht verstiindlichen Fig. 3 u. 4 zu ent~
nelmien ist.
§. 7. Wir wollen nun der Reihe nach alio Umstande dureh-
gehen, welche bei der beschriebenen Einrichtung des Instrumen-
tes von Einfluss auf die Genauigkeit der Beobachtungen sein
konnen.
Die Besorgniss, dass, da die Deckel die Absorptionskam-
mern nicht hermetisch schliessen, eine Absorptionswirkungschon
eintreten konne, bevor noch die Luft vollig ahgesperrt, oder die
Messung der Spannkraft der feuchten Luft geschehen ist , er-
weist sich in der Erfahrung als ganzlich unbegriindet, denn
das Barometer andert seinen Stand in der feuchten Luft des
Behiilters nicht, wenn die Deckel gcschlossen sind, sinkt selbst
dann nur ausserst langsam, wenn durch theilweises Drehen des
Griffes H, die Deckel ein wenig geoffnet werden. Erst bei vol-
ler Oeffnung der Kammern beginnt jedesraal ein rasches Fallen .
des Quecksilbers.
Weitcr kann man die Frage aufwerfen, ob die Luft durcb
die getroffene Anordnung des Absorptionsapparates auchvoll-
stiindig und hinreichend schnell getrocknet werde: ir<
ersterer Hinsicht glaube ich, diirfte nicht leicht ein begrundeter
Zvveifel erhoben werden konnen, der letztere Uinstand hinge-
gen ist von grosser Bedeutung fur die praktische Brauchbarkeit
des Instrumentes, nicht nur daruin, weil einerseits bei langsamer
Absorption in der Temperatur der abgesperrten Lufl : bedeutende
69
Aendcrungen eintretcn konnen, die jedenfalls liistigc und nicbt
ganz sichere Correetionen erfordern, sondern audi andererseits
wiirde die Beobachtung selbst langwierig und unsicher, weil man
den Zeitpunct nicht bestimmen kann , in welchem die Absorp-
tion vollendet ist. Wiewohl bei der mangelhaften Ausfiihrung des
Instrumentes, welcbcs durch einen leicht zu vermeidenden Feh-
ler *) nicht hinreichend luftdicht war , Versuche an demselben
keine vollkoramen entscheidenden Resultate geben konnten, so
geht doch selbst aus diesen , so wie auch aus anderen vorher
unternommeneu Versuchen hervor, dass die Einvvirkung von scharf
getrocknetem (nicht geschmolzenem) Chlorcalcium besonders an-
fiinglich ungemein rasch erfolgt, und die Senkuug des Queck-
silbers in den ersten zwei Minuten in der Folge keine sehr raerk-
bare Aenderung erleidet.
§. 8. Ein nicht zu venneidender Uebelstand ist der, dass
der Absorptionsraum trockne Luft von der Spannung der At-
mosphiirc enthalt, wiihrend die (trockne) Luft des Luftbehiilters
eine (um die Spannkraft der ibr beigemengten Wasserdampfe)
geringere Spannkraft besitzt, sich also mit jener ins Gleichge-
vvicht setzeud , nach geschebener Absorption der Ditmpfe eine
andere Spannkraft zeigen muss, als wenn der ganze Raum nur
feuchte Luft enthalten hatte. Ist niimlich der Barometerstand B,
und e die Spannkraft der Diimpfe in der Luft , so ist in der
feuchten Luft: B — b + e ; die Grosse b wird aber vom In-
strumente nicht gegeben, sondern, wenn man mit v das Volum tro-
ckener Luft im Absorptionsraume, mit V jenes der feuchten im
Luftbehalter bezeichnet, die Grosse:
B'
Bv + bV
V+v
vvoraus sich die Spannkraft des Dampfes
e = JB_6ra(B-B) (l + £)
ergibt.
J) Es war niimlich die Fassung , welehB das Barometer und Thermometer
trug, auf den Deckel des rml'tbehiiltersmiUelst in diesen hineinragender
Schrauben bel'estigt worden , durch welche, wie man sich direct iiber-
zeugte, der I/ttftnrtritl ermbglicht war.
TO
Wenn man nun, was immer moglich , und sogar in ande-
rer Beziehung noch von Vortheil ist, Fhinreichend gross gegen v
macht, wird -^ ein fuglich zu vernachlassigender Bruch. Wenn
man daher bei geraumigem Luftbehalter dafiir sorgt, dass die
Kammern des Absorptionsapparates nicht zu tief, und iiberdiess
mit Chlorcalcium (oder irgend einer andern scbnell absorbiren-
den Substanz) moglichst vollgcfiillt sind, so ist die erwahnte
Bedingung in vollig zureichender Weise erfullt. Die an und fur
sich kleineVolumsanderung, durch das Steigen des unteren Queck-
silberniveau im Barometer veranlasst, braucht bei eincm nur eini-
germassen geriiumigen Luftbehalter nicht welter ber'ucksich-
tigt zu werden, auch wird eine grossere Luftmasse von den iius-
seren Temperaturs-Aenderungen wenigcr schnell afficirt werden
als eine kleinere,
Um aber den Einfluss jener Aenderungen, welche nament-
lich durch die Warmestrahlung und Mittheilung von Seite des Be-
obachters bedingt werden, moglichst zu vermindern, wurde eben
die doppelte Wand des Luftbehalters gewahlt, und selbst das
Absorptionsgefass von Aussen mit einer ahnlichen Hiille (in der
Zeichnung weggelassen) umgeben. Diese Vorrichtung erwies sich
in der That sehr wirksam, und selbst die Beriihrung der aus-
seren Wand des Luftbehalters mit der Hand iibte erst nach ge-
raumer Zeit einen Einfluss auf das Thermometer ; hatte es aber
einmal einen hoheren Stand angenommen, so behielt cs ihn durch
liingere Zeit constant bei und sank dann sehr langsam r).
Noch bleibt zu untersuchen, ob nicht bei der Absorption
des Wasserdampfes eine bedeutendero Tcmperaturs - Aenderung
eintritt, was sogar vonvorne herein cinige Wahrscheinlichkeit fur
sich hat. Bei Anwendung von Chlorcalcium in der beschriebe-
nen Weise ergaben sich kcine so entschiedenen Resultatc, dass
man auf eine Temperaturs-Aenderung durch die Absorptionsvvir-
kung einen sicheren Schluss ziehen konnte. Es ergaben sich
*) Folgende Zahlon kiinnen zur Beurtheilung ties Einflusses der Nahe des
Beobachters dienen:
Zeit innere TheHe aussere Theile Zeit
9h2o' 21»38 21?50 1.5'
11.15' 21.38 21.70 1.38'
11.45' 21.56 21.95 2.47'
innere Theile iiussero TheUc
22?13 22°10
22.19 22.15
22.19 22.20
71
zwar jedesmal nach dem Oeffnen des Chlorcaleium - Apparatus
Temperaturs-Erhohungen, die indessen sehr klein waren , zwi-
schen 0°07 und Ool3 R schwankten und sich immer Iangere
Zeit constant erhielten, nachdem die Absorption vollendet war.
Wenn aber , vvie es (lurch die Erfahrung gerechtfertigt
scheint, die Temperaturs- Aenderungen der eingeschlossenen Luft
wahrend der ganzen Dauer des Versuehes nicbt sehr bedeutend
sind, und nur langsam erfolgen — kann man annehmen, dass
die Temperatur an alien Stellen dieselbe sei, und dann hat die
desshalb an der gefuudenen Dampfspannung anzubringende Cor-
rection keine Schwierigkeiten, um so vveniger, wenn man sich
eine Tafel entwirft, durch welch e die kleine Rechnung erspart
wird.
§. 9. In der Form, wie das Instrument im vorigen beschrie-
ben wurde, bietet noch das Barometer eine kleine Schwie-
rigkeit dar. Der Luftbehalter ist namlich aus Metall verfertigt,
indem gliiserne Wiinde vielleicht durch ihre hygroskopischen
Eigcnschaften den Feuchtigkeitsgrad der Luft andern, bevor die-
selbe noch abgesperrt ist, wovon man sich durch ein dem be-
schriebcnen ahnliches Verfahren iiberzeugen konnte. Dadurch
entbehrt man aber des Vortheiles, das untere Niveau des Queck-
silbers beobachten zu kiinnen, was indessen nicht unumganglicli
noting ist. Ich glaubte ein Heberbarometer einem Gefassbarome-
ter vorziehen zu sollen, weil bei jenem die Menge der fiber dem
Quecksilber befindlichen Luft , deren Feuchtigkeitsgrad ein an-
derer ist als jener der Luft im Luftbehalter, viel kleiner und
ihr storender Einfluss somit verschwindend ist.
An dem wirklich ausgefiihrten Instrumente wurde von dem
Mechaniker die Scale in halbe Millimeter getheilt, und dieselben
fiir ganze gezahlt ; diese Einrichtung ist zu verwerfen, weil es
bekannt ist, dass selbst bei vollkommen gleichen Durchmessern
die Niveauanderungen in beiden Schenkeln eines Heberbaro-
meters selten gleich gross sind. Es ist leicht sich (la von zu
iiberzeugen, dass in vielen Fallen eine Ungleichheit der Tem-
peratur beider Schenkel die Ursache dieser Erscheinung ist,
wiewohl auch die verschiedenen Capillaritatsverhaltnisse dasihrige
dazu beitragen. Man wird also jedenfalls fehlen , wenn man
bloss an einem Schenkel abliest, und die Ilohenandcrung ver-
72
doppelt ; cs sclieiut mir jcdoch als konne man durcli ein cin-
faches Vcrfahren die directe Bcobachtung des unteren Niveau
umgehen, welches, da es iiberhaupt auf jedes Barometer an-
gewendet werden kiinntc, hiet* nicht iibergangen warden soli.
Ziihlt man namlich die Quecksilberhohen von ein em Nullpuncte,
der tiefer liegt als der tiefste Stand, den das Niveau im offe-
nen Scheukel iiberhaupt annehmcu kann, und is t /i die Hohe des
unteren, H die des oberen Niveau, beifle auf 0° reducirt , so
hat man den Barometerstand:
b = H — h wabrend
c = H + h
cine constante Grosse sein muss, vorausgesetzt, dass der Dureh-
mcsser der Glasrohren als unveriinderlich betracbtet werden
kann; daraus ergibt sich :
b = 211 — c.
Man darf daher nur die auf 0° reducirte Ablesung am obe-
ren Niveau verdoppeln und davon die Grosse c , subtrahiren,
urn den auf 0° reducirten Barometerstand zu erlialten; c selbst
aber wird man im Mittel aus hinreichend vielen Bcobacbtungen
nach der Glcichung c = H + h oder aber durch Verglei-
chungen des Ileberbarometers mit «inem Normalbarometer nach
der Formel c = 2 H — b linden konnen. *)
Dadurch aber, dass wean man an einem bestimmtcn Ilebcr-
barometer die Grosse c fort und fort aus den Ablesungcn
an beiden Schenkeln berechnet, man zuweilen Resultate erhalt,
die von den iibrigen um Grosscn differiren, welche die Fehler-
gritnzen der Ablesung iiberstcigen , wird der Beweis geliefert,
dass die Temperatur der Quecksilbersaule cntweder nicht durch-
aus gleichformig oder nicht die von dem am Instrumente ange-
brachten Thermometer angegebene sei.
Da in dem gegebenen Palle eine Ablesung beider Niveaus,
selbst wenn man das Barometer behufs der Bestimmung von c
aus dem Instrumeute herausnehmen wiirde , immer schwer aus-
1) Bei dor angenommenen Lage des Nullpunctcs der Scale wird die ganz.e
Rctrachtung einfacher; das Verfahren findet jedoch mit einer geringeti
Aenderung auch Anwendung, wenn bei einem Heberbarometer der Nutl-
punct der Scale in ihrer Mitte liegt, wo die Summe der Ablesungen den
Barometerstand gibt.
73
fuhrbar sein wircl, diirfte eine Vergleichung mit einem anderen
Instruments den Werthvon c ergeben. Da nun aber Aft = 2 A/f
Wen 11 man unter A // die Different zweier zuvor auf 0'
rediicii'ter Ablesungen am oberen Niveau verstebt, kann man,
in soferne es sich bloss um Spannkraftsiinderungen handelt, diese
Grosse c audi entbebren, jedoch wird es gut sein, dieselbe
zu bestimmen, vveil sodann das Instrument zugleich als
Barometer und Hygrometer fungirt.
§. 10. Es liesse sich zwar das Barometer auch ganz ent-
bebren, wenn man seitwiirts eine zweischenkliche mit Queck-
silber abgesperrte Glasrohre zur Messung der Spannkrafts-
iinderung der abgesperrten Luft anbriichte. Dann hat man aber vor
und nacb der Messung dieser Grosse das Barometer zu beob-
achten, um nothigcnfalis eine Correction wegen Aenderung des
Baromcterstaudcs anbringen zu konnen, was nicht nur umstand-
licher ist, sondern auch zu grosseren Fehlern Veranlassung ge-
ben kann. Da man einmal das Barometer beobachten muss , so
scheint es all er dings am einfachsten, dasselbe mit dem Instru-
mente zu verbinden.
Wiirde man ferner an dem Luftbehalter Hahne in geeig-
neter Weise anbringen, so konnte man denselbcn mit jedem be-
liebigem Gase fullen, und so den Feuchtigkeitsgrad desselben
bestimmen, was bekanntermassen bei den bisher angewandten
Hygrometern grosse Schwierigkeiten hat.
Was nun die Ausfiihrung von Beobachtungen an dem ange-
gebenen Instrumente betrifl't , so unterliegen dicselben keinen
Schwierigkeiten, und die Ableitung der Spannkraft des Dam-
pfes aus den Beobachtungsdaten ist so einfach, dass wohl Jeder-
mann, der nur einigermassen mit metcorologischcn Instrumentcn
vertraut ist, sich des Apparates leicht wird bedicnen konnen.
Sollte sich die Temperatur wiihrend der Dauer des Versuches
um dt geandert haben , so ist die gefundene Dampfspannung
um den Betrag aB'dt zu vergrossern, wo a der bekannte
Iludber gischc Coefficient ist, dt aber und somit die ganze
Correction positiv oder negativ sein kann.
§. 11. Wenn nun auch die maugelliafte Ausfiihrung des
Instrumentes sichere Mcssungen und somit eine Vergleichung
mit anderen Hygrometern noch nicht gestattete, so war es denn
74
•loch moglich, eiuige Beobachtungen anzustellcn , die iiber die
Zweckmassigkeit der getroffenen Einrichtung und die Ausfiihr-
barkeit der Methodc entscheiden lassen , und wenn nicht der
eiwas hohe Preis des Instrumentes seiner Anwendung im Wege
gteht, so scheint es, dass nach einigen Verbesserungen, die
man etwa noch anbring.n konnte , dasselbe der Beachtung der
Physiker erapfohlen werden diirfte.
Eine Bemerkung glaubt der Verfasser nicht untcrdriicken
zu sollen; es ist namlich die, dass aus Versuchen mit dem In-
strumentc iibereinstimmend mit jenen , welcbe vorlaufig an einem
andern Apparate angestellt warden, um die Anwendbarkeit der
Metbode im Allgemeinen zu constatiren, mit Bestiindigkeit her-
vorging, dass, wenn Wasser in einem verscblossenen Raume ver-
dampft, vviihrend gleiehzeitig in demselbcn hygroskopische Sub-
stanzen sich befinden, das Maximum der Spannkraft so weit hin-
ter dem bei derselben Tcmperatur zu erwartenden zur'uckbleibl,
dass die Moglichkeit eines Beobachtungsfehlers ganz unvvahr-
scheinlich wird, und man nicht zweifeln kann, dass diese Different
von dem Verhaltnisse zwiscben der Menge des neugebildeten und
des absorbirten Dampfes abbangig ist. Wiewobl bei der lang-
samen Verdampfung in verscblossenen, Luft enthaltenden Raumen
sich ein solches Resultat gcwissermassen voraussehcn liess, so
ist es doch nicht uninteressant, die Erscheinung direct zu consta-
tiren, um so mehr alsdieselbe mit der bekannten Thatsache im Zu-
sammenhange stehen diirfte, dass Diimpfe, die sich aus verdiinnter
Schwefelsiiure, verschiedenen Salzlosungen u. dgl. entwickeln, im-
mer ein geringeres Spannkraftsmaximum zeigen als Diimpfe von
reinem Wasser unter gleichen Umstiinden.
Zum Schlusse erlaubt sich der Verfasser noch darauf hinzu-
deuten, dass derselbe leitcnde Gedanke, der seinem Apparate zu
Grunde liegt, auch in einer anderen Weise sich realisiren liesse,
wobei man die Temperatur wahrend der ganzen Versucbsdauer
constant erhalt, und die Absorption des Wasserdampfes sclmell
vol! end et wird. Da jedoch der zu diesem Ziele fiihrende Apparat
noch nicht denjenigen Grad der Einfachheit besitzt, der denselbeti
praktisch brauchbar niachen w'tirde, so muss er diesen Gegenstand
weiteren Untersuchungen vorbehalten , soweit derea Ausfuhrung
unter den gegenwiirtigen Verhaltnissen in seiner Macht stehen wird.
75
Das w. M. Herr Sectionsrath Wilhelm Haidinger stellte
nachfolgenden Antrag:
Ich bitte die hochverehrte roathematisch-naturwissenschaft-
liche Classe der kais. Akademie der Wissenschaften um die
Erlaubniss den Antrag zu stellen, dieselbe moge eine Com-
mission zur Besprechung der Frage ernennen, ob und unter
welchcn Verhaltnissen es wiinschenswerth ware, dass die Aka-
demie naturwissenschaftliche Expeditionen in entfernte, fremde,
in vieler Beziehung uubekannte Lander entsende.
Wahrend ich selbst in der Bichtung meiner Studien mebr
auf die Untersuchung der Kronlander unseres eigenen Kaiser-
reiches, namentlich in Bczng auf das Unorganische, angewiesen
bin, und daher vielleicht nieht einmal selbst ein entsprechendes
Mitglied einer solclicn Commission wiire, tliirfte es vielleicht
unbescheiden, odcr selbst an mass end erscheinen, dass ich es
hier wage, fiir einen Gegenstand das Wort zu nehmen, der in
seinem Anfange schon nicht oline bedeutende Anstrengung ins
Werk gesetzt werden kann, fur den Verfolg aber von ungebeu-
rem Einflusse sein muss. Indessen ist gerade die Untersuchung
der goologiscbeu Beschaffenheit des Kaiserreicbes eine solche,
welche es mit sich bringt, dass man auch fiir andere For-
schungen erst recht empfiinglich wird, dass man insbesondere
durch den Ausschluss des Fremden recht eigentlich zu dem
Wunschc gedriingt wird, dass sich doch Jemand dieses zum
Gegenstand seiner Aufgabe wiihle.
Es ist unsere Pflicht, und wir erfiillcn sie, die reichen
Gaben unseres schonen grosscn Valerian des durch das an-
gestrcngteste Studium naher kennen zu lerncn, dazu ist die
geologische Beichsanstalt gegriindet. Aber wir fi'ihlen, dass wir
auch auf der herrlichcn Erdc mit an der Spitze der Bewe-
gung stehen, fur geistigen und materiellen Fortschritt. In dieser
Beziehung sollen auch wir Antheil nehmen an der wissenschaft-
lichen Forschung in Landern ausserhalb denen , welche wir die
iinsern nennen, die noch nicht, wenig oder ungeniigend bekannt
sind. Eigentliche Entdeckungsreisen , oder Beisen zu genauen
Untersuchungen der Naturproducte fremder Lander , nament-
lich solcher, aus denen wir Producte zur Befriedigung unserer
Bediirfnisse bezieben, liegen uns gewiss sehr nahe, und die
76
Bewohncr dcs Kaiserreichcs werdcn namentlich von ciner kais.
Akademic der Wissenschafton Ansichten iiber die Zweckmassig-
keit oder Nothwendigkeit gowiss nicht nur erwarten, sondern
audi mit Beifall uml Wohlwollen aufnehmen , was immer zur
Ausbreitung unserer Unternehmungen und zur Erhohung der
Stellung b.eitragen kann , die wir unter den Volkern des Erd-
balles einnehmen.
Das gleiche Gefiihl war es, welches vor nicht langer Zeit
in dem Vorschlage einer Weltumseglung fiii- nautische Zwecke
gich darbot. Aber es diirfte unabluingig von einer solchen wohl
an der Zeit sein, dass die Akademic, vorziiglich die mathematisch-
naturwissenschaftliche Classe, die speciellen Aufgaben , welche
uns Oesterreichern bei einem solchen Unternelimen, oder einer
Anzahl dcrselben vorliige, genauer zu erortern. Ich wage es
daher den Antrag zu stellen: Die mathematisch - naturwissen-
schaftliche Classe der kais. Akademie der Wissenschafton moge
eine Commission zu dem Zwecke ernennen, um zu erwagen, ob,
unter welchen Verhiiltnissen und nach wclchen Landern es wiin-
schenswerth ware, dass wissenschaftliche insbesondere natur-
wissenschaftliche Expeditionen unternommen vviirden.
Dieser Antrag wurde von der Classe angenommen, und die
Herren Haidinger, Partsch, Hyrtl, Kollar, Fenzl,
F itzinger, Heckel, Boue und Die sing zu Mitgliedern der
Commission bestimmt.
Ueber Antrag des w. M. Herrn Dr. Boue, wurde Herr
Professor Hyrtl, der im Begrifte steht nach England zu reisen,
ersucht, im Namen der Akademie die in diesem Jahre zu Edin-
burgh sich versammelnde British Association zu begriissen.
Die durch Herrn Dr. Botteri von der Insel Lesiua einge-
sendeten Petrefactcn und geognostischen Stiicke werden der k. k.
geologischcn Reichsanstalt, die von Santorino durch das k. k.
Consulat in Syra eingelangten hingegen dem k. k. Hof-Mincra-
lien-Cabinete ubergeben.
77
Sitzung vom 20. Juni 1850.
Das w. M. Herr Professor Fried,
r'terschickt nachfolffende Abhnndlunff :
Rochlcder in
Prag
Ueber ein Stearopton aus Cassiafil.
Die Substanz, deren Untersuchung den Gegenstand dervorlie-
gendenNotiz ausmacht, bestand aus durchsichtigen, theils farblosen,
theils gelbgefSrbten krystallinischen Stiicken von ziemlieh bedeuten-
der Grosse, die mit einem gelbbraunen, stark nach Zimmt riechen-
den Gel uberzogcn waren.
Zur Reinigung wurden die Stiicke in der kleinstcn erfor-
derlichen Menge wasserfreicn Weingeistes in der Warme gelost.
Nacb dem Erkaltenerstarrtdie Fliissigkeit zu einergelben, blatteri-
gen Krystallmasse, die zwischen Loschpapier gepresst wird. Die
gelbe Mutterlauge zieht sich in das Loschpapier, die Krystalle
bleiben zjuriick , werden abermals aus wasserfreiem Alkobol um-
krystallisirt und gepresst, und dieses Verfahren sieben bis acli
Mai wiederbolt. Die Substanz ist dann farblos, geruchlos, in
Blattern von starkem Glanze krystallisirt, spriide leichtzu pulvern,
knirseht. zwischen den Zahnen , ist leicht schmelzliar, farbt sieli
beim Erhitzen, aber bald nach dem Schmelzen gel]). Im gescliniol-
zenen Zustande stellt sie ein tarbloscs das Licht stark brechendes
Oel dar. In einer klcinen Retorte erhitzt, zieht sie sich an den
Wanden hinauf und destillirt fiber, ohne noch zu sieden. Das
Destillat ist ein gelbes Oel, was bald zu einer festcn Masse von
blitttriger Structur erstarrt, von gelber Farbe, die von einer
theilweisen Zersetzung hcrriihrt.
In Schwefelsaure lost sich dieser Korper mit satlgelber Farbe
auf und wird durch Wasser daraus gefallt.
Die Substanz geschmolzen, nach dem Erstarren gepulverl und
im Vacuo getrocknet gab mit chromsaurem Bleioxyd und vorge-
legtem Kupferoxyd verbrannt, folgende Zusammensetzung :
I, 0,2081 Substanz gaben 0,575 COz und 0,1285 Aq.
II. 0,2400 „ „ 0,060 COz „ 0.147 Aq.
m4 0,2196 „ „ 0,(5059 rOs „ 0,1352 Aq.
78
Diess entspricht folgender Formel:
28 Aequiv. Kolilenstoff = 2100,0 —
15 „ „ Wasserstoff = 187,5 —
5 „ ,, Sauerstoff = 500,0 -
berechnet
gefuilden
I.
II.
ill.
75,33 -
75,35 -
- 75,00 —
75,2%
6,72 —
6,86-
- 6,80 —
6,83
17,95 —
17,79 -
- 18.20 —
17,93
2787,5 — 100,00 — 100,00 — 100,00 — 100,00
Die Formel C38 //is 0B Iiisst sich betrachten *) als die eines
Hydrates = 2(C14 #? 0») + ffO-C^ H, 02 ist ein Korper, der sich
in seiner Zusammensetzung von dem Bittermandelol nur durch
einen Mehrgehalt von einem Aequivalente Wasserstoff unler-
scheidet. Wirddas Stearopten, welches wir in Be ziehung auf seine
Zusammensetzung Benzhydrol nennen wollen, mit Kalilauge in
einem Gefiisse gekocht, welches mit einem Apparate zur Ver-
dichhmg der fliichtigen Producte verbunden ist, so erhalt man
ein triibes Wasser and Tropfen eines schweren, im Wasser
untcrsinkenden Oels, von lichtgelber Farbe und angenehmen Ge-
ruch nach einer Emulsion von siissen Mandeln. Um die Einwir-
kun"- voHkommen zu machen, wurde das Des'tillat von Neuem
mit Kalilauge vermischt und destillirt. Das fliichtige olartige
Product wurde iiber Chlorcalcium getroknet, fur sich rectificirt
und wie die obige Verbindung analysirt:
I. 0,248 Substanz gaben 0,6335 COt und 0,135 Aq.
II. 0,306 „ „ 0,781 CO, „ 0,175 Aq.
Diess entspricht auf 100 Theile berechnet folgender Zusam-
mens etzung :
42 Aequivalente Kolilenstoff — 3150,0 —
22 'n Wasserstoff — 275,0 —
11 „ Sauerstoff — ' 1.100,0 —
lercclinct
gcfun
len
I.
II.
69,61 —
69,66 —
69,60
6,08 —
6,05 —
6,32
24,31 —
24,29 —
24,08
4525,0 — 100,00 — 100,00 — 100,00
Die Formel CmHuO^ lasst sich zerlegen in
2 (Cuff, OsJfO) + CuH, 02 , MO.
i) CssHn05 lasst sich betrachten als C14JJ, 0„
')tr/802, das letztcre
GUed ware der Alkohol der Benzoesiiure, deren Aldehyd das Bitterman-
delol ist, die Zersetzungsproducte rechtfertigen aber diese Annahme nichf
79
Es crklart s"ch die Entstehung dieses Korpers aus dem Benz-
hydrol leicht und einfach. Zwei Aequivalente C^H, 02 verlieren
jedes ein Aequivalent Wasserstoff und nehmen ein Aequivalent
Sauerstoff an dessen Stelle auf, der abgeschiedene Wasserstoff
nimmt Sauerstoff auf, das gebildete Wasser bleibt mit dem Kor-
per CnHsOs in Verbindung. Zwei Aequivalente des Kiirpers
U^HmOs, HO treten mit einem Aequivalente ChHtOz + HO
zusammen, und geben die obige Verbindung.
Die Gruppe CnHeOs, HO steht zum Benzhydrol in einem
ahnlichen Verlniltnisse wie die Benzoesaure zum Bitterman-
deliil. Wenn wir sie mit dem Namen Hydrobenzoesaure oder
Benzhydrolsaure bezeichnen, um anzudeuten, dass sie sich nur
durch einen Mehrgehalt von einem Aequivalente Wasserstoff von
der Benzoesaure unterscheidet, so miisste das oben beschriebene
olartige Product benzhydrolsaures Benzhydrol genannl; warden,
die Verbindung wiirde in gewisser Hinsicht im Analogon des
benzoesauren Bittermandelols sein.
Bei der Einwirkung des Kali und der Luft auf das Benz-
hydrol entsteht neben diesem Producte nur noch eine kleine
Menge eines braunen klebenden Harzes, welches bei der Kali-
lauge zuriickbleibt.
Mit Salpetersaure iibergossen, farbt sich das Benzhydrol
sogleich gelh, auch wenn die Saure verdunnt ist, es schmilzt zu
einem Oele, welches auf der Salpetersaure schwimmt. Wendet
man eine concentrate Siiure an und erwarmt, so entsteht eine
energische Reaction, es entwickelt sich eine grosse Menge r other
salpctriger Diimpfe und man muss das Gefass schnell vom Feuer
entfernen, wenn der Inhalt nicht herausgeschlcudert werden soil.
Wenn die bleftige Einwirkung voriiber ist, dampft man die
Fliissigkeit in einer flachen Schale bei gelindem Feuer soweit
ein, dass der Riickstand nach dem Erkalten erstarrt. Er wird
p heissem Wasser gelost , die siedend heisse gelbe Lo-
sung von einigen Harzflocken abfiltrirt und erkalten gelassen.
Es scheidet sich eine zahlreiche Menge von kleinen gelblichen
Krystallen aus , die auf einem Filter gesammelt, mit kaltem
Wasser gewaschen und aus siedendem Wasser umkrystallisirt
werden. Nach mehrmaligem Umkrystallisiren ist die Siiure rein,
farbios und besitzt nahezu alle Eigensehafien der Beozogsalpeter-
80
saure. Sie fallt Eisenoxydsalze wie die Nitrobenzoesaure. schmilzt
unter Wasser, wenn dieses zur Losung nicht hinreicht iilartig.
Mit Zink und Salzsiiure wird die heisse Losung der Saure vor-
iibergehend kupferroth gefarbt, wie die Nitrospirolsaure , mit
Kalilauge nimmt sie eine dunkelorangenrothe Farbe an und iai-bt
grosse Mengen Wasser stark gelb. Beim Erhitzen mit Natron-
kalk entweicbt Ammoniak. 0,343 der Saure gaben 0,5705 COz
und 0,122 Aq. Die Saure war bei 100° C getrocknet.
Diess entspricht der Zusaminensetzung des Hydrates der
Nitrobenzoesaure, mehr einem Aequivalente von Wasser, wie
folgcnde Berechnung zeigt:
bcr. gefd.
14 Acquiv. Kohlenstoft' — 1050,0 — 45,40 — 45,48
7 „ Wasserstoff — 87,5 — 3,78 — 3,95
10 „ Sauerstoff —1000,0— . . — . .
1 „ Sticks! off — 175,0 — • . —
2312,5
odcr
CuHiQnN « C±iHtO$, NQt + 2BO
Die Formel der bei 100° Cgetroekneten Nitrobenzoesiiure ist
= CiJ * }Oi + HO + aq
INOA
CuHsOnNOs + no.
Die geringe Menge Substanz, welche ich der Giite des Herrn
Apothekers Dittrich bier verdanke, nach dessen Mitlheilung sic
aus China nach Holland in den Handel gebracbt wird , vcrhinderte
eine weitere Untersuchung dieser Saure so wie anderer Zerset-
zuno-sproducte , deren Studium von Interesse sein diirfte.
Das Ansuchen des Ausschusses der k. k. Landwirtlischafts-
gesellschaft um Betheilung mit den akademischcn Druckschriften
Post-Nr.
2
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6
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27
28
Benennung des Objectes
Von
Obbbstr.
do.
do.
do.
Petristr.
do.
Stefanschtr
do.
do.
do.
Scharf
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
Nr.
Friedenfelder do.
do.
Obbbstr.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
13
13
13
13
7
7
3
3
7
7
6
6
9
9
12
12
7
7
14 .
14 .
14 .
14 .
8 .
8 .
5 .
5 .
1 .
1
7 .
7
10
10
13
13
8
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
do.
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3 .
2 .
Obbbstr.LiegenfelderSehurf Nr.5zu 6 .
Allerheiligst. Peld do.
do. do. do.
do. do. do.
do. do. do.
Josefstr. Hauptfeld do.
do. Anhangfeld do.
N. Dreikonigstr. do.
do. do. do.
Unverzagtstr. do.
do. do. do.
do. Anhangfeld do.
Claudiusstr. Feld do.
Nicol. Tolentini do.
Maria de Victori do.
do. do. do.
A. Anton de Paduastr. do.
4 .
4 .
4 ,
5
4
, 5
, 6
, 9
, 9
,10
,14
, 1
Zeit
der
Angabe
Jahr
1732
1791
1842
1845
1767
1793
1790
1799
1790
1799
1790
1843
1791
1843
1791
1843
1791
1843
1791
1795
1845
1795
1845
1792
1792
1795
1795
1808
1808
1808
1806
1793
1794
1794
1801
1801
1801
1801
1844
1801
1801
1801
Angegcbcne
Richtung
St.
Gr.
Name
des Verschieners
21
0,0
Mathias Zipszer
21
5,6r.
Andreas Prybilla
21
1,9
Ferdinand Tonhauzer
21
l,7r.
Paul Balass
1
13,lr.
Prean
1
14,2r.
Josef Zill
15
5,6r.
Andreas Prybilla
15
4,7r.
Johann v. Ilanstadt
3
5,6r.
Andreas Prybilla
3
5,5
Johann v. Hanstadt
15
ll,2r.
Andreas Prybilla
15
10,2r.
Paxil Balass
8
13,lr.
Andreas Prybilla
8
11, 9r.
Paul Balass
23
l,lr.
Andreas Prybilla
22
12,lr.
Paul Balass
9
13,lr.
Andreas Prybilla
9
11,6
Paul Balass
8
3,7r.
Andreas Prybilla
17
l,3r.
Mohling
16
13,7
Paul Balass
21
7,2r.
Mohling
21
4,2r.
Paul Balass
5
10,5
Mohling
9
l,2r.
Mohling
23
13, 2r.
Mohling
17
l,3r.
Mohling
1
14,0
Gbllner
3
0,0
Giillner
8
10,0
Giillner
15
0,0
Sgargeth
15
10, 2r.
Josef Zill
3
0,0
Carl Grausz
21
0,0
Carl Grausz
14
12, 6r.
Johann Prybilla
15
0,5
Johann Prybilla
21
0,8r.
Johann Prybilla
3
3,5
Johann Prybilla
3
1,0
Paul Balass
9
9,1
Johann Prybilla
24
2,7r.
Johann Prybilla
6
3,8r.
Johann Prybilla
Anmerkung
west. Ahweich. 15,7°r.
„ 13,2°r.
« 16°
» 13'4°
15,7°r.
13,4°
15,7°
■ W
„ 15^»r.
» 13'*°
„ 13-4°
« 13,4"
13,2°
81
wurde von der Classe in Betreff ihrer Sitzungsberichte und
jener von ihr herausgegebeneu selbststandigen Werke, vvelche
fur die k. k. Landwirthschaftsgesellschaft als niitzlich erscheinen,
genehmigt.
Das k. k. Ministerium fur Bergbau und Landeskultur iiber-
sendet ddo. 5. Juni, Zahl 849, nachstehenden Bericht des k. k.
niederungarischen Berggerichts zu Schemnitz.
Die angeschlossene Tabelle stellt mehrere in der Natur vor-
handene Schurflinien dar, deren bei der urspriinglichen Feld-
granzen-Schurfung angegebene Lange, mit jener bei der Lehens-
aufnahme erhobenen, ubereinstimmen , daher auch in der Richtung
genaue Stundenangaben voraussetzen.
Die meisten dieser Schurflinien erscheinen zwar auf denen in
neuerer Zeit ausgefertigten Schurfkarten jfingerer, an die alteren
sich ansch!iessendenFelder,dienen aber desswegen zu keiner Com-
bination. Hinsichtlich derperiodisch stattgefundenen Abweichungen,
weil nach der vormaligen Gepflogenheit nie die in der Natnr vor-
findigen eine derlei Ausschusslinie markirenden Schurfsteine mit
demselben Compass, mit welchem die jungere Einschurfung zu
beWerkstelligen war, und wodurch die zur Zeit herrschende Rich-
tung erhebbar geworden ware , aufgenommen, sondern die Linie
nach der ursprunglich angegebenen Stunde auf das Verschienungs-
blatt iibertragen, und von soldier aus die Einschfirfung bewerk-
stelliget worden 1st Daher kam es auch , dass der letzte in der
alten Linie stehende Schurfstein entweder in das alte Feld
ausser demselben fiel, und daher bald eine Uebergreifung der
Felder, bald eine Ueberschaar zwischen denselben bildete. Sollte
ubrigens nach dem ersten Punct der zugekommenen Instruction
eine neuerliche Stunden- Abnahme der angegebenen Linieu fiir
zweckdienlich erachtet werden , so wfirde diess desswegen keine
neuerliche Aufnahme bedingen, weil die einzelnen Blatter der
Lehensaufnahme vorhanden sind, nach welchen, auf den bekannten
Standpunct gebracht und orientirt, die Richtung der ersteren
mittelst des Compasses leicht abgenommen werden kann.
Sitzb. d. mathem. naturw. CI. Jahrg. 1850. II. Bd. I. lift.
82
Das w. M. Hen- Regierungsrath A, von Ettingshausen
erstattete nachstehenden Bericht:
„Bericht iiber drei Abhandlungen des Herrn
S. Spitzer zur Theorie nuraerischer Gl eichu nge n."
Herr Simon Spitzer, gegenwartig Assistent der Lehtfacher
der Elemental*- und hoheren Mathematik am k. k. polytechnischen
Institute, hai bei der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften
drei von ibm verfasste, bereits gedruckte Abhandlungen fiber die
Auflosung und Eigenschaften numeriscber Gleiclmngen, mit dem
Ansuchen um Beurtheilung, eingereieht.
Der Herr Verfasser war so gefiillig, mir Exemplare dieser Ab-
handlungen gleich nach deren Abdrucke zu verehren. Eine vor-
laafige nur fliichtige Ansicht des Inhaltes derselben geniigte schon,
die giinstige Meinung zu bestarken, die ich von dem Talente mei-
nes Zuhorers bei den ehemaligen Vortragen iiber hohere Physik
an der Universitiit erlangt batte ; mit Vergniigen erbot ich mich
daber in der Sitzung vom 6. Juni zur Bericbterstattung iiber diese
Arbeit , und habe nun die Ebre, der ubernommenen Verpllichtung
nachzukommen.
Die Abhandlungen fuhren die Titel :
I. Aufsuchung der reellen und imaginaren Wurzeln einer Zah-
lengleichung hoheren Grades.
II. Gesetze in den hoheren Zahlengleichungen mit einer oder
mehrercn Unbekannten.
III. Skizzen aus dem Gebiete der hoheren Gleichungen.
Siimmtliche Aufsatze wurden der Versammlung von Freunden
der Naturwissenschaften milgetheilt (der erste am 3. August 1849,
der zweite am 5. October 1849, der drittc am 26. April 1850) und
von unserem geehrten Mitgliede Hrn. Sectionsrathe W. H a i d i n g e r
in die Sammlung naturwissenschaftlicher Abhandlungen aufgenom-
men, welche dersclbe durch Subscription herausgibt. Die beiden
ersten Aufsatze befinden sich,jeder mit einem Vorworte von Herrn
Dr. Leopold Carl Schulz v. Strassnitzki, Professor der
Mathematik am k. k. polytechnischen Institute , eingeleitet, in der
zweiten Abtheilung des dritten Bandes dieser Sammlung; der letzte
Aufsatz erbffnet die dritte Abtheilung des vierten Bandes1).
*) Ks durfte nicht uberfliissig sein bemerklich zu machen, dass die Versamm-
lung der Freuade der JNatunvissenschal'ten sicli In keine Bcgutaehtung des
83
Die drei Abhandlungen Widen eine zusammenliangende Arbeit;
sie stellen die Entwickelungszustande einer fortgesetzten Bestre-
bung dar, welche bereits zu beachtenswerthen Ergebnisseu o-efflhrt
hat, und vielleicht noch nicht als abgeschlossen anzusehen ist. Die
von dem Verfasser gewonnenen Resultate betreffen folgende Puncte:
1. Die Ausdehnung des sogenannten Horner'schen Ver-
fahrens der niiherungsweisen Auflosung numerischer Gleichungen,
welches bis jetzt bloss zur Darstelhtng reeller Wurzeln ange-
wendet war, avich auf die Berechnung imaginarer Wurzeln von
Gleiclmngen jeden Grades mit einer Unbekannten und mit reellen
oder imaginaren Coefficienten, welche Wurzeln man darnach mit
beliebiger Scbarfe erhallen kann, sobald man fur jede verlangte
imaginjire Wurzel einen ersten hinreichend angenjiherten Werth
kennt.
2. Die Erweiterung desselben Verfahrens, welches bis jefzt
bloss fiir Gleiclmngen mit einer Unbekannten brauchbar schien,
auf die Auflosung hoherer numerischer Gleichungen mit mehreren
Unbekannten und zwar zur Berechnung sowohl der reellen als
auch der imaginaren Wurzeln.
3. Eine geometrische Construction und Deutung der ima^
niiren Wurzeln der Gleichungen, woraus, neben verschiedenen L
teressanten Siitzen, auch fiir die Ausmittelung der ersten rVahe-
rungswerthe der reellen und der imaginaren Wurzeln sich eine
namliafte Hilfe gewinnen lasst, sofern dadurch Mittel gegeben sind,
die Orte , wo selbe zu suchen sind, zu entdecken.
4. Eine Erweiterung der Theorie der grossten und kleinsten
Werthe der Functionen, indem nicht wie bisher bloss die reellen,
sondern auch die imaginaren Werthe der Veranderlichen, welche
Werthes der vor dieselbe gebrachteri Mittheilungen einlSsst, tad ebehso
von beite des Herausgebers der naturwissensehaftlichen Abhandlungen,
seiner ausdriicklichen Erklarnng zufolge (Band II. Vorbericht , S, XII)
der Inhalt der Anftatze durch keine redactorische Arbeit beriihrt wird
sondern der Verfasser fur alle Thatsaehen und Ansiehten einsteht!
H.edurch wird der Anstand beseitigt, den sonst die kaiserliehe Akademie
daran nehmen miisste, sieh mit der Beurtheilung einer Arbeit zu hefassen,
die bemts vor das Forum einer gelehrten Gesellschaft gebraeht worden
war. Das genannte Sammelwerk hat ubrigens fiir die Akademie darum ein
besonderes Interesse , weil dieselbe sieh bewogen fand, aueh in die Reihe
Jeer zu treten , welehe die Herausgabe desselben wirksam unterstiit/.en.
Anmerkmig des Berichter Matters,
a *
84
die abgeleitete Function anf Null bringen,inBetracht gezogen wer-
den, und eine geometrische Construction den Sinn des Maximums
oder Miniinums in diesem Falle ersichtlich macht.
5. Die Augabe der Bedingung,unter welcher Gleichungen mit
mehreren Unbekanuten entweder nicht wesentlich von einander
verschieden sind, oder einander widersprechen.
Die Gesciiichte der Bemiihungen, welche seit mehreren Jahr-
hunderten die grossten Mathematiker der Auflosung der Glei-
chungen zugewendet haben, zeigt wie langsam nur man auf einem
an sich ebenen Felde vorzudringen vermochte. Wenn man erwiigt,
wie einfach das Verfahren ist, mittelst dessen wir nun im Star.de
sind, die Wurzeln numerischer Gleichungen mit jedem erwiinsch-
liche'n Grade der Genauigkeit anzugeben, muss man sich aller-
dings wundern, dass selbes so lange verborgen bleiben konnte.
Die Methode, nach welcher die Berechnung weiterer Naherungs-
werthe der Wurzeln aus ersten Naherungswerthen derselben auf
dem kiirzesten, praktisch-brauchbarsten Wege vor sich geht, ver-
dankt man dem vor zehn Jahren verstorbenen englischen Mathe-
matiker Horner. Man kann diese Methode als eine Vervoll-
kommnung des von Bud an eingeschlagenenVerfahrens betrachten,
und praktische Rechner werden selbe gewiss der Methode Fou-
rier's vorziehen,dieder Horner'schen gewissermassenzur Seite
steht, und deren Einzelheiten , sofern dieselben wirklich vor-
theilh'aft sind, sich in letztgenannter von selbst darbieten. Die
Ausziehung der Wurzeln kann nun nicht fernerhin fur eine bei wci-
tem einfachere Operation gelten als die Bestimmung irgend einer
reellen Wurzel einer numerischen Gleichung desselben Grades.
Erstere Operation hat vor letzterer kaum etvvas voraus, und diese
kann mit eben dem Rechte auf den Rang einer Fundamental-
Operation Anspruch machen. Um die Verbreitung der Horner'-
schen Methode hat sich Hr.Professor Schulz v. Strassnitzki
durch seine vor acht Jahren herausgegebene vortreffliche Schrift
Neue Methode zur Auffindung der reellen Wurzeln numeri-
scher Gleichungen und zur Ausziehung der dritten und der ho-
heren Wurzeln aus bestimmten Zahlen, Wien 1842" ein grosses
Verdienst erworben. In diesem Buche1), welches alle Vortheile
i) Ob selbeTwohl, und mit ihm die Horner'sche Methode nach GebUhr
bekannt worden isU Nach einigen gana neuen Producten im Geb.ete der
85
des Verfahrens in das vollste Licht setzt und der Eigenthiim-
lichkeit der Bearbeitung zu Folge mehr als eine blosse Com-
pilation ist, wird das Verfahren jedoch nur auf die Berechnung
der reellen Wurzeln der Gleichungen, wofiir es urspriinglich
bestimmt war, beschriinkt, obgleich dem Verfasser, wie aus der
V&rrede erhellet, die Aufforderung nicht entgangen ist, die
Horner'sche Methode auf die Berechnung imaginarer Wurzeln
zu unternehmen. Hieriiber sagt nun Herr Prof, von Strass-
nitzki in seinem Vorworte zur ersten Abhandlung des Herrn
Spitzer: „Mehrere Versuche in dieser Beziehung blieben
„fruchtlos, bis Herr Spitzer, mein Freund und ehemaliger
,,Schiiler, ganz muthvoll die Berechnungsart der reellen Wurzeln
„auf die der imaginaren iibertrug, und durch einen einfachen
„Kunstgriffi bei der Division der imaginaren Coefficienten sich half.
„Ihm zunachst verdankt man die Berechnung der imaginaren
„Wurzeln, sobald man sich nur einigermassen in der Nahe der-
„selben befindet. " Ich habe, urn die Leistung Spitz er's fest-
zustellen, diesen Worten bloss die Bemerkuug hinzuzufiigen,
dass zwar schon Legendre die Newton'sche Anniiherungs-
methode auf die Berechnung imaginarer Wurzeln numerischer
Gleichungen ausgedehnt hat (Theorie des nombres, 3. Edit.
T. I. p. 173), jedoch diese Vorgangsweise, wie jeder Bechner
bald einsehen wird, in Bezug auf Oekonomie des Calculs und
entscheidende Sicherheit in Betreff der erreichten Naherung,
den Vergleich mit der von Hrn. Spit zer gewiesenen nicht aus-
halten kann. Legendre selbst hat seinen Andeutungen kein
einziges numerisches Beispiel zur Erlauterung beigefiigt. Ob es
leicht oder schwer war, den noch ubrigen und nun von Spitzer
gethanen Schritt zu machen, kann vvohl nicht in Prage kommen. Es
geniigt zu sagen, dass Horner selbst diese Ausdehnung seiner
IVlethode, welch e nicht die unbedeutendste Frucht derselben ist,
unbeachtet liess 4).
Auflosung numerischer Gleichungen zu schliessen , sollte man diess fast
bezweifeln. Die Schrift des Herrn Prof. v. Strassnilzki verdient mit
Recht in den HSinden jedes Mathematikers zu sein.
Anmerluing des Eerichterstatlers.
1) Die Wichtigkeit der imaginiiren Grossenform tritt tiiglich mehr hervor.
Schon die erste Binfiihrung der wahren Deutung derselben durch Gauss
war mehr als ein bloss geistreicher Einfall, sie hal in der hoheren Arith-
86
Die niiherungsweise Aufiosung mehrcrer Gleichungen mit
tier entsprcchenden Anzahl unbekannter Grossen, ohne vorher
die Elimination der Unbekannten vorzunehmen, so dass nur mehr
eine iibrig bleibt, ist meines Wissens bisher noch nicht ver-
sucht worden. Die Mathematiker kennen, was das sagen will,
vorerst zu eliminiren. Der Rath, mit dieser miihsamen Opera-
tion zu beginnen , urn sodann eine Gleichung hoheren Grades
anzugreifen, lauft fast darauf hinaus, die ganze Rechnung zu
unterlassen. Merr Spitzer zeigt, wie auch hier ein der An-
wendung der Horner'schen Methode zur Berechnung der imagi-^
naren Wurzeln analoge Vorgang zum Ziele fuhrt. Ich bemcrke
nur noch, dass der Verfasser es nirgends bloss bei der Angabe
der Vorschrift bewenden liess , sondern die Brauchbarkeit der-
selben stets an passend gewahlten Beispielen erprobte, die je-
dem Mathematiker, der den Gegenstand in den Abhandlungen
selbst nachzusehen sich die Miihe nimmt, willkommen sein
werden.
Die Art pnc| Weise, wie Herr Spitzer bei der Zustande-
bringung der ersten Nitherungswerthe der imaginiiren Wurzeln
vorgeht, hiingt mit der geometrischen Darstellung zusammen,
welche von ihm zur Versinnlichung des Ganges der auf Null zu
reducirenden Function bei verschiedenen Werthen der Variablen
zu Hilfe genommcn wurde.
1st f (m) = 0 die aufzulosende Gleichung, wobei f (u) eine
ganze rationale Function der Variablen u vorstellt, und wird
u == x + y v/~l
gesetzt, wobei x und y reelle Grossen bedeuten, so geht f («)
in einen Ausdruck von der Form f (x, y) + ty (x, y) V—l
iiber, worin f (x, y), ty (x, y) ganze rationale, also, bloss
reeller Werthe feihige Functionen der Grossen x und y bedeuten.
Soil nun fur irgend eine Annahme besonderer Werthe dieser
Grossen die Function f (u) sich auf Null reduciren , so miissen
bei eben diesen Werthen von x und y die Function (x, ?/) = 0 kann, wenn man sich x und y
als reehtwinklige Coordinates in einer Ebene denkt, als die
Gleichung einer auf dieser Ebene verzeichneten Curve betrach-
tet werden, welche im Sinne der Axe der y angesehen aus so
vielen Aesten zusanimengesetzt erscheint , als fiir ein bestimm-
tes x verschiedene reelle y sich ergeben. Ertheilt man nun
der Variablen x eine Reihe einander nahe lies-ender Werthe,
so kann man durch Auflosung der Gleichung ^ {x, y) = 0
eben so viele diesen entsprechende auf einander folgende Puncte
jedes Astes der Curve, wenigstens niiherungsweise, bestimmen.
Wird nun in jedem dieser Puncte eine Coordinate z senkrecht
auf die vorgedachte Ebene errichtet, deren Grosse der Gleichung
s = f (<»> y)
entspricht, so ergibt sich fiir jeden Ast der auf der Ebene xy
verzeichneten Curve eine Curve im Raume, welche im Allge-
meinen von doppelter Kriimmung sein wird und diesen Ast zur
Projection hat, und jeder Punct, worin die Curve im Raume
die Ebene xy schneidet oder selbe beriihrt, zeigt wenigstens
ein _Paar zusammengehoriger Werthe von x und y an , welche
die Bestandtheile einer Wurzel u = x + y ^/~~y der Gleichung
f(u) = 0 sind. Auf das Vorhandensein eines Durchschnitts-
punctes lasst sich nun stets mit Sicherheit schliessen, sobald die
Werthe von s, welche zweien Paaren der zu einerlei Curvenaste
gehorenden Werthe der Grossen x, y entsprechen, mit entge-
gengesetzten Zeichen versehen sind, wodurch man zur Kennt-
niss des Ortes einer imaginiiren Wurzel der vorgelegten Glei-
chung f (ii) = 0 gelangt.
Die Function $ {x , y) enthalt, wenn /"(w) reell ist,
nothwendig die Variable y als Factor; es bildet sonach die
Axe der x selbst einen Zweig der Curven auf der Ebene x,y, und
ist die Projection einer auf der Ebene xz liegenden mithin ebe-
nen Curve. Diese, welche Herr Spitzer die Hauptcurve
nennt, muss, wenn die vorhandene Gleichung f (u) = 0 reeller
Wurzeln fahig ist, die Axe der x, allgemein gesprochen. in eben
so vielen Puncten treffen ; sie fuhrt also zur Kenntniss der
reellen Wurzeln, wahrand die ubrigen Curven im Raume, fur
welche der Verfasser die Benennung conjugirte Curven ge-
88
braucht, zur Kenntniss der imaginaren Wurzeln der Gleichung
f (w) = 0 verhelfen.
An diese Untersuchungen knfipft der Verfasser die interes-
sante und folgenreiche Prage nach den Puncten, sowohl der
Hauptcurve als der conjugirten Curven, wo die Ordinate z
ein Maximum oder Minimum wird. Die Beantvvortung dieser
Frage wurde sehon in der zweiten Abhandlung begonnen, ist
aber erst in der dritten in gehoriger Vollstandigkeit erlediget.
Der Verfasser zeigt, dass von erwahnten Puncten des Maximums
oder Minimum* wenigstens zwei Paare conjugirter Curvenzwcige
auslaufen , und dass wo bloss zwei solebe Paare vorhanden sind,
die Aeste derselben im Sinne der s nach entgegengesetzten Seiten
gekehrt erscheinen und ihre derEbene xy, parallel en Beriihrungs-
linien am gemeinschaftlichen Puncte auf einander senkrecht
stehen. Mit dem so eben besprochenen Gegenstande steht die
Deutung der Maximum- und Minimumwerthe einer Function be-
ziiglich der imaginaren Werthe der Variablen, welche den Differen-
tialquotienten der Function auf Null bringen, im Zusammenhange.
Die Betrachtung der oben erwahnten singularen Puncte der
conjugirten Curven lasst eine Verallgemeinerung zu , so dass
sie auch auf jedes System zweier Gleichungen von der Form
2 = ? Oj V) , $ Oj20 =*" °
wobei die Functionen f {x , y) und ty ioc,y) nicht aus der Ent-
wickelung einer Function von der Form f (x + y -/ — l) hervor-
gegano-en sind, anwendbar ist. Hierin findet der Verfasser durch
eine sinnreiche Schlussweise ein Mitt el iiber die Verschieden-
heit, Identitat oder den Widerspruch der durch die Gleichungen
f(x,y) = 0, (x,y) = 0
ausgedriickten Relationen zu entscheiden. Urn zu untersuchen,
ob das System dieser Gleichungen zusammen bestehen kann
oder nicht, hat man bloss den Ausdruck
dtp dip d
1
3
1
5>
55
gefnnden
4,98
2,50
5,07 —
2,53 —
5,91 —
44,91 —
41,58 — 41,40
Wasserstoff — -
Stickstoff —
Chlor —
Platin —
100,00^""
C,H,WatPt = C,H5N,CIH + PtCl*.
Wird dieses Salz mit Kalilauge oder Kalkmilch gemengt in
einem Dcstillir-Apparate erhitzt, so entweicht mit etwas Wasser-
dampfen das Methylamin. Es kann in Wasser gcleitet oder
104
in Salzsiiure, oder Schwefelsaure haltendem Wasser aufgefan-
o-eu werden. Es besitzt tiuischendc Aehnlichkeit mit Ammoniak.
Das Methylamin, welches im Caffein und Theobromin enl-
halten 1st, bringt diese Stoffe in Beziehung zu dem Gaultheria-Oel,
welches Salecylsaure mit dem Oxyd dcs Methyls verbunden ent-
lialt, wahrcnd in den genannten Basen (lessen Amid sich befindet."
Das w. M. Hr. Dr. B one iiberreicht sein Werk „La Turquio
d'Europe etc. etc. Paris 1840, und einen der k. Akademie
iiberreichten geograpsisch- , geognostisch- und ethonographi-
seben Atlas der europiiiscben Tiirkei, bestchend aus 13 Karten",
und begleitet dieselbe mit folgenden Bemerkungen :
„Ich iiberreiche der k. Akademie der Wissenschaften ein Exem-
plar meines Werkes liber die europaische Tiirkei (La Turquie
d'Europe ou Observations sur la Geographic, la Geologic, VHis-
toire naturclle, laStatistique, lesMoeurs, les Coutumes, VArcheo-
logie, V Agriculture, I 'Industrie , le Commerce, les Gouvernem.ens
divers, le Clerge, VHistoire etVetat politique dc cet empire. Paris
1840 4 Bande in 8. mit einer Karte) sammt einem eigenen tiirki-
scben Atlas zur bessern Verstiindigung des Werkes, der aus folgen-
den dreizehn Karten besteht, namentlich eine geographische Karte,
eine geognostisch-colorirte Karte, eine geologische Detail-Karte
der tertiiiren und Alluvial-Formationen , eine Karte, die wahr-
scbeinliche Ausbreitung des Meeres in der Miocen-Zeit dar-
stellend, cine andere mit dem Meere zu 3000 Fuss Hohe in
tier Miocen-Zeit theoretisch angenommen, die zwei geographisch-
gcognostischen Detail-Karten von .Serbien, Albanien, Macedonien
und des westlichen Theilcs Ober-Moesiens von Hrn. Viquesnel
(Mem. Soc. ge'ol. de Fr. 18H2. B. 5. Th. 1, 1840. N. F.
B. 1. Th. 2), die Detail-Karte Montenegro's des Hrn. Obersten
von Karaczay; eine Manuscript- Detail- Skizze der centralen
Tiirkei, vorziiglich wegen der ostlichen und nordlichen Umgcbung
Montenegro's, die in der eben genannten Karte etwas fehlerhal't
ist, so wie audi fur den bis jetzt nirgends recht gezeichneteu
ostlichen Theil Ober-Moesiens sammt dem Laufe der zwei Isker
in Bulgarien; die nach diesen verschiedenen Karten verbesserte
Wieland'scbe Karte der Tiirkei vom Jahre 1849, eine ethno-
105
graphische Karte dor Tiirkei (sichc Berghaus physikalischen
Atlas) , endlich eine Karte mit dem fahrbaren und unfahrbaren
Strassennetze und eine mit den moglichen Eisenbahn-Traces.
Hr. Viquesnel wird noch eine dritte Detail-Karte liefern, die
Thracien und den ganzen Rhodopus so wie den Sstlichen Theil
Ober-Moesiens begreifen wird. Er hat namentlich den ganzen
Sommer des Jahres 1847 der Aufnahme dieser Gegenden ge-
widmet, und wird diese Karte wie die zwei andern durch meincn
Reisebericht beleuchten.
Zum richtigen Gebrauche sollten Ortsnamen immer der Ortho-
graphic jeder Landesprache t'olgen , so hat Wieland unrecht Rashan
und Shalesh anstatt Rajan und Jalesch geschriehen , da kein Serbe
ilin verstehen wiirde. Uebersetzung der Namen kleiner Ortschaften
von einer Sprache in die andere fiihrt aber zur Absurditiit.
Ausser den Schreibfehlcrn in der Wielandischen Karte wie
Trin anstatt Trn, Nissa anstatt Nischa, Piristina anstatt Pris-
tina u. s. w. , muss ich noch den Fehler mancher Geographen,
Gebirgskessel ohne sichtbarenWasserabfluss natur-
widrig darzustellen, riigen. Eines der bekanntesten Beispiele der
Art ist der See Namens Lac de Joux in der Schweiz , des-
sen unterirdische Abfltisse die Orbe bei Vallorbe bildet. Alle
ahnliche Gebirgskessel haben aber nicht immer einen so wohl
bekannten Abfluss, so dass Geographen in ihrer Unkenntniss
der karstartigen Gebirge das Wasser jener Vertiefungen in den
Karten durch Fliisse ableiten zu glauben miissen, die doch nur
in ihrer Phantasie vorhanden sind. Es ist ein Seitenstiick zu
den Irrthumern , durch unnatiirliche Straffirungen den Durch-
bruch der Fliisse durch hohes Gebirge mittelst Spalten zu
verneinen oder Fliisse in ganz flachem Lande nie sehen zu
wollen.
Auf der Griinze von Macedonien und Mittel-Albanien gibt es
einen ahnliehen Gebirgskessel, namentlich der von Resna mit dem See
von Prespa. Der Auslluss dieses letzteren liegt unter dem Kreide-
kalk-Gebirge ostlich des Ochrida-Sees , und der Hauptausfluss
ist eigentlich beim Kloster Sveti-Naun, wo ein grosser Strom aus
der Erde plbtzlich tritt. In alien Karten und selbst in der letz-
ten Wielandischen liisst man aber das Wasser des Sees von Prespa
durch einen Fluss sudlich im Devol-Fluss sich ausleeren. Nun die-
106
ses ist ein sehr grober Fehler, da zwischen jenem Flusse und
jenem See eine hohe Kalkkette Hegt, xind die steile Wand dieser
letzteren nur wahrend des Ilegens einen Bach besitzt.
Bei dieser Gelegenheit will ichnicht zu bemerken unterlassen,
dass die meisten durch unterirdische Quellen gespeisten Seen nicht
nur durch sehr klares blaues oder griinliches Wasser, sondern die
•n-ossern wenigstens auch durch plo tzliche nur kurze Zeit dauernde
Niveau-Veranderungen ausgezeichnet sind, wie der Genfer See,
der Ochrida-See, der Seulari-See und andere Gebirgs-Seen. Im
Scutari-See bildet gegen Montenegro der Ausgang der Quellen im
See sogenannte A ug e n. Ware man vielleicht berechtigt, die Ursaclie
dieser schonen Wasserfiirbung in dem besondern Ursprunge dieser
Seen vorzijo-lich zu suchen? Man konnte sich wohl denken, dass
Wasser sich reinigen miissen , die durch so lange Caniile laufen,
und iu so vielen Hohlen theilweise stationiren miissen. Darum linden
wir auch in den jetzt schon ausgetrockneten oder verlassenen
Caniilen jencr Art so viel f einen Schlamm und Unrath. Mbchte
vielleicht auch die Natur des kalkigen Karst-Gebirges einen Antheil
an ienen ei"'enthumlichen Wiissern haben, da man oft leicht das trink-
bare Wasser der Kalkgebirge von den an dem durch den Gaumen
unterscheidet.
In den sogenannten S e i c h e s hat man, nach den Untersuchungen
der Genfer Plrysiker Saussure, Vaucher u.s.w., nur Wirkungen der
Luftdruck-Veranderungen durch Luftziige verschiedener Tempera-
tur sehen wollen, his Herr Valle e im Jahre 1842 diese Niveau-
Anomalien des Wassci-standes mit dem unregelrniissigen Zu-
ilusse von unterirdischen Quellen in Verbindung setzte. Diese
letzte einfache Erkliirung wird durch ahnliche Bewegungen und
ahnliches Ueberiliessen des Wassers in den sogenannten naturlichen
Kalkbrunnen oder Schlunden unterstiitzt. Der Regen oder perio-
dische Ausleerung von unterirdischen Wasserbehaltern sind die
Ursache. Doch in dem Falle der Genfer Seiches, so wie jener im
Boden- und Ziircher See, im Plattensee, im Ladoga-See, im Ontario
und andern grossen amerikanischen Seen scheint das wiederholte
Ueberfliessen in kurzen Zeitraumen eher mit der Luftdruck-Theorie
als mit der letztern vereinhar zu sein. — Im Gegentheil, was im
kleinern Maasstabe in Brunnen stattfindet, kann sich wohl in
kleinen Wasserbehaltern oder Seen mit Abfluss auch bewahren.
107
Obgleich Gas-Entwicklungen selbst mit Geriiusch und Wasser-Be-
wegung in Seen vorkommen, wie ich es selbst im Genfer-See
erlebte, so scheint es doch, dass manchmal eine solche Menge
von Gas aus dcr Erde unter dcm Wasser aufsteige, um die
iiiiiglichkeit eiuer momentanen Erhohung des Niveau eines
ziemlich grossen Sees zu bewerkstelligen. Merkwiirdig bleibt es
immer, dass solche Phanomene nur in einer so kleinen Anzahl
von Seen bis jetzt beobachtet wurden. Moge die relative Grosse
der Wasserfiache und ihre Lage gegen die Gebirge und das
flache Land vielleicht die wichtigsten Bedingungen der Erschei-
nung sein oder wurde diese letztere in kleinern Seen wegen
ihrer Kleinheit iibersehen.
Nach dieser kleinen Abschweifung moge man mir einige
Bcmerkungen iiber mein turkisches Elaborat erlauben,
Bomerkungen , die ich der kaiserl. Akademie , als Mitglied,
cigentlich schuldig bin, um den Andern moglichst niitzen zu
konnen.
Ware ich gesonnen es vvieder zu drucken, so wurde ich es
gewiss nicht in dieser etwas zu breiten Form thun. Eine ausfuhr-
liche Schilderung der europiiischen Tiirkei fiir damalige Zeiteu
war mein Zvveck, weil ich dieses als wiinschenswerth fur eiu
Land hielt, das in dem Veriinderungs-Processe begriffen war,
damit man in der Polge das Alte von dem Neuen leicht unter-
scheiden konne. Jetzt wurde ich mich auf mein Reise-Journal
beschriinken, das meistens noch ungedruckt blieb ; obgleich die
orientalischen Sitten und Meinungen, die Art des Reisens, so wie
die ungeheueren vervielfaltigtenVervviistungen dieses Landes einer
Beisebeschreibung vielen Reiz nehmen und meistens nur Schilde-
rungen uber die Natur, die Plastik des Terrains und die Ethno-
graphie erlauben.
Auf diese Weise wurden die fiir mich Gutgesinnten nicht,
mehr ironisch bemerken konnen, dass ich manchmal von Gegen-
den oder Sachen spreche, die ich nicht gesehen habe. Meinem
Plane gemiiss musste ich so handeln, ausserdem habe ich es in
meinem Werke geniigsam angedeutet und meine Quellen, wenn sie
anzugeben waren, gehorig angezeigt.
Die Herausgabe des eigentlichen Reise-Journals fand bis jetzt
vorzuglich nicht Statt, um meinem Freunde und Reisegefahrten
108
Urn. Viquesncl die gehorigc Zeit zu gonnen, einigc Tlicile davon
sclbst bekannt zu machen, da er mit mir nur theilvvcisc zwei Rei-
sen machte, aber auch einige Gegenden ohne mich besuchtc.
Hiitte ich dieses formlich in meinem Werke ausgesprochen,
so ware Herrn von Schaffafik's unverdiente Riige ausgeblicben.
fS. Vorrede in Dr. Muller's Albanien u. s. w. 1844.)
Dieselbe'Ursache veranlasste mich auch, meinem Werke
keine besserc geographische Karte beizufiigen, da von Herrn
Viquesnel gute detaillirte zu erwarten waren, und mein Litho-
graph aus Eigendiinkel einmal anstatt meiner gezeichneten Karte,
eine ihm nur zur Aushilfe fur Ortsnamen beigegebene, reducirt
hatte. Urn dieses Uebel zu heben, hiitte ich ein Jahr liinger in
Paris bleiben miissen, was ich damals nicht konnte.
Meiner Untersuchung wurde vorziiglich vorgeworfen, ohne
hinlangliche wissenschaftliche Mittel unternommen worden zu
sein. °Ich hiitte die Geographie durch astronomische Beobach-
tnngen berichtigen, gcscliickte Naturhistoriker oder wenigstens
Sammlcr, so wie einen Zeichner mitnehmen sollcn. Ware mein
Vermogen diesen Auslagen nicht angemessen gewesen, so hatte
ich eine oder die andere Rcgierung angehen sollen, indcm ich
die Wichtigkeit solcher Reise auseinandersetzte.
Alle diese pia desideria waren mir wohl bekannt, aber die-
jenigen kennen den Orient und seine Lage nicht, die solches
von mir, vorziiglich damals nach dem Tractate zn Adrianopel,
begchrcn. Darum hat auch bis jetzt noch keine Regierung eine
wissenschaftliche Reise officiell und often in jenem Lande un-
ternehmen lassen, nur immer verstohlen wurde dariiber berich-
tet. Wiire ich in die Hiinde der Diplomatic gefallen, so hiitte
ich nichts durchgesetzt, selbst wenn die Pforte mir dazu bc-
hilflich hiitte werden wollen. Anstatt der Spielball der Intri-
guen zu werden, musste ich auf eigene Faust und ohne unnut-
zen Liirm mein Ziel nur theilwcise zu erreiehen trachten.
Darum mussten aber auch meine Beobachtungsmittel be-
schriinkt bleiben. Wurde ich jetzt die Reise antrcten, wo man
to Constantinopcl an geographisch-geognostische Aufnahmen
schon denkt, und Hr. Homraaire de Hell ohne Erlaubniss ganz
ungenirt den Bosphorus nivelliren konnte, so wiire meine Aus-
beute eine ganz andere geworden.
100
Nur raeine Liebe zur Wissenscliaft und der Wunsch, die
physikalische Geographie uud JVaturgeschichte des ostlichen Eu-
ropa's mit derjenigen Klein-Asiens zu verbinden, gaben mir den
Muth, alle die Widerwiirtigkeiten zu ertragen, die mehr oder
weniger das Loos von jedem mit dem Orient sich beschaftigen-
den Gelehrten noch jetzt bleiben. Jenes Land, und merkwiirdigcr-
weise der curopaische mehr als der asiatische Theil, ist gerade
wie eine schone Blume, deren Duft Einen ergotzen soil, die
man aber ohne sich zu stechen nicht beriihren darf.
Hat der reisende Europiier , was auch sein Geschaft sei,
einiges Gerafith , so wird er unwillkiirlich bald an dem Schick-
sale der Orientalen Theil nehmen, da die unterjochten Christen
keine Gelegenheit versaumcn, ihre Demiithigung durch Mitthei-
lungen an Christen zu lindern zu suchen. So vielseitige Lei-
denschaften sind aber da im Spiele, dass sclbst als mein Werk
gedruckt war, ein Bekannter mir alle Leser absprechen wollte,
nur weil etwas nicht in seinen Kram passte. Dem Unglucks-
propheten zuwider habe ich doch die schwere Waare an den
Mann gebracht und die Wahrheit gesagt, wenigstens fur die-
jenigen, die lieber nicht blind sein wollen.
Was waren ihre Instrumente? wird man mich fragen.
Geographisclie Ortsbestimmungen griindlich zu veranstalten,
konnte ich in keinem Falle hoffen , da die tfirkischen Beamten
fiber Instrumente fur solche Zwecke und selbst fiber Barometer
schon halb und halb aufgckliirt sind, darum auch hier und da
das Bergsteigen selbst oft schon verhindert wurde.
Uns traf dieser Fall nur einmal und gerade zu Toli-Mo-
nastir, am Sitze des hochsten Wfirdentragers der curopaischen
Tfirkei, wo man solches kaum erwartet hatte. Das mehrmalige
Durchkreuzen eines Gebirges kommt den Tfirken so verdiichtig
vor , dass ich dieses im Balkan nur durch Hinterlist bewerk-
stelligen konnte.
Ich musste mich auf gute U h r e n , gute Compasse,
sowohl geologische als solche um nur Winkel oder Rich-
tungen zu beobachten und auf Barometer beschranken.
Das erste Jahr hatte ich einen thermometrischen Hypsometer
und zwei Engelfieldische Barometer, deren Thermometer nicht
ganz gleiche Werthe gaben, was ich berucksichtigen und durch
Si(«b. d. maUiem. uaturw. CI. Jahrg. 1850.11. Bd. II. Heft. 8
110
Vergleicliung so viel als moglich corrigiren musstc. Auf der an-
dern Seite Hieb der Gebrauch des Wiener tliermometrischcn.
Hypsomcter nur ein beschrankter wegen den gewohnlichen be-
kannten ■Schwierigkeitcn auf Reisen. Die zvvei folgenden Wire
aber hatle ich drei bci Eckardt in Wien vortrefflich verfertigte
Barometer, von. denen einer in Belgrad zur gleichzeitigen Beob-
aclitung zuriickblieb. Barometer auf Packpferde zu laden ist
wegen dem unvermeidlichen zufitlligen Umdrehen der Last nie
rathsam. Darum mnssten sie getragen werdeu, und konnten
als Flinten niit oder obne falselie Kolben den Lenten nieht
auffallen, da damals das Waffentragen noch nicht , wie jetzt,
verpont war. Selbst die Beobachtungen durften nie ganz offentlich
und oft nur versteckt gemacht werden.
Meinc Hohenmessungen wurden fast alle nach der Station
Belgrad berecbnet , so dass ein Irrthum in der absoluten Holie
dieser Stadt meine anderu Bestimmungen natiirlichcr Weise iin-
dern mi'isste. Einige fur die siidwestlicbe Tiirkei babe ich spatcr
nach Beobachtungen am adriatischen Mecre bei Alessio berecbnet.
Da genaue barometrische Hohenmessungen nur auf vielen
Beobachtungen beruhen kiiiineii, so muss man meine nur als . sehr
grobe Ausmittelungen annehmcn, die doch besser als nichts Bind,
denn meistens konnte ich fur meine Beobachtungen die guustigsten
Zeiten nicht wahlen und sie nicht wiederholen oder hochstens in
meinen Nachtlagern des Abends und des Morgens beobachten. Die
Ausnahme treffen nur solche Punkte, wo ich gezwungen mehrmals
passirte oder stationirte , aber dieser Wcgeknoten waren nur
wenige, denn mir war doppelt daran gelegen, so viel als moglich
nirgends zweimal durchzukommen , erstens um rnehr von dem
Lande zu sehen, und zweitens weil eigentlich gerade in dem hau-
figen Durchreisen und dem Stationiren in manchen Gegenden des
Orients die wahre Gefahr fiir den Europaer enlsteht.
Fur Bergspitzen hatte ich einen sehr portativen eiscrnen
Drcifuss , der in einen hohlen Stock sich fiigte und alien Arg-
wolin vermied. In andern Localitaten brauchtc ich Baume, um
meinen Barometer aufzuhangen.
Auf Quellcn, Brunnen und Luft- Temperatur wandte
ich einige Sorgfalt an , doch meine Resultate waren nut den,
jctzigen verbesserten Thcrmometern zuverlassiger ausgefalleu.
Hcrr Viqucsncl, tier zehn Jalirc spater und mit viel we-
niger Plackerei reiste, hat theilweise mcine Hohcn- und Tcm-
peratur-Bestimmungen bestatigt, theilvveise berichtigt , wie es
sich nur efwarten liess.
Fur Mine r a 1 i e n und M i n e r a 1 - VV a s s e r hatte ieh einige
kleiue Instruments, wie Areometer u. s. w. , so wie auch eine
Anzahl Reagcntien , da nach dem niedrigen Stande der tiirki-
schen Glaswaaren und Transportmittel icli nicht hoffen konnte,
Proben von Wiissern bis nach Wien in gutem Zustande bringen
zu konncn.
Was Naturgeschichte und vorziiglich Botanik und die
ihr verschwisterte Entomologie anbetrifft, so konnte ich leider
nur sehr wenig leisten, weil jedes dieser Father seinen Mann
auf einer solchen Reise braucht, und ich nur das erste Jahr so
glticklich war, solclie als Rcisegefahrten zu zahlcn. Dureh Fr ie d-
richsthal's Ausbeute hat Grisebach seine Flora Ritmeliae
(1844 bis 1846) vervollstandigen konnen, und eine kleine Anzahl
Pilanzen und Insecten iibergab icli dem Pariser Museum mit
meinen tttrkischen Gebirgsarten.
Was die Bestimmung der E n tfe r n u ng de r Oer ter
anbetrifft, so habcn wir, Viquesnel und ich, uns gegenseiti"- so
viel als moglich controllirt. Man muss aber nie vergessen, dass
ungleieh gcgebene Werthe in dieser Hinsicht keineswe«-s in der
Tiirkei , wie bei uns, die Glaubvviirdigkeit dieser oder jcner Aus-
sage beruhrt. Im civilisirten Europa bewegt man sich nur auf
mehr oder Weniger gebahnten Strassen, im Orient, wo man nur
zu Pferde reist und wo so vieles Land brach liegt, kanti man
nicht nur von einem Orte zum andern oft auf vielerlci Weffen
kommen, sondern selbst kleine durch sehr verschiedene Ursa-
chen oder Launen veranlasste Abstecher werden von der Post-
verwaltung gar nicht in Rechnung gebracht. Dann besliinmen Ge-
birgskamino und der Lauf der Fliisse nicht immer wie bei uns
die einzige Richtung der Wege, Ausnahmen sind nur die hoch-
sten Gebirge oder die grossten Fliisse, die ihre Allmaeht in die-
ser Hinsicht zu alien Zeiten bewahrt haben. Ausser diesen
Fallen muss man sich ein Land denken , in dem der Manffel an
tentrahsation, dieimmerwiihrendeii administrativcnVcranderiingen
und die Laune kleiner Herrscher .Strassen -Ziigc und Bri'icken
8 *
112
mehrmals hie und da geandert haben, so dass UeberbleibseJ eiiies
alten Communications- Systems in dem neuern die sonderbarsten
Anomalien hervorbringen kann.
In den Stationirungs-Oertern haben wir uns aber
mehr in den kleinen als in den grossen weit umsehen konnen,
vveil in den erstern meistens Christen predominiren, indem in den
letztern mohammedanische Sitten, wenn nicht in den ganzen S tad-
ten , doch in ganzen Vierteln herrschen , so dass das Herum-
spazieren fur einen Europiier nicht nur manchmal gefahrlich ist,
sondern auch zu nichts fiihrt, da man nur Mauern fast ohne Fen-
ster sieht, und in keinen Hof hineintreten darf. Sind die al-
ten Monumente selten, so gibt es der Auskratzerei sum Hohne,
noch genug Inschriften, die theilweise in Privateigenthum ein-
gemauert, oder nur ubertiincht sind, um diese gehorig zu sam-
meln mochte selbst ein Perman des Sultans noch jetzt nicht hin-
reichen. — Archeologen und Philologen sind die in der Tiirkei
ausgesetzten Gelehrtcn, wie mir es mehrere Reisende in letz-
teren Zeiten noch bestatigt haben.
Nach diesem politischen Civilisations - Stadium kann man
sich denken, wie schwierig es ist, genaue topographische und
statistische Notizen zu sammeln und wie behutsam man sein
muss, nicht nur in seinen Fragen, sondern auch in der Annahme
der Wahrheit der Antworten, da Hinterlist zu oft der einzige
Lohn des vermeinten Spions bei Christen so wie bei Mohamme-
danern bleibt.
Ein anderer Umstand beschrankt noch mehr die erwunsch-
ten Beobachtungen , namlich die schrecklichen V o r u r t h e i 1 e
der meisten Orientalen, Dummheiten , fur welche sie zu
oft bereit waren, lieber ihr Leben als ihren Glauben zu opfern.
Was waren da nicht z. B. fiir schone anthropologische Beobach-
tungen mit einer so gemischten Bevblkerung wie in der Tiirkei
zu machen, wo nicht nur die sieben Racen der Slaven, Griechen,
Albaneser,Wallachen, Tiirken, Juden und Zigeuner zusammen le-
ben, sondern wo man noch Araber, Kurden, Syriaken, Armenier,
Lesghiers, Circassen und Afrikaner trifft. Wie oft habe ich an
die Wichtigkeit gedacht, Schadel da zu sammeln, aber selbst auf
der blossen Erde liegend, hatte ich mich nicht getraut sie mit-
zunohmen, weil ich nicht mehr sicher gewesen ware, orientalische
113
Begleiter zu finden. Sie aber aus den Friedho'fen auszuscharren.
was ein Leichtes ware, da sie ihre Todten nicht tief begraben,
hatte uns vielleieht das Leben kosten konnen. Selbst in den
Kriegen oder Scharmiitzeln wiirde die eine Partei die Knochen
ihrer Feinde nicht urn alio Welt einem Liebhaber preisgeben.
Das Adet und Gottesfurcht sind dagegen.
Das Abzeichnen der Orientalen, wenn leichter, ist auch nicht
immer rathsam, wegen dem Vorurtheil des bosen Auges oder
Gott weiss, welcher Albernheit. Gerade die besten Modelle als
Urtypen halten am meisten an Ietztere. Die Geschwindigkeit der
PhotographiemochtedieseSchwierigkeitehererhohenalsvermeiden.
Fiir die Albanesen war mir dieses vorziiglich zuvvider, da die
anthropologische Vergleichung der verschiedenen albanesischen
Stamme mit den romischen, durch Triumphbogen, Miinzen u. s. w.
wohlbekannten Figuren zu hochst interessanten historischen Auf-
schliissen ftihrcn konnte.
Ein bedeutenderTheil der Albanesen, vorziiglich die Bewohner
der Gebirge Albaniens so wie ein Theil der Wallachen. sind hochst
wahrscheinlich Urvolker der Tiirkei, die nicht nur durch Romer
und spatere Volkerwanderungen wenig veriindert wnrden, aber
selbst moglichst viel beigetragen haben, das romische Volk oder
wenigstens seine Armee zu bilden. Ob nun dieses VerhSUniss nur
in der Zeit der Kaiser oder selbst schon seit dem Anfange Roms
der Fall war, das bleibt noch auszumitteln.
1st der Ursprung Roms eine histbrische Wahrheit, so konnte
man wohl glauben, dass unter dem zusammengelaufenen Gesindel
auch Albanesen so wie Slaven waren, ein Umstand, den viele
slavische Schriftsteller dadurch bestatigt finden, dass in ihrer
Sprache die Romer nicht von Romulus sondern von Remus ihren
IVflm en bekamen.
Wenn wir Albanesen und Wallachen als Urvolker in der
Tiirkei annehmen, und bci ihnen noch vieles Romisches finden,
wie die verschiedenen Trachten der Krieger und Bauern, verschie-
dene hiiusliche Gerathschaften, wie Handmuhlen, Amphoren,T6pfe,
selbst noch gewisse Waffen u. s. w., so ware es vielleieht mog-
I'ch, durch anthropologische Vergleichung auszumitteln, zu wel-
cnen Zeiten des romischen Reiches die Rbmer mehr Aehnlichkeit
nut den Wallachen odor mit den Albanesen zeigten.
114
Kein Zwcifel bleibt es , dass die Urform dor Wallachen
vielmehr durch slavisclie Blutmischung verwischt erscheint, so
dass man unter Wallachen die Mischlinge von den Urtypen mei-
stens leicht unterscbeiden kann, oder selbst von einera Dorfe
anm andern zwei verschiedene Bacen zu sehen glaubt, obgleich
sie beide diese,Ibe Sprache haben. Austatt des schlanken hohen
Wacbsthums, des ovalen Kopfcs, des elegant Gelenkigcn des Ur-
Wallacben und Albanesen bemerkt man cinen kleinern, vorzuglich
dkkcrn Leib, einen breitern, fast viereckigen Kopf, mit den mehr
vorstehenden Backenknochen der Asiatcn, ein starkeres Knochen-
Gebiiude, so wie auch iiberhaupt mehr plumpcs Wescn. Ausser-
dem hat die wallachische Sprache manehes Slavisches; das cyril-
liscbe Alphabet und den griechischen Glauben gaben ihnen slavi-
sclie Missionare.
Da die albanesischen Gebirge mehr verschlosscn und abseils
der grossen Heerslrassen lagen , so konnten sich die Albanesen
viel reiner als die Ureinwohner in der Wallachei, und selbst als
in Siebenbtirgen und dem Banate erhalten, und nur in jenen nord-
lichen Niederungcn, wo sie unter serbischer Herrschaft einige
Zeit waren, vvurden durch gemischte Heirathen ihr Ur-Charakter
und ihrc Formen etwas slavisirt, indem ihre Ausbreitung nach
Griechcnlaiid sic andern Einfl'usscn aussetzte.
Darum bemerkt man auch in ilirer Sprache viel mehr Ur-
wortcr als in der wailachischeii. Wenn mancbe Hauptworter
sich in dem Lateiniscben vvicderfinden , so ist cs nicht so all-
gemeiu als im Wallachischen. In der albanesischen Sprache
deuten Zcitworter und vorzuglich gewisse Arten der Bejahung
und Veriicinung auf asialischcu Ursprung oder anf jene alien
europiiischen Sprachen , von denen nur nocb Bruchstiicke vor-
handen sind , wie die baskiscbe und gallische. Auf letztere
Volker deutet audi anf eine auffallende Wcise der von diesen
Volkern gebrauchte Dudelsack , mit dem sie dieselben Musik-
stiicke noch spielen.
3Mic haben die Albanesea das slavisclie Alphabet gebraucbt,
sondern das griechische oiler Jateinische. Zur Vergleichung
der Wallachen und Albanesen ware es sebr vvunscbenswerth,
Sammlungen der Volkssagen , der Gesiinge und Dichtungen zu
ve'ranstalten und kritisch zu bcleuchten. Dass diese zwei Vol-
115
ker sich jetzt unterscheiden , kann man Ieicht bemerken, wenn
man die wallachischen Kolonion im Pindus mit den sie umge-
benden Albanesen Vergleicht.
Eine andere schwierige antropologische sowie pbilologiscbe
Aufgabe in der Tiirkei ware die Untersuchung des Verschwin-
dens der Bulgaren als Volk und als fremde Sprache. Diese
asiatischen Krieger sind ganzlich slavish*, die Zabl der Slaven
gegen ihre muss zu unverhaltnissmassig gross gewcsen sein
Ob nocb etvvas von ihrer Spracbc oder ihren Gcbrauchen iibrig
geblieben ist, weiss man noch nicht.
Eine besondere Sorgfalt babe ich darauf verwendet , aus-
zumitteln, in wie vveit vvohl bekannle und bescbriebene slavische
oder griechische Gebrauche , Ceremonien und Vorurtheile nocb
jetzt in der Tiirkei zu find en sind , oder wie sie sieh jetzt
gestalten.
Endlich machte meine Reise mir den Mangel eines jniten
deutsch- oder franzosisch-s er bische n Wort erbu chs
sehr fiihlbar. Ich unternahm darnm eines, das ich auf wenig-
stens 21,000 Worter brachte , das ich bier der kais. Akade-
mie vorlege. So viel als moglicb fiigte ich jeder Wurzel ihre
etymologischen Haupt-Ableitungen bei, ungefiihr wie Hr. Urban
Jarnik in seinem Werke vora Jahre 1832 liber die slovenische
Mundart. Dann gab ich mir einige Miihe, als Appendix die sla-
vischen naturhistorischen Ausdriicke zu sammeln. Diese Arbeit
hatte sich vielleicht zur Oeffentlichkeit geeignet, ware diese
Liicke nicht endlich im Jahre 1848 (lurch das franzosisch - ser-
bische Lexicon des Urn. I s a i 1 o v it ch zu Belgrad und jetzt vorziig-
lich durch das deutsch-serbische des Herrn V u k S t e p h a n o v i t c h
Karadschitch ausgefullt. Dcm letztern Verl'asser musste an
Reinigung und Verbesserung der slavischen Sprache, nach griind-
lichcn philologischen Kenntnissen der urslavischen Ausdriicke
vorziiglich gelegen sein, indem ich nur den bescheidenen Zvvcek
hatte, den Reisenden in Stand zn selzen, mit jedem Menschen
sich verstiindigen zu konncu, und darum manche rein slavi-
schen Worter durch die jetzt mchr gcbrauchlichen tiirkischen
oder griechischen ersetzen musste.
Ein anderes niitzliches Unternehmen ware die Ausarbeitung
eines gemeinschaftlichen WSrterbuchs der tiirkischen, slavischen,
116
griechischen , albanesischen und wallaehischen Sprache , fur
welche sich in Wien fast, alle nothigen Kriifte wolil linden wiir-
den. Einen ahnlichen Versuch, sowie eine sehr unvollstandige
Sammlung von den gewohnlichsten Redensarten in jenen fiinf
Sprachen hatte ich angefangen , aber iiber mein Wissen gefun-
den. Ich \ese sie doch auch hier als Bevveis vor.
Was mir aber vorziiglich auffiel , war die geringe Kenntniss
des Albanesischen in Europa. Ueber alle wenig ausgebrei-
teten Sprachen Europas, namentlich die finnischen, galischen und
baskischen Dialekte hat man erschopfende Werke und Worter-
biicher, nur die albanesische wurde bis jetzt so stiefmiitterlich
behandelt. Man besitzt iiber sie kein eigentliches Lexicon und nur
unvollstandige Grammatiken, so dass eine grvtndliche Arbeit iiber
diese Sprache fur die historisch - philologische Section unserer
Akademie gewiss eine lohnende und nutzliche Preisfrage und ihre
Liisung wegen der Nachbarschaft Albaniens eine leichte und nicht
sehr kostspielige sein kiinnte.
Seit dem Erscbeinen meiner Beschreibung der europiiischen
Tiirkei sind nur sieben Werke bekannt gevvorden , die Bezug
darauf haben. Erstlich die schatzbare Rcise nach Rumelien
und nach Brussa im Jahre 1839 von dem vvohlbekannten
Botaniker A. Grisebach (1841, 2 Bd. in 8.). Obgleich dieses
Work etwas spiitcr als meines erschien, hat der Verfasser meines
nicht gekannt, oder bcniitzen konnen; hiitte ich das Gliick gehabt,
mit ihm bei seiner Durchreise in Wien bekannt zu werden , so
hiitte ich ihm wahrscheinlich die Mittel verschafft, noch viel
mchr Neues zu berichten.
Das zweite Werk ist das von Dr. Jos. Mil Her, Alba-
nien, Rumelien und die osterr eic h isch - m onto n e-
grische Granze, Prag 1S44 in 8. mit einer Karte von Alba-
nien. Der tiirkische Theil umfasst aber nur Nord-Albanien und
Toli-Monastir, den Sitz des Rumeli-Valessi; da aber gerade die -
ser Theil der Tiirkei der am wcnigsten bekannte war, so sind
alle die statislischen Angabcn iiber das Land, die Stiidte, die
Dorfer und ihre Bevolkerung hochst wichtig.
Was die Angabe iiber die Zahl der Einwohner anbetrifft,
da nur die tiirkischen Beamten meistens seine Gewiihrsmanner
sind, miichte man leicht darin hie und da eine Uebertreibung
117
sparen. Doch seine eigenen SchStzungen nahern sich sehr den
unsrigen, so z. B. waren im Jahre 1831 in Scutari 32,000 See-
len gewesen, wo ich im Jahre 1838 nur 22—25000 zu finden
glaubte. In Struga zahlt er 1300 Einwohner und ich 1500, in
Ochri zahlt er 8000 und ich 9000, in Prisren zahlt er 24000
und ich nur 20000 u. s. w. Die Schatzung macht man mei-
stens nach der Zahl der Hauser, der Angabe der Geistlichen
oder der Steuereinnehmer.
Die Einzelheiten, die mir in jenem Werke am meisten auf-
gefallen sind , wiiren folgende : Der verehrte Verfasser versetzt
irrthumhch das Kloster Sveti-Naun auf die S. W. Seite des Ochri-
Sees (S. 68), indem ich es doch auf der siidostlichen fand. Er
beschreibt zu Jakova iiber einen Bach sechs Briicken, deren
eine mit 16 Lampen des Nachts beleuchtet wird (S. 78), was,
wenn wahr, ein Unicum im Innern der Tiirkei ware, und' deren
Zweck man nicht recht verstehen wiirde. Ich sah da ausser-
halb der Stadt nur eine sehr schlechte Briicke und durchwa-
tete den Bach zu Pferde.
Wahrscheinlich wird dieselbe unredliche Quelle ihn veran-
lasst hahen, die alte hochgebogene Briicke aufdem Drin beiHan
Keuprisi (im Albanesischen nach ihm Hani - Urs genannt) als
ein Werk des Aslanpacha (des Lowens-Pascha) aus Jakova an-
zusehen. (S. 80.) Auch fiber sein reiches Puka-Dorf auf
dem Myrtiden-Gebirge (S. 81) bleiben mir bedeutende Zwei-
fel, nach der Erbarmlichkeit, die ich da sah, und gegen die
schone Porn, der alten, einstockigen Wohnung des Pascha von
Novibazar (S. 77) protestire ich formlich. Auch die angenom-
mene Teufelsgestalt der Albanesen (S. 24) scheint von der
VerwechslunggewisserStammemitdemganzenVolkeherzuriihren.
Das dritte Werk ist Dr. O. S end tn er's Re is e nach Dal-
mahen und Bosnien im Jahre 1847 (Ausland 1849, S 85)
Dieser Botaniker betrat die Tiirkei von Spalato aus, und be-
nutzte so schlecht meine Anweisungen, dass er schon im April
diese kalte Gebirgsgegend besuchte, und darin zu Puss, wie in
Deutschland wandern zu konnen glaubte. IVachdem er einen Tag
»n Koth miihsam sich bewegt hatte, ohne weiter zu kommen,
mnsste er sich noch gliicklich schatzen, Miethpferde ausser der
Poststrasse zu linden.
118
Seine Beise von Dalmaticn fiber Kupris nach Travnik,
Vranduk und Toszla nnd von da wieder zuriick iiber Serajevo,
Sutinska und Voinitza nach Travnik ware in einer spatern Jah-
reszeit viel interessanter fur die Botanik ausgefallen. Er wollte
nach dem siidlichen Bosnien aufbrechen, als durch seine Unvor-
sichti»keit seine* Beise ein tragisches Ende nahm; er wurde
vorsiitzlich verwundet und reiste wiederhergestellt zu Hause,
was vielleicht ein grosses Gliick war, denn in jenen siidlichen
Gegenden hatte es ihm, ohne Sprache und Sittenkenntniss noch
schlechter gchen kiinnen.
Ueberhaupt kann man nicht genug junge , mit dem Oriente
unbckannte Beisende vor dem Irrthume warnen, dass jene
Lander schon jetzt wie das iibrige Europa zu bereisen witrcn ;
das heisst, dass man die Turkei von alien Seiten sicher und
bequem betreten und seiner Wissbegierde auf europaische
Art die Ziigel scbiessen lassen kann. Wer angcnehme und niitz-
liche Beisen da machen will , muss sich noch immer in die Vor-
sichtsmassregeln schicken, die ich auseinander gesetzt habe.
Von den vier ubrigen Werken beschriinken sich zwei auf Mon-
tenegro, namentlich E b e l's Beise im Jahre 1840 und Bi as o 1 e tto's
botanische Excursion im Jahre 1841. Gardner Wilkinson gab
im Jahre 1848 eine Beise nach Dalmatien, Montenegro und Mo-
star in der Herzegowina zu London heraus.
Endlich im Jahre 1846 hat Here Johann Gavrilo vi i sch zu
Belgrad den ersten Versuch cines slavischen geographisch- stati-
stischen Lexicons in alphabetischer Orduung wenigsftens far
Serbien gemacht. Obgleich die Ausweise hoc!) zu durftig sind, so
lernt man doch dadurch alle jetzt bestehenden Ortschaften und
Dorfer Serbiens sovvie ihren richtigen Namen und ihre wenig
gemischte Bevolkerung kennen. In dein intcrcssanten Artikel
iiber ganz Serbien wird die ganze Bevolkerung auf 849,286
Seelen geschatzt.
In einer zwciten Auflage ware aber die Ausciuandersetzung
der genauen Lage jedes Ortes zuwiinschen. Audi das Verhaltniss
der Urproduction , der Waldcr und Pelder, des Beichthums
oder der Armuth jeder Gemeinde, derCommunicationsmittel «. s. w.
wiiren aus den Nach weisungen d er scrbischen Begierung nachzuholen.
119
Das w. M. Hi-. Regierungsrath v. E tti n g s ha u s e n ubergibt
liierauf folgende Note and erortert deren Inhalt in freiem Vortrage.
„Ueber cinige Eigenschaftcn d er Flachen, vveiche
zur Construction iler imaginiiren Wurzeln der Glei-
chungen dienen."
Bei der Durehlesung der Abhandlungen des Herrn Assistenten
Spitzer, iiber welcbe ich in der Sitzung vom 20. Juni Bericbt
crstaltete, bot sich mir die Bemerkung dar, dass die von ibm
an den hochsten and tiefstcn Pimcten der Curven, dcreu er
sich zur Construction der Wurzeln der Gleichungcn bedient,
wahrgenommenen Verzweigungen ihre anschaulichste Erklarung
finden, sobald man die Beschaffenheit der Flachen in das An go
fasst, deren Ordinaten den Bestandtheilen der Gleichungsfunction
fur iinaginiire Substitutionen entsprechen. Die Eigenschaften
dieser Flachen scheinen wenig gekannt zu sein; ich weiss bios
cine Schrift anzufiihren, worin etwas dariiber angedeutet isl,
namlich die Gauss'sche Abhandlung vom Jahrc 1799 : Demon-
is ratio nova theorematis omn em function em a'gebraicam rationa-
lem integrum unius variabilis in factores rcales primi vel
sccundi gradus rcsolvi posse. Man kann wohl sagen, dass der
grosse Meister schon in dieser seiner erstcii Druckschrift dem
dainaligen Stande der Wissenschaft urn mchr als fiinfzig Jahre
vorausgeeilt war, denn sie enlhiilt anch bereits die Kcime der
geliiuterten Ansicht der Natar der imaginaren Grossen, welcbe
zum Verstiindnisse der Sprache, „die fur uns dichtet und denkl."
so wesentlich beigetragen hat. — So vicl zur Einleitung und
Rechtfertigung der nachstehemlen Mittheilung, die ich der geehr-
ten Classe vorzutragen mir erlaabe.
Setzt man statt der veriinderlichcn Grosse u in einer Function
/'(") den Ausdruck x + y V—1 , worin x und y reelle Werihe
haben, so liisst sich die Function stcts auf die Form
? (x , y) + ip (x , y) . yCTj
bringea, wobei die Functiouen f(x, y) , £ (x , p) b!os reeller
Werthc fahig sind. Zur Abkurzung sei
f O > y) = s s ^ O , y) = w,
so dass fur u — x + y Y—i
p(u) — s. ! u> Y'~-i
isl.
120
Wird diese Gleichung einmal nacli x , das andcrc Mai iiach y
differenzirt, so erffibt sich, wegen . =1, ■ — =*y_i, otl'enbar
' a ' a dx by
3 s bw
8^ + 8a; V~ 1
8/Jm)
"8m
8m y l by by Y
dabcr ist identiscli
8 s 3iw , . tb *
by b y \bx
und dem gemiiss
8s 8w>
8# ~ ~~ Tx '
bw 8 s
b~y ~~ bx '
Hieraus folgt
8as 8aw
8as
8 y"~ bxby
= ~" bx*
8aH> 8as
bzw
bxz dx by
— 8^
unci weiter:
83s 33s
83s 83s
8 oj 3 j/3 8x3 '
by3 bxzby
83 w b3w
83s
bxs Sa-S?,3
3 X* 3 y
33 w 83 w>
33s
8xa8?/
8j/3
u. s. f.
8 x8
Die Reihe der Differentialquotienten irgend einer Ordnung
bietet sonach bios zweierlei numerische VVertbe dar, welcbe den
boiden ersten Gliedern derselben angeboron. Bezeiebnen wit- dem
gemiiss die Differentialquotienten
8 s 8 s 3as
8as
83s
83s
8* ' by ' bxz '
bxby '
8.r3
' 8*a8«'
beziebunirsweise mit
O
Jh , ft > 7h
5 (h 5
Th ,
It i • ■ ■
so ist der Taylor'schen Formel zu Folge (soferne dieselbe Anwen-
dung findet), wenn As und Aw die Zunahmen der Grossen z und w
vorstellen, welcbe sich bei tier Vernicbrung von x und y um die
endlichen Diflercuzen Ax und A// ergeben :
121
As ^p1Ax+qiAy + -(jpi,Axi+2q.iAxAy — p2Ay")
+ O (PaAx* + 3 q,Ax%Ay — 3p,AxAyz — p3Ays)
+ etc.
Aw = — ^Ax + PjAj/ — -(^Aa?s — 2/>2A»Ay — ^A/)
— gTgC^Aa:3 — 3p3Ao:2Aj/ — 3y8AxA/ + p3Ay3)
— etc.
Diese Ausdriicke gestatten ihrer besonderen Form wegen
erne bedeutende Vereinfachung. Um zu derselben zu gelangen,
betrachten wir das allgemeine Glied des Ausdruckes fur As.
Es ist das Product des nach dem Stellenzeiger n dieses Gliedes
gebildeten Bruches--— - mit dem Polynom
P„ Ax" + (») qn Ax^Ay — (;) pn Ax^Ay* — (;) qa Ax^Ay" +....,
worin die Symbole G) , (»), ("3), .... die Binomialcoefficienten
bedeuten. Setaen wir bier
Ax = As.cosp, Ay —- As . sinp. ,
so geht das genannte Polynom in
pnAsn [casp." — (J) cosp"-2 sin p? + J
+ qnA sn [(*0 cos p."-* sin p. — (f) cos p."-3 sin p? + ] ,
d. i. in
(/»„ cos n p. + qn sin n p.) A s"
iiber. Setzen wir nun noch
pn = rn cos se„ , qn = rn sin a„ ,
so nimmt der so eben erhaltene Ausdruck die Gestalt
r„ A s" cos (n p. — a„)
an. Somit wird
As — r, As cos (>-«,) + ~ r2 As3 cos(2^-aa)
+ ^3 ^ As3 C0S (3M-as) + •••• + 2 31 wr„ A 8" COS («/*-«„) + . . . ,
Eben so findet man
Atv = — rt As sin (>-«,) — ~ r2 As2 sin (2/A-aa)
— 373r3As3sm(3/x-«3)— ....__!_,.„ As" ««(»^ «„)—.,„
122
Nach diescn Vorbereitungen scieii jetzt x und y die Werthe
der rechtwinkligen Coordinaten eines Punctes in einer die
Axen dieser Coordinaten enthaltenden fixen Ebene. Denkcn wir
uns in dicsem Pnncte, senkrecht gcgen die Ebene eine dritte
Coordinirte aufgestellt, deren Lange wir einmal = s, das andere
Mai = w nehnibn, so bestiminen die Enden dieser Senkrechten,
bei veriinderlieher Lage des Punctes auf der Grundebene, SBWei
Fliichen, welehen die Gleicbungen
2 == f (x j y) und w = ip (x, y~)
gehoren.
Die Linie , oder das System von Linien, in welehen die
Ebene xy von der erslen Fiiiche durchschnitlen wird, ent-
spricht der Gleichung 0 die Durcbschnittslinien der zweiten
Fiiiche mit der Ebene xy an. Jeder Punct auf dieser Ebene, in
welchem ein Ast des ersten Liniensystems rait einem Aste des
zweiten zusammentrifft, wo also die Griissen s und to gleich-
zcitig verschwinden, ist der geometrische Ort einer Wurzel der
Gleichung f(u) = 0; seine Coordinaten bieten die Bestandtheile
des Ausdruckes x + y V~^\ der genannten Wurzel dar. Die
Gesammtheit aller solcheu Durchschnittspuncte der beiden Linien-
systemc repriisentirt also den Inbegriff der Wurzeln der vorge-
lcglen Gleichung.
Fih- y = 0 wird f(u) ~ f(x}, dalier wenn f(u) an sich bc-
tracblet cine reelle Function ist, namticli eine solche, die bei
reellen Werthen der Variablcn stets reelle Werthe annimmt,
wird, welehen Worth auch x baben mag, stets w — 0 ; bieraus
erhellet, dass bei vorgedachter Bescliaffenheit von f(u) die Axe
der x selbst eine der Dnrchschnittslinieu der zweiten Fiiiche mit
der Ebene xy, folglicn ein Bestandtheil des zweiten Linien-
systems ist. Die Abscissen der Durchschnittspuncte der Curve
f(x, ?/) = 0 mit der Axe des x sind es niimlich, welcbe im vor-
liegenden Falle den reellen Wurzeln der Gleichung f(u) = Q
entsprcchcu; feblen die einen, so sind auch die anderen nicht
vorhanden.
Gehen wir auf der fixen Ebene von dem Puncte, (lessen Coor-
dinaten x. y sind, zu cinem andern Pnncte fiber, welchem die
Coordinaten x + &x, y + Ay entsprechen, so ist die Griisse,
■
123
wclchc vvir obcn As genannt haben, die Lange der aus dem
ersten Puncte zum zweiteu gefiihrtcu Geraden, und \x gibt den
Winkel an, den diese Gerade mit der Ricbiung der positiven x
bildet. Die Differenzen As und Aw sind die dem Fortsehritte
von dem ersten Puncte zuni zweiten entsprecbenden Aenderungen
der Ordiuaten beider Flachcn beziiglicb der Orte , welche die
vorgeuannten Puncte auf der Ebene xy zu Projectionen baben.
Fiir cine Folge einander unendlicb uaber soldier Puncte bei
einerlei VVerthe von [x zeigt sich, obiger Formcl gemiiss,
8s
37 = »", cos (>—-«,),
8s
8"*
8s
T3 = rz cos (2 p. — a.,) ,
= — r{ sin (pL- — a,) ,
8aw
8s*
rzsin (2 [J. — a2) , .
rentialquotienten — ^ verschwinden. 1st fiir den Ausgangspunct
Betrachten wir jetzt die Richtungen, nacb welchen der
Fortscliritt auf der Ebene xy zu gescbebcn bat, daniit die DiH'e-
its, ds
ds
der Wertb der Grosse i\ von 0 verscbieden, so kann -=- nur daun
gleicb Null wcrden , wenn cOs(p — a,) = 0 ausfallt, mithin, so
fern wir den Winkel p stets in einerlei Sinn zahlen , jedoch
dabei Wcrtbo, welche sich von den bereits vorhandenen um 2 n
oder um ein Vielfaches von 2rc untcrseheiden, da sic kein ncues
Res u! tat geben, weglassen, nur fiir /-«• = t> + «i uud y. = -^--r'«i.
Diese beiden Wcrthe gehoren, so wie iiberhaupt zwei VVerthe
von jm, welche n zum Unterschiede haben, einer und derselben
Geraden an, und beaiehen sich lediglich auf den Gcgensatz der
beiden Richtungen des in selber moglichen Fortschrittes. Damit
dw
-g verschwinde, muss sin (p. — a J =0 sem, woraus /x=at oder
auch [x = 7z + «, folgt. Die Gerade, welche durch diese zwei
VVerthe von p. angezcigt wird, steht also auf derjenigen, die sich
bcziiglich der ersten Fliiche crgab, senkrecht.
Erscheint fiir die stattfindenden VVerthe von x und y die
Grosse r, = 0, was nur scin kann, wenn gleichzeitig pt und t/t
versehwiuden, so haben die Beriihrungsebenen der beiden Flit—
chen an den Puncten, deren geineinschaftliche Projection anf
die Ebene xy den erwahnten Coordinaten entspricht, eine zur
Ebene xy parallele Lage. Jede dieser Beriihrungsebenen schnei-
124
det aber die Flache, der sie angehort an der Ber'uhrungsstelle.
Es sei, um diess zu zeigen, erstlich fur die vorhandenen Werthe
von x und y die Grosse r2 von Null verschieden, so beginnen die
Ausdriicke fur As und Aw mit dem Gliede, worin A*3 als Factor
erscheint, und es andern dieseDifferenzen riicksichlich der klein-
sten Werthe von As, wahrend p. von 0 bis 2^ wachsend genom-
men wird, bei jenen Richtungen von A s, fur welche das mit
Asa versehene Glied verschvvindet, ihre Zeichen. Die entspre-
chenden Werthe von p. sind fur die erste Flache diejenigen, fiir
welche cos (2 ^ — a2) = 0 ausfallt, also
4 + ~2 ' 4 + 2 ' T + "a ' T + "2
und fiir die zweite Flache diejenigen, fur welche sin(Z(x — a2)
wird, namlich
ft
«2
2 '
» + 7* ,
3ir
2 ' 2 ' ' ' 2 ' 2 r 2
Die durch diese Werthe angezeigten Richtungen wechseln unter
einander in regelmiissiger Folge ab, und es bildet jede zu der
einen Flache gehorende init den beiden benachbartcn, die zu der
anderen Flache gehoren, einerlei Winkel vora Betrage | d. i. 45°.
Jede Flache wird demnach von ihrer Beriihrungsebene in zwei
Curven geschnitten, deren Tangenten an der Beriihrungsstelle
auf einander senkrecht stehen, und zwischen welchen der La«-e
nach die Tangenten der ahnlichen Durchschnittslinien an der
andern Flache die Mitte halten. 1st aber auch noch ra = 0, jedoch
r, von Null verschieden, so ergibt sich der Zeichenwechsel von
Az, wenn p. einen der Werthe
3k
+ T?
5n-
1T +
IT
+ t
9tt a,
(i + 3 '
3 ' T 3 '
nnd der Zeichenwechsel von A w, wenn fx einen der Werthe
5n-
lire a,
6 + 3
2re
3
1 3 '
n +
4re
3
3 +3
a8 re a4
~f' 3 + T' T~"r¥' "■■pT' 3 TT'
erhalt. Hier finden also an jeder Flache drei Durchschnilte
dcrselben mit der Beriihrungsebene und zvvar, unmittelbar am
Beruhrungspuncte betrachtet, nach Richtungen statt, deren jede
zwei nachsten mit einander einen Winkel von 60° bilden und
deren Halbirungslagen den Richtungen entsprcchen, nach welchen
125
die auf ahnliche Weise angeordoeten Durchschnitte der andern
Flache rait ihrer Beruhrungsebene erfolgen. Hiernach erliellet
von selbst, was stattfindet , vvenn bei den gevvahlten Werthen
von x und y noch weitere der rait r bezeichneten Grossen ver-
schwinden sollten.
Die Mittellagen zwischen den Richtungen der Durchschnitts-
linien jeder unserer Flachen und ihrer Beruhrungsebene an den
so eben betrachteten singularen Puncten sind zugleich diejenigcn,
nach welchen hin die Puncte liegen, worin sich die Flache am
meisten von der Beruhrungsebene entfernt, d. h. sich am stark-
stenkriimmt. Diese Richtungen entsprechen dem Werthe von p., fiir
welche, beziiglich der kleinsten Werthe von As, die Differenzen
As, Aw mit den grossten numerischen Werthen auftreten. Ge-
dachte Werthe von /x ergeben sich, vvenn ra die erste nieht ver-
schwindende unter den Grossen rt, r„ rs, . . . 1st , fiir die erste
Flache, d. i. jene welcher As angehort, aus der Bedimruuff
cos(w,,u. — a„) = — 1, oder vvasdasselbe heisstaus der Bediiiffun"-
sm W — «n) = 0, und fur die andere Flache aus derBedingung
cos {nix— a„) = 0. Die Grosse der Kriimmung ist an beiden
Flachen und nach jeder der so eben genannten Richtungen die-
selbe, und an einer Flache fiir sich genommen wechselt der Sinn
der Kriimmung um den Beriihrungspunct herum unabliissig. Die
Kriimmungen lassen sich, sobald audi r3= 0 ist, nicht mchr
mit jenen des Kreises vergleichen, well der Krtimmungshalbmesser
jedes Normalschnittes der Flache an einem solchen singularen
Orte unendlich gross erseheint.
Aus dem Gesagten erhellet zugleich, dass die Flachen, von
denen hier die Rede ist, keine eigentlichen Maxima und Minima
tier Ordinaten z und iv zulassen, sondcrn bloss Puncte, an de-
nen die Beruhrungsebene jener der xy parallel liegt. Ein sol-
dier Punct an der einen Flache hat stets einen von gleicher Be-
schaffenheit an der zweiten Flache zum Begleiter , und beide
befinden sich in derselben Senkrechten auf die Ebene xy. Am
Beruhrungspuncte biegen sich die Flachen rundherum nach ver-
schiedenen Seiten von der Beruhrungsebene ab. Dass im Falle,
wo rz nicht Null ist, an einer Stelle, beziiglich welcher die par-
tiellen Difterentialquotienlen p-, ~ verschwinden , die Flache,
ax ay '
SlUb. (I. math, naturw. CI. Jahrg. 1850. II. R.I. II. Heft. 9
126
welche z zur Ordinate hat, fur diese Ordinate kein eigentliches
Maximum oder Minimum darbietet, erhellet der bekannten Theorie
gemass unmittelbar aus dem Umstande, dass die Differential-
auotienten — - and -r-a mit entgegengesetzten Zeichen behaftet
^ dxz ay
sind. Derselbe Grand gilt auch rlicksichtlich der Flache, welcher
w als Ordinate angehort. Die Halbmesser der beiden Hauptkriim-
muncen jeder Flache haben in diesem Falle entgegengesetzte Zei-
chen und ihr genieinschaftlicher numerischer Werth ist, in der
' 1 1
oben gebrauchten Bezcichnung gesprochen, = — = —===.
Die vorhergehenden Resultate gelten insbesondere fur jcden
Durchkreuzungspunct der Durchschnittslinien beider Flachen mit der
Ebene xy. Geht daselbst bios ein Ast der einen Liniengruppe
durch einen Ast der andern, so ist an der Durchkreuzungsstelle r,
von Null verschieden; die Durchkreuzung selbst erfolgt unter
einem rechten Winkel. Gehen aber mehrere Aeste der einen Li-
nieno-ruppe durch den genannten Punct, so ist fur denselben
r( _ 0 , die Ebene xy ist zugleich eine Beriihrungsebene beider
Flachen, und es gehen durch diesen Punct auch eben so viele
Aeste der aus der andern Flache entspringenden Liniengruppe;
die Zweige beider Arten von Aesten folgen rings urn den Punct in
stetem Wechsel und unter gleiehen Winkeln auf einander. Diese
Eigenschaft der Durchschnittslinien der hier hetrachteten Flachen,
wenigstens so weit sich selbe auf algebraische Functionen hezie-
hen hat schon Gauss im §. 23 der oben angefiihrten Dissertation
erwahnt. Die obigen Bctrachtungen diirften audi zur Wiirdigung
des S. 24, womit jene lehrreiche Abhandlung schliesst, dienlich be-
funden werden.
Denkt man sich in alien Puncten einer Durchschnittslinie der
einen Flache mit der Ebene xy auf diese Ebene Perpendikel auf-
"•ostellt, so bezeichnen dieselben an der anderen Flache eine Curve
von der Art derjenigen, welche Herr Spitzer „conjugirte Curven,
•renannt hat. Die riicksichtlich der Ebene xy hiichsten oder tief-
sten Puncte der conjugirten Curven, oder allgcmeiner gesprochen
die Puncte, an dencn die Tangente mit der Ebene xy parallel
lieo-t sind stels solche Puncte, an welchen auch zugleich die
tangirende Ebene der entsprechenden Flache mit der Ebene xy
parallel ist, und die lelztcre Ebene hcriihrt die andere Flache an
127
dem zugehBrigen Puncte. Denn lassen wir beispielswcise die
Flache, welcher w als Ordinate angehort, die von der Ebene xy
geschnittene sein, so ist an alien Puncten der Durchschnittslinie
i»= 0, mithin auch -~ = 0. Nun soil auch ~ = 0 sein; diess
us as 7
kann nur an solchen Puncten stattfinden , fiir welche r == 0 er-
scheint , denn nur unter dieser Bedin'Sweise der Barometer, Psycbrometer und Bcgenmesser
zu sorgen, die fertig gewordenen zu priifen und den Beobach-
tern zuzumitteln;
2. mit der Erledigung der einzelnen Zuschriften und An-
erbietungen zu Beobachtungen sich zu befasscn, und
3. bei der Vertheilung der Instrumente sich Gevvissheit zu
verschaffen, dass sic nur in die Hande von Miinnern lcoinmen,
die geeignet sind, die Beobachtungen mit wissenschaftlichcr
Scharfe und Gcvvissenhaftigkeit auszufiihren.
Es wurde beschlossen, dicjenigen Beobachter, die eigene
Instrumente besitzen, einzuladen, dieselben mit den Nornial-
Instrumcnten in Wien zu vergleichen, und alle Beobachter, mit
denen die Akademie in Verbindung tritt, sowohl mit dem von
Herrn Krcil verfasstenEntvvurfe als auch mit Tabellen, inwclchc
die Beobachtungen einzutragen sind, zu betheilen und zu ersu-
chen, sich genau an den Enlwurf zu halten.
5)
55
55
55
5)
55
55
131
Nach den Bcschlussen der Commission wurden bisher mit
iustrumenten betlieilt: die Telegraphenstationen
zu Wien, sowohl im Nord- als im Sudbahnhofe,
„ Briinn,
Olmiitz,
Oderberg,
Gloggnitz,
Miirzzuschlag,
Gratz,
Cilli,
Laibach,
„ Adelsberg,
„ Triest, und **'
„ Prcssburg ; dann die Herren
Allgener zu Kessen in Tyrol,
Ellenberger zu Meran „ „
N e e b zu Botzen in Tyrol ,
Frohlich zu Baden in jViederosterreicb,
Die k. k. Salinen-Verwaltung zu Aussee in Steiermark,
Petruzzi zu Laibach in Krain,
Hack el zu B. Leippa in Bohmen,
Schier zu Prossnitz in Mahren,
Bohrer zu Stanislau in Galizien,
Reissenberger in Hcrmannstadt , der sich verpflichtcte,
die allfilllige Aenderung seines Wohnorts der kais. Akademie so-
gleich anzuzeigen, damit diese dann entscheide, ob die ihm zuge-
schickten Inslrumente dem Hermannstadter Vereine fiir Natur-
vvissenschaften verbleiben sollen, und er mit neuen betheilt werde
oder nicht.
Durch Bescbluss der geehrten Classe vom 11. April 1849
wurden auch dem Professor Rolum bus in Linz zwei Partien mc-
teorologischer Instrumente zur Verfiigung gestellt, und zvvar fiir
die unter seiner Leitung zu organisirenden Stationen zu Linz
und Kirch sell lag. In der Sitzung vom 19. April 1849 bcwil-
ligte die Classe dem Herrn Prettner zu Klagenfurt zwei Stiick
Barometer zum Gebrauche bei seinen meteorologischen Beobach-
tungen, die er auch bereits erhalten hat.
132
Zu Beobachtungen mit cigenen Instrumenten babel) sich er-
botcn:
Herr Stern warte-Director Weisse in Krakau,
„ Prof. Areustein zu Pesth,
die nautisehe Schule zu Triest,
Herr Herrschafts-Physikus Pluskal zu Lomnitz in Mahren,
„ Wundarzt Br end I zu Starkenbach in Bohmen,
„ S c b w e i t z e r, zu Alt-Sandez in Galizicn,
„ Schenzl zu Admont in Steyerniark,
„ K o t i n g e r zu Salzburg.
Auch der bestitndige Ausschuss der k. k. Landwirthschafts-
gesellschaft in Wien hat in einem Schreiben vom 4. Jiinuer 1. J.
seine Mitwirkung bei dem metooroIogischenUnternehmenangeboten.
Herr Dr. Gintl iibernahm es, die Aufstellung der meteoro-
logiscben Instrumente in den einzelnen telegraphischen Bureaux
zu iibernehmen und fur die geregelte Fortfiihrung der Beobach-
tungen zu sorgen, wofiir ihm die geehrte Classe in der Sitzung
am 11. Jiinner 1849 einen Dank votirte.
Herr Sectionsrath v. Steinh eil zeigte in der Commissions-
sitzung vom 3. Juni I. J. an, dass die auf dem Monte Spacato des
Karst und zu S. Pietro auf der Punta di Salvore in Istrien gelegenen
zvvei Gebaude, welche friiher zu optischen Telegraphen gedient
habcn, wie er glaube, von Seite des hohen Ministeriums fur
Handel etc. der Akademie unentgeltlich zur Disposition gestellt
werden konncn, wcnn diesclbe sie zu magnetischen und andern
meteorologischen Beobachtungen benutzen wolle. Dieser erfreu-
liche Antrag wurde dankend zur Kenntniss genommen mit dem
Vorbehaltc, seinerzeit dafiir die geeigneten Schritte zu thun.
Mehreren Hcrren hat man Instrumente nicht zuerkannt,
entvveder weil an demselben Orte eine Telegraphenstation er-
richtet wird, wie z. B. in Agram, oder weil in der Niihe ihres
Wohnorts bereits eine Beobacbtungsstation vorkommt, oder auch,
weil die Anstalt, an der sie wirken, hinreichende Mittel besitzt.
sich Instrumente auzuschafiFen, wie diess an den kais. Lehr-
anstalten wirklich der Fall ist.
Von den eingeschickten Aufsiitzen meteorologischen lnbalts
hat die Commission folgeiule zur Aufnahme in die Sitzungs-
berichte fiir wiirdig befunden:
1 oo
1. Eine Uebersicht aller bis nun theils trigonometrisch
theils barometrisch bestimmten Hohenpuncte in Siebenbiirgen
von Hrn. Reissenberger ;
2. Ein Schreiben des Herrn Directors Kreil in Betreflf des
meteorologischen Unternehmens ;
3. Meteorologische Beobachtungen ties Jahres 1849 zu
Krakau von Herrn Director Weisse;
4. Bcitriige zur Construction selbstregistrirender meteoro-
logischer Apparate von Dr. C. J el i nek.
Meteorologische Beobachtungen sind bereits von mehrereu
Beobachtungsorten eingelaufen, als :
von der Telegr.-Station Adelsberg vom Juni bis Ende des J. 1849,
w „ n „ Bruno fur April 1850,
j) „ » » Pressburg fiir Janner, Febr., Miirz 1850,
n » » n Olmiitz fur Janner, Februar, Miirz 1850,
von Herrn Dr. Rohrer in Stanislau fur Nov. und Dec. 1849,
von Herrn Brendl fur Miirz und April, Mai, Juni 1850,
„ „ Kotinger aus Salzburg: Resultate der meteorologi-
schen Beobachtungen seit dem Jahre 1842,
„ „ Weisse in Krakau fiir Janner, Februar, Miirz, April
und Mai 1850 ; dann
Uebersichten der meteorologischen Beobachtungen vom Jahre
1849 aus Prag von Dr. Jelin ek, aus Bodenbach von Herrn
Seidel, aus Triest von Herrn Gallo.
Die Commission beschloss diese Beobachtungen einstweilen
aufzubewahren.
Herr Director Kreil sprach in einem Schreiben riicksicht-
hch der Apparate fiir magnetische Beobachtungen die Meinung
aus, dass die Akademie zuerst Instrumente zu den Variations-
Beobachtungen anschaft'en und vertheilen solle^ da sie leichter
zu behandeln sind, und aus den von den Beobachtern einge-
sandten Ergebnissen entnommen werden kann, ob sie Ver-
trauen verdienen, und ob nicht vielleicht irgend ein bei der Auf-
stellung und Behandlung derselben eingeschlichener Fehler nach-
theiligen Einfluss geiibt hat, was bei den absoluten Bestimmun-
gen nicht leicht moglich ist. — Die Commission war mit die-
ser Ansicht vollkommen einvcrstanden , und stellte hierauf an
Herrn Kreil das Ersuchen, bei dem von ihm empfohleneu
134
Kiinstler Herrn Nicolas zu Senftenberg in Bohmen einen
Apparat zu magnetischen Variationsbeobachtungen und einen
Taschenchronometer zu bestellen. Der erstere Apparat ist
bereits der kais. Akademie zugestellt worden, und auch der
Chronometer befindet sich bereits in den Hiindcn des Herrn
Directors Kreil, der es iibernommen hat, seinen Gang zu
priifen.
In der Commissions- Sitzung am 6. October 1849 vvurdc
Herr Professor Schrotter ermachtigt, bei Per rot in Paris
Regnault's Vorrichtung zur chemischen Untersucbung der
atmospharischen Luft und bei Fast re ein Psychrometer nach
Angabe desselben Gelehrten zu bestellen; das erstere Instru-
ment ist bereits angekommen.
Herr Kap ell er in Wien, dem die Verfertigung der meteo-
rologischen Instrumente anvertraut wurde, hat bis jetzt der kais.
Akademie geliefert:
30 Stuck Stations-Barometer nach seiner neuen Construction
zu 42 fl. pr. Stuck, dann 30 Stuck Psychrometer mit 30 Stuck
dazu gehoriger Blechkiisten a 18 fl., dann 5 Reisebarometer unci
1 Gefassbarometer, ausserdem 2 Stiick Reisepsychrometer, 2 Stiick
Psychrometer neucster Form und 5 Stiick kleine Thermometer
Von Herrn Starke erhielt die Commission : ein Ombrometer,
zwei Stamp fer'sche IVivellir-Instrumente, und zvvar ein gros-
seres und ein kleineres zum Gebrauch auf Reisen eingerichtet
und einen Dent'schen Prisma-Apparat, (Dipleidoscop) mit dem
Prof. Haekel in Bohm. Leippa betheilt wurde. Die Commission
hat fur diese angefithrten Instrumente die Summe von 2971 fl.
verausgabt ; da nun der fur die meteorologischen Zwecke iiber-
lassene Functionsgehalt des Herrn Vice-Prasidenten vom 1. Mai
1848 bis Ende Mi 1850 nach Abzug der Stempelgebiihren
5401 fl. 10 kr. C. M. betragt, so bleibt noch die betrachtliche
Summe von 2430 fl. 10 kr. C. M. zur wciteren Forderuna-
des meteorologischen Unternehmens.
Am 7. Janner 1. J. befasste sich die Commission mit der Prii-
funff der vom Herrn Ingenieur L atze 1 aussearbeiteten drei Plane
zu einern meteorologischen Observatorium und fand sie wohl sehr
lobensvverth ausgefiihrt , beschloss jedoch der grossen Kostcn we-
gen hierauf nicht weiter eiiizugehen , sondero bei der geebrten
135
Classe darauf anzutragen, dass die Akademie sich an das hohe
Unterrichts-Ministerium mit dem Ansuchen wcnde, im There-
sianum - Garten ein einfaches Observatorium fur magnetische Be-
obachtungen, aus Holz erbauen zu lassen, dann fiir das me-
tcorologiscbe Centralobservatorium in Wien einen Director, der
zugleich mit der Lehrkanzel der Meteorologie betraut werden
solite, mit dem Gehalte von 2000 fl. und freier Wohnung im
Thcresianum, die dann einstweilen auch fur die iibrigen me-
teorologischen Beobachtungen eingerichtet werden kann, und nebst
ibm einen Adjuncten mit dem Gehalte von 800 fl. und freier
Wohnung, zvvei Assistenten jeder mit dem Gehalte von 400 fl.
und 60 fl. Quartiergeld, dann einen Diener mit 350 fl. Gehalt
zu bewilligen.
Da sich die geehrte Classe mit der Ansicht der Commis-
sion einverstanden erkliirte, so richtete die Akademie durch das
hohe Curatorium ein in dem oben angegebenen Sinne abgefass-
tes Gesuch an das hohe Ministerium des Unterrichtes , auf wel-
ches aber bis jetzt keine Erledigung erfolgte. Die Commission
fuhlt sich daher gedrungen, der geehrten Classe die festeUeber-
zcugung uochmals auszusprechen, dass das ganze meteorologi-
scheUnternehmen solange illusorisch bleibtund den beabsichtigten
Erfolg ganz und gar nicht haben kann, ja dass die Bem'uhungen
so vieler eifrigen Beobachter und die grossen Geldopfer, die
der Herr Classen-Priisident in Beriicksichtigung des grossartigen
Zweckes gebracht hat, durchaus fruchtlos bleiben, bis in Wien
ein Central-Observatorium mit dem in Antrag gebrachten Per-
sonale ins Leben getreten ist; da Beobachtungen aus denen
keine Schliisse gezogen werden, einem todten Capitale glei-
chen, das Niemanden niitzt, und dass nicht einmal der Worth
derselben, bevor sie zusammengestellt worden , richtig beur-
theilt werden kann.
Das w. M. Prof. Sch rotter zeigt der Classe im Namen
der zur Untersuchung der fossilen Brennmaterialien Oesterreichs
niedergesetzten Commission an, dass nunmehr der Bail des Kessel-
hauses begonnen habe, da durch die Vermittlung des Herrn
Priisidenteu-Stellvertreters ein sehr passeudes Locale fiir das-
136
selbc, und zwar in der kais. Porzellan-Fabrik in der Rossau aus-
gemittelt wurde. Die eingetretene Verzogerung dieses Baues
hat ihren Grund darin , dass die Commission anfangs der An-
sicht war, der Errichtung des Kesselhauses im polytechnischen
Institute, als dem hiezu geeignetsten Platze, werden keine Hin-
dernisse entgegen stehen. Bei der hieruber gepflogenen Verhand-
lung und vveiteren Erhebungen stellte es sich jedoch heraus,
dass sowohl der Localverhaltnisse als anderer Umstiinde wegen
Inconvenienzen damit verbunden vviiren, welche die dadurch er-
zielten Vortheile uberwiegen wiirden. Man sah sich daher geno-
thigt eine andere Localitat zu ermitteln und erst als diese
gefunden war, konnte der Plan sammt den speciellen Kosteniiber-
schlagen entworfen und zum Baue selbst geschritten werden.
Da nun alle diese Hindernisse beseitigt sind, so kann die ge-
ehrte Classe mit Sicherheit darauf rechnen, dass bis halben
October das Haus vollendet sein und dann sogleich die eigent-
liche Arbeit beginnen werde.
Das w. M., Hr. Sectionsrath W. Hai dinger, machte fol-
gende Mittheilungen, die er in die Sitzungsberichte der mathem.
naturw. Classe aufgenommen zu sehen wiinscht :
a) Auszug aus dem Berichte des Herrn Dr. v. Ettings-
hausen aus Neuhaus vom 20. Juni 1850 an die Direction der
k. k. geologischen Reichsanstalt :
„Ich traf in Neuhaus bedeutcnde Vorarbeiten, welche von dem
Arheiter der geologischen Reichsanstalt J. Selitsch sehr zweck-
miissig vorgenommen warden, und die vollstandigere Gewinnung der
Fossilien wesentlich dadurch beforderten, dass die bearbeitetenGe-
steinsmassen grosstentheils noch nicht gespalten, sondern nur zu
diesem Zwecke der Sonne und Feucbtigkeit ausgesetzt warcn.
Hiedurch wurde ich in die Lage versetzt, auf eine Menge subtiler
und interessanter Pllanzenfragmcnte, die dem ungeiibteren Auge
eines blossen Sammlers immer entgangen waren, meine Aufmerk-
samkcit zu richlen. Von den zablreicben auf diese Weise zu Tage
gefordcrten Fossilrcsten sind folgende l>esonders erwiibnungswerth :
Brucbstiicke. einer Inflorcscenz von Myrsine, einer in tropi-
schen Vegetationsgebieten iiberhaupt vorkominenden Gattung, die
137
in Neuholland nicht wenig vertreten ist; Friichte und Blatter von
Dodonaca, einer besonders in Neuholland hau% vorkommenden
Gattung aus der Familie der Sapindaccen ; Phyllotlien ciner Acacia,
diese ist besonders interessant, da phyllodientragende Acacien am
hiiuflgsten in Neuholland und am Cap vorkommen. Diese Acacia
steht der neuhollandischen A. auriculata sehr nahe.
Von der grossten Wichtigkeit aber ist die Entdeckung eines
unscheinbaren aber sehr bezeichnenden Fragmentes eines Farn-
wedels, ohne Zweifel der Gattung Davallia angehorig. Dieses ist
das erste Farnkraut , welches sich unter mehreren Tausenden von
Pilanzenabdriicken dieser Localitiit findet. Die auffallende Armuth
an Farnkrautern ist dem neuhollandischen Vegetationsgebiete allein
eigenthiimlich. Davallia ist eine der wenigen Neuholland bezeich-
nenden Farngattungen.
Ich beehre mich diese neue und interessante Art mit dem Na-
men des hochgeschatzten Herrn Directors der geologischen Reichs-
anstalt zu schmiicken.
Ausserdem fanden sich viele neue und schone Fossilien aus
den Familien der Laurincae , Proteaceac , Sapotaceae, Sapin-
daceae , Pittosporeae , Rhamncac , Diosmeae , Rhizophoreae,
Myrtaceae, Papilionaceac.
b) Brief an Herrn W. Haidinger von Herrn R. Goppert
in Breslau :
Herr Dr. M. H 6 r n e s erwahnt in seinem Reiseberichte (Sit-
zungsberichte der kaiserl. Akademie der Wissenschaften, Jahrgang
1850, S. 171) einer Excursion in die schlesischen Schieferbriiche
bei Troppau, in welchen Pflanzenreste der Steinkohlen- Formation
und Goniatiten angetroffen wurden , wodurch man nun wie bei uns
in Schlesien in den Stand gesetzt werden durfte, zu sicheren
Schliissen iiber das Alter jener Schieferformation zu gelangen, und
zvvar um so mehr als diese Beobachtung fur Oesterr.-Schlesien nicht
isolirt dasteht, indem dergleichen audi schon in derselben Forma-
tion aber in einer andern Gegend bei Unter-Paulsdorf hart an der
preussisch-schlesischen Granze des Leobschiitzer Kreises gefunden
wurden. Man hoffte dort Kohlen zu entdecken, worin man sich
jedoch tiiuschte. Auf der Halde sah ich den weit verbreiteten
Catamites transitionis, und eine Clymenia von hier, die ich fur CI.
138
undulataMiinst. halte (sie wird in der Sammlung der Ober-Berg
hauptmannschaft in Berlin aufbewahrt), bekam ich vom Herrn Apo-
theker Johann Spatzier in Jagerndorf, in dessen Gesellschaft ich
bereits im Jahre 1844 dicsen interessanten Punct besuchte. Somit
wiirde es siclt immer mehr bestatigen, was Hr. Girard (Bronn u.
Leonh. N. Jahrbiicher 1849, S. 450) behauptet, dass man die Kalk-
steine des Ueberganggebirges , welche Goniatiten und Clymenien
cnthielten, nicht als ein sporadisches Gestein, sondern als eine be-
stimmte, und durch ganz Europa verbreitete Schicht zu betrachten
hatte, die ausser in Preussisch-, nun auch in Oesterreichisch-Schle-
sien, in Thuringen zu Buckenberg, Ilsenberg und Zellerfeld, am
Harze, zu Mildenfcls im Erzgebirge, zu Langenhalthausen im Sauer-
lande, in England in Cornwallis, sowie zu Prades in den ostlichen
und zu Bareges in den westlicb.cn Pyreniien bereits nachgewiesen
sei_ — Auf Hrn. Apoiheker Johann Spatzier erlaube ich mir Sie
aufmerksam zu maehen, indem er eben so unterrichtet ist, als sich
bereft zeigt wissenschaftliche Forschungen anzustellen und zu un-
terstiitzen.
c) Eben auch gestern erst erhielt ich von Sr. Hochw. Herrn
Professor Dr. P. Joseph A r e n s t e i n eine Mittheilung uber die Eis-
verhaltnisse der Donau , beobachtet in Pest im Winter 1849— 50
mit vier Tafeln (II— V) welche ganz in der Art der friihern Mit-
theilungen (Berichte 1849, II. Bd. pag. 331) den Zustand der
Eisbildung und Zerstorung darstellen.
An die Bier der hochverehrten Classe fur die Sitzungsberichte
uberreichten Mittheilungen schliesst der Hr. Prof. Ar en stein
den Wunsch: „Die kaiserliche Akademie der Wissenschaften moge
„eine beliebige Anzahl des ersten und des gegenwartigen Berichtes
„dem k. k. Ministerio des Handels und der oft'cntlichen Arbeiten
„einschicken mit der Bitte dieselben an die an den Flussen expo-
„nirten Ingenieure vcrtheilen zu lassen und zu diessfalligen Beo-
„bachtungen aufzumuntern. Die Ordnung der Beobachtungen wiirde
Hr. Prof. Arenstein selbst gerne ubernehmen."
Die uberaus grosse Wichtigkeit, welche die Kenntniss des Zu-
standes der sich bildenden, und der Zerstorung anheim fallenden
Eisdecke in Bezug auf die Bewahrung vor manchen grossen Nach-
theilen hat, und die nicht ohne ein langjahrigcs sorgsames Studium
139
derselbcnmoglichist, legt mir die Verbindlichkeit auf, den Wunsch
des Urn. Prof. Arenstein in der Gestalt ernes A n t r a g e s der
hochverehrten Classe zur freundlichen Beriicksichtigung vorzulegen.
d) Ich darf diese letzte Sitzung der hochverehrten mathem.-
naturw. Classe der kais. Akademie der Wissenschaften nicht
voriibergehen lassen , ohne wenigstens einige Worte iiber eine
neue Methode des Ausziehens von Metallgehalt aus den Erzen
derselben mitzutheilen, welche Herr Adolph Patera, der hoch-
verehrten Classe bereits durch seine chemischen Arbeiten iiber
das Uran vortheilbaft bekannt, gegenwiirtig Assistent fur Hiitten-
kunde an der k. k. Montanistischen Lehranstalt inPrzibram, kiirz-
lich angewendet hat.
Man hat friiher das Silber gevvonnen, indem man die ganze
Masse Gestein schmolz. Das Schvverere sondert sich von dem
Leichtern, und wird nach und nach durch vielartige aufeinan-
derfolgende Processe rein dargestellt. Ein anderes Princip gilt fiir
die Amalgamation. Ein bereits flussiges geschmolzenes Metall
nimmt das in metallischem Zustand befindliche, oder zu bringende
Silber auf, und wird dann wieder durch Absatz aus der schlam-
migen Triibe gewonnen. In der neuesten Zeit hat man mit Erfolg
in Savoyen, im Mannsfeldischen, in Freiberg, kiirzlich in Tajovva
in Ungarn, das Silber erst mit Chlor verbunden und dann in Chlor-
natrium aufgelost, wobei das Metall in der klaren von dem Bo-
densatze abgezogenen Losung bleibt.
Die Vorgiinge bei den Veriinderungen in den Gebirgsgestei-
nen, namentlich in den Pseudomorphosen, hatten es liingst noth-
wendig gemacht, vorauszusetzen, dass ein Strom von Gebirgs-
feuchtigkeit Neues hinzubringe, fruher Dagewesenes fortnehme.
Die Theorie der Dolomitbildung, zu deren Erliiuterung die hoch-
verehrte Classe selbst einen Beitrag zullanden des Herrn v.Mor-
lot bewilligte^ beruht auf dem gleichen Grunde. Man konnte urn
einen Schritt weiter gehen, und den Versuch zu einem prakti-
schen Zwecke anstellen. Diess ist es, was Herr Patera durch-
fiihrte. Uebereinstimmend mit einer Besprechung, die wir zu-
sammen vor seiner letzten Abreise nach Przibran hatten, uahm er
eine Bealische Presse, wie sie in den Apotheken zur Herstellung
von Exh-acten angewendet werden. *Er ftillte sie mit blendigen,
140
lVa Loth Silber im Centner haltenden Erzen , die vorhcr mit
Salz gerostet, und dadurch vollstiiiidig zu dem Zwecke aufge-
schlossen vvaren. Er fullte das Druckrohr mit kochendheisser
Kochsalzlbsung, die sich aber freilich bei den ersten Versuchen
bis zur Volleridung des Processes bis zu 30° abkiihlte. Nun tropfte
unten chlorsilberhaltige Salzlosung heraus. Als die Tropfen in
Wasser gebracht keinenNiederschlag mehr gaben, wurde derVor-
gang als vollendet betrachtet. DieEntsilberung ging so weit, dass
der Riickstand nur mehr Vs Loth Silber im Centner enthielt.
Man begreift, dass die nun folgenden Arbeiten, Versuche
im Grossen, Versuche mit vielen andern Erzvorkommen , Ver-
suche mit den Erzen verschiedener Metalle je nach ihrer Natur
Abiinderungen in den Auflosungsmitteln, die Anwendung der Me-
thode zur Gevvinnung auch anderer Stoffe, endlich Einrichtungen,
um im Grossen auf dem neuen Wege in staatswirthschaftlicher
Beziehung giinstige Resultate zu erlangen, vielerlei Arbeit und
Zeit in Anspruch nehmen werden. Der Wcg ist zur allgemeinen
Beniitzung eroffnet. Es ist diess gewiss ein schones Resultat
eigentlich geologischer Speculation , und gibt auf der andern
vSeite einen buchstablich genommenen „glanzenden" Bevveis fur
die Richtigkeit derselben.
e) Die Ausgrabungen derKnochenhohlen haben zu alien Zeiten
das hohe Iuteresse der Naturforscher und des grossen Pu-
blikums iiberhaupt erregt. Ich kann es inir nicht versagen,
auch heute noch der hochverehrten Classe einen gigantischen
Schadel des Ursus spelaeus vorzuzeigen, den Se. Durchlaucht
Furst Hugo zu Salm in der Slouper Kalksteinbiible bei
Blansko in Mahren ausgraben liess, und der k. k. geologischen
Reichsanstalt verehrte, die ihm auch einen umstandlichen Bericht
iiber den Fund, von Herrn Wondr ac z ek verfasst, verdankt.
Ich selbst wurde aus dieser Veranlassung durch ein ungemein
freundliches Schreiben von dem kenntnissreichen Freunde der
Wissenschaft erfreut.
Die Abmessungen des Schiidels, verglichen mit einem, der
bei einem Besuche der Hermaneczer Hohle bei Neusohl in mei-
ner Gegenwart im Jahre 1840 gefunden wurde, sind folgende
in Wiener Zoll.
141
Llinge. Breite. Holie.
Sloup .... 1!) HVa 9
Hermanccz . . 17 9 7
Den Schadel eines noch grosseren Individuuins bewahrt
llerr Fiirst zu Salm in Raitz , dor 23 Zoll Lange auf 11 Zoll
Breite misst, Ueberhaupt fan den sich outer zahllosen Rumpf-
und Extrcmitatenknochen 6 ganze nnd 8 zerbrochene Schadel
verschiedencr Grosse aber durcbaus gleicher Besehaffenbeit, die
alle dem Ursus spelaeus anzugehoren schiencn , zwei kleine
Schadel, vielleicht von Hyaena spclaca; und kleinere Rumpf-
und Extremitiitenknochen, etvva von Viverra, Mustela u. dgl.
Man traf auch ein gauzes Skelet, welches einem ganz von
der Erde bedeckten, und ungestort vervvesten Thiere angehort
haben muss. In dem in einem obern Theile der Hoblen ange-
legten im Ganzen 7 Fuss tiefen Schurfschacbt, durcbsank man
ncbst eincr festen Stalagmitendecke eine Abvvecbslung von
Schichten von Lehm, Sand, Gerolle und Knochenfragmenten,
der unterste Theil war jedoch leer an Knochen und enthielt
nur Grauwackengerolle.
Das w. M. Hr. Prof. Brucke erstattet Bericht iiber eine
der kais. Akadcmie vorgelegte Abhandlung der Herren R. L i c h-
t e n f e 1 s und R. Frohlich „iiber die Gesetze des Ganges
der Pulsfrcqucnz und der Korperwarme in den normalen Zu-
stiinden und unter dem Einflusse bestimniter Ursacben".
Die vorliegende Arbeit ist, wegen ibres durch schr miibcvolle
und mit grosser Aufopferung geffihrten Untersuchungen gowonne-
ncn Inhaltes, zum Drucke in die Denkschriftcn empfohlen. Aus der
grosser! Menge von Originalbeobachtungen, welche darin vcrzeieh-
net sind, lassen sich folgende Schliisse Ziehen:
1. Es gibt (aglich wiederkehrende analoge Veriinderungen in
der Pulsfrequenz eben so wie in. der Korperwarme •, dieselben sind
aber bei den verschiedenen Individuen je nach ihrer Lebensweise
verschiedcn, da die auffallendsten Veriinderungen durch die Ein-
nahme der Nahrnngsmittel hcrvorgebracbt werden.
2. Die Curven der taglichen Variation des Pulses und der
Korperwarme zeigen deutliche Analogien, aber wenn man sich beide
Sit/,. ,1, matliein.-natiirw. CI. Jahrsf. IS50. II. Bd. II. Hft. 10
U2
e-ezeichnet denkt. so fallen ihrc Maxima nicht zusammen sondern
die Maxima der Temper atur fallen etwa eine Stuude spiiter als die
des Pulses.
3. Amylumhaltige Nahrungsmittel bring'en eine Starke und
nachhaltigc Steigerung tier Pulsfrequenz hervor, Proteinkorper eine
fferingere aber fruher eihtretende.
4. Alkoholische Oetr&nke bringen zuniichst eine Vermiudc-
fang der Pulsfrequenz, welche selbstbei beginnendcr Narkose noch
bestchen kann, hervor; erst spiiter tritt eine bedeutende Steige-
5. KalTee, als soleher, afficirt den Puis in den Nachmittags-
stunden nur wenig, steigert aber die Temperatur bedeutend und
fiir Iangcre Zeit.
6. Auch Opium, zu 2—3 Gran genommen , wirkt nicht sehr
bedeutend auf die Pulsfrequenz.
7. Hascbich, zu 3 Gran genommen, wirkte erst nach zwei
Stunden, steigerte abcrdann diePulsfrequenz bedeutend; ebenso die
Temperatur, welche in der vierten Stunde ihr Maximum erreichte.
8. Kampi'er, zu 2 Gran genommen, steigerte Puis und Kor-
perwarme nur fiir kurze Zeit.
9. Aetherdampfc steigern die Temperatur bedeutend, aber
ihr Maximum tritt erst lange Zeit nach der Narkose ein, nachdem
der Puis bereits wieder zum normalen Gange zuriickgekebrl ist.
10. Die durch Muskelbcwegung liervorgerufene Steigerung
der Pulsfrequenz hiingt dem Grade nachwesentlich von der Geschwin-
digkeit der ausgefiihrtcn Bewegungen ab, und kann bis 70 Puls-
schliige in der Minute betragen. Die durch rasche, kurze Zeit
(10—90 Sccunden) fortgesetzte Bewegungen hervorgerufene Stei-
gerung nimmlnach dem Anfliorcn der Bewegung nicht mehr zu, die
Frequenz sinkt und fallt bis unto den normalen Stand, dann stcigt
sie wieder um denselben zu uberschreiten , und erst nach dieser
zweiten Oscillation , etwa nach 5 — 6 Minuten fiillt der Puis wieder
in scinen gewobnlichen Gang. Miissige aber ausdauernde und bis
zur Ermiidang fortgesetzte Bewegung steigert die Pulsfrequenz
andauernd, und das Sinken derselben erfolgt erst nach mehreren
Stunden.
143
lien* Custos .T. H e c k e 1 liest hierauf die folgende Ab-
handlung: „Ueber das Wirbelsiiulen-Ende bei Ganoi-
den und Teleostie rn."
Vor einiger Zeit hatte ich die Ehre, der verelirten Classe
eiuige Mittbeilungen zu machen, sowobl iiber die fossilen Reste
einer unserer ausgezeichnetsten Ganoidenfamilien, der Pycrodon-
ten, als auch iiber die eigenthihnliche Sclnvanzbildung derselben
mil Hinweisung auf den Bau dieses Organes bei jetzt lebenden
Fiscben. Seitdem sah ich durch wiederbolte Forschungen, die
ich nach und nach, so weit es anging , iiber alles mir zu Ge-
botc stehende Material der reichen ichthyologischen Sammlung
des k. k. Hof-Naturaliencabinets ausgcdebut hatte, an dem Kno-
chengeriiste des Fischscliwanzes immer interessantere Erschei-
nungcn auftauchen, woriiber bisher die Annalen der Wisscnschaft
gcschwiegen. Die Ergebnisse dieser Forschungen, die ich hier
nur ira Allgemeinen mittheilen will, und die ein Organ betreffen,
welches bei Fischen das vorziiglich, ja einzig locomotorische
ist, daher eine weit hohere Bedeutung besitzt, als in den iibrigen
Classeii der Wirbelthicre, diirften, wie ich mir schmeicble, nicht
bios als eine befriedigte Neugierde anzusehen sein. Der
Schwanz ist zwar nur das Ende der Wirbelsaule , allein das
Ei des Columbus lag darin, dass dieses Ende zugleich das Ende
des Ossificationsprocesses oder so zu sagen der Krystallisation
der urspriinglichcn Riickensaite war, und dass eben diese Ossi-
fication nicht bei alien Fischfamilipn in gleichem Masse noch
auf gleiche Weise , wie man denken sollte , vollendet wurde.
Eine Thatsache, die von vielfachcr holier Wichtigkeit ist, in dem
sie erstens einen tieferen Blick in den Vorgang der Wirbel-
bildung selbst gewiihrt, da bei einem Vergleiche des Unvollen-
deten mit dem Vollkommcnen das Wie der bildenden Kraft sich
am leichtesten verriith, und mancher Korper, der bei seiner Voll-
endung den allgemeinen Habitus eiues andcrn triigt , auf eine
ganz verschiedene Weise entstandcn sein kann.
Z we it ens. Da es so viel als erwiesen ist, dass die Wirbel-
saule derFische von ihrem ersten Entstehen in den vorweltlichen
Schopfungsperioden bis zur tertiiiren Zeit ahnliche Phasen all-
mahlig durchlief, wie man sie heute bei Fischen mit vollstiindig
ossificirter Wirbelsaule wahrend ihrcr cmbryonischcn Entwick-
10 *
in
lung in kurzester Zeit gewahr wiril, so ist audi nach Massgabc
der Vollcndung oder Vollkommenheit der Wirbelsaule nicht nur
das jugendliche Alter jetzt lcbender Fische bis zur vollen Aus-
bildung ihres Korperbaues bestimmbar, sonde™ man vvird audi
die relative Z"eit , zu welcher die verschiedenen nun fossilcn
Reste ausgestorbener GaMungcn gelcbt haben miisscn, darnach
angeben konnen. Die Ausdchnung der von Agassiz heterocerk
benanntcn Schwanzflosse beruht auf dcmsclben Prinzipc, nur
d'ur('eu vvir das Ansitzen sammllichcr Flossenstrablen (ohne den
Stutzenstrahlen) unter der Wirbelsaule nicht zu dem wescnt-
licben Charakter derselben erbeben, denn dicse Eigenscbaft bc-
sitzen, genau beseben, beinabe alio Fiscbe, ihre Schwanzflosse
mag einc nicbt symmctrische oder eine symmctrische Gestalt
haben.
Drittens diirftc bei einer neuen systematischcnEintheiliuig
der Ganoiden und Teleostier kiinftig sowohl die Entwicklungs-
weise der Wirbelsaule selbst als die Hauptmomentc im Ausbaue
ihres Endtheiles wesentlicbe Elemente liefcrn. Icb erlaube mir
einer verehrten Classe fiir jetzt nur einige dahin beziigliche
Thatsachen anzufiihren, und behalte mir eine ausfiihrliche Ab-
handlung liber diesen Gcgenstand fiir mcine nachsten Beitriige
zur Kennlniss der fossilen Fische Oesterreichs vor.
Es gibt unter den sogenannten Knochenganoidcn Fisdie,
deren Wirbelsaule bisher als aus vollstandigen Wirbelkorpern
bestehend betrachtet wird, die aber in der That nur cine un-
geglieilerte Riickensaite besitzen , welche oben und unten von
einer Ileihe verknoehertcr Scbilder, jenen epidermalen des
Storr'uckens iihnlicb, bedeckt ist. Dicse Schilder, die ich Halb-
wirbcl nennc , umfassten die Chorda von Periode zu Periodc
immer mehr,, so dass sic in der tcrtiaren Zcit, wo diese Fiscbe
ihre grosste Vollkommenheit und zngleich das Ende ihres Da-
seins errcicht hatten , ganz von ihnen umgeben wurde, oline
dcsshalb zu wirklichen gediegenen Wirbelkorpern zu verschmel-
zen. Einrohrige zwischen festansitzenden Wirbelbogen ein-
gckeilte Dornfortsiitze zeichnen ferner diese Art von Wirbeln
aus, welehe , nach einer vorausgegangenen langen wirbellosen
Zeit, zuerst in der Trias entstanden und alien Pijcrodontcn
eigen sind.
145
Die wcnigcn jetzt lefaenden Nachkommen der in «ler Jura
anfgetauchten mit vollstandigen Wirbeln versehencn Knochen-
Ganoiden, unser Lepidosteus, Polijpterus , und wahrscheinlich
audi die Amia, welcbe lelztere ich leider keine Gelegenheit
zu untersuchcn batte, besitzen noch ganz unvollkommene End-
wirbel , hinter welchen ein Theil der Ruckensaite sicb vfillig
unverknochert erhielt. Zugleicb weisen diese Endwirbel auf
eine ganz andere Entstehungsweise bin, als jene bei den Wir-
beln gcwohnliclicr Teleostier, denn ihre steben gcbliebenen An-
fangc der hiutcrsten Schwanzwirbel oder die ersten Ossifica-
tionsstellen dcrselben zeigen sicb nicbt wie bei jenen oben und
nnten an der Basis schon friilier eutstandener Dornfortsiitze,
sondern an den Seiten der Chorda, bevor noch eine Ausbil-
dung von Dornfortsatzen und Wirbelbiigen erfolgt ist ; sie ver-
dicken sicb vorwitrts und dringen keilformig gegcn die Acbse
der Chorda ein. Ja es liat das Anseben, als oh die Knochcn-
Ganoidcn , bei dem Umslande, dass sicb an Individucn , obne
Unterscbied der Grosse, bedeutend melir oder weniger zuweilen
auch ganz vollkommen entwiekelte Endwirbel finden , durch ihr
gauzes Leben lang immer neue Wirbel ansetzten, wodurch das
Ende der Wirbelsiiulc, namlieh die noch nackte Ruckensaite all-
mahlig , wenn auch nie vollsiandig in ossificate Wirbolkorper
aufgehen diirfte. Einer Bestiitigung dieser Ansicht niiisseu wir
freilich nocli in der Entwicklungsgeschiehte eines Lepidosteus
oder Polyptcrus entgegen sehen.
Ein andercr Theil der Fischc , oder vielmebr der jetzt le-
benden Teleostier, deren Ursprung man falschlich in die Kreidc-
periode versetzt , wiihrcnd er ganz sicber schon friilier in der
Jiu-a stattfand , besitzt ebenfalls eine unvollendete Wirbelsiiule.
Em nicbt unbedeutcnder Endtheil der Ruckensaite bleibt fur
das ganze Leben der Fische biudurch obne Wirbelbildung, und
verbirgt sich miter einem dachformigen Gcriiste ganz eigenlhiim-
licher Knochen , welche auf die vorletzten Wirbelknochen gc-
stiitzt und ruckwarts iiber diesclhen hinausragend, dem Anscheine
nach als blosse obcre Dornfortsiitze oder Strahlcntrager mit den
... °
fereiten zu einem vertakalen Facher vcreinioten untcrn Doni-
lortsalzen sich vcrbindcn. Sowohl bier als bei den vorbin ge-
nannten Knochcn-Ganoiden lauft der Ruekenmarkcanal, sobald
146
die Wirbelbildung im Schvvanze aufhort, iiber die ungegliederte
Chordascheide hin, und beide werden von einer festen Knorpel-
masse in der Gestalt eines langen Kegels gemeinscbaftlich um-
biillt. Es ist eine fernere Eigenheit dieser hier gemeinten Te-
leostkr, deren Schvvanzflosscnstrahlen zugleich, mit Ausnahme
der obern Stutzenstrahlen, durchgelicnds unter der Wirbelsiiule
ansitzen , dass ibr jedesmaliger Endwirbel gleich den voran-
gehenden Wirbeln biconcav ist. Die Wirbeltrager vereinigen
sich paarweise utul Widen durcb ihre eigene Vcrliingerung
einen doppelten Dornfortsatz. Bei einem Theile der hierher
"•ehorigen Pische , deren Vorfahren bereits mit der Jura auf-
tauchten , sind die Wirbelbogen in Gruben der Wirbclkorper
eingekeilt, wie an Thryssops, Tharsis, Leptolepis, Chirocen-
trites, Elops , Butirinus , Salmo, Coregonus, Saurus, Sudis
Raf., Esox, Umbra. Cei dem andern Theile, dessen Dasein
erst spater in der Kreide beginnt , sind die Wirbelbogen and
selbst die Dacbknocben mit den Wirbelkorpern untrennbar ver-
waebsen : Clupeiden, Cypriniden, Cobitis.
Bei der grossen Masse der noch iibrigen Teleostier ist das
Wirbelsiiulen-Ende wei* mehr ausgebildel, die Riickensaite ist bis
an ibr ausserstes Ende ossificirt oder zu Wirbelkorpern krystal-
lisirt, deren lelztcr dabcr aueh nur eine nacb vorwarts gerich-
tete, das Ende der Chorda euthaltende Triehterboblung besitzt.
Allcin bei der grosscrn Anzabl dieser Griithenfisclie, deren Ur-
ahnen bereits mit der zweiten Abtheilung der vorhin bezeichneten
Dachschwiinze in der Kreide auftauchten, verlangcrt sich noch
der Riickenmarkcanal a lie in fainter den letzten Wirbelbogen
in einer zweischaligen oder rohrenformigen Knochenschcide bis
zwischen die Strahlengabeln liincin. Es sind die Perciden , Scor-
pamiden, Scicenidm, Chromiden, Spariden, Sqamipennen,
Teulhics , Labyrinthiformen , Scombriden , Poecilien , Chara-
cincn, Mormyrinen, Siluroiden nebst noch andern. Die kleinere
Anzahl begann ihr Dasein abermals uin eine Hauptperiode spater,
mit dem tcrtiarcn Leben und bier erst endigte das lliickenmark
zugleich mit der Chorda in dem letzten Wirbclkorper selbst oder
doeh wenigstens in dessen untrennbarem Portsatze. Labriden,
Gadidcn, Blenniiden, Gobiiden, Pediculoten, Pleuronectiden,
Lopholranchier, Plectoynathcn und anderc.
147
Man ersicht aus dieser ganzen Umwandlttng tier Wirbelsiiule
von der nackten Riickensaite an bis zum vollendetcn Endwirbel,
zu dcren Vollfiihrung ein unergrund barer Zeitraum von Jahrtau-
senden erforderlicb war, dass dieselbe anfangs bei Entstehung
der Halbwirbel in der Trias, und der ganze n Wirb elk or-
per in der Jura, wahrend einer damals grosseren Formcinbeit
der Fische , derbere Fortschritte gemacht hatte, als von da
aus, wo die Formen zwar vollkommener aber vielgestaltigcr
wurden, und daher keiner so bedcutenden Veriiuderung mehr
fahig waren. Letzteres gilt besonders ihrera Entstehen in der
tertiaren Periode; es bietet daher aucb bier die zuletzt ange-
fiihrte Veriinderung des Wirbelsaulen-Endes einen minder sehar-
fen Abschnitt, der weniger geeignet ist, grosse Gruppen mit
der nothigen Precision zu umfassen. Allein die bei dem ersten
Auftauehen der Teleostier in der Jura sich darstellcnden, auf
eine weit scharfere Stufe der Entwicklung begriindetenMcrkmale,
wie das Vorhandensein eines unvollendeten wirbellosen Wirbel-
siiuIen-Eudes, das als walirer Markstcin ein Stadium begrenzt, bei
welchem eine bedeutende Anzahl von Telcostiern seit jenen
Zeiten bis beute noch stehen geblieben ist, scbeinen mir wicb-
tig genug, um alle an dieser Eigenheit theilnebmenden Gratbcn-
fische zu einer grossen Gruppc zu vereinigen , die sich auch
in mancher anderen Hinsicht ais eine natiirliche Ordnung dar-
stellt, und filr welche ich , zum Unterschiede einer iihiilichcn
bei den Knochen-Ganoiden Statt findenden Erscheinung, den
Namen Dachsch wiinz c, Steguri, vorscblage. Es zerfallen
also in Beziehung auf die Ossification der Wirbelsiiule und ihres
Endes vorerst die Agassiz'schen Ganoiden , wie sie Miiller
aufgeStellt, indrei Hauptabtheilungen, niiinlicb in wirbellose,
halbwirblige und ganz wirblige, die alle drei darin iibcr-
einkommen , dass ibre Wirbelsiiule in eine nackte knorp-
lige, Chorda und Riickenmark enthaltende Hulse
endiget. Die Teleostier zerfallen in zwei Hauptabtheilungen,
m Dachschwiinze und Wirbelschwanze, die vvieder darin iiberein-
stimmen^ dass das Ende der Riickensaite durch Knochen um-
biiilt ist.
Ich erlaube mir nur noch zu bemerken, dass bei einer ge-
naueren Vergleichung das Wirbelsaulen-Ende, vermoge dessen aus
148
alteren Schopfungspefioden herrukremiem Bauc grSssere Grup-
pen ausgcschiedcn werden konutcn, audi in gewissen Gattungen
iihm-erer Zeiten als e nt s cheid e ndes Kennzeichen aofzutreten
vermag, was bcsonders Lei fossilcn Resteu voile Beriicksichti-
o-ung verdieat! Es kameii in dieser Beziehung ira Verlaufe
meiner angestellten Uutersuchungen manche Irrthi'imer zu Tage,
von vvelchen ich nur cinige hier anfiihreu will : Im Gegensatze
der bereits erwiihnten bisher fur Ganoiden gehaltenen Gattun-
gen ThryssopS, Tharsis und Leptolepis stclltcn sich die unter
den Teleostiern cingcreiliten Gattungen Notaeus und Cyclurus
als walire Ganoiden heraus. Labrus Valenciennesii ist durch-
aus kein Labroid ; Serranus occipitalis ist ein Pagrus oder
Pagellus ; Gobius macrurus ist kein Gobiid und mit Callip-
tcrix specioms nur zu nalie verwandt. Notaeus Agussizii
Minister gchort nicht in die Agassiz'sche Gattung Notaeus,
sondern Pygaeus.
Sitzung vom 18. Juli 1850.
Das c. M. Hr. Director Weiss c in Krakau iibersendet
seine im Monate Juni gemaclvten meteorologischen und magne-
tischen Beobach tungen , welche der meteorologischen Commis-
sion Sbergeben werden.
Herr J. Kusche, Mechaniker inWien, ersucbt um die Erlaub-
niss, das im Bcsitze der Akademie befindliclie Stein heil'sche
Kilogramm copiren zu diirfen.
DerGebrauch desGewichtes wird unter den nothigenVorsichts-
massregeln gestattet, und der provisorische Gcncral-Secretar mit
der Ueberwachung der Verglcichuug betraut.
Der prov. General-Secretar liest fo'gendes von dem w. M.
Professor Ungcr eingelaufene Sebreiben:
,,Aus dem Abendblatte der Wiener Zeitunff vom 10. Juli 1. J.
erfahro ich zu keincm geringen Erstaunen, dass Herr Sections-
Bath Hai dinger der kais. Akademie cine Synopsis der fos-
no
silen Flora Radoboj's von Const, v. Ettin gsh ausen vorgclegt
liabc, in welcher nebst Aufzahlung von 198 Pilanzenarten auchall-
gemeine Resultate enthalten sind , wie z. B. eine Vergleichung
jener fossilen Flora mit den gegenwiirtig vorhandenen Floren-
gebieten und eine Angabe, die wortlich solautet: „Diese Flora
eehort ihrem allgemeinen Charakter nach der Miocenperiode
an, in welcber sicb bereits die wichtigsten Vegetationsgebiete der
Jetztwelt vorgebildet zu linden sebcinen, so dass ihre weitere
Sonderung erst in der Jetztwelt auftritt." Da sowohl die Detail-
Untersuchungen iiber die fossilen Pllanzenarten von Radoboj, die
ich in verscbiedenen Schriften theils veroffentlicht , theils MB
Mauuscripte Freunden der Wissenscbaft mitgetheilt habe, auf
mebr als zehnjiihrige Untersucbungen gegriindet mein Werk
sind,^ — da ich iiberdiess die erst in letzterer Zeit miihsam gewon-
nenen Resultate ganz so wie sic oben ausgedriickt sind
verscbiedenen MSnnem vom Facbeund Dilettanten, ja selbst Hrn.
Const, v. Etti ngsbause n offen und obne Furcht moglicben
Missbraucbes mitgetheilt habe, — so erklare ich vor der hocbl.
kais. Akademie jene durch Hcrrn Sections - Rath Haidin-
ger iibergebene Arbeit des Herrn Const, v. E tti ngshaus en,
fur eine Verletzung meincs 1 it erar is eh en Eigen-
tbums, und verwahre mich gegen alle diessfalls von der kais.
Akademie moglicher Weisc erfolgten Deschliisse.
Zur Unterstiitzung des oben Angefiihrten erlaube ich mir
nur darauf hinzuweisen :
I. Dass, wenn audi nicht sammtlichcs, docb das wichtigsle
und umfangreichste Material fur eine kiinftige Darstellung der
Flora von Radoboj von mir zusammengebracht und in eiuer Sf-
fentlichen Sammlung am Joanneo zu Gratz aufgcstcllt wurde und
zwar zu einer Zeit, wo man noch rait mitleidigem Acbselzuckcn
auf meine Bemiiliungen herabsah.
II. Dass ich es war, der einen Theil dieser Sammlung
bereits in einem auf eigene Kosten herausgegebenen kostspieli-
gen Werke ausfuhrlicb bcscbrieb , den anderen aber in meinen
generibus plantarmn fossilium der Form dieses Wcrkes entsprc-
clieud nur in kurzen Dignosen bekannt macbte.
III. Dass ich endlich eine vollstandige Bearbeitung dieser
Flora von bunderten sorfffaltiff ausffefiihrter Abbildungen beglei-
150
tet bereits theilweisc zura Drueke bearbeitet, so wie eine
synoptische Uebersicht derselben, in vvelcher mehr als 200 Ar-
ten aufgeziihlt sind, der Flora von Sotzka zur Vergleichung
beigegeben babe.
Nach allem dem dfirfte es wohl keinem Zweifel utiterliegen,
aus welchen Quellen Hr. Const, v. Ettin gs haus e n fur seine
Synopsis der fossilen Flora von Radoboj Inhalt und Form schopfte.
Eine Nachweisung etwaiger Febler, worauf derselbe so viel Ge-
wieht zu Iegen scheint, dass er vergass , woher die Kenntniss
jener Flora iiberhaupt stammt, kann nur dann moglich und wiin-
schensvverth sein, wenn mein Irrtbum einmal umstandlich aus-
gesprochen und zur Thatsache geworden ist, was allein (lurch
die Verofl'entlichung meiner Detail - Untersuchungen geschehen
kann. Uebrigens sage ich Herrn Sections- Rath fiir den Antbcil,
den er zu meiner Aufldarung hiebei iibernommen hat , meinen
verbindlicbsten Dank.
Das w. M. Herr Sectionsrath Marian K oiler, erstattet nach-
stebendcn Bericht iiber die vom Professor Dr. Bohm in
Innsbruck der kaiserl. Akademie der Wissenschaften iiberreicbte
Ahbandlung : „B e o b a c h t u n g e n v o n S o n n e n f 1 e c k e n und
Bestiinmung der R o t a t i o n s - Ele mente der Sonne".
Die lobliche kais. Akademie der Wissenschaften hat mich
beauftragt, fiber die von Dr. Bohm, Professor der Mathema-
thik an der Universitiit in Innsbruck, vorgelegte Abliandlung un-
ter dem Titel: Beobachtungen von Sonnenflecken
und Bcstimmung der Rotations - Elcmcnte d e r
Sonne — Bericht zu erstatten, welchem Auftrage ich hiemit
nachzukommen die Ehrc habe.
Der llauptzvveck der von Bohm unternommenen Arbeit
war, die Rotations-Elemente der Sonne, niimlich : die Neigung
des Sonnen-Aequators gegen die Ekliptik, die Lange dcs aufstei-
"■enden Knotens dieses Aequators und die tropischc Umdrehungs-
zeit der Sonne mit Hilfe der schiirferen Methoden zu bestimmeu,
wie sie der neueren Astronomie sowohl beziiglieh der Beobach-
tungen als audi der Berechuung derselben zu Gebote steheu.
151
„Wenn man", sagt er in seinem Vorworte, „die geringen Hilfs-
mittel und die geringe Sorgfalt erwiigt, mit dencn die Astronomen
Scheiner, Cassini, de la Hire etc. die Bestimmung der
Rotations-Eleroente gepflogen, so kann man mit Sielierheit an-
nehmen, dass die von ihnen gewonnenen Iiesultate noch be-
dcutende Verbesserungen zulassen. Es lasst sich ferner auch
nicht leicht absehen, dass eine Discussion dieser Bestimmungen zu
Besultaten fuhren werde, deren Verlasslichkeit zu der grossen
Miibe einer solchen Untersuchung auch nur einigermassen in einem
lohnenden Verhaltnisse stiinde, und so schien es mir in jeder Be-
ziehung angezeigt , den Gegenstand ganz von Neuem anzugreifen."
Der Verfasscr verkannte iibrigens bei seiner Arbeit die Schwie-
rigkeit nicht, welche die grosse Veriinderlichkeit der Sonnenfle-
cken verursacht, und wie sie insbesondere auf die Genauigkeit, die
man den Bcobachtungen und den daraus gezogenen Besultaten zu
geben wiinscht, storend einwirkt; er blieb jedoch bei seinemVor-
satze in der festen Ucberzeugung, dass es in der Wissenscliaft
nicht darauf ankommt, mit einer Beihe vollkommen harmonischer
Bcobachtungen zu flguriren, sondcrn dass jedes Besultat einen
Werthhabe, harmonirend oder nicht, aberder Wahrheit getreu —
da man Wahrheit zu erfahren sucht.
Die vorliegenden Bcobachtungen machte Dr. Bohm wahrend
des Zeitraumes vom 2. Mai 1833 bis 26. Juli 1836 am Aequato-
riale der hiesigen Universitats-Sternwarte. Er bestimmte die Ilec-
tascensions- und Declinations-Differenz zwischen dem Mittelpuncte
der Sonne und dem beobachteten Fleckcn, und daraus mit Hilfe der
bekannten Rectascension und Declination der Sonne die geocen-
trische Position des Fleckens. Seine Bcobachtungen umfassen 88
Sonncnfleckcn mit !49 Beobachtungsmitteln.
Bekanntlich werden zur Bestimmung der Neigung des Son-
nen-Aequators gegen die Ekliptik und der Lange des aufsteigenden
Knotens wenigstens drei zu verschiedenen Zeiten an demselben
Flecken gemachte Beobachtumcen erfordert: desshalb wiihlte der
Verfasser unter den 88 Sonnenllecken nurjene, die an drei oder
mehreren Tagen beobachtet wurden. Es waren 13. Indem er
zur Berechnung der obgenannten Rotations-Elemente sich der auf
die analytische Geometrie gegriindeten Melhode bediente, entwi-
ckelte er auf eine sehr zweckmiissi<>o Weise 62 Bcdingungsglei-
152
chungcn, und gelangte mittelst dcrselben nach tier Methode der
kleinstcn Quadrate zu folgcndcn BesuUaten:
Neigung des Sonnen-Aequators gegen die Ekliplik . . 6°56'G
mit dem wahrscheinlichen Fcliler von 0'087
undLilnge des aufsteigemlenKnotensdesSonncn-Acquat,. 76°40'9
mit dem wahrscheinlichen Fehler von 2°24'9
Die Discussion der Bcobachtungen zur Btldung der 62 Bedin-
gungsgleichungen hat auch Dr. Bolira zum Picsultale gefiihrt, dass
von den 13 Flecken , von denen er mehrtiigige Beobachtun-
gen erhielt, and die er zur Entwickhmg diescr Gleichungen be-
nutzte , auch nichl ein einziger zur Annahmc einer
e i g e n e n D e w e g u n g d e r Sonnen flecken b e r e c h t i g e.
Anf cine ahnliche sehr sinnrciche Weiso bentttzte der Ver-
fasscr die an dcnsclben Sonnenflecken gemachten Beobachtungen
zur Bestimmung der Rotations-Zcit der Sonne. Er land Hire-
tropische Umdrchungszeit
25-821 Tage,
mit cinem wahrscheinlichen Felilcr von
0-024 Tagen.
Die von Lalande und Delambre gemachten Bestiinmun-
iren ffcben im Mittel :
Neigung des Sonnen-Aequators 7o 19'
Aufsteigende Knoten des Sonnen-Aequators .... 78" 50'
Tropische Rotations-Zeit der Sonne 25" 021
Von den interessantesten Sonnenflecken hat der Verfasser
auch Abbildungen beigefiigt.
An diese Berechnungen kniipft Dr. Bohm die Bestimmung
der heliographischen Lage der von ihm beobachtcten Sonnenfle-
cken mit einem Verzeichnisse dcrselben sammt eincr kleinen
Karte. Die Entwerfung eines solchen Verzeichnisscs wurde bis-
her nicht versucht; die Kenntniss und Anschauung der Ver-
theilung der Sonnenflecken auf der Sonnenoberfl'ache ist an und
fiir sich wichtig, und kann vielleicht auch mit zur Entriithsehing
dieser interessanten Erscheinung beitragen. Es ist zwar, wio dec
Verfasser bemerkt, die Anzahl der in dieseni Katalogc cnthal-
tenen Sonnenflecken an sich zu gering, urn die Gesetze der
153
Vertheilung derselben auf der Sotmenoberflacfae, besondors was
ihre heliocentrische Lange betrifft, mit Siciterheit un'uet.
Das vv. M. Herr Prof. E. Briicke erstattet Bericht fiber die
von Ilerrn Dr. Fr. R. Molin aus Zara, Assistent am Wiener k. k.
physiologischen Institute, eingereichte Abliandlung „Studi anatb-
mico morphologici sugli stomachi degli ucceUV
Herr Molin bat Untersuchungen fiber die anatomischen Ver-
naltnisse und die Structur des Magens der Vogel an Represent an ten
verschiedener Abtheilungen, dem Falken, dem Huhn, der Taube,
dem Sperling, der Nachtigall , dem Papagei, der Gans, dem Peli-
kan, dem Robrhuhn und dem Strauss angestellt und von den betref-
ienden Tbeilen genauere und richtigerc Bcschreibungen und Abbil-
dungen gegeben als wir bisher besassen. Die Abliandlung zerlallt
zwei nati'u-licbe Abtheilungen, deren eine den Driisenmagen, die
andere den Muskelmagen bescbreibt. Der Driisenmagen ist bei den
verschiedenen Vjjgeln nach analogem Typus gebaut, und die charakte-
nstisehen Driisen desselbcn bestehen aus einer grossen Anzahl von
CyUndern, welche radial urn eine Ho hie gestellt sind, in welche
sie sammtlich einmiinden, und aus welcher der gemeinsame Ausfiih-
rungsgang hervorgeht.
In der zvveiten Abtheilung ist namentlieh die genaue mikros-
kopische Analyse der dicken Hornschicbte interessant, welche bei
den kornerfressenden Vogeln die Innenflache ties Muskehnagens
iiberzieht. Diese Schicht besteht im wesentlichen aus einer Menge
von Hornfiiden, welche einzeln oder zu Gruppen vereinigt aus
Sehlauchcn, welche s-ich in der Matrix befinden, hervorwachsen,
und deren Zwischenriiume durch eine aus sehr kleinen Zcllen beste-
hende Snbstanz ansgefiillt sind, so dass man sich das Gauze unter
der Form einer Biirste vorstellen kann, deren Borsten durch eine
feste Zwischensubstanz mit einander verklebt sind. Es ist klar,
dass eine solche Vorrichtung sich viel weniger leicht abreibt und
abniitzt, als ein gewohnliches nach Art der Epidermis gesehichte-
tes Horngebilde. Ausserdem ist in diesem Theile ein reiches Detail
iiber die anatomischen und histologischen Verschiedenheiten der
untersuchten Vogelmagen enthalten. Dass die Beobachtungen selbst
mit grosser Gewissenhaftigkeit und Ausdauer angestellt sind, kann
ich um so eher bezeugen, als die ganze Arbeit unter meinen Augen
entstanden ist, und ich glaube dieselbe einer verehrten Classe zura
Drucke in die Denkschriften empfehlen zu konnen.
Das W. M. llr. Professor Doppler legt bierauf die folgenden
Mittheilungen und Bemcrkungen iibcr eine Theorie des i'arbigen
Lichtes der Doppelstcrne vor :
Seine Theorie des Einflusses der Bewegung auf die Hohc der
Tone in akustischer, und auf das farbige Licht der Gestirne in
optischer Beziehung hat, wio diess vcrmuthlicli der Mehrzahl der
verehrlichen Mitglieder unserer Classe bercits bekannt sein diirfte,
seit ihrcr ersten Bestiitigung durch Herrn Dr. Ballot im Juni
1845 mittelst directer Versuche auf der Eisenbahn zwiscben Ut-
recht und Maarsen in neuerer Zcit sich einer mehrfachen directen
und indirectcn Priifung und Erhartung in England, Frankreich und
Italien zn erfreuen gehabt, deren Resultate mich zu nachfolgenden
Mittheilungen und Bcmerkungen veranlassen.
M. Scott Buss el, einer der vielen ausgezeichneten Phy-
siker Englands, hat nach Mittheilungen, die ich Herrn Moigno's
Repertoire d'optique moderne, Paris 1850 entnehme, unliingst auf
den Eiscnbahnen Englands akustische Versuche in dieser Bezie-
lmng angestellt und Resultate gewonnen, welche, stiinden sie selbst
Iheilweise jenen des Hrn. Ballot an Genanigkeit nach, dennoch
155
der ausserordentlichen Geschwindigkeit der Locomotivbewegung
wegen, bei der sie angestellt wurden, die hochste Beachtung ver-
dienen und als in einem hohen Grade entscheidend angesehen wet*
den miissen. Nach Hrn. Scott Russel's eigener Angabe war
diese Geschwindigkeit zwischen 50 und 80 engl. Meilen in der
Stunde. — Der Erfolg der angestellten Versuche war aber auch
dieser Geschwindigkeit entsprechend, namlich ein ganz und gar
anzweifelhafter, und mit meiner Theorie vollkoramen iibercin-
stimmender.
Ueberali und stets wurde der kommende Ton bedeutend ho-
lier, der gehende bedeutend niedriger vernommen als der bei still-
stehender Tonquelle oder stationarem Beobachter.
Zugleich macht Hr. Scott Russel auf den auffallenden
und leicht zu beobachtenden Tonunterschied aufmerksam, wo ein
Beobachter den directen und den von einer Wand, etvva der Fa-
cade eines Tunnels, reflectirtenTon zugleich vernimmt. M. Sco tt
Buss el hat diese seine Beobachtungen, welche sich auf Tone von
sehr vcrschiedener Hohe bezogen zu haben scheinen, ohne mei-
ner darauf beziiglichen Leistungen auch nur im Vorbeigehen zu er-
wiilmen, der britischen Association mitgetheilt, und eine Erklarung
beigefiigt, welche fast meiner Abhandlung entnommen ist. Der Ver-
fasser des Repertoire (Toptique nennt diess : „une triste ignorance
ou une injustice impardonnableP Ich, meinestheils, erlaube mir
Moss in Erinnerung zu bringen, dass meine diesen Gegenstand
betreffende Abhandlung bereits schon ira Jahre 1842 im Drucke
erschien, dass das in demselben akustische Theorem, wie bekaunt,
bereits schon vor mchr als fiinf Jahren durch Dr. Ba Ho t dan-
kenswerthc Versuche constatirt, und dass seit cben dieser Zeit
meme Theorie ein Gegensland vielseitiger Discussionen in Zeit-
schnften geworden ist, und zwar nicht bios in Dcutschland und
Itahen, sondettn auch in Belgien und Frankreich.
Diess zur Wahrung meiner Prioritatsrechte!
Eine weitere Bestiitigung auf anderem und zwar rein expe-
nmentellem Wege ist meiner Theorie in neuester Zeit in Frank-
reich durch den eben so ausgezeichneten Physiker wie glucklichen
Experimentator Herrn Hypolite Fizeau in Paris zu Thcil ge-
worden. Hr. Fizeau hat gleichsam durch Umkehrung des Prin-
C1PS, auf vvclchemSavarts gezahntes Radchen beruht, cinen Ap-
156
parat construct, miltelst welchem or Bosullate gcwonnen habcn
soli welche meine Theorie vollkommen beslatigcn. In akuslischer
BeziehuDg diirfte nunmehr meine Theorie wohl so ziemlich aus-
scr Zweifel geateHt aszuselien sein, nicht in gleiehem Grade aber
auch in optischcr. - Mit dem Lichte lasst sich nun ehunal, sei-
ner un"-emcin grossen Fortpflan/AUigsgeschwindigkeit unil dor aus-
serordentliehen Klcinbeit dec Wellenlangen wegen, wenigstens in
der hicr in Ilcde stehenden Bezichung nicht unmittelbar expcii-
mentiren, da Geschwindigkeitcn wie sic bier in Betracht kom-
men, auf Erden sich fiiglich nicht erzeugen lassen, nnd wir sehen
uns demnach nur auf die Bewegungcn der leuchtemlen Himmels-
kdrpcr selber angewiesen , mit dcnen wir zwar gleichfalls keine
Vcrsuclie anstellen, wohl aber sie unter versehiedenen tins bc-
kannten UmsUindcn bcobachten kijnncn. Ieh babe eine bedeutende
Anzahl solcber, von anderen m ganfc andern Zwecken gcmaeh-
ten Beobachtungen, welche ganz fiir die Anwendbarkeit meiner
Theorie auf gewisse Ersclieinungen des Licbtes sprcchcn, zusam-
niengcstellt und bekannt gemacht, und bei dieser Gclegenheit
wiederholt den Wunsch ausgesprochen, dass auch andere sich bei
dieser wissenschafllichen Angelegenheit belheiligen mochten, da
nach der Nairn1 der Saehe nur dure!, vereinte Krafte hierin
ctwas Bedeutendes erzielt wcrden kiinne. — Meine diessfallsigen
Wiinsche blieben audi nicht uneriulll;. — Kerr Sestini, Astro-
nom am Collegio Romano zu Bom bat, wie cr selber ausdriick-
licb Sftgrt aus Veranlassung meiner kleinen Sehrift fiber das far-
bio-c Lieht der Doppelsterne etc., welche ihm zugekon.mcn war,
sich unter theilvveiser Mithilfe des Hern. Igiuv/.io Cugnoni und
seines Collegen Antonio Gross, welchen letztercn er jcdoch bald
durch den Tod verlor, sich der mehrjahrigen gewiss nicht un-
bcdeutenden Muhe unterzogen, eine sorgfaltige Durchmusterung
des gestirnten Himmels und eine genaue Bestimmnng der Farbe
des Lichtes der einzelnen Fixsterne vorzunehmen.
Er legt nunmehr die Besultate seiner verdienstlichcn Beob-
achtungen In zwei Mcmoiren ') dem astronomiscl.cn Publicum vor,
.) i. Memoria sopra i color! dello gtelle del caialogo di Rally, osservatl dal
p. Benedetto Sestini, Roma 1845.
2. Memoria seconda inlorno ai color! delle stelle del catalogd di Daily,
osservati dal l». Benedetto Sestini, Roma 1847.
157
und es gewiihrt jmir keine geringe Genugthuung, das Ergebniss
seiner sorgfaltigen Forschungen als mit meiner Theorie im
schonsten Einklang stehend erklaren zu konnen.
Es konnen diese Resultate in nachfolgende Puncte zusam-
mengefasst werden:
1. Die Farbe des Lichtes der Fixsterne, vvelche keine Dop-
pel- oder mehrfache Sterne sind, ist gana gegen die bisherige
Meinung der Astronomen, die gemeinhin nur den letzteren far-
biges Licht Zuerkannten, nicht bei alien die weisse und eben
so wenig die gelbe, sondern es finden sich unter diesen Sterne
in gar nicht unbetrachtlicher Menge von oranger, rother, griiner,
blauer und violetter Farbe mit alien moglichen Nuancirungen vor.
Die Sterne von gelblichem Lichte mit theilweise schwacher far-
biger Nuancirung machen beilaufig die Halfte von alien aus;
solche von weissem Lichte betragen ungefahr y und jene von
oranger Farbe etwas fiber y5 — so also, dass fur die ubrigen
Farben nur etwa ein schwaches 7m von alien tibrig bleibt.
2. Ganz gegen alles Vermuth en finden sich ferner diese
farbigen Sterne durchaus nicht fiber das ganze sichtbare Him-
melsgewolbe gleichformig und nochviel weniger beziiglich derein-
zelnen Farben in gleichem Verhiiltnisse vertheilt vor, sondern es
hat in dieser Beziehung ein auffallender hochst beachtenswerther
Unterschied statt. Eine genaue von Herrn Sestini selber an-
gestellte Vergleichung zeigt namlich:
a) dass die weissen Sterne am haufigsten in der nordlichen
Himmelshalfte und zwar beilaufig zwischen 60 — 90° nordlicher
Breite sich vorfinden , die sudlichen Gegenden dagegen daran
sehr arm sind; —
&) dass die bei weitem meisten Sterne mit farbigem Lichte
innerhalb einer Zone liegen, welche beilaufig von 30° nordlicher
bis zu 30° siidlicher Breite reicht.
Hier muss berichtigend hinzugeffigt werden, dass man sich
durch eine Einsicht in den beigefiigten Catalog leicht davon uber-
zeugt, dass dieser Gurtel nichts weniger als mit dem Him-
tnels-Aequator parallel lauft.
c) dass ferner auf der nordlichen Halfte dieser Zone ver-
hiiltnissmassig die meisten blauen und violetten, in der sfidlichen
hingegen die meisten orangen und rothen Sterne sich vorfinden.
Sitzb. d. loathem.-naturw. CI. Jalirg. 1850, II. Bd. II. Hit, 11
158
d) dass es weiter von alien Partien des gestirnten Himmels
keine gibt, an vvelcher im Vergleiche zu den daselbst befindlichen
anderen Sternen so viele blaue und violette Sterne vorkommen, als
jene, wo sich das Sternb\ld des Herkules befindet. Nun aber ist es
bekannt, dass nach Hers ch els und Argelanders Untersuchun-
"•en unser Planetensystem mit der Sonne als seinem Centralkor-
per aus der siidlichen gegen die nordliche Hemisphare und zwar
ungefa.hr in der Richtung vom Flusse Eridaraus gegen das Stem-
bild des Herkules hin sich bewegt ; es erscheint demnach nur als
eine nothwendige Consequenz meiner aufgestellten Theorie, dass
die siidliche Himmelshalfte verhaltnissmassig mehr orange und
rothe, die nordliche dagegen mehr blaue und violette Sterne zah-
len mttsse, so wie insbesondere in der Gegend wo sich beilaufig
Herkules befindet, von alien die meisten blaucn und violetten vor-
kommen miissen. Aus gleichem Grunde muss auch die siidliche
Himmelshalfte bedeutend iirmer an Sternen geringerer Grosse sich
zeigen als die nordliche. Ich habe in meinen fruheren Abhandlun-
gen des letz.ter.en Umstandes ausdrttcklich, des vorhergehenden we-
nigstens andeutungsvveise erwiihnt, und die Beobachtung hat meine,
wie es mir schon damals schien, gegrundete Vermuthung nicht zu
Schanden werden lassen.
3. Das farbige Licht der einfachen oder der als solche gel-
tenden Fixsterne ist gleich jenem der Doppel- und mehrfachen
Sterne hochst wahrscheinlich einer Aenderung unterworfen , die
jedoch von viel liingerer Dauer ist als jene bei den meisten
Doppelsternen. Fiir diese Ansicht sprechen, wenn auch nur wenige,
doeh gut constatirte Beobachtungen.
Nebst der bereits bekannten auffallenden Farbveranderung
des Sirius fiihrt Herr Sestini neuerlichst noch den Stern b
in den Zwillingen an, welcher Stern im Almagest als roth
bezeichnet wird, wiihrend ihn doch heut zu Tage Jedermann zu
den entschieden weissen rechnet.
4. Endlich hat Herr Sestini durch seine Beobachtungen
verbunden mit einer sorgfaltigen Vergleichung friiherer darauf
beziiglichen Angaben, die Anzahl der bereits bekannten an Farbe
veranderlichen Doppelsterne noch urn mehrere vermehrt, wie diess
aus seinem Memoire von 1845, pag. 11, und aus jenem von 1847,
i*ag. 10, zu ersehen ist.
159
Diess sind nun jene Mittheilungen und Bemerkungen, deren
offentliche Besprechung ich mir und der in Rede stehenden
wissenschaftlichen Angeleg enheit schuldig m sein
glaubte. —
Das w. M. Herr Professor Rochlederaus Prag berichtet
fiber die in seinemLaboratorium vorgenommenen Arbeilen, und tiber-
reicht die nachstehenden drei hierauf bezfiglichen Abhandlungen,
deren Inhalt er mittheilt :
a) „Ueber die Producte der trockenen Destina-
tion des Zuckers mit Kalk," von R. Schwan,
Fremy war der erste,welcher sich mit der Untersuchung der
Producte beschaftigte welcher sich bei der Destination von 1 Theil
Zucker oder Starke mit 8 Theilen wasserfreien Kalk bilden.— Er
gibtan, dass das flfissige Destillat aus einem in Wasser loslichen
und einem in Wasser unioslichen Theile bestehe.— Den in Wasser
loslichen Theil {'and er bei der Analyse der Formel Ce H O ent-
sprechend zusammengesetzt, und erklart ihn fiir identisch mit
Aceton.— Der in Wasser unlosliche Theil besteht nach seinen
Untersuchungen der Hauptmasse nach aus einem bei 84°C kochen-
dem aus C6 Hb 0 zusammengesetzten Korper, der von ihm den
NamenMetacetonerhielt.-— DieserKorperwarehiernachprocentisch
gleich zusammengesetzt mit dem Mesityloxyd nach Kane. Ausser
diesen Producten bilden sich nach Fremy bei diesem Zerset-
zungsprocess nur unbcdeutende Mengen von benennbaren Gasen. —
Gottlieb beschaftigte sich mit diesem Korper ebenfalls, er fand:
dass statt 8 Theilen Kalk zwcckmassiger 3 Theile auf 1 Theil
Zucker angewendet werden, und dass man auf diese Art sich leicht
einige Loth reines Metaceton darstellen konne. — Bei der Oxyda-
tion dieses Korpers mit Chromsiiure erhielt er : Ameisensaure
Essigsiiure und Metacetonsiiure. — Bei der im hiesigen Labora-
torium von Dr. Hlasiwetz ausgefiihrten Untersuchung, fiber das
Aceton und einige damit verwandte Korper, stellte es sich heraus,
dass das sogenannte Metaceton eine complicirtere Zusammensetzun"-
haben musse, als man nach den oben citirten Arbeiten anzunehmen
geneigt war. Ich habe desshalb grossere Mengen von Zucker sowohl
wit 8 Theilen als audi mit 3 Theilen Kalk der Destination unterwor-
160
fen, um die dabei auftretenden Producte ausfiihrlicher untersuchen
zu konnen.— Das hiebei unler Entwicklung brennbarer Gase iiber-
gehende fliissige Product wurde mitWasser vermengt der Destina-
tion unterworfen.— Es blieb dabei eine verhiiltnissmassig geringe
Menge von harzartigen Korpern zuriick, wahrend mit dem Was-
ser ein schwach gelb gefarbtes, eigenthiimlich riechendes Oel iiber-
destillirte, was zu wiederholtenmalen mit Wasser geschiittelt wurde,
in dem sich ein Theil desselben Idste, wodurch die Angabe von
Fremy bcstatiget wird. — Der in Wasser unlosliche Theil erwies
sich bei naherer Untersuchung ebenfalls als ein Gemenge verschie-
dener Substanzen; deren Trennung mit Schwierigkeiten verkniipft
1st — Es zeigte sich, dass er mit kalter wiisseriger Kalilosung
geschiittelt, an Menge abnahm, wahrend das Kali sich dunkel-
braunroth farbte. Wurde diess Waschen mit Kalilauge ofters wie-
derholt und das Oel zuletzt mit Wasser gewaschen , um etwas auf-
genommenes Kali daraus zu entfernen , so erhielt man eine leicht
bewen-liche Fliissigkeit von viel angcnehmerem iitherischen Geruche
als das urspriingliche Product, welches nun mit verdiinnter Kali-
lauge geschiittelt werden konnte, ohne eine weitere bemerkbare
Veriinderung zu erleiden. — Diese mit Kali gereinigte Substanz
dem Sauerstoffe der Luft ausgesetzt, bekam von Neuem die Fahig-
keit, eine damit zusammengebrachteKalilosung dunkel zu farben. —
Auch dieses mit Kalilosung gereinigte fliichtige Product ist keine
einfache Verbindung sondern ein Gemenge mehrerer, deren Tren-
nuna; von einander durch fractionirte Destination versucht wurde.
Zu diesem Zwecke destillirte ich das mit wasseriger Kalilosung
gereinigte Oel , welches schon t'ruher von dem in Wasser loslichen
Antheil befreit war, aus einem in siedenden Wasser beiindlichen
Gefasse so lange, als bei der Temperatur des kochenden Wassers
etwas uberdestillirte. — Der Iliickstand von dieser Destination
wurde im Oelbade auf eine Temperatur von 120° C erwarmt und
das iibergehende Destillat fiir sich aufgesammelt.
Indem die zwischen 120 — 160° C, so wie auch die zwischen
160— 200° C und endlich die zwischen 200— 250" C iibergehende
Fliissigkeitsmenge getrennt aufgefangen worden , erhielt man
einen bei dieser Temperatur nicht mehr fliichtigen Riickstand,
der zur Vermeidung einer Zersetzung bei einer so hohen Tem-
peratur, mit einer grosseren Menge von Wasser gemengt , von
161
Neuem eiuer Destination unterworfen wurde. — Diese ftir sich
aufgefangenen Portionen stellen Gemenge dar von Fliissigkeiten,
deren Siedepunkte einander am nachsten liegen. Durch eine
fractionirte Destination jeder dieser einzelnen Portionen ftir sich
gelang es, eine Anzahl von Verbindungen isolirt darzustellen,
deren Zusaramensetzung, wie sich durch die Analyse ergab, sie
als Glieder einer Reihe erscheinen lasst, die sich durch zwei
Kohlenstoff- und zwei Wasserstoff - Aequivalente von einander
unterscheiden , um welche jedes Glied mehr enthalt als das
nachst niedrigere. — Die empirischen Formeln dieser Korper,
so wie sie aus den Resultaten der Analysen sich berech-
nen, sind :
c„
Hu
os
c»
Hm
o3
^20
Hi1
o3
^28
H25
os
Mit der Zunahme des Kohlenstoff- und Wasserstoffgehalts
dieser Verbindungen steigt auch der Siedepunkt derselben, so
zwar, dass der Korper CI4 Hn 03 der leichtfluchtigste ist,
wiihrend die iibrigen in den schwerer fluchtigen Portionen der
fractionirten Destination enthalten sind. — Es fehlen in der
angedeuteten Reihe die Glieder, welche den Formeln
^16 His 03
Czi H2i 03
CM HZi Os entsprechen.
Ich lasse es dahin gestellt sein , ob unter den Producten
der Destination des Zuckers mit Kalk diese Glieder iiberhaupt
fehlen, oder ob es rnir bloss nicht gegliickt ist, dieselben bei
der fractionirten Destination zu isoliren. — Alle diese Sub-
stanzen kommen mit einander darin uberein, dass sie indifferent
sind und durch Behandlung mit concentrirter wasseriger Kali-
lauge beim Sieden in ganz ahnlicher Weise sich zerlegen.
Wird ein Gemenge von diesen verschiedenen Korpern mit
oxydirenden Substanzen behandelt, so erhalt man ein Destillat
162
in dem sicli fette Sauren befinilen. — Wenn man zu dieser
Oxydation die fliichtigsten Antheilc nicht verwendet_, so bildet
sich keinc Spur von Ameisensaure. Zu gleicher Zeit ist in dem
Destillate neben den fetttiYi Sauren noch ein indifferenter ather-
artiger Korper enthalten, auf den ich spater noch einmal zu-
r'uckkomme. — Werden die verschiedenen Korper dieser Reihe,
derenZusammensetzung durch die allgemeineFormel Cn Hn — 30s
sich ausdriicken lasst , mit concentrirter Kalilauge in einem
Apparate zum Kochen erhitzt, der in der Art construirt ist,
dass der verfliichtigte Antheil stets wieder in das Destillirgefiiss
zuriickfliessen muss, so erleiden sie eine Veriinderung; es ent-
steht eine gewisse Menge von Harzen, die sich theils mit dun-
kelbrauner Farbe in den alkalischen Fliissigkeiten losen, theils
als schwarze Masse aus derselben abscheiden, wahrend auf der
donkelgefarbten Kalilosung ein fliichtiger leicht beweglicher Kor-
per schwimmt , der , wenn die Einwirkung der Lauge vollendet
ist, von dieser abdestillirt ein leicht bewegliches angenehm rie-
chendes Fluidum darstellte, welches die narkotisirende Wirkung
des Aethers und Chloroforms beim Einathmen in hobem Grade
besitzt. — Auf die Zusammensetzung dieses Korpers, der sich
bei der Behandlung mit Kalilauge in der Wiirme bildet, gleich-
gultig ob man die fluchtigeren oder die minder fliichtigeren
Glieder der Reihe Cn Hn — 3 03 dieser Behandlung unter-
zieht, komme ich spater zuriick. — Werden die Verbindungen
dieser gedachten Reihe mit oxydirenden Substanzen behandelt,
z. B. Chlorsaure, Salpetersiiure , nachdem sie der Behandlung
mit Kali unterworfen worden, oder mit andern Worten: wird der
von der Kalilauge abdestillirte fliichtige Korper in einem De-
stillationsgefiisse oxydirt, so erhalt man keine fetten Sauren mehr,
mit Ausnahme von kaum nachweisbaren Mengen von Metaceton-
saure, sondern Oxalsiiure und ein fluchtiges Oel, welches iden-
tisch ist mit demjenigen , welches sich neben einer gewissen
Menge fetter Sauren bei der Oxydation der Glieder der Reihe
Cn Hn — 3 0s vor ihrer Behandlung mit kochender Kalilauge ge-
bildet hat. — Durch die Behandlung mit kochender Kalilauge
ist demnach aus dem sogenannten Metaceton die Quelle hinweg-
genommen worden, aus welcher bei der Oxydation desselbeft
die fetten Sauren gebildet vvurden.
163
o3
= Ci9 H9
0
+
C* Hz Oz
o3
= Cn H9
0
+
C, H, 02
o3
= Cu Ho
0
+
C6 H6 0,
o*
= Cu H9
0
+
Cs Is Oz
oa
= 613 H9
0
+
^io "io "a
0„
~ Cia Ha
0
+
C'la Hiz °3
o3
= C12 ^9
0
+
C^H^O,
Oa
= C12 //9
0
+
^16 ^16 Oa
Betrachten vvir die Zusamraensetzung der ganzeu Reihe
dieser Substanzen, deren allgemeine Formel On Hn — 303 ist, so
lassen sich dieselben in zwei Formeln zerlegen , wie folgendes
Schema zeigt.
* C H
* C If
* C Tf
*^24 "ai
C26 #2!
* c-28 //25
Betrachtet man diese Korper auf diese Art, so stellen sie
sich als eine Reihe von Verbindungen dar , analog den zusam-
mengesetzten Aetherarten. Sie sind Verbindungen eines dem
Aethyl- oder Methyl-Oxyd in seiner Natur ahnlichen Korpers,
verbunden mit einem Aldehyd einer fetten Saure. — Durch
diese Anschauungsweise erklart sich ganz einfach das Auftreten
von fetten Sauren bei der Oxydation dieser Korper (indem die
Aldehyde durch Aufnahme von einem Aequivalente Sauerstoff in
die entsprechende Saure Uberzugehen vermog-en). Es erklart
sich hieraus die Erscheinung von harzartigen Producten bei der
Behandlung mit kochender Kalilauge, vvobei diese Aldehyde sich
verharzen, wahrend der Korper Cia Hg 0 analog dem Aethyl-
oder Methyl-Oxyd in dem Momente, wo er durch eine starkere
Basis (Kali) aus seiner Verbindung ausgeschieden wird, ein
Aequivalent Wasser aufnimmt und in den entsprechenden Alkohol
iibergeht. — Es ergibt sich aus dieser Anschauungsweise fer-
ner , dass diese Verbindungen der Aldehyde mit dem Korper
C12 H9 0 bei der Oxydation ausser den fetten Sauren ein in-
differentes Product liefern miissen , identisch mit demjenigen,
welches entsteht, wenn der durch Behandlung mit Alkalien ge-
bildete Korper Ci9 Ht0 Oz an und fur sich mit oxydirenden
Substanzen behandelt wird. — Es erklart sich ferner aus der
*) Die mit einem * bezcichneten Verbindungen sind im isolirten Zustande
dargestcllt worden.
lfii
hier angenommenen Constitution dieser Verbindungen das Ver-
halten derselben gegen concentrirte Schwefelsaure und wasser-
freie Phosphorsaure , durch deren Einwirkung die Aldehyde
zerstort und durch Entziehung von Wasserstoff und Sauerstoff
in dem Verhaltniss wie im Wasser, in letzter Instanz die Ver-
bindung C12 Hs gebildet wird.
Ich lasse nunmehr die analytischen Daten folgen, aus denen,
wie mir scheint, ungezwungen diese Schliisse sich ziehen lassen.
■ — EswurdebereitsimEingange erwiihnt, dass das bei Entwicklung
brennbarer Gase aus Zucker und Kalk gewonnene Destillat bei
der Rectification eine kleine Menge harzartiger Producte zu-
riickliess. — Diese wurden fur sich mit Kalkmilch geschiittelt,
von dem fiberschiissigen Kalkhydrat abfiltrirt , eingedampft und
der Ruckstand mit verdiinnter Schwefelsaure der Destination
unterworfen. — Die iiberdestillirende Flussigkeit wurde mit
Barytwasser gesattigt und im Wasserbade eingedampft. — Der
syrupsdicke Ruckstand wurde mit Alkohol vermischt, und das
dadurch niedergeschlagene Salz bei 100 ° C zur Analyse ver-
wendet.
Die Analyse gab folgende Resultate :
0-2120 Grm. Substanz gaben 0-1470 Grm. Kohlens. u. 0-0520 G. Wasser
0-340 „ ,, „ 0-321 „ schwefelsauren Baryt-
Diess entspricht in 100 Theilen:
berechnet
Aeq. C — 120 —
„ H - 17 -
„ O - 104 -
„ BaO — 3830 -
20
17
13
5
19-22
2-72
16-69
61-37
6240 10000 10000
C»H„0K +5BaO = Z(Ci0Hs O
2 BaO) + BaO, HO.
Cin H 0& ist die Zusammensetzung der wasserfreien Meta-
ceton -Essigsiiure.
Es wurde oben erwahnt, dass das Product der Destination
von Zucker und Kalk nach seiner Rectification zuerst mit
Wasser geschiittelt wurde, um es von Aceton zu befreien, und
dass dasselbe mit kalter wasseriger Kalilauge zusammeugebracht
unterVerminderung des Volumens die Kalilbsung^dunkelrothbraun
165
fiirbte, wodurch sich die Gegenwart einer dem Aldehyd iihnlich
verhaltende Verbindung erkennen Iiess. — Dieser scharfe und
unangenehm riechende Korper , welcher durch die Behandlung
mit Kali hinweggenommen wird, zerlegt sich hierbei in 3 ver-
schiedene Producte. — Um sie kennen zu lernen wurde die
braungefarbte Kalilosung mit Schwefelsiiure versetzt und der
Destination unterworfen. — Es schied sich dabei eine nicht
unbedeutende Menge eines braunen Harzes aus, welches in der
Kalilauge gelost, dieser eine braunrothe Farbe ertheilt. — Das
schwach sauer reagirende Destillat wurde mit Barytwasser ver-
setzt und destillirt. Das Destillat enthielt ein Oel von pfeffer-
miinzartigem Geruch, welches theils in Wasser gelost war, theils
auf der Oberflache der Fliissigkeit schwamm. — Es wurde durch
Siittigen der Fliissigkeit mit CaCl aus seiner Losung in Wasser ab-
geschieden, mit einer Pipette von der Chlorcalciumlosungabgezogen
und iiber geschmolzenem Chlorcalcium entwassert.
Das so getrocknete Oel zeigte bei der Analyse folgende Zu-
sammensetzuns::
0-2235 Substanz gaben 0-5005 Grm. Kohlens. und 0-2445 Grm. Wasser.
Diess gibt in 100 Theilen :
berechnct gefunden
6 Aeq. C — 36
— ^HM — 61^07
7 „ H- 7
— 11-86 — 1210
2 „ 0—16
— 2713 — 26-83
59 10000 10000
In diesem Korper sind der Kohlenstoff und Wasserstoff in dem-
selben Verhaltniss, wie im Glycerin enthalten. — Audi musste der
der Metacetonsaure entsprechende Aether den Kohlenstoff und Was-
serstoff in demselben Verhaltniss wie 6 : 7 enthalten. — Stellen
wir fur den Korper die Formel Ce H7 0% auf, so lasst er sich als
das Hydrat des Acetonyloxyd's betrachten, denn C&H 02 =
CeHeO + HO.
Die barythaltige Fliissigkeit, von der dieses Oel abdestillirt
ward, wurde mit Schwefelsaure versetzt und einer neuen Destina-
tion unterworfen. Es destillirte eine schwachsaure Fliissigkeit ab,
welche eine so unbedeutende Menge von fetten Sauren erhielt, dass
es unmoglich war, ihre Zusammensetzung durch weitere Versuche
166
zu bestimmen. — Es ergibt sich aus alien diesen Versuchen, dass
bei den Producten der Destination des Zuckers mit Kalk ein oder
mehrere aldehydartige Korper entstehen , die bei Behandlung mit
Kalilauge unter dem Einflusse der Luft sich in harzartige Producte
zerlegen, die mit dem Kali verbunden bleiben ; withrend zugleich kleine
Mengen von Sauren gebildet werden , die sich ebenfalls mit dem
Kali vereinigen. — Als ein Nebenproduct dieses Umsetzungspro-
cesses entsteht ein indifferenter Korper, namlich: das Oel von
pfeffermiinzartigemGeruch, dessen Zusammensetzung eben erwiihnt
wurde. — Bei dem Schutteln der Producte der Destination von
Zucker und Kalk mit Wasser lost sich in diesem ein Theil des-
selben auf. — Fremy gab an, dass das Wasser hierbei Aceton
aufnahm, was ich zu bestatigen Gelegenheit gefunden habe. —
Nach der Behandlung des rohen Metacetons mit Wasser und wasse-
riger Kalilauge und abermaligem Waschen mit Wasser bleibt ein
Gemenge von verschiedenen Substanzen , welche Alle, wie schon
oben erwiihnt wurde, sich als Glieder einer Reihe betrachten las-
sen , deren allgemeine Formel durch Cn Hn — 3 Os ausgedriickt
werden kann. — Urn sie isolirt zu erhalten , wurde das Gemenge
der fractionirten Destination unterworfen , un d dabei die Vorsicht
gebraucht, dass die Temperatur nur immer so hoch stieg, dass
die im Gefasse enthaltene Fliissigkeit ins Kochen gerieth. — Die
Destination selbst odervielmehr das Abdunstenlassen der mit Chlor-
calcium getrockneten Gemenge geschah in einer glasernen im Oel-
bade eingesetzten Retorte. — Die Temperatur des Oelbades wurde
an einem und demselben eingesenkten Thermometer beobachtet. —
Die Analyse dieser durch die fractionirte Destination getrenn-
ten Substanzen gab folgende Zahlen:
Bei 70°C abgedunstet:
I. 0-234 Grm. Substanzgaben 0-6020 Grm. KohlensaureundO'200 Wasser.
II. 0-326 „ „ „ 0-842 „ „ „ 0-2810 „
Diess gibt in 100 Theilen:
bereclmet
gefunden
14 Aeq. C — 84 — 70-58 -
11 „ H — 11 - 9-24 -
3 „ O — 24 — 2018 -
- 7017 —
- 9-48 —
- 20-35 —
70-42
9-57
2001
119 10000 10000 10000
167
Bei 95° C abgedunstet:
I. 0128 Grm.Subst.gaben 0-3470 Grm. Kohlens. und 01195 Grm. Wasser.
II. 0 1460 „ „ „ 0-3945
yi n
„ 0-1345 „
In 100 Theilen:
berechnet
gefunden
I. II.
18 Aeq. C — 108 —
73-46 -
73-82 — 73-63
15 „ H — 15 -
10-20 —
1031 — 10-20
3 „ 0 — 24 —
16-34 —
15-87 — 1617
147 10000
Bei 150°Cabffedunstet:
10000 10000
I. 0-3970 Grm. Subst. gaben 0-8100 Grm. Kohlens. und 0-2701 Grm. Wasser.
II. 0 2185
0-5965
0-2005
In 100 Theilen :
berechnet
20 Aeq. C — 120 — 74-53
17 „ H— 17 — 10 55
0
24 — 14-92 — 15-53
ii.
74-42
1019
1539
161 10000 —10000 —10000
Bei 200° C abgedunstet:
I. 0-1840 Grm. Subst. gaben 0-5230 Grm. Kohlens. undO-1830 Grm. Wasser
II. 01940 „ „
In 100 Theilen:
0-5530
„ 0-202
berechnet
28 Aeq. — C — 168 — 7ril —
25 „ — H — 25 — 11-52 —
3 „
0—24
1107
217 10000 10000
Das Gemenge dieser Verbindungen gibt, wie schon Gottlieb
beobachtet hat, bei der Oxydation mit Chromsaure: Ameisensaure,
Essigsaure , Metacetonsiiure, — mit einem Wort eine Reihe von
fetten Sauren. — Neben diesen fetten Sauren erhielt ich ein nicht
sanres fluchtiges Oel, welches abgenommen und fiber Chlorcalcium
getrocknet wurde. —
Die Analyse desselben gab folgende Resultate:
01 885 Grm. Subst. gaben 0-5295 Grm. Kohlens. und 0-1780 Grm. Wasser.
168
Diess entspricht in 100 Theilen:
berechnet
40 Aeq. C — 240 — ^67 -
33 „ H - 33 — 10-54
5 0 — 40 — 1279
geftmden
10-48
12-92
t>>.A H a.
313 10000 10000
06 lasst sich betrachten, als 4 (C10 #s O) + HO
Wird das Gemenge von Verbindungen aus der Formel
CnHn-3 03mit concentrirter Kalilauge in einem Apparate bis warn
Kochen derselben erhitzt, in vvelchem die verdichteten Fliissigkei-
ten fortwahrend in das Gefass zuriickfliessen mussen, und diese
Behandlung so lange fortgcsetzt, als das Kali noch eine Einwirkung
zeigt, und wird das auf der dunkel-braunschwarz gefarbten , mit
Harzflocken vermischten Kalilosung obenaufschwimmende, fliich-
tige Product abdestillirt, so erhalt man ein leicht bewegliches,
farbloses Product, welches eingeathmet die Wirkungen des Aethers
und Chloroforms in hohem Grade erzeugt, und fiber Chlorcalcium
getrocknet und analysirt folgende Zusammensetzung gab:
0-2685 Grm. Subst. gaben 0-7090 Grm. Kohlens. und 0-2565 Grm. Wasser.
Diess gibt in 100 Theilen:
berechnet gefimden
60 Aeq. C — 360 — 7?14 — ~7!?oi
51 „ H — 51 — 10 22 — 10-61
11 „ O — 88 — 17-64 — 17-38
~~ 499 10(H)0 10000
C H 0„ lasst sich betrachten als 10 (Ca H\ O) + MO.
Dieselbe Verbindung bei einer zweiten Bereitung erhalten
tuhrt zu folgender Formel und procentischen Zusammensetzung:
0-098 Grm. Substanz gaben 0-0890 Grm. Wasser und 0-2640 Kohlensaure.
berechnet gefunden
6 Aeq. c — 36 — iS^ — 73^6
5 „ H — 5 — 10-20 — 1008
1 „ O — 8 — 16-34 — 16-46
49 10000 10000
Die Entstehung eines Kiirpers von der Zusammensetzung
dt Hia Oi erklart sich leicht; wenn man annimmt, dass die der
allgemeinen Formel Cn Hn — 30s entsprechenden Verbindungen
169
aus einem dem Aethyl- oder Methyloxyd entsprechenden Korper
Cla Hg O mehr dem Aldehyd einer fetten Saure zusammengesetzt
sind. — Indem die Aldehyde der fetten Sauren unter Aufnahme
von Sauerstoff aus der Luft durch das Alkali in Harze vervvandelt
werden, nimmt die Verbindung &, H9 0 Wasser auf und bildet
damit die Verbindung C12 H90 + nHO.— Diese Verbindung wurde
fur sich der Oxydation unterworfen. — Miissig concentrirte Salpe-
tersiiure damit erwarmt gibt eine nicht unbedeutende Menge von
Oxalsaure und einen fliichtigen Korper, der nach alien seinen
Eigenschaften mit dem iibereinstimmte, welcber weiter oben unter
der Formel 4 (C13 Hg 0) + HO besprochen worden war.
Die Analyse von dem Korper, welcher durch geschmolzenes
Cliloricalcium getrocknet war , gab folgende Resultate:
0-1070 Grra.Subst. g-aben 0-4820 Grm.Kohlens. und 01600 Grm. Wasser.
Diess gibt in 100 Theilen:
berechnet
gp fun den
10 Acq. C —
60 —
78^ —
78/6S
8 a H-
8 —
10-52 —
10-59
1 „ 0 -
8 —
10-54 -
10-73
76 10000 10000
Die Entstehung der Verbindung Clo Hg O aus der Verbin-
dung Ciz Hia On erklart sich einfach durch das Austreten von der
Gruppe C2 Hz 0 , denn C12 Hi0 Oz
C10 Hs O
Cz Hz O.
Werden die zwei Aequivalente Wasserstoff in Cz H% O oxydirt
und durch Sauerstoff ersetzt, so entsteht ein Aequivalent wasser-
freie Oxalsaure.
Wird die Verbindung C12 Hi0 Oz mit concentrirter Schwefel-
siiure oder mit wasserfreier Phosphorsaure behandelt, so wird ihr
Sauerstoff und Wasserstoff in der Form von HO entzogen. — Wird
eine hinreichende Menge von diesen wasserentziehenden Mitteln in
Anwendung gebracht, so kann auf diese Art ein O freies Product
erhalten werden. —
Dieser Korper enthiilt auf 6 Aequivalente von Kohlenstoff
4 Aequivalente von Wasserstoff. Er stellte ein wasserklares nach
denProductender trockenen Destination der Steinkohlen riechen-
des, unverandert destillirbares Oel dar, das bei der Analyse fol-
gende Zusammensetzung zeigte:
0-1415 Grm. Subst. gaben 04660 Grm. Kohlens. und 0- 1310 Grm. Wasser
170
Diess entspricht in 100 Theilen:
berechnet gefundefl
12 Aeq. C — 72 — 9n . „ bei der Schwefelbestimmung 0-914
schwefelsaurem JLSaryt.
In 100 Theilen:
berech.net
CM — 180 - 45-91 — 45-54 — 4574
//26__ 26 _ 6-63- 7-13- 700
TV, — 42— 10-73— 10-00— —
S„ —144— 30-73 --_ 3723 - —
392 — lOtToO^- 100-59 — -
entsprechend folgender Formel:
a (ft m ®) ■ ft m ns3 + 2 (ft w» ■ OySa
Audiisung von Chlorcalcium einca UrystalHnisChefi Korper abscheldet , tat
fair Chlorcalcium gehnlten wurde.
175
das ist, die sulfocarbaminsaure Schwcfel- und die SchweiVlcyan-Ver-
bindung von C\ Ile , dem Acetonyl. Die Gegeawart von Schwefel-
cyan ist leicht nachzuweisen : Aetzkali lost die Krystalle aufund
gibt beim Kochen don Geruch nach Mesityloxyd, und spater nach
Ammomak; sattigt man die Losung vor oder nach dem Kochen mit
etwas Salzsaure und setet Eisenchlorid hinzu, so entsteht sogleich
eine starke Schwefelcyanreaction.
< Es ist die Verbindung unter denselben Bedingungen entslanden
wie das, von Quad r a t untersuchte Schwefelcyanbenzoyl ') und es
wirel der hierbei statt findende Vorgang auf folgend'e Weise zu
erkiaren sein:
Die Verbindung besteht nach der gegebcnen Pormel aus
2Gruppen, dereneine, 2 (am 8) mit Sulfocarbaminsaure ver-
bunden ist, ungefahr wie sich Schwefelammooium mit derselben
verbindet. Es zerlegen sich, um sie zu bilden, 2 Aequiv Acelon
und 4 Aequiv. Schwefelwasserstoff so, dass 4 Aequiv. Wasser ent
stehen, 2 Aequiv. Schwefel aufgenommen, „„d 2 ausgeschieden
werden, die sich in der schwefelammoniumhaltigen MutterWe
auliosen, nach der Glcichunff: °
Cia Hn Oi + bH8=Ci2 Hl2 S» + kJIO + 28.
Es enthallen ferner 2 Aequiv. Sulfocarbaminsaure die Ele-
meute von tHS unA 2(Cy H8,). Die 4 Sauerstoff-Aequivalente
des Acetous C„HU 0t, vereinigen sich mil dem Wassersloff des
Schwefelwassersloffes zu Wasser; der Schwefel des Schwefel.
wasserstoffes wird ausgeschieden, und lost sich glcichfalls in der
Mutterlauge, wiihrend die 2 iibriggebliebenen Schwefelcyan-Aequi-
») Nach der nunmehrlsen Kenntniss dor Sulfocarbaminsaure wird die Entste-
MS,I!S Schwefelcyanbcnzoyls auch in der Art gedacht werden mu!n
dass 1 Aeqmv. BittermandeKil und , Aequiv. Suifocarbaminsaure ibren Sa, ^
s off und Wasserstoff zu Wasser vereinigen, wiihrend 1 Aequiv. Wa
.toff au dem B.ttermandeKH , und 1 Aequiv. Schwefel aus der SuKoearba
mmsaure s.ch zu Schwefelwasserstoff vereinigen ; dieser vcrbinde "c.^.V
term,t e.nemTheii unveranderten Ammoniak ,n Schwefelammonium, deJen
I ntstehung be, d.eser Gelegenheit sieb leieht naehweisen liisst. Der Res,
er Element* des Bittennandeiols C14 B& (Benzoyi) vereinigt sieb rait dem
durch Veriust von 3 Wasserstoff und 1 Selnvefel-Aequivalent aus der Snlfo.
carbammsaure enistandenen Schwefelevan zu Sehwefelcyanbenzoyl , wie
nachstehende Gleichung zeigt:
ci * 'h o„ ■+■ a, mrsa = ct ,{ //5 + c.^ns., + 2ijo+ us.
12 *
176
valente sich mit clem seines Sauerstoffs beranbten Aceton zn der
zweiten Gruppe vereinigen^niimlich:
Der von tier Mutterlauge aufgenommene Schwefel wird bei
Zusatz von Salzsaure ausgeschieden.
Die Verblndung &.&•%«, «eren nahere Zusammen-
setzung so eben erortert wurde, vereinigt sich mit Schwefel plat.n
und Schwefelquecksilber zu Doppelsalzen, die ihre Zusammen-
setung m bestatigen vermogen.
Platinverbindung. Kalte alkoholische Losungen von
Platinchorid und der krystallisirten Verbindung erzeugen be.m
Zusammenbringen einen Niederschlag, der in Alkohol etwas los-
lich ist und durch Zusatz von ein wemg Wasser vermehrt wird.
_ Es dauert langere Zeit, bevor alles ausgctallt ist und me^tens
erscheineu die spSter herausfallenden Parthien etwas l.chter ge-
flrbt Im Ganzen ist der Niederschlag briiunlich gelb, durchaus
unkrystallinisch, selbst jener der aus kochendem Alkohol s.ch
wieder ausscheidet. Er lasst sich bei 100° trocknen, neeht be.m
Erhitzen anfangs brenzlich, dann nach Schwefelwasserstoff und
schwefliger Saure , und verglimmt endlich zu reinem Platm.
Mit Schwefelcyankalium gemischt und erhitzt, entsteht kein
Senfol,
n fcaifi firm Subst. g-aben 0-364 KoMensaure unci 0130 Wasser
v „ bei der Sliekstoffbestimmung 0-101 met. Platin
Platinbestimraung 0-0G7 » m
0-2015
0-1780
In 100 Theilen :
bereclmet gefunden
_ 22-97 — 22-84
__ 331- 3-32
__ 535— 5 48
Sn _240 - 3078- -
Pt,
— 180
— 26
— 42
2950— 37-59 — 3704
783-6 - 10000 -
wonaoh ihm die Formel zukbmmt :
177
Die Quecksilber -Verb indung, die leicht durch Fiil-
lung einer ka 1 tweingeistigen Losung der Kry stall e mit einer
eben solchen Losung von Quecksilbersublimat erhalten wird,
stellt cin anfangs vollig weisses, naeb dem Trocknen etwas gelb-
liches Pulver dar, das in Weingeist schwer , im Wasser gar
nicht loslich ist.
Es gibt mit Eisenchlorid iibergossen , besonders beira Er-
warmen , eine Schwefelcyanreaction, mit Schvvefclcyankalien eben
so vvenig Senfol wie das vorige Salz.
Es enthalt nebst Sebwefelquecksilber noch bedeutende Mengen
von Quecksilberchloriir, und schwarzt sieh beim Behandeln mit
Kali. Bei 100° C. getrocknet und analysirt ergaben:
0-7675 Grm. Subst. 0-083 Grm. Kohlensaure und 0-032 G. Wasser
0-454 „ „ bei der Schwefelbestimmung 0-327 „ Schwefels. J3aryt
0-7125 „ „ zur Bestimmung des Quecksilbers und Chlor's mit
vollig chlorfreiem Aetzkalk gegliiht 05462 met. Quecksilber und 0-2835
Chlorsilber.
In 100 Theilen:
berechnet gefundcn
£-30 ~
- 180 — 303 — 2-94
Mn» -
- 26 — 0-43 — 0-46
iV3 -
- 42 — 0-70 — —
Sie -
_ 576 _ 9-70 — 9-87
Hgis -
- 4500 — 75-84 — 7665
Cin -
- 609 — 10-30 — 9-83
5933 — 10000
Sonach mus fur dasselbe die Formel gegeben werden :
(C3„ Hu, N3 Sa ) + (%!HgS . ISHffCI)
Die Verbindung
2 (C6 //„ S) . Cz Hz ZVS8 + 2 (Cf, H, . Cy S3)
zerfallt, wie schon einmal erwiihnt , beim Kochen mit Aetzkali
in Mesityloxyd, wahrend Ammoniak entvveicht ; erhitzt man die
Krystalle bis zu ihrem Schmelzpunct, sodestilliren zweierleiFliis-
sigkeiten ab, die sich in 2 Schichten sondern, gerade wie wenn
man Aceton , Schwefelkohlenstoff und Ammoniak, aus denen
sie entstanden sind, mischt. Die untere ist lichtgelb, und man un-
tcrscheidct durch den Geruch ganz Icicht Aceton und Schwefel-
178
kohlcustoH' in ihr; die oboreistdunkelroth, und entluilt viol Schvve-
felammonium. Past gleichzeitig mit der Zerlegung in diese Be-
standtheile sublimiren feine glanzcude weisse Nadeln am Ile-
tortenhalsc an, die geruclilos , von intensiv bitterem Geschmack,
und gleich loslich in Wasser, Weingeist und Aether sind.
Leider sind sie von den gefiirbten Fliissigkeiten so durch-
zogen , dass bei ihrer kleinen Menge die Reindarstellung fur
die Analyse fast unmiiglich wird.
Sie mogen ein ahnlicher, aus Koblenstoff, Wasserstoff und
Stickstoff besteheuder Ktirper sein, wie jener, dem Benzoyl-
azotid zunachst stehende, den Quadrat bei der trokenen Destil =
lation des Schwefelcyanbenzoyls crhielt.
A c c t o n y 1 a m i d und S c h w e f e 1 c y a n a c e t o n y I. Wcnn man
dieKrystalle des sulfocarbaminsauren Schwefelacetonyls + Schwe-
felcyanacetonyls mit Alkobol kocht, so entwickelt sich Ammouiak
und Kohlensaure, und weiterhin zersetzt sich die Losung, indem
sie immer dunkler bis brauaroth wird, unler Bildung von Schwe-
felaminonium.
Dabei sammelt sich bcim Stehen am Boden des Gefasses
eine geringe Menge einer neuen krystallinischen Verbindung die
von der farbendeh Mutterlauge schvver zu befreien ist, und durch
oft wicderholtes Umkrystallisiren gereinigl; wcrdcn muss. Die
Substanz erscheint dann weiss ; sie enthalt Schwefelcyan, und
gibt unter der Luftpumpe getrocknet bei der Analyse :
0*1765 Grm. gaben 0-333 Kohlensaure und 0-143 Wasser.
0- 175 5, bei der Stickstoffbestimmung 0-207 met. Platin
In 100 Theilen :
herechnet geftmdtm
C„6 -
- 216 — 51-67 —
51-45
Hu -
- 36 — 8-61 —
900
m -
_ 7() __ 16-74 —
16-84
s« -
- 96 - 22-98 —
•i
418 — 10000
weleher Zusammcnsetzung die Formel ■"
2 (Ce Hf, . NIh) + 3 (Ct H, . Cy Si)
entspricht, wonach aus der friihcr sulfocarbaminsauren Scluvcfel-
verbindung eine Amidvcrbindung entstanden ist, vereinigt mit der-
selben Schwefelcyan verbindung, wie in dem urspriinglichen Salz.
179
Schon Berze litis hat jener Aiisicht iiber die Constitution
ties Acetons widersprochen, der zufolge es von Einigen als der
dem Mesityloxyd zukommende Alkohol betrachtet wurde; auch die
besprochenen Verbindungen sind geeignet, diese Ansicht zu wi-
derlegen, und die Behauptung zu uiitcrstiitzen, dass das Aceton
das Bioxyd des Acetonyls C^H^ ist, welches Radical mit einem
Aequivalent Schwefel, Schvvefelcyan , Amid u. s. w. verbunden
werden kann.
Die Verbindung mit einem Sauerstoff-Aequivalent ist im iso-
lirten Zustande nicht bekannt; in Verbindung mit Wasser babe
ich sie in einem spater zu beschreibcnden Product angenomineu,
welches durch Destination von mesitiloxydschwefejsaurem Kalk
mit Schwefelkalium und Entschwefeln des Destillats mit Kali und
Quecksilberoxyd erhalteu wurde.
Um zu sehen, ob vielleicht im statu nascenti eine Schwe-
felverbindung des Acetons entsteht, wurde essigsaures Bleioxyd,
Natronkalk und Schwefelkalium trocken destillirt. Die dabei auf-
tretenden Producte sind jedoch nur Schwefelwasserstoff und eine
acetonhaltige, wasserige Fliissigkeit ; im Piiickstand findet sich
Sclnvefelblei. — Liquor Bcguini und Aceton bilden nach lan-
gerem Stehen, withrend sich in der ersten Zeit etwas Schwefel
krystallinisch abscheidet, eine dicke, dunkelpurpurrothe Fliissigkeit,
die den stechendcnGcruch des Schwefelammoniums nach und nach
ganz verlicrt, einen schwachen Acetongeruch aber beibehalt.
Mesityloxyd. Ce lh O.
S c h we 1 wass erstoff - Schwefelac etony 1. Um das
Mesityloxyd in eine Schwefclvcrbiiidung iiberzufiihren, wurde
Anfangs nach Kane die Chlorverbindung desselben mittelst fiinf-
fach Chlorphosphor darzustellen versucht, um diese dann weiter
mit Schwefelkalium zerlegen zu konnen.
Es ist aber die Menge des auf diese Weise erhaltenen
Chlormesityl's, selbst wenn man mehrere Loth reines Aceton an-
wendete, so gering gewesen, tlass es nicht hinreichte, weitere
Versucbe damit anzustellen.
Auch scheint Kane diesen Uebelstand selbst gefiihlt zu
haben, da seine Angaben iiber das Chlor-, Jod- und Schwefel-
mesityl diirftig genug sind.
180
Viel leichter gelingt ilic Barstellung sclnvefelhaltiger Pro-
ducte wenn man mesityloxydsehwcfelsauren Kalk mit einfach oiler
fiinffach Schwefelkalium trffcken deslillirt. Schon beim Zusammen-
reiben beider Substanzen tritt, wahrend sicb die Masse etwas
envarmt ein heftier Knoblauchgcruch auf, der sich bei dcr wei-
teren Destination aufs unangenehmste verbreitet.
Die ei"-entliche Reaction beginnt bei 120 — 130° C, untl
braucht, ist sie einmal im Gange, durch weiteres Erhitzen gar
nicht unterstiitzt zu werden.
Bei der Anvvendiing von einfach Schwefelkalium ist das De-
stillat anfangs wasserklar, die spater kominende Portion ist et-
was triibe, lost sich aber in der erstcn noch klar auf. Es ist
nicht schwer zu bcmcrken, dass, selbst so lange die Fliissigkeit
noch klar bleibt, schon eine zweite specifisch schwerere iiber-
geht, and sich mit der ersten mischt; diess scheint von einem ver-
anderlichen Gehalt an Schwefelvvasserstoff herzuriihren, der sich
wahrend der ganzen Operation in Menge entwickelt. Weiterhin
geht Wasser mit uber, welches viel von der Vcrbindung auflost,
wesshalb bei Zeiten die Vorlage gewechselt werden muss.
Tragt man in ein so erhaltenes gemischles Product Chlor-
calcium ein, so wird dieses in Menge aufgelost, bis zuletzt ein
Chlorcalcium nicht mehr auflosender Rest zunickbleibt, der ab-
"•ezo^en und fur sich rcctificirt werden kann. Aus der dickli-
chen Chlorcalcium -Masse destillirt dann im Wasserbade ein
farbloscs nach Zvvicbeln riechendes Oeli'iber, das mit blatter
Flamme brennt. Seine Zusammensetzung ist:
I. 0-3010 Grm. Subst. gaben 0-5175 Kohlensaure und 0-32;S5 Wasser.
II. 0-400 „ „ ,, °-683 " » °'430 "
9.3747 0-291 schwefelsauren Baryt.
In 100 Theilen:
bcreclinet gefunden
i.
ii.
Cis
— 108-
46-75 —
46-72 -
- 46-60
H„
— 27 —
11-64 --
1194 -
- 111)3
Os
- 64 —
27-76 —
26-78 -
~ •■>
Sz
— 32 —
13-85 -
14-56 -
5)
231-100,00-10000
181
und cntspricht der Pormel
3(C\He)+S+HS+8aq.
Jenes Oel, welches vom Chlorcalciuni nicht mehr aufge-
nommen wird, 1st sehr wahrsclieinlieh sauerstofffrei. Ich schiit-
telte es, urn den iibersclmssigen Sehwefehvasserstoff zu entfer-
nen mit einer verdiinnten Kalkmilch, und hiebel mag es sich et-
was zersetat haben.
Die Analyse ergab C: 4503 — H: 10-67 — £ : 4145 und
einen Rest von 2-85% Sauerstoff. Ich halte dafur, dass ihm die
Formcl: CGH&S+HS zukomrot, welche in 100 Theilen ver-
langt : C : 481 — H : 93 — S : 42-6.
Die Analyseu zweier Oele von anderen Bereitungen, abgenom-
men, so lange das Destillat noch einerlei war, danuinitkohlensaurem
Natron zur Entfcrnung des freien SchwefelwasserstofFesgewaschen
und ttber Clorcalcium getrocknct, was auch einen kleinen Theil da-
von aufnahm, i'uhrtenzu ahnlichen Formeln, die sichnur durch einen
Mehr- oder Mindergehalt von Schwefclwasscrstoff unterscbeiden.
A 0-275 Grm. Subst. gaben 0-395 Kohlensaurc und 0-208 Grm. Wasser
0-241 „ „ „ 0-367 „ „ 0-199 „
0-234 ,, „ „ 0-84G schwefelsauren Baryt
8
In 100
Theilen :
A
B
berechnet gefunden
berechnet gei'unden
ce
— 30 — isMsT— "3^17
C,4 - 144
— ^wilT '— 41-53
Us
— 8 — 8-09 — 8-99
#31 - 31
— 8-83 — 9-17
8,
— 48 — 52-18 -
Su — 170
- 50-15 — 49-59
92 — 100»00
351
— 100-00 — 100-29
= C,,&dS + 2 H8
= 3 (C6 tf6S-
2H.S) + (C6H(,S-.//£)
Wendet man zur Dai-stellung dieser schwefelhiiltigen Ocle,
die sich alle durch einen hochst widerlichen, penetranten Knob-
lauchgeruch auszeichnen, fiinffach Schwefelkalium an, sotrittausser
dem im Anfange crschcinenden ungefarbten, sehr beweglichen Oel,
bei gesteigerter Hitze auch eiu gelbes, mit viel Wasser iibergehen-
des Oel auf, welches in der Vorloge zu Boden sinkt. Das farblose
Del , welches gesondertwerden muss, bevor das Wasser erscheint,
Bat ziemlich dieselbe Zusammensetzung, wie das cben angefiihrte
Del B. Es gaben namlich 0,1853 Subslanz 0,2805 Kohlcnsaure
»nd 0,1435 Wasser.
182
Demnach in 100 Theilen: C : 41-28 und H: 8-60.
Dasschwere,gelbe Ocl von mehr zwiebelartigem Geruch wurde
benfitzt, urn eine Verbihdung mil Platinchlorid zu erzeugon, die
entsteht, wennman die weingeistigen Auflosungenbeider Substanzen
mischt, von dem sogleich enstehenden dunkelrothen, fast ganz aus
Schwefelplatin bestehenden Niederschlage abfiltrit, dann die Fliis-
sigkeit mit ein wenig Wasser bis zur anfangenden Triibung ver-
setzt, und durch Erwarmcn im Wasserbade die Bildung einer licht-
gelben, amorpben Vcrbindung unterstiitzt, welehe nach dem Aus-
waschen mit Alkohol bei 100° getrocknet werden kann.
0.268 Grm. dieser Vcrbindung gaben 0-140 Kohlensaure und 0-0i5 Wasser
01 205
0-157
0-163 schwcfelsauren Baryt
0-087 met. Platm.
In 100 Theilen:
bereclinet
gefunden
Ceo —
360 — 14-45 —
14-24
jiraso —
50 — 200 —
1-96
Ptllt —
1379-8 — 55-41 —
5541
S26
416 — 16-50 -
16-55
C78 -
284 — 11-64 —
11-84
2489-8 _ 10000 — 10000
Die Zusammensetzung gibt die Formel :
2 (CtHsCl). 3 (P*CZ) + 8 (CaHrS-PtS) + 7 PtS2.
Ilier erscheint durch die Befaandlung mit Plalincblorid in der
Warmc bereits der Wasserstoffgehalt durch Salzsaurebilduug redu-
cirt und diese Formel liesse auf die Moglichkeit der Bildung einer
Schwcfelcyanverbindung aus der Gruppe Ce Hs CI mit Schwefelcyan-
kalium schliessen; allein der Versuch lehrt nichts der Art; es geht
beim Erhitzen des Platindoppelsalzes mit SchwefelcyankaliumBlau-
saure fort, und es destilliren einige Tropfen einer Flussigkeit von
hiichst widerlicbem Geruch, der an das ursprttnglichc Oel erinnert.
Die vorhin beschriebenen Oele lassen sich entschwefeln, wenn
man sie mit Aetzkali und Quecksilberoxyd langere Zeit schtittelt.
Es verschwindet dann der penelrante KnoMauchgcruch bis auf
eine geringe Spur, die aber bei dem einzigen Versuchc, den ich
anstellen konnte, doch nochvon cinem kleinen Schwefclgehalte her-
riihrte, wie die Analyse bewies.
183
Es war dazu jenes Oel verwendet wordeii, fur welches ich die
Formel 3 (C6//6) + S + H8 + 8 aq. berechnet habe. Von dem Ge-
misch von Kali und Quecksilberoxyd abdestillirt liatte es noch die
Eigenschaft, Chlorcalcium aufzulosen, und wurde daher auch davon
im Wasserbade abo-ezosren.
0-459 Gnu. Substanz gaben 0-459 Kohlensaure und 0-283 Wasser
0-2195 » ,, „ 0-042 schwefelsauren Baryt
In 100 Theilen:
berechnet
gefimden
^48
— 288 — 46-82 —
46-23
//71
— 71 — 11 54 —
11 61
0,o
— 240 — 39-04 —
39-54
S
— 16 — 2-60 —
2-62
615
100-00
10000
23 HO.
- Uc„utO)\
l.(C,H,8)j
Nach der Menge Wasser, mil, welcber vcrbunden dieses Oel
vom Chlorcalcium abdestillirt , scheint es , dass die Verbindung
CeIItO, das eigentliche Acetonyloxyd, ohne einen grossen Was-
sergehalt gar nicht beslehen kann.
So wie nun durch Destination von mesityloxydschwefelsau-
rem Kalk mit Schwefelkalium Schwefelverbindunjren der erwahnten
Art entstehen, so wird es ohne Zweifel auch gelingen, die entspre-
chenden Phosphor-, Cyan-, Amidverbindungen u. dgl. bei Anwen-
dung von Phosphorcalciura, Cyankalium u. s. w. zu erzeugen, und
so die Reihe dieser Verbindungen vollstandig zu machen. — Eine
Schwefelcyanverbindung bildet sich wie ich glaube auch auf diese
Weise, denn mesityloxydschwefelsaurer Kalk und Schwefelcyan-
kalium geben ein Destillat von scharfem,stechenden vonSenfolaber
ganz verschiedenen Geruch, das sich in Ammoniak milchig auf-
lost, und beim Verdunsten dieser Losung Krystalle hinterlasst.
Ich bin auf die weitere Untersuchuas; dieser Verbiuduno-en
nicht eingegangen, weil ich schon bei den Schwefelverbindungen
meine Anfangs ausgesprocheneu Voraussetzungen nicht gerecht-
t'ertigt sah.
184
Metaceton Ce/7a0,
Das nach Gottlieb bcreitete Metaceton liefert mit Schwefel-
kohlenstoff und Ammoniak keine dem Aceton analoge Verbindung.
DieKrystalle, die gleichwohl entstehen, sind nichts anderes als sul-
focarbaminsaxires Schwefelammonium.
Schwefelkalium oderSchwcfelcyankalium bewirken keine Zer-
setzung, die eine Schwefel-oder Schvvcfelcyanverbindung zur Folge
hiitte. Der graugriine Niederschlag, der aus wcingeistigen Losun-
gen des Metacetons und Quecksilberchlorids entsteht, liefert beim
Erhitzen mit Schwefelcyankalium eben so wenig die gesuchte Ver-
bindung.
Uebrigens bin ich bei der Bereitung des Metacetons zum Be-
hufe dieser Versuche axif die eigenthvimliche Natur dieses interes-
santen Korpers, und iiberhaupt auf die bei der Destination von
Kalk undZucker entstehenden Producte aufraerksam gevvorden, und
es hat sich im Verlaufe einiger Versuche herausgestellt, dass der
dabei stattfindende Process sehr verscbieden von dem bisher
allgemein angenommenen ist. Die dahin einschlagigen Versuche
bilden den Gegenstand einer andern in Kiirze erscbeinenden
ausfiibrlichen Arbeit , die im hiesigen Laboratorium von Herrn
Schwa rz zu Ende gcfuhrt wird, und der ich hier nicht vorgrei-
fen will.
Kohlenhydratc Ga //io Oio.
Die mit Zucker unci Starkmehl angcstelllen Versuche vvaren
gleichfalls evfolglos. Sie bestandcn in der Destination derselben mit
Schwefel, Schwefclcalcium, Schwefelkalium, Aetzkalk und Schwefel.
Hierbeifand stets eine starke Schwefelwasserstoff-Entwicklung statt,
wahrend auf der andern Seite eine metacetonartig-brcnzliche Flussig-
keit und brennbareGase fortgingen. Constante Scbwefelverbindun-
gen entstehen auf diese Weise durchaus nicht. — Nach alien dicsen
Erfahrungen wird es keiner Entschuldigung bediirfen, wenn ich
davon abstand, auch noch die Milchsaure ahnlichen Behandlungen
zu unterziehen; ich konnte im Vorhinein sicher sein, dass das
Lactyl am allerwenigsten Beziehungen unterliegen wiirde, nach
denen ich schon bei Radicalen fruchtlos gesucht hatte, bei welchen
viel mehr Wahrscheinlichkeitsgrunde fur einen Erfolg sprachen. —
185
Das Rcsultat aller dieser Versuche ist also in Bezug auf die
Frage, ob sich bei der Substitution des Sauerstoffes der verschie-
ilenen aus Ca Us bestehenden Kohlenwasserstoffe durch Schwefel
oder Schwefelcyan Verbindungen bilden, die mit denen des Allyls
identiseh sind, durchaus verneinend.
Die statt der en erbaltenen Verbindungen sind vielmehr:
I. Die sulfocarbaminsaure Schwefel- und Schvvefelcyanverbin-
dnng des Acetonyl's
- 2 (C. He S) . (Ca m N «,) + 2 (Ce //« . Cy SJ.
II. Das Acetonylamid mehr Scbwefelcyanacetonyl
= 2 (C6 H6 ■ 2VJT0 + 3 (C6 H, Cy Sz).
III. Die den ersteren Verbindungen entsprechenden Platin-
und Quecksilber-Doppelsalze
= (CsoHztN3S9) + 3PtSzn.(CsoH2eN3SJ +27 HffS+ ISFfgCI.
IV. Ein- und zweifach Schvvefelacetonyl-Schwefelwasserstoflf
= 3 (CeH<>) + S+HS + 8aq
CsH6S + HS (?)
C\HrS+2 HS
3 (C6 H* S . 2 HS) + (C, Ht S . HS)
V. Das Acetonyloxyd (wasserhaltig) verunreinigt mitSchvve-
felacetonyl.
= 7(C6/7oO)
(CeHeS) + 2'Aa^
VI. Endlich die Chlor- und Schwefelmesityl-Doppelverbin-
dung mit Chlor- und Schwefelplatin.
= 2 (C6 H, CI) . 3 (PlCl) + 8(C6 // S . PtS) +• ? i%&.
Nunmehr blieb nur noch die Frage au beantworten ubrig,
ob niclit umgckehrt das Allyl cinen Zusammenhang seiner Saner-
stoffverbindungen mit jenen der isomeren Kohlenwasserstoffe
aufzuweisen habe: Das Allyloxyd, ein Korper, dessen Reindar-
stellung eine schnelle Oxydation so sehr hindert, konnte mog-
licher Weise das wasserfreie Aldebyd der Metacetonsaure sein,
und es war von Interesse, zu erfahren, ob diese Oxydation bis
zur Metacetonsaure von selbst fortschreite. Ich habe in dieser
Hinsicht gefunden, dass die am constantesten zu erhalten mog-
186
liche Sauerstoflfverbindung All Oz ist, ilass diese aber sich nieht
weitcr verandert, wcnn gleich undersells die Mctacctonsaure
ureter die Oxydationsprbducte des Allyls zu ziihlcn ist.
Kocht man durch mehrere Stundcn Scnfol mit einer con-
centrirtcn Natronlauge in einem Apparatc, wo sich die Dampfe
fortwiihrend wieder vcrdichten miissen, so nimmt zuletzt der
Rest des Oeles, der ungefiihr ein Drittel von dem urspriinglich
angewandten betragt, einen ganz andern, milderen Geruch an,
der besonders hervortritt, wenn man das noch in der Fliissig-
keit befindlicbe Ammoniak neutralisirt hat. Durch Behandlung mit
einer warmen Losung von Bleioxydkali, im Fallc es noch cine
Spur Schwefel enthielte, mehrmaliges Waschen mit verdiinnter
Schwefelsaure und Wasser, und durch Rectification fur sich ist
esrein darzustellen, erscheint wasserklar und von einem Geruche,
der sicli nicbt bezeichnender vergleichen lasst, als mit dem
marinirter Fische. Die riickstandige Lauge enthalt Spuren von
Metacetonsaure, Schwefelnatrium und kohlensaurem Natron ; aus
dem Cyan entsteht Ammoniak, welches fortgeht und in Salz-
siiure aufgefangen werden kann i).
Von im Wesentlichen ganz denselben Resultaten ist audi
der Versuch begleitet, den Wertheim zur Darsteilung seines
Allyloxyds vorgeschlagen hat.
Senfol und Natronkalk reagiren heftig aufeinander: das
Gemenge erhitzt sich bedeutend, und destillirt man, nachdem die
Einwirkung einige Zeit gedauert hat, ab, so erha.lt man ein
farbloses Destillat, dem noch ein starker Amrnoniakgeruch an-
haiifi-t, und welches von Wasser einem kleinen, von verdiinnter
Schwefelsaure einem grossernThcile nach aufgenommen wird, wah-
rend der Rest als etwas gelblich gefarbtcs Oel obenauf schwimmt.
Dieses Oel ist, nachdem man es rectificirt hat, schon sei-
nen physikalischen Eigenschaften nach dem beim crsten Ver-
suche erhaltenen tauschend iihnlich.
(Die Darsteilung desselben gelingt iibrigens gerade so gut
in einem Kolben oder einer Retorte, als in einer knieformig
*) Das aus dem gebildeten Salmiak dargestellte Platinsalz wurde zur Vor-
sicht lintersucht: 01H Gramm Substanz gaben 0,064 Gramm met. Platin
= 44-4 pCt.
Der berechnele Platiagehalt des Platinsalmiaks ist in 100 Theilea = 44-3.
^
187
gebogcnen GlasrOhre. In hermetisch gcschlossenen Rohren zu
destilliren ist sogar bei Iter Masse von Ammuniak, das sich
entwickelt und unter einem bohcn Druck condensiren muss,
sehr gefahrlich. Es ist mil- geschehen, dass beim Oeffnen einer
solchen Rohre dieselbe durch eine Explosion, die gliicklicher
Weise ziemlich schadlos ablicf, zertriimmert , und der Inhalt
weit umhergeschleudert wurde). — In dem riickstandigen Natron-
kalk finden sicb ganz dieselbcn Salze, wie friiher in der Lauo-e.
Die Zusammensetzung dieser Oele ist folgende:
A Durch Kochen des Senfols mit Natronlauge erhalten :
0-2723 Gramm Substanz gabcn 0-617 Granim Kohlensaure
und 0-210 Gramm Wasscr.
B. Durch Behandlung des Senfols mit Natronkalk :
0-2935 Gramm Substanz gaben 0-0(515 Kohlensaure und
0-239 Waster.
In 100 Theilen :
berechnet
— 216 — 61-53 -
— 31 — 8-82 —
_ 104 — 29-65 —
jefunden
A B
61-79 — 61-49
8-56 — 9-04
29-65 — 29-47
351 — 100 00 — lOtFoo — lOO^OO"
Diess entspricht der Formel 6 (Ce Jlr Oi) f HO
Wertheim erhielt von seinen Produeten ZahJen , denen
ungefahr die Formel Cf H( O ,| zukommt, die also gcwissermas-
sen einen Uebergang zu dieser Verbindung inaehen, die sich
Iange Zeit unverandert erhalt, wahrend jene einer l'ortschrei-
tenden Sauerstoflfzunahnie untcrlag.
So wie seinen Oelen kommt auch der Verbindung C H O
die liigenschait zu, in einer concentrirten wemgeistigen Losun«-
von salpetersaurem Siiberoxyd Krystalle eincs Doppelsalzes zu
erzeugen, das alle Eigenscbaften des salpetersauren Silberoxyd-
Allyloxyds hat.
(Zu meinem Bedauern verungliickte die kleine Menge, die ich
zur Bestimmuiig des Atomgewichtes vorbereitet hatte, und ich
kann daher seine Identitat durch Zahlen nicht beweisen.)
Ich habe erwahnt, dass das Destillat, welches man bei der
Operation mit Natronkalk erhalt, an verdiinnte Schvvefelsaure
188
einen Theil abgibt, und dass nur der kleincre Rest die beschrie-
bene Vcrbindung C6 Hi 0% darstellt. Die geringen Quantitaten, in
denen ich diese Substanzcn stets erhielt, erlaubten mir keine weit-
liiufigen Versuche; am leiehtestcn und belehrendsten erschien mir
noch die Darstellung einer Plalinverbindung, um aus deren Atom-
gewicht und sonstigen Eigenschaften einige Sehliisse zu ziehen.
Um sie zu erhalten wurde das rohe Destillationsproduct zuerst
unter der Luftpumpe iiber Schwefelsiiure seines Ammoniaks be-
raubt, der Rest mit sebr verdiinnter Schwefelsiiure vermischt,
und das ausgeschiedene Oel abdestillirt.
Die schvvefelsaure Flussigkeit lief durch ein nasses Filter
ganz klar ab, und gab beim Vermischen mit Platincblorid einen
gelben, etwas flokigen Niederschlag. Dieser wurde nach demAus-
waschen vom Filter genommen, und bei 100° getroeknet.
Ohne sich zu zersetzen, blaht er sich bei dieser Temperatur
auf, und schmilzt theilweise; zerreibt man ihn in diesem Zustande,
so lasst er sich vollkommen austrocknen ; beim Verbrennen
schwarzt er sich, und hinterlasst das met. Platin schwammig, ganz
silberweiss. 0,099 Grm. Subst. gab en 0,0333 Grm. met. Platin
= 33,63%.
Diese Eigenschaften zeichnen das von Will analysirte Platin-
salz des Thiosinnamins aus; der berechnete Procentgehalt dessel-
ben ist allerdings 30,62, allein Will bcmerkt ausdrucklich, dass,
wenn man die Losung des Thiosinnamins nicht zuvor mit salz-
saurem Gas siittigt, man stets einen viel holier en Platingehalt
erbiilt, der nach seinen Bestimmungen bis zu 43 pCt. gehen kann,
wahrscheinlich in Folge einer Zersetzung.
Dass sich bei der erorterten Operation etwas Senfol-Ammo-
niak bildet ist, bei der Menge des sich erzeugenden Ammoniaks
nicht eben befremdend.
Die vorstehenden Versuche sind mit Senfol aus zwei verschie-
denen Bezugsquellen angestellt worden ; beide (Sorten Oel ent-
sprachen vollig den Anforderungen, denen ein gutes, frisches
Senfol gcniigen muss.
Vordem aber habe ich langere Zeit mit eincm Senfol gear-
beitet, mit welchem ich zu ganz eigenthiimlichen llesultaten ge-
langte. Es war von einer sehr soliden hiesigen Drogueriehandlung
189
bezogen, und von Jobst in Stuttgart dargestellt. Im Vergleich mit
den andern Oelen hatte es einen etwas schwacheren Geruch
und eine dunklere Farbe; offenbar schien es alter als die beiden
andern; dass es unverfalscht gewesen sei, ward mir aufs bestimm-
teste versichert, auch giaube ich das bei dem bekannten Re-
nommee beider Handlungshauser annehmen zu diirfen. Thiosinna-
min lieferte es mit Leichtigkeit. Endlich ware es der sonder-
barste Zui'all, wenu man im Palle einer Verfalschung zu einem
Korper gegriffen hatte, dessen Zusammensetzung so leicht in
Verbindung zu bringen ist mit jener des Senfols.
Ich erhielt, urn kurz zu sein, beim Kochen dieses Oels mit
Natronlauge, Salbeyol; das von der Lauge abgezogene rectifi-
cirte Oel hatte vollig den Geruch und die Eigenschaften reinen
Salbeyols. Mit Salpetersaure gab es wahrnehmbare Menken von
Kampher, und bei der Analyse des fiber Ca CI getrockneten Oels
wurden erhalten aus: 0-301 Gramm Subst. 0-890 Gramm Kohlen-
saure und 0-317 Gramm Wasser.
DiessbetragtinlOOTheilenC: 80-63 — H: 1170— O : 7-67
Das Salbeyol besteht nach Rochleder aus:
C|2
jfiTio —
O -
80,00
11,11
8,89
100,00
Die Moglichkeit seiner Entstehung aus Senfol ware nach
folgender Gleichung gegeben: 10 (CaHrCi/S) + 12 Na O =
4 (Cu Hl0 O) + 2 (iV« O . Cs H5 OJ + 10 Na Cy S\.
Dass die demzufolge gleichzeitig entstehende Metacetonsaure
in der riickstandigen Lauge nicht nachzuweisen ist, bewiese nichts
dagegen, da sie bei dem Ueberscbusse von Natron sehr leicht bis
zu Ameisensaure zei-fallen kann, die sich auch in ziemlicher
Menge darin findet. Alle iibrigen Erscheinungen sind dieselben
wie bei den friihern Versuclien. —
Es gelingt nicht, aus Salbeyol durch Behandeln mit PC/5 eine
passende Chlorverbindung zu erzeugen, die sich weiter durch
Zersetzung mit einem Schwefelmetalle oder Schvvefelcyankalium
in eine Schwefel- oder Schwefelcyau-Verbindung iiberfiihren liesse
auch findet sich unter den Oxydationsproducten des Salbeyols, die
Sitib. d. mathem, - naturw. CI, Jabrg. 1850. II. Bd. II, Heft. 13
190
man durch Salpetersiiure oder Natronkalk crhiilt, keine Fettsiiure
oder Metacetonsaure, wesshalb ich vorlaufig auf dieses einzelne
Resultat noch keinen Wfcrth legen kann.
Ob es moglich sei, dass sich Senfol rait der Zeit in einer
Weise zersetzt, die die Bildung von Salbeyol moglich macht, werde
ich vielleicht erfalireu, wenn ich eine Portion Senfol, die ich in
einem o-eraumigen Kolben unter Sauerstoffgas durch ein Jahr oder
lander aufzubewahren gedenke, zu diesemEnde wieder untersuche.
Die vorliegende Arbeit ist in dem Laboratorium des Herrn
Professors Rochleder, und untersttizt durch dessen freundlichen
Rath, ausgefuhrt worden.
c) „Ueber die Wurzel der C e p h a e 1 i s Ipecacuanha"
von Ervvin Willigk :
DicWurzel der Cephaelis Ipecacuanha wurde von Pel I e tier
untersuchf, er fand in der Rinde dieser Wurzel: Fett, atherisches
Oel Wachs , Gummi , Starke , Emetin , Gallussaure und Holz-
substanz ; in dem holzigen Kern einen eigenthiimlichen Extrac-
tivstoff, und die eben genannten Korper rait Ausnahme des Wachses.
Ich habe mich mit der Wurzel dieser in die Familie der
Rubiaceen, Abtheilung der Caffegewachse gehorigen Pflanze
beschaftigt, um die Natur der darin enthaltenen Stoffc genauer
zu ermitteln.
Ich fand, wie schon Pelletier angegeben hat, kleine
Mengen von Fett und Spuren eines ekelhaft riechenden iitheri-
schen Oehles , Gummi, Stiirke, Pektin, Emetin, Holzfaser und
eine eigenthumliche Siiure, die von Pelletier irrthumlich fur
Gallussaure gehalten wurde.
Die Resultate dieser Untersuchung sind in den folgenden
Zeilen niedergelegt.
Starke und Pektin.
Wenn man die zerstossene Wurzel mit Wasser auskocht,
erhalt man eine briiunlich gefiirbte gelatinose Flussigkeit von
ekelhaftem Geruch, die durch grobe Leinwand durchgeseiht wurde.
Die auf diesc Weise von der Holzfaser getrenntc Flussigkeit
wurde mit viel Wasser verdiinnt und durch Papier filtrirt; hiebei
191
Meibt anf dem Filter ein schleimiger schwierig auszuwaschender,
grau gefarbter Riickstand, der zu einer schwarzbraunen harten
brockligen Masse eintrocknet ; diese mit Wasser gekocht , gibt
eineschwach gelb gefiirbte Fliissigkeit, in der sich ein Gebalt an
Starke mit Leichtigkeit nachweisen lasst ; wird aber das Ausko-
chen mit Wasser vorgenommen , dem etwas Ammoniak zugesetzt
ist, so erhiilt man eine dunkelgefarbte Fliissigkeit, die auf Zusatz
von verdiinnter Chlorwasserstoff-Saure gallertartige Flocken fal-
len lasst, die alle Eigenschaften der Pektinsiiure besitzen.
Gummi und phosphorsaure Salze.
In der abfiltrirten Fliissigkeit ist ausser Emetin und einigen
Salzen eine nicht unbedeutende Quantitat von Gummi enthalten.
Wird die Fliissigkeit mit einer wasserigen Losung von Blei-
zucker vermischt, so entsteht ein Niederschlag von braunlicher
Farbe , der sich bei naherer Untersucluing grosstentheils aus
phosphorsaurem Bleioxyd bestehend zeigte; die von diesem Nie-
derschlage abfiltrirte Fliissigkeit gibt mit dreibasisch essigsaurem
Bleioxyde von neuem einen Niederschlag, der mit Wasser ausge-
waschen und mit Schwefelwasserstoff unter Wasser zersetzt wurde.
Die vom Schwefelblei abfiltrirte Fliissigkeit wurde auf die
Halfte eingedampft und mit Alkohol von 98 pCt. im Ueberschuss
versetzt; es fiel eine weisse Substanz zu Boden, die abfiltrirt,
ausgewascben und bei 100» C. getrocknet wurde.
Sie war im Wasser leicht loslich, gab, mit verdiinnter Chlor-
wasserstoff-Saure gekocht, Traubenzucker, und hinterliess nach
dem Verbrennen einen feuerfesten Riickstand, der 1,14 pCt. betrug.
Die Analyse gab : 44,45 pCt. Kohlenstoff und 6,31 pCt. Wasser-
stoff, was der Formel : Cn Hi0 Ot0 entspricht, welche die Zu-
sammensetzung des Gummi reprasentirt.
In der vom Gummi abfiltrirten alkoholischen Fliissigkeit ist
die eigenthiimliehe Siiure der Ipecacuanha enthalten.
Die von der Fallung mit dreibasisch essigsaurem Bleioxyde
abfiltrirte Fliissigkeit lasst, mit starkem Alkohol vermischt, ein
Gummi-Bleisalz von weisser Farbe fallen, das mit Schwefelwas-
serstoff zersetzt, vom Schwefelblei abfiltrirt und eingedampft, die
griisste Menge Gummi liefert.
In den letzten Multerlaugen ist das Emetin enthalten.
13
192
Ipecacuanha -Sitiire.
Um diese Saure, welclie von Pel le tier wegen Hirer Reac-
tion «auf Eisenoxydsalze fur Gallussaure gehalten wurde , rein
darzustellen, wurde die gepulverte Wurzel mit Alkohol von 0,840
aosgekochtj die abfiltrirte Fliissigkeit mit dreibasisch essigsau-
rem Bleioxyde ausgefallt, der Niederschlag mit Alkohol von 0,830
ausgewaschen und in verdiinnter Essigsaure gelost. Das phos-
phorsaure Bleioxyd bleibt bei dieser Verfabningsweise zuriick.
Die essigsaure Losung wurde mit dreibasisch essigsaurem Blei-
oxyde versetzt und der Niederschlag auf einem Filter gesammelt.
Die von dem Niederschlage abfiltrirte Fliissigkeit wurde mit
etwas Ammoniak versetzt, wodurch von Neuem eine Fallung ent-
stand; beide Niederschlage wurden fiir sich nacli dem Auswaschen
mit Alkohol von 98 pCt. mit Aether angcriihrt, durch Schwefel-
wasserstoff zersetzt und vom Schwefelblei abfiltrirt.
Der erste Niederschlag gab bei diescm Verfahren eine hell-
f>elbe Fliissigkeit, die im Wasserbade in einem Strome von tro-
ekener Kolilensaure eingedampft wurde, bis der Aether verlluch-
tiffit war. Der Riickstand wurde mit Wasser vermischt , filtrirt,
um ausgeschiedencs Fett zu entfernen , und hierauf mit Thier-
kohle digerirt; die von der Kohle abfiltrirte Fliissigkeit von roth-
lichbrauner Farbe wurde im Wasserbade in einem Strome von
trockener Kohlensiiure zur Trockene eingedampft. Der Ruck-
stand , bei 100° C. getrocknet, wurde zur Analyse verwendet ;
er stellt das Hydrat der Ipecacuanha-S'&ure dar.
Die Resultate der Analyse sind unter Nr. I aufgefiihrt.
Der zweite Niederschlag wurde wie der erste behandelt; die
Analyse der aus diesem gewonnenen, bei 100° C. getrockneten
Saure ist unter Nr. II angegebeu.
Die so dargestellte Saure der Ipecacuanha ist eine amorpho
rothlichbraune Masse von stark bitterem Geschmack; sie ist stark
hygroskopisch, wesshalb die Beslimmung ihres Wasserstoffgehal-
tes mit Schwierigkeiten verbunden ist ; sie lost sich in Aether,
leichter in Alkohol und Wasser. Die verdiinnte wasserige Losung
gibt mit Bleizucker keine Fallung, mit dreibasisch essigsaurem
Hleioxyde entsteht ein weisser ins Braune ziehender Niederschlag.
der mil Leichtigkeit Sauerstoff aus der Luft anzieht und dahci
193
dunkler gefiirbt wird ; ebenso wird derselbe durch Wasserverlust
dunkler, auch wenn das Trocknen bei Ausscbluss des Sauerstoffes
der Lufl vor sich geht.
Eine Auflosung von Eisenoxydsalzen (Eisenchlorid) wird
von cincr Losung der reinen Saure audi bei grosser Verdiiunung
griin gefiirbt, bei Zusatz von Ammoniak entsteht eine violette Fiir-
bung, bei Ueberscbuss desselben eine tint ens chwarze Fliissiffkeit,
aus der sich ein scbwarzbraun gefarbter Niederscblag absetzt.
Silber- und Queeksilber-Salze werden durch die Saure reducirb
Kupferoxydsalze geben in der Saure keinen Niederscblag, bei
Zusatz von Ammoniak entsteht jedoch eine schmutzig grunbraune
Fallung.
Wird eine Auflosung der reinen Saure mit Alkalien versetzt
der Einwirkung der Luft dargcboten, so tritt sehr bald eine dun-
kel schwarzbraune Farbung unter Absorbtion von Sauerstoff ein-,
diese Neigung, Sauerstoff aufzunebmcn, kommt, wiewohl in gerin-
gerem Grade, der reinen Saure sowohl als ihren Salzen zu.
Beim Erhilzen schmilzt die Saure, blaht sich auf, gibt einen
durchdringenden Geruch nach Ameisensiiure und hinterlasst eine
blasige Kohlc, die nur scbwierig verbrennt.
In concentrirter Schwefelsaure lost sie sich mit braunrother
Farbe; durch Zusatz von Wasser wird ein Zersetzungsproduct der
Saure in graucn Flocken abgescbieden.
Von Salpetersaure wird sie mit dunkel rothgelber Farbe ge-
liist; bei gelinder Erwarmung tritt eine lebhafte Gasentvvicklung
ein, wahrend die Auflosung sich c;elb farbt.
Die Saure wurde bei eincr Tempcratur von 100" C. getrock-
net der Analyse unterworfen.
1. 0,311 Substanz gaben 0,643 Kohlensaure und 0,1744 Was-
ser. Die Saure binterliess unwagbare Mengen einer grauen
llockigen Aschc.
II. 0,2911 Substanz gaben 0,5935 Kohlensaure.
HI. 0,259 Substanz gaben 0,150 Wasser. Diese Siiure binterliess
folgendc Menge von Asche :
0,1762 Substanz gaben 0,0015 Asche = 0,85 pCt.
194
Diess entspricht, auf 100 Theile berechnet, folgender Zu-
sammensetzung :
berechnet gefunden
i. n7^
14 Aeq. Kohlenstoff = 1050,0= 56,37 - 56,36 — 56,11
Wasserstoff = 112,5= 6,04— 6,23— 6,22
Sauerstoff = 700,0= 37,59 - 37,41 - 37,66
9
7
Atomgew. 1862,5 = 100,00
Die Formel C14 Ih O stellt das Hydrat der Saure dar gleich
C H 0 + HO, wie sich aus der Analyse desfolgendenBleisalzes
ergibt, welches nach Abzug des Bleioxydes die Formel Cn Hs, Oe
gibt. Dieses Bleisalz wurde auf folgende Weise dargestellt:
Die Wurzel wurde im Extractions-Apparate mit Alkoliol von
98 pCt. befeuchtet und mit Aether ausgezogen, der filtrirte Aether
auf den fiinften Theil eingedampft, nnd die riickstiindige Fliissig-
keit liingere Zeit mit Wasser gekocht, wobei sich cine fette Sub-
stanz ausschied; von dieser abfillrirt wurde die Fliissigkeit mit
Alkohol von 98 pCt. gemischt, und mit alkoholisclier Bleizucker-
16 sung gefallt.
Der Niederschlag wurde mit Alkohol von 98 pCt. ausgewa-
schen und bei 100° C. getrocknet.
0,2815 Grm.Substanagaben 0,3356 Kohlensaure und 0,0784 Wasser,
0,1394 „ „ „ 0, 064Bleioxyd.
Diess gibt nach Abzug des Bleioxydes far die Substanz :
berechnet gefunden
14 Aeq. Kohlenstoff = 1050,0 - 'eO^OO — Uolo
8 „ Wasserstoff - 100,0 - 5,71 - 5,72
6 „ Sauerstoff^ 600,0 - 34,29 - 34,18
Atomgew. = 1750,0 - 100,00 — 100,00
Ich gehe jetzt m der Beschreibung einiger Bleiverbindungen
iiber, die nach verschiedenen Verfahrungsweisen aus verschiedencu
Quantitaten Wurzel dargestellt wurden.
Ein neutrales Bleisalz wurde auf folgende Weise erhalten :
Die Wurzel wurde mit Alkohol von 0,850 in der Warme dige-
rirt, die abfiltrirte Flussigkeit mit alkoholisclier Bleizuckerlosung
ausgefallt, vom Niederschlage abfiltrirt und mit viel Wasser gemischt,
hierauf mit dreibasisch essigsaurem Bleioxyde gefallt, der Nieder-
195
schlag mit kaltem Wasser ausgewaschen und bei 100° Cgetrocknet.
Er war von brauner Farbe. Die Analyse gab folgende Resultate :
0,4065Grm.SubstanzgabenO, 478 Kohlcnsaureund 0,1 255 Wasser,
0,3505 „ „ „ 0,1495 Bleioxyd.
JlieSS glDt : bcreclinet gefunden
14 Aeq. Kohlenstoff = 1050,0 —^32^24 — ~3!^07
9 „ Wasserstoff = 112,5 — 3,45 — 3,43
7 „ Sauerstoff = 700,0 — 21,50 — 21,85
1 ,, Bleioxyd = 1394,5 — 42,81 — 42,65
Atomgew. = 3257,0 — 100,00 — 100,00
Cn H9 07 + PbO = C14 H9 06 + PbO + Aq.
Ein saures Bleisalz, welches 5 Aequivalente Bleioxyd auf 6
Aequivalente Siiure enthalt, erhielt man auf folgende Weise:
Die Wurzel wurde mitAlkohol von 0,830 kalt ausgezogen, die
abiiltrirte Fliissigkeit mit alkoholischer Bleizuckerlosung gefallt,
und der Niederschlag mit Alkohol ausgewaschen ; hierauf in ver-
diinnter Essigsiiure kalt gelost, vom Riickstand abiiltrirt und mit
dreibasisch essigsaurem Bleioxyde gefallt.
Der entstandene Niederschlag wurde in Wasser zertheilt, mit
Schwefelwasserstoff zersetzt , die Fliissigkeit vom Schwefelblei
abiiltrirt, abermals mit dreibasisch essigsaurem Bleioxyde gefallt
der Niederschlag mit Wasser ausgewaschen und bei 100o C. ge-
trocknet,
Er war fein zcrrieben hell briiunlichgelb gefarbt.
Die Analyse ergab folgende Zusammensetzung :
0,266 Grm. Substanz gaben 0,342 Kohlensaure und 0,92 Wasser,
0,233 „ „ „ 0,0905 Bleioxyd.
Diess entspricht in 100 Theilen folgender Zusammensetzung:
borechnet gefiinden
6300,0 — 35,15 — 35,08
650,0 — 3,63 — 3,84
4000,0 — 22,31 — 22,26
6972,5 — 38,91 — 38,84
84 Aeq. Kohlenstoff =
52 ,, Wasserstoff =
40 „ Sauerstoff =
5 „ Bleioxyd =
Atomgew. =17922,5 — 100,00 — 100,00
O40 + 5 PbO = 6 (Cik Hs 0B) + 5 PbO + 4 Aq.
Ich lasse bier noch die Darstellungsweise und Analyse zweier
basiscber Bleisalze folgen. Das erste wurde erhalten , indem man
C8i Wit
1*96
die Wurzel mit Alkohol von 0,830 kalt auszog, den Alkohol filtrirte
und mit weingeistiger Bleizuckerlosung ausfallte.
Die vom Niederschfage abfiltrirte Fliissigkeit wurde mit drei-
basisch cssigsaurem Bleioxyde gefalU, der Niederschlag mit Al-
kohol auso-ewasclien, in verdiinnter Essigsaure kalt gelost, vom
Riickstandc abfiltrirt, wobei phosphorsaures Bleioxyd auf dem
Filler blieb, und mil Alkohol von 98 pCt. geffllt, bei 100° C. ge-
trocknet. Das Salz war braun.
Die Analyse desselben gab folgende Zahlen.
0,390 Grm. Substanz gaben 0,383 Grm. Kohlensaure und 0,0995
Grm. Wasser,
0,3764 „ „ „ 0,2016 Grm. Bleioxyd.
Diess gibt in 100 Theilen :
berechnet gefunden
28 Aeq. Kohlenstoff = 2100,0 —^26^94 — ^26/79
17 „ Wasserstoff = 212,5 — 2,72 — 2,83
13 „ Sauerstoff = 1300,0 — 16,68 - 16,82
* n
Bleioxyd = 4183,5 — 53,66 — ^3^56
Atomgew. = 7796,0
100,00 — 100,00
Aq. —
Cu #„ 013 + 3 PbO = 2 (Cik // Oo) + 3 PbO
2 (Cik H, 06, PbO) + PbO, HO.
Das zweite wurde auf dieselbe Art bereitet und gab in der
Analyse folgende Zusammensetzung:
0,387 Grm. Substanz gaben 0,4285 Grm. Kohlensaure und 0,116
Grm. Wasser,
0,290 „ „ „ 0,3205 Grm. Kohlensaure und 0,085
Grm. Wasser.
Das Salz hinterliess 46,83 pCt. Bleioxyd.
berechnet gefunden
84 Aeq. Kohlenstoff = 6300,0— 30,10—30,19— 30,14
54 „ Wasserstoff = 675,0 — 3,22 — 3,33 — 3,26
42 „ Sauerstoff = 4200,0 — 20,06 - 19,65 — 19,77
7 „ Bleioxyd = 9761,5 — 46,62 — 46,83 — 46,83
Atomgew. = 20936,5 - 100,00—100,00 — 100,00
Cs4 H„ 043 + 7WO=6 ("C14 Hs 0«) + 7 PbO + ii Aq.
19;
Als die Losung der reinen Saure, zur Controlle avis einer
anderen Wurzelmenge dargestellt, mit dreibasisch essigsaurem
Bleioxyde gefiillt, und der Niederschlag bei 100° C getrocknet
analysirt wurde , erhielt man folgende Zablen :
0,4743 Grin. Substauz gaben 0,5781 Grm. Kohlensaure und 0,153
Grm. Wasser,
0,4129 „ „ „ 0,1695 Grm. Bleioxyd.
Diess gibt nach Abzug des Bleioxydes fur die Substanz :
berechnot gefundcn
14 Aeq. Kohlenstoff = 1050,0 ~i 56,8? —^56^36
9 „ Wasserstoff = 112,5— 6,04— 6,07
7 „ Sauerstoff = 700,0 — 37,59 — 37,57
Atomgevv. = 1862,5 — 100,00 — 100,00
Die hier beschriebenen Verbindungen entsprechen hiemit
folgenden Formeln :
Ipecacuanhasaur e-Wy&r£?uJ^Oi
Ipecacuanha-Sawe (wasserfrei) . = C14 Hs Os
Es bleibt von den in der Wurzel von Cephaelis Ipecacuanha
vorkommenden Stoffen der mit dem Namen Einetin bezeichnetc
brechenerregende Stoff zu untersuchen.
Mit dieser Arbeit bin ich seit langerer Zeit beschaftigt , und
hoffe in kurzem die Resultate der Untersuchung mittheilen zu
konnen.
Schliesslich bemerke ich, dass ich vorliegende Arbeit in
dem Laboratorium des Professors Rochleder unter seiner giiti-
gen Leitung ausgefuhrt habe.
Das w. M. Herr Sectionsrath II a i d i n g e r, machte folgende
Mittheilungen :
a) „Ichfreue mich der hochverehrten math.-naturwissenschaft-
lichen Classe der kaiserl. Akademie der Wissenscbaften heute
noch in der letzten diessjahrigen Sitzung das erste Vierteljahrheft
einerneuenperiodischen Publication iiberreichenzu konnen. Gestern
erst sind die Exemplare durch die k. k. Hof- und Staats-Druckerei
vollendet worden. Sie hat den Titel: „Jahrbu ch der k. k. geo-
logischen Reichsanstalt". Ueber den Zweck glaube ich mich
auf das Programm berufen zu konnen, welches hier ebenfalls friiher
in vielen Abdriicken vertheilt worden ist. Aus dem Inhalte habe
ich auch bereits die Ehre gehabt der hochverehrten Classe einen
Aufsatzzuubei-reichen: Die Aufgabe des Sommers 1850 far die k. k.
geologische Reichsanstalt besteht in der geologischen Durchfor-
schung des Landes. Die iibrigen Mittheilungen durften wohl nicht
nur ein deutliches Bildvondem Standpuncte des Institutes selbst ge-
ben, sondern auch als einBeispielgelten, in welcher Weise es gelang
den Grundsatzen des Programms zu entsprechen. Das erste Heft
des Jahrbuches boginnt naturlich mit dem Allerunterthiinigsten
Griindungsvortrage des k. k. Herrn Ministers fiir Landescultur und
Hergwesen, Ferdinand Edlen Herrn v. Thinnfeld, und der
199
Allerhochsten Entschliessung Seiner Majestat unseres
glorreich regierenden Kaisers, hierauf folgen die Besetzungen der
Dienstesstellen , der oben erwahnte Plan des Angriffs fiir diesen
Sommer, so wie die Orientirung unserer gegenwartigen Kenntnisse
in dem Gebiete desselben. Ferner mancherlei einzelne dem Zwecke
entsprechende Mittheilungen. Aus dem Vorberichte hebe ich nur
hervor, dass daselbst, nebst unzweideutigen Beweisen des regen
Antheils an dem wahren Fortschritte durch unser hohes Kaiserhaus,
eine grosse Anzahl, 720 Namen von Behorden, Instituten, Gesell-
schaften u. s. w. verzeichnet sind , an welche dieses erste Heft so-
wohl, als die nachfolgenden unentgeltlieh vertheilt werden. Nament-
lich befinden sich darunter die k. k. montanistischen, administrativen
und Lehensbehbrden ; ferner sind auch die Unterrichtsanstalten be-
dacht, von den hohern beginnend, einsebliesslich der Obergymnasien.
Wo noch so vieles in dor Organisation begriffen ist, kann man nicht
erwarten, dass das Verzeichniss iiberall das Genaueste enthalte oder
zureichend sei. Es werden daher spaterhin nach Massgabe noch
manche Nachtriige geliefert werden. Jedcnfalls lasst sich von dieser
reicblichen Vertheilung ein giinstiger Erfolg hoffen, es ist diess ein
Zweck, gegenwartig erreicht, der schon in den ersten Besprechun-
gen mit dem verewigten Fiirsten v. Lobkowicz in Aussicht ge-
stellt war. Was damals in aller Beziehung ein Anfang genannt
werden koiuite, hat sich nun auf Wegen entwickelt, die man nicht
voraussehen konnte. Wenn ich aber die Arbeiten an dem k. k.
montanistischen Museo betrachte, und die Herausgabe der von mir
besorgtcn naturwissenschaftlichen Abhandlungen undBerichte, und
dann in der neuesten Zeit die Griindung der k. k. geologischen
Reichsanstalt, so erscheint in der Geschichte der Entwickelung da-
zwischen die kraftigc Hilfe, welche die kaiserl. Akademie der Wis-
senschaften selbst den geologischen Forschungen auf die Antrage
vonmeinem hochverehrten Freunde und Collegen Partsch und mir
zuwandte ; die Reisen der Herren v. Hauer, Homes, Czjzek,
die Bewilligungen fiir die Herren Barrande, v. Mo riot, Patera
und fur mich selbst , fur die Vereine in Innsbruck und Gratz. Ist
auch seit der Griindung der k. k. geologischen Reichsanstalt die
directe Theilnahme nicht mehr so Iebhaft gevvesen, so soil mich
diess doch nicht hinder u, so oft sich Gelegenbeit fiudet meinen Dank
fiir vollendete Thatsachen mit aufrichtigem Gemiithe darzubringen.
200
Miige dieses erste Heft des Jahrbuchs in dem Fortschritt unserer
Arbeiten eiu Zeichen desselben sein. Aber auch des Titelblattes
muss ich bier gedenken. Nicht oft genug kann man „des Kaisers
boben Wahlspr ueh" wiederholen , „das Wort des grossen
„Oesterreich, die wahre Grundlage des Bestebens der menschlicheii
„Gesellschaft.,'
b) Herr Dr. Constantin v.Ettingshausen sandte ahnlich der
Synopsis der fossilen Flora von Radoboj an die k. k. geologische
Reichsanstalt nun auch die Synopsis der fossilen Flora von
Parschlug, welcbe ich bier vorzuzeigen die Ehre babe. Er
fiigte ferner folgende allgemeine llesultate iiber den Character
der fossilen Flora von Parschlug bei, zu dem Zvvecke, damit
ich selbe der hochverehrten mathematisch-naturwissenschaftlichen
Classe der kaiserl. Akademie der Wissenschaften mittheilen moge.
Die fossile Flora von Parschlug characterisirt sich als
miocen durch die Vertretung der wichtigsten Vegetationsgebiete
der Jetzlwelt. Sie sind :
1. Das tropisch-amerikanische Vegetationsgebiet
durch die Gattungen: Chrysophytlum, Bumclia, Achras, Passi-
flora, Psidium, Myrtus, Machaerium, Acacia.
2. Das indischeVegetationsgebiet reprasentirt durch
die Gattungen : Laurus, Pterospcrmum, Photinia, Bulbergia,
Sophora.
3. Das tropisch-afrikanische Vegetationsgebiet
durch die Gattungen: Bauhinia und Catha.
4. Das australische Vegetationsgebiet durch die Gat-
tungen: Callitris , Banksia , Dryandra , Achras, Mimusops,
Carf/illia, Eucalyptus, Kennedy a, Physolobium.
5. Das siid-afrikanische Vegetationsgebiet durch
die Gattungen: Cunonia un.l Sideroxylon.
6. Das chinesisch- jap anesische Vegetationsge-
biet durch Styrax , Evonymus , Celaslrus, Gleditschia.
7. Das nord-amerikanische Vegetationsgebiet
durch: Taxodium, Myrica, Planera, Ulmus, Cellis, Liquidam-
bar , Fraxinus , Andromeda , Rhododendron , Ilex , Prinos,
Paliurus. Cea?iolhus, Rhus.
201
8. Das mittelland isch e Vegetatio nsgebiet (lurch:
Querents, Acer, Ziziphus, Rhamnus, Pistacia.
Die fossile Flora von Parschlug unterscheidet sicli von der
fossilen Flora von Radoboj :
1. Durch die Representation zweier neuer Vegetationsgebiete
— des chinesich-japanesischen, und des mittellandischen Vegeta-
tionsgebietes.
2. 1st das neuhollandische Vegetationsgebiet in der fossilen
Flora von Parschlug verhaltnissmassig starker vertreteu als in
der fossilen Flora von Radoboj ;
3. treten die tropischen Vegetationsgebiete in der fossilen
Flora von Parschlug in den Hintergrund. Viele tropische, fur
die fossile Flora von Radoboj, bezeichnende Pflanzen-Familien,
wie die Moreen, Artocarpeen, Nyctagineen, Apocynaceen, Ver-
benaceen, Cordiaceen, Bignoniaceen , Anonaceen, Ternstroemi-
aceen, Meliaceen, Cedrelaceen, Malpighiaceen , Conaraceen,
Combretaceen , Melastomaceen fehlen hier ganzlich. Hiogegen
sind die tropischen Vegetationsgebiete in der fossilen Flora von
Parschlug durch besondere Familien, wie Passifloreen, Cela-
strineen, Myrtaceen, vertreten.
4. Von den aussertropischen Vegetationsgebieten sind die
Familien Balsamiftuae und Celtideen, dann viele Gattungen, wie
Taxodium, Fraxinus, Andromeda, Evonymus, Prinos, Pa-
Hums, Pistacia. der fossilen Flora von Parschlug eigen.
c) „Eisverhaltnisse derDonau, beobachtet in Pest im Winter
1849—1850" von Prof. Dr. Ar enst ein. Taf. II bis V:
Die nachfolgenden Zeilen mit den vier Tafeln enthalten die
Resultate der BeobachtUngen der Eisverhaltnisse der Doniiu in Pest
im Winter 1849/50. — Es ist diess der dritte Winter seitdem die
Eisverhaltnisse beobachtet werden.
Die Einrichtung derTafel II ist ganzdieselbe wie in den bei-
den fruheren Jahrgangen (siehe Sitzungsberichte der kaiserlichen
Akademie der Wissenschaften, Decemberheft 1849) bis auf die
kleine Modification, dass in Tafel II die Eismenge, vvemi, und so
2<>nge das Eis im Gauge war, durch abgebrochene", sobald es sich
202
aber stellte, und so lange der Eisstoss stand, durch ganze rothe
Linien angegeben 1st. — Diese Tafel enthalt ausser der Zeit der
Beobachtung
1. die Eismenge in Zehnteln der Breite der Donau, welche am
Beobachtungsort 185° betriigt.
2. Die Eisdicke in Wiener Zollen wo knitter schwimmendes
oder sogenanntes Treibeis vorhanden ist.
3. Den Wasserstand in Wiener Fuss.
4. Die Eisgeschwindigkeit in W. Fuss-Secunden. Endlich
5. die Temperatur der Luft zwischen 6 und 7 Uhr Morgens.
Die Eismenge. Den 27. November Nachmittag war noch
keine Spur von Eis zu sehen, und urn 10 Uhr Abends wareri schon
0*9 der Breite und um Mitternacht die ganze Breite der Donau be-
deckt. — Mit geringer Aenderung blieb die Eismenge dieselbe bis
zum 11. December, wo sich das Eis Abends ober der Kettenbriicke
stellte. — Bemerkenswerthist, dass dieser Eisstoss bei steigendem
Wasser stehen blieb. — Mehrere Tage anhaltendes Thauwetter,
und in Folge dessen abermaliges Steigen des Wassers , haben die
Eisdecke den 18. December gehoben. — Die erste Bewegung fand
mit Leichtigkeit statt, weil die Donau von der Kettenbriicke bis
zur Insel Csepel (siehe Tafel IV) giinzlich eisfrei war. Dort angc-
langt stockte es bald, und konnte audi nicht durch den grosscn
rechten Arm, dessen Eingang viele seichte Stellen hat, abziehen,
sondern drangte sich sammtlich durch den kleincn linken Arm;
daher auch die Geschvvindigkeit des Eises trotz des obcren starken
Windes, und des steigenden Wassers nur 2'2 W. F. war.
Das zweite Eis kam, was Menge anbelangt, sehr regelmassig,
und stellte sich den 4. Janner. Die Tafel HI gibt das Bild der Eis-
decke.— Die auffallend r eg elmiissige winkelrechte
Form ober der Kettenbriicke bildete sich erst durch die nachst-
folgenden Tage, indem das in der Linie aa' (Taf. Ill) unter der
Eisdecke hcrvorstromende Wasser die etwa hervorstehenden
Spitzen und Tafeln solange abstiess, bis sich die gerade Linie
aa bildete, die sich bis zum 13. Febr. unverandert erhielt,
wahrend sich die Eisdecke unter der Kettenbriicke bedeutend
anderte, und am 25. Janner die Form hatte, welche in Tafel IV
sichtbar ist. — Man kann hier die interessante Bemerkung machen,
dass der Rand der Eisdecke, ob sich diese nun wie gewohnlich aus
203
Treibeis bildet , oder durcli Aufwartsfrieren (wie es hier ge-
schehen) entstcht, immcr die schon ofters erwahnte parabolische
Form annimmt, nur mit dein Untcrsehiede, dass die Oeffiuwg der
Parabel im crsteu Falle nach unten, im zweiten nach oben siebt.
Aus den blauen Streifen a b c und a' b' c u. s. vv. liisst sich er-
kennen, wie sich die Eisdeeke tiiglich urn mehr oder weniger
Klafter — je nach der Kiilte und der vora Windo begiinstigten oder
niclit begiinstigten Spiilnng — gleiclisam aut'warts schob. — Be-
merkenswerth is! auch, dass sich der obereRand der Eisdeeke gar
nicht, der untere aber vora 25, Janner an nicht mehr anderte
oder verschob — bis aum Weggchen des Eises.
Den ll.Februar Mittags setzte sich das Eis unter der Briicke
in Bewegung durcli das steigende Wasser gehoben, aber die mehr
als doppclte Breite der Donau unter Pest, die sich gleich wieder
in awei Arme theilt, deren Breitensumme viel kleiner ist als jene
obere, und die Flachheit der Ufer verhunden mit dem festen Pun etc,
welchen die Insel Csepcl dem Eisstoss bietet, sind die Ursaehen,
dass sich die Eisdeeke an der oberen Spitze jener Insel (Taf. IV)
immer am schwersten hebt. Und so war es audi diesmal. Das
ganze Eis, welches zwischen den beiden Stadten und der Ketten-
briicke stand, schob sich unter- und aufeinander, und bildete eine
machtige Eisbarrikade von der Form a b c Tafel V, wclche dort
am hochsten aufgethiirmt war, wo der Stromstrich liegt.
Der Anbliek dieser Eismassen hiitte sehr piltorcsk genannt
werden konnen, wenn er nicht mit dem Gcdankcn einer naben
Ucbcrschwemmungsgefahr so enge verbunden gewesen ware. Die
UeberschwemiDung ware auch schwerlieh ausgebliebcn , wenn die
Kettenbruckcnpfeiler den obern Eisstoss nicht zuriickgehalten batten,
wodureli jene Barrikade nicht iiber ihre ersle Grosse hinaussteigen
konnte. — Nichtsdestoweniger mag sie sehr viel beigetragen ha-
ben zu dem plotzlicbcn und rasehen Stcigen des Wassers, welches
binnen 48 Stunden (vom 11. bis 13.) bci 7 Fuss betrug. — Die
Sicherhcit dieses Schlusses wiirde dadurch das Meiste gewinueii^
wenn die gleichzeitigen Wassersttiude der niiher gelcgenen oberen
Orte bekannt waren.
Den 13. Febr. ging auch der obere Eisstoss ganzlich weg. —
Lcider schob sich jene besagle Barrikade nur inn einige Meilen
abvviirts, so dass das Iliiekstauvvasser alle am Ufer gelegeneu Ort-
204
sehaftcn bis unmittelbar untcr Pest tiberschwemmte. Der Wasscr-
stand, den ich — auf die Vergleichung mehrjahriger Wasserstande
in Wien, Pressburg und Pest fiir letzteres voranssagte, traf in jenen
Orlschaften ein.
Den 17. Febr; war die ganze BreitederDonau noch mitEisbe««
deckt, and doch war dieses den folgenden Tag fastganz verschwunden.
iiine seltene Erscheinung war das dritte Eis , welches in
einzelnen kleinen Stiicken, oder in sehr diinnen Tafeln von 2 bis
3 Quadrat-Klaftern den 17., 18. und 19. Marz voriiber zog.
Eisdicke. Die in diese Rubrik eingclragenen Zablen bc-
ziehen sieh nur auf schwimmendes oder sogenanntes Treibeis.
Verdeicht man die Zahlen des 11. und 18. December, so fiiidet
man, dass die Starke des Eises wahrend die Decke stand, bedeu-
tend zugenommen hat. Die Zablen, die auf and zwischen den
rothcn Linien stehen, beziehen sich auf die Starke des Eises, wah-
rend es stand. — Gegen Endo des Winters bin ich auf die Idee ge-
kommen, die zurMessung derDicke nothwendigenLiicher in das Eis
nicht zu hauen, sondcrn zu bohren. Jeder gewohnliche Zimmer-
mannsbohrer gibt mit wenig Miihe ein reines Bobrloch. Mit noch
besserem Erfolge wendet man aber die sogcnanntcu Fassbinder-
oder Zapfenbohrer an, wenn man das Bohrstuck gchorig vcrlan-
gern lasst. Es fallen hiedurcb die in meinem ersten Bericbtc
(Dcceinberhcft 1849) erwahnten misslichcn Umstande eines gc-
hauenen Loches sum grossten Theil weg.
Trotz der grosscn
Kalte und des eben nicht kurzen Winters hat das Eis kaum eincn
Schuh Dicke erreicht.
Wasserstand. Wie wichtig diese Rubrik sei, ist schon
wicderholt auscinander geselzt wordcn. Hier will ich nur cr-
wahnen, dass die VerhiiPnisse der Wasserstande zweicr (oder
mehrerer) von einander rnebr oder weniger entfernten Orte, die
sich durch Vergleichung mehrjahriger, taglich beobachteter Was-
serstande ergeben, fiir die Eisperi'ode cine bedeutende Modification
erleiden , wcil dann das durch die Eisdiimme zuriickgestaute
Wasser hinzukomrat. Diess ist aber ein Grand mchr die diessfal-
ligcn Fragen continuirlich jeden Winter an die Mfatur zu stellen,
d. h. die Wasserstande mit den Eisverhaltnissen zu verglcicben. —
Die Wasserhohc, die ich dieses Friihjahr in Pest durch drcijahrigc
Vergleichnngen mit den Pressburger und Wiener Wasserstitnden
*4
205
geleitet, und auf die durch die Zeitungen eben noch schnell genug
erfahrene Pressburger Wasserhohe als Maximum voraussagen
konate, traf zwar nicht in Pest aber 2 — 4 Meilen unterhalb fast
genau ein.
Eisgeschwindigkeit. Die sehr haufigen Nebel haben
oft die Beobachtung der Eisgeschwindigkeit gehindert. Es ist
dieses um so ofters der Pall, da der Stromstrich um mehr als
110 Klafter vom Beobachtungsorte entfernt ist, und schon ein
sehr leichter Nebel hinreicht, auf diese Entfernung die Verfol-
gung einer einzelnen Eistafel zu hindern. Irrig ware es aber,
die Geschwindigkeit des Treibeises am Ufer zu beobachten, wo
es je nach der Kriimmung der Ufer verschiedene Geschwindig-
keiten und verschiedene, selbst walzende Bewegungen annimmt.
So beangstigend die Beobachtung der Geschwindigkeit am
11. Februar war, wo sie bei steigendem Wasser 1.4 Fuss
ergab, so beruhigend war sie den 13., 15. und 17. Febr. Den
13. Febr. 8 Uhr Morgens ergab sich die Geschwindigkeit 54 Fuss
11 „
12 »
»
»
n
55
55
55
S.4
5J
55
55
n
55
55
55
6-8
55
Das Fallen des Wassers und diese Rapiditat des Eises musslc
jede Furcht einer Ueberschwemmung verschwinden lassen.
Wer die Geschichte der heurigen Ueberschwemmungen,
wenn auch nur als gleichgiltiger Journalleser, gelesen hat, wird
sich erinnern, dass die meisten uberschwemmten Stadte und
Ortschaften das Ueberschwemmungswasser nicht von oben, son-
dern durch Aufstauung, von u n t e n erhielten. Es liegt in dieser
Thatsache allein so viel Aufruf und ernstliche Mahnung zu viel-
faltigen und ausdauernd fortgesetzten Beobachtungen der Eis-
verhiiltnisse der Donau und wo moglich der ubrigen grosseren
Strome der Monarchie, dass ich glaube, es bediirfe kaurn mehr
als der Bekanntwerdung der Zweckmassigkeit, ja Nothwendig-
keit dieser Beobachtung und der Art und Weise, wie sie anzu-
stellen sind, um die thatige Theilnahme aller jener zu erregen,
die ihr Wissen gern als nutzbr ingendes Capital anlegen.
Die Telegraphen-Linie langs der Donau wird die Nutzanwen-
dung der gemachten Beobachtungen fordern, und die zu hoffende
Sil^b. d. niathem. - naturw. CI. Jahrg. 1850. II. Bd. II. Heft. 14
206
Theilnahme der an dew Ufern wohnenden oder exponirten Sach-
kundigen die Beobachtungen selbst vervielfiiltigen.
Das w. M. Hr. CustosKollar, hielt einenVortrag fiber ein von
ihm beobachtetesforstschadlich.es Insect, die Cerr-Eichen-BIattwespe
Tenthredo (Emphylus) Cerris, in welchem er dessen Naturge-
schichte erklart, und das sicherste Mittel zur Vertilgung desselben
angibt. DieAbhandlung selbst wird in denDenkschrit'ten abgedruckt.
Herr Schabus, pro v. Adjunct in dem chemischen Labo-
ratorium des k. k. polytechnischen Institutes theilt den Inhalt
der folgenden Abhandlung in Kiirze mit :
„Ueber die Krystallformen der Zimmtsaure HO, Cis //, 0„
der Hippursaure HO, ClsHa iV05, und des hippursaureu Kalkes
CaO, ft, H9 N05 3//0."
Die Krystalle dieser Korper verdanke ichder Giite des Herrn
Professors Dr. Iiedtenbacher, in dessen Laboratorium diesel-
hen dargestellt wurden.
I. Hie Kimmtsaure HO, C1SH7 Or
Die Zimmtsaure bildet Krystalle, die in das hemiorthotype
System gehoren und sich entweder prismenartig ausdehnen, be-
sonders wenn sie aus wassriger Losung sich ausscheideu , oder
aber die Blattchenform annehmen; in welchem letzteren Falle
sie sehr hiiufig in perlmutterartigen Schuppen erscheinen. — Sie
sind in mehreren Richtungen theilbar, und zwar : parallel zur
Fliiche F(Fig. 1 und 2 , Taf.-VI) ausgezeidmet; parallel zu den
Flachen eines als Krystallgestalt nie beobachteten horizontalen
Prismas, das, da ich die Neigung der Theilungsflache zu P durch
naheruno-sweise Bestimmung = 124° gefunden habe , mit dem
Prisma Pr + 1 am besten ubereinstimmt, ziemlich unvollkommen ;
und parallel zu den Flachen des horizontalen Prismas U, jedoch
schwer zu erhalten und moistens von muschligem Ansehen. Der
Bruch ist mehr weniger muschlig.
207
Die Krystallflachen des vertikalen Prismas Msind zuweilen
etwas gekrfimmt, was auch bei denen des horizontalen u ofters
der Fall ist.
Die Krystalle haben Fettglanz , die Flache P jedoch gemei-
nen Perlmutterglanz, der sich, besonders an der Theilungs-
gestalt, zuweilen sehr ausgezeichnet vorfindet. — Sie sind weiss,
farblos und ihr Strich ist weiss. In diinnen Blattchen sind sie
vollkommen durchsichtig ; die grosseren Krystalle jedoch halb
durchsichtig . . . durchscheinend.
Sie sind milde. — Hire Harte betragt 1-5 und die Dichte
ist = 1-195 1).
Der Geschmack der Krystalle ist schwach gewiirzhaft; auch
knirschen sie beim Zerbeissen eigcnthumlich und bringen im Gau-
men ein ziemlich starkes Kratzen hervor. Der Geruch ist ge-
wurzhaft.
Was nun die vorkommenden Formen betrifft, so habe ich
beziiglich der Anzahl und Art der Gestalten nur Eine beobachtet.
Dieselbe ist in Fig. 1 , Taf. VI dargestellt , und besteht aus dem
horizontalen Prisma n, dem der Axe parallelen Prisma M und den
2 FlachenP, die an den scharfen Kanten von M mit parallelen
Combinationskanten crscheinen. In vielen Fiillen vergrossern sich
jedoch die Krystalle in der Richtung des horizontalen Prismas u
und es entstehen dann die blatterartigen Krystalle, wie Fig. 2
einen zeigt, welche, wenn sie klein erscheinen und die Prismen-
flachen unvollkommen ausgebildet sind, in perlmutterahnliche
Schuppcn iibergehen.
Die Mcssungen betreffend, muss ich bemei'ken, dass die Kry-
stallflachen beziiglich des Glanzes Vieles zu wiinschen ubrig las-
sen, und ich nur mit Hilfe der Theilungsflache parallel zu P}
die ausgezeichneten Glanz besitzt, genaue Bestimmungen machen
konnte. Unter 50 — 60 Individuen habe ich nur zwei ffefunden.
bei welchen an dem einen eine FJache des Prismas u und an
dem andern eine von M, das Fadenkreuz vollstiindig reflectir-
ten, wodurch es mir moglich wurde, die Neigung dieser Flii-
*) Die Dichten dieser drei Kiirper habe ich in Naphta bei 23'5" C. bestimrat,
und die des Wassera bei dieser Temperatur = 1 gesetzt.
14 *
208
chen zur Theilungsgestalt P genau m bestimmen. Weniger ge-
nau messen konnte ich.die JVeigungswinkel, welche die Flachen
der bciden Prismen u und M miteinander bilden, weil sich unter
alien Krystallen keiner fand, an dem sowohl eine Flache des
Prismas u als auch eine von M das Fadcnkreuz vollstiindig re-
flectirten. Da ich jedoch die Messungen dieser Kanten an 8 ver-
schiedenen Individuen ausgefiihrt habe, auch die verlasslichsten
der gefundenen Werthe mit den Resultaten der Rechnung nahe
tibereinstimmen , so durften wohl auch diese Winkel als der
Wahrheit ziemlich nahe komraend angesehen werden.
Die durch Messung bestimmten Winkel sind folgende (Pig-
1 und 2, Taf.VI):
Neigung von M zu P' = 49° 33'
u „ P = 72° 365'
« „ M = 106°25'
11 11
55 11
V 11
•II
»
M ' — 96° 2'.
Aus diesen Werthen findet man :
Neigung von M zu M = 99° 6'
11
M
„ M' = 80° 54'
11
11
u
„ «'=145' 13'
11
11
u
„ P= 107° 235'
15
55
M
„ P = 130°27'.
Nimmt man an, dass M das Prisma der Hauptreihe ist
und dass das horizontale Prisma u an den scharfen Axenkanten
der Grundgestalt mit parallelen Combinationskanten erscheint,
so folgen fiir die einzelnen vorkommenden Gestalten die unten
stehenden Werthe :
Die 4 Flachen u bilden Pr
„ 4 „ M „ P+°
15 2 „ P 55
Pr +
Zur vollkommenen Kenntniss der Krystallformen dieser Siiure
wird also nur noch die genaue Bestimmung der Grundgestalt er-
forderlich sein.
209
Sind ABXB (Pig. 4), ACXC (Fig. 5) und BCB C
(Fig. 6) die drei Hauptschnitte der Grundgestalt (Fig. 3 , Taf. II)
die ganz nach den berechneten Dimensionen gezeichnet ist *),
und zwar ABXB' der durch die Axe und schiefe, ACXC
der durch die Axe und senkrechte Diagonale und B CB' C der
durch die beiden Diagonalen gelegte ; und bezeichnet man
mit A den Winkel der Axenkante, die von der schiefen Diago-
nale ausgeht und auf der Seite des stumpfen Winkels liegt,
mit A' den der gleichnamigen auf der Seite des spitzen Win-
kels liegenden, mit B den der Axenkante, welche von der auf
der Axe senkrechten Diagonale ausgeht und mit 8 den der Sei-
tenkante; ferner den ebenen Winkel, den die A Kante mit der
Axe bildet mit n, den vvelchen sie mit der schiefen Diagonale
einschliesst mit o, die gleichnamigen Winkel der A' Kante mit
p und q, die Neigung der B Kante zur Axe mit r und die der
8 Kante zur schiefen Diagonale mit wi; und setzt man die Nei-
gung der Axe zur schiefen Diagonale gleich C, die Abweichung
der Axe, die in der Ebene der kleinern Diagonale liegt,
gleich s,
die halbe Axe AM=a!
„ „ schiefe Diagonale BM~b,
„ „ senkrechte „ MC=c,
das Pcrpcndikel AP=a
und die Linie MB — d:
so findet man durch Rechuung3) folgende Werthe :
') Was die Zeichnungen betrifft, so muss ich auf das in dem Aufsatze
„Ueber die Krystallformen des zweifach weinsauren Kali's und des essig-
sauren Kupi'eroxyd-Kalkes" Gesagte verweisen. Derselbe ist im Junihefte
1850 der Sitzungsberichte der mathematisch-naturwissensehaftlichen Classe
der kais. Akademie der Wissenschaften abgedruckt.
~) Der Gang der Rechnung ist derselbe, wie ich ihn in dem Aufsatze
„Ueber die Krystallformen des Baryum-Platin-Cyaniirs etc.," der in dem
Maihefte 1850 der Sitzungsberichte der mathematisch-naturwissenscbafl-
lichen Classe der kais. Akademie der Wissenschai'ten abgedruckt ist,
im Detail angefuhit habe.
210
und
A =148" 23-5'
. A' =145" 56'
# = 141" 33'
«= 51° 25'
m = 49° 20'
n= 63° 443'
o= 19° 14-2
p= 76° 8'
? = 20° 53-5'
r = 72° 29'
C— 82° 58-5'
.= 7" 1-5'
a : 6 : c : rf= 81151 : 22 2560 : 259082 : 1
a' : b : c=l : 27220 : 31686.
Das krystallographische Schema dieser Siiure wird also das
folgcnde sein :
1. Nach Mohs.
Grundgestalt. Hemiorthotyp.
P = {i1So05T}5 141° 33'; 51" 25'.
Abweichung der Axe in der Ebene der kleinern Diago-
nals =7° 1-5'.
a:b : c : rf = 81151 : 22-2560 : 259082 : 1.
Charakter der Combinationen. Hemiprismatisch,
Gewohnliche Combinationen.
Pr . P + oo . Pr + oo.
2. Nach Haidinger.
Grundgestalt. Augitoid.
A-{v&W*b 141°33'; 51° 25'.
211
Abweichung der Axe=7» 1 • 5' in der Ebene 7)
a:b: c : = 8 1151 : 222560 : 25 9082 ■ 1.
Gcwohnliche Combinatiouen.
D
?IJ.
3. Nach Nauinanii.
(Monoklinoedrisch.)
a :b :c=»l : 27220 : 3- 1686.
C = 82° 58-5'
Gewohnliche Combinatiouen.
(Poc) . aoP . (ooPoo).
II. Die Hippursiiure HO, Cls Hs NOs.
Die Hippursiiure krystallisirt im orthotypen Systeme.
Die Krystalle derselben sind, senkrecht auf die Fliichen des
vertikalen Prismas M (Pig. 7, Taf. VI) ziemlich leicht theilbar ;
audi istdieTheiluugsgestatt meistens glatt und ziemlich glanzend,
otters jedoch von muschligem Ausehen. Parallel zu den Fliichen
des Prismas Mist ebenfalls, obvvohl unvollkommene Theilbarkeit
vorhanden. — Der Bruch ist uneben, zuwcilen etvvas musehlig.
Von den vorkommenden Gestalten, haben das vertikale
Prisma Mund das horizontale u, wenn sie scharf ausgebildet sind,
vollkommen glatte Begriinzungsfliichen , wahrend v immer sehr
zart horizontal gestreift crscheint. An den grossen Krystallen je-
doch sind die Fliichen des vertikalen Prismas immer in der Mitte
ausgehohlt, so dass nur an den Kanten sich ganz kleine Stucke der-
selben vorfinden.
Die Krystalle haben demantahnliclien Fettglanz, der meistens
sehr ausgezeicb.net ist. Hire Farbe ist, wenn sie rein sind, weiss,
sonst haben sie einen schwachen Stich ins Braune. Sie sind
halbdurchsichtig — ganz kleine Krystalle sind vollkommen durch-
sichtig — bis durchscheinend. — Die Hiirte betriigt 1*5 nnd
die Dichte habe ich gleich 1-308 gefunden.
Der Geschmack ist sehr scliwach sauer.
Die Krystalle bestehen immer aus dem vertikalcn rhombi-
schen Prisma M und den beiden horizontalen Prismen u und v,
die, wenn sie den Raum fur sich begriinzen, eine vierseidge
Pyramide mit einem Rechtecke als Basis, nach Mobs die soge-
nannte Hilfsgestalt , bilden. Bei vollstandiger und regelrechter
Ausbildung haben daher die Krystalle die Form wie sie in
Fig. 7 a und b, Taf. VI dargestellt ist. In vielen Fallen je-
doch sind die Flachen des Prismas u vorherrschend, so dass
sodann die horizontal Projection wie Fig. 8, Taf. VI aussieht,
die, wenn eine Flache sich stark vergrossert, was ebenfalls hiiu-
fig geschieht, in Fig. 9, Taf. VI iibergeht. Die grossen Kry-
stalle jedoch sind gewohnlich an den Enden von einer einzigen
Fliiche des Prismas u begranzt, und da an denselben , wie ich
schon friiher zu bemerken Gelegcnheit hatte , die Flachen des
Prismas M nur theilweise ausgebildet sind, was auch bei der
obern und nntern Begranzungsfliiche der Fall ist, so kiinnen sie
weder zu den Messungen noch zu irgend einer andern krystallo-
graphischen Bestimmung beniitzt werden.
Von den Winkeln wurden folgende durch Messung bestimmt
(Fig. 14, Taf. VI):
Neigung
von
Iraf= 99" 59'
59
ii
M „ M'= 80» 1'
ii
n
u „ m'= 98»30'
ii
ii
V „ w'= 88° 30'
ii
ii
u „ M=114°49'
ii
ii
v „ M = 123° 15-
Da die kleinern Krystalle nicht nur vollkommen ausgebildet
sind, sondern auch ausgezeichneten Glanz besitzen, so kounten
die Winkcl schr genau bestimmt werden.
Bei den Messungen an verschiedenen Krystallen stellte sich
jedoch eine nicht unbedeutende Differenz heraus , die bei den
Kanten des vertikalen Prismas M die Grosse von 10, bei dem
des horizontalen v aber die von 8 Minuten erreichte, wahrend
sie bei u die Grosse von 4 Minuten nicht uberstieg. Von den
verschiedenen Werthen habe ich diejenigen genommen , die
213
mir die verlasslichsten schienen, und bei einer vorlaufig durch-
geffihrten Rechnung die griisste Uebereinstimmung mit den Kan-
ten -~r nnd
zeigten.
Aus dera Vorhergehenden ist zu ersehen, dass den vor-
kommenden Gestalten die folgenden Zeicben zukommen :
Die 4 Flachen u bilden Pr
„ 4 „ v „ Pr
„ 4 - M „ P+oo.
Zur vollkommenen Kenntniss der Krystallform der Hippur-
siiure ist also nur noch die Grundgestalt zu bestimmen.
Sind ABXB' (Fig. 11), ACXC (Fig. 12) und BCB'C
(Fig. 13) die drei Hauptschnitte der Grundgestalt (Fig, 10,
Taf. VI) und setzt man:
Den
Winkel . . . . .
BAM^n,
»
CAM = r,
n
C "BM=m,
Die
halbe Axe . . . .
AM-=a,
»
„ grossere Diagn. .
MB^b,
V
„ kleinere Diagn. .
MC^c,
71
scharfe Axenkante .
-A,
n
stumpl'e „
= jB
und „
die Seitenkante . .
-«!
so wird, da:
m
Neigung von M zu M'%
ist:
»=T
r =
m = 40°0o'
w = 49° 15',
r=44° 15',
berechnet
40° 1'.
a : b : c = l : 1-1606: 09742
= 1 : V 13470 : J/ 0-9491.
214
A =104" 16',
, #=117° 58'
und , Z> , ooO.
3. Nach Naumann.
(Rhotnbisch.es System).
«:6:c= 1:1-1606:0-9742
Gewohnliche Combinationen.
Poo . Poo . OD P.
215
III. »er hijtpursaure Kalk CaO, HlsCsNOrj, 3H0.
Der hippursaure Kalk erschcint meistens in sehr diinnen Blatt-
ehen, die ins orthotype System gehoren, aber hochst selten voll-
kommen ausgebildet sind.
Die Krystalle iassen sich parallel zur Fliiche P sehr leicht und
vollkommen theilen , vveniger vollkommen theilbar sind sie parallel
zu Q (Fig. 14, Taf. VI). Der Bruch ist uneben, zuweilen schwach
muschlig.
Die Krystallfliichen sind, besonders an den kleinen, vollkom-
men ausgebildeten Individuen, glatt, an den grosseren jedoch mei-
stens etwas verbogen.
Die Krystalle haben einen ausgezeichneten Glasglanz, wel-
cher in den Fettglanz geneigt ist; die Fliichen P jedoch,
sowohl als Krystall als auch als Theilungsgestalt , gemeinen Perl-
mutterglanz, der zuweilen sehr ausgezeichnet ist. — Hire Farbe
ist, bei vollkommener Reinheit, weiss, sie haben jedoch meistens
einen Stich ins Braune. Ihr Strich ist weiss. Sie sind durch-
sichtig . . . halbdurchsichtig.
Hire Hitrte ist nahe 2-0 und die Dichte betrfigt 1-318.
Der Geschmack ist bitter.
Die gewohnlich vorkommenden Formen bestehen bei voll-
stiindiger Ausbildung aus den Fliichen der beiden Orthotype
p und q (Fig. 14 Taf. VI), denen des vertikalen Prismas M
(Fig. 15) und den beiden Gestalten P und Q. Diese voll-
standige Ausbildung habe ich unter 180 Individuen an einem
einzigen getroffen, jedoch ohne die M — Fliichen. Ein zweites
in der Vollkommenheit der Ausbildung diesem am niichsten kom-
mendes Individuum , hatte die Form, wovon Fig. 15, Taf. VI
die horizontale Projection darstellt. Ausserdem habe ich nur
noch Ein Individuum beobachtet, das die Flachen des Orthotypes
q hatte, wie Fig. 16 zeigt, bei alien andern waren nur die auf
der einen Seite vorkommenden Fliichen, und an den meisten
auch diese nur theilweise ausgebildet, wie Fig. 17 Taf. VI ein
Individuum darstellt.
Ausser den oben angefiihrten Individuen finden sich noch
sehr oft Zwillingskrystalle, welche die Fliiche ~, die als Kry-
stallflache nicht vorkommt, und an den von p und p\ gebildeten
216
Kauten mit gleicher Neigung gegen die angranaenden Flachen
und mit parallelen Combinationskanten erscheinen miisste , ais
Zusammensetzungsfiaehe haben, auf der die Umdrehungsaxe
senkrecht steht (Pig. 18, Taf. VI). In den meisten Fallen set-
zen sich bei dieser Zvvillingsbildung eine grosse Anzahl von
Krystallen parallel aneinander, so dass dadurch Formen entste-
hen, wie Fig. 19, Taf. VI eine darstellt. Aus einer Lcisung
scheiden sich diese Zwillinge beinahe immer in paralleler
Stellung, so aus, dass die einspringenden Winkel nach oben ge-
richtet sind, was, wenn man das Salz in einem grossersn flachen
Gefasse krystallisiren Iasst , nach dem Abgiessen der Mutterlauge
cinen ganz eigenthiimlichen interessanten Anblick gewahrt.
Da selbst die kleinen Krystalle immer aus vielen einzelnen
sowohl parallel zu der Flache P als auch zu der Q zusammen-
gesetzt sind, so erscheinen an den Seiten von Q meistens kleine
Abstufungen und einspringende Winkel, wahrend die Flache P,
weil sie aus mehreren nicht vollkommen parallelen besteht, immer
eine grosscre Anzahl von Bildern zugleich reflectirt. Aus diesem
Grunde werden die Messungen mit dem Reflexionsgoniometer
sehr unsicher, und.es gelang mir nur mit Hilfe der zu P pa-
rallelen Theilungsflache, die Neigung der iibrigen zu derselben
mit etwas grosserer Sicherheit zu bestimmen. Aber auch die auf
diese Weise bestimmten Winkel zeigten bei Messungen an ver-
schiedenen Individuen Differenzen, die oft die Grosse von 30 bis
40 Minuten erreichten. Auch muss ich bemerken, dass ich die un-
ten angegebene Neigung von P zu Q nie genau erhalten konnte,
und dass die grosste Naherung 89° 53' war, wahrend die Differen-
zen selbst oft 1° betrugen, ja selbst die Grosse von 1° 30' erreich-
ten. Diese grossen Differenzen erlaubten mir nun eben so wenig
irgend einen andern Werth als verlasslicher hinzustellen, wesshalb
ich es vorzog, die Neigung = 90° »u setzen. Da durch diese An-
nahme die Beziehung der verschiedenen Gestalten einfach wird,
auch die durch Messung erhaltenen Werthe mit den Resultaten
der Rechnung nahe iibereinstimmen , so glaube ich, dass man mit
ziemlicher Sicherheit annehmen kann, dass die Formen des hippur-
sauren Kalkes ins orthotype System gehoren.
Diese Annahme habe ich auch der Rechnung zu Grunde
gelegt.
217
Um jedoch dariiber mit voller Sicherheit entscheiden zu kon-
men , miissten die Messungen an viel scharfer ausgebildeten Kry-
stallen vorgenommen werden, welche darzustellen schwer gelin-
gen diirfte. Dcnn cs haben sich die, welche ich zu den Messungen
beniitzte, unter sehr giinstigen Verhaltnissen gebildet; sie haben
sich namlich aus einer ziemlich concentrirten heissen Losung beim
Erkalten in etwa 12 Stunden abgeschieden. Krystalle, die sich
aus einer gesattigten Losung in kaltem Wasser beim freiwilligen
Verdunsten abscheiden, sind, da sie sich immer in Gruppen zusam-
menhaufen, und weil die einzelnen Krystalle immer aus einer gros-
sen Anzahl kleiner Individuen bestehen, diese letztern abcr gewohn-
lich nicht scharf ausgebildet sind, noch viel weniger zu Messungen
geeignet.
Von den Winkelu wurden folgende gemessen (Fig. 14 und
15, Taf. VI):
Neigung von Pzu M = 119° 15'
11
p
ii * ii
P
= 122° 56'
m
p
ii x n
q
= 113° 30'
ii
ii <7 ii
i
= 129° 58'
ii
ii ii
9t
= 133° 0'
Daraus erhalt man :
Neigung von p zu pt' = 114o 8'
„ M „ M = 58° 30'
M- M =121° 30'
Nimmt man p als Grundgestalt an, so erhiilt man folgende
allgemeine Bezeiehnung der einzelnen Gestalten (Fig. 14 und
15, Taf. VI)
Die 8 Flachen p bilden P
ii 8
11
<1
ii
(P + n)m
ii *
n
M
ii
(P + oo)*
ii 2
ii
P
ii
Pr + oo
„ 2
ii
Q
ii
Pr + oo
Wenn nun im Allge
rueinen
a : b :
c
das Axenverluiltniss fur p
a' : b' :
a":b":
c'
c'
ii
n
ii
ii 1
ii M
218
ausdrtickt, so wird, da die Flachen
P, p und q
in einer Zone liegen,
a: b = a' : b'
sein , wesshalb nur noch die Grundgestalt , das Verhaltniss der
(kitten Axe c' des Ortho types q zu der von p und das der Diagona-
len des Prismas M zu bestimmen ist.
Bestimmung der Grundgestalt.
Denktman sich, dass ABXB (Fig. 11 , Taf. VI) ACXC
(Fig. 12) und BCB' C (Fig. 13) die drei Hauptschnitte der nach
den berechneten Dimensionen in (Fig. 20 , Taf. II) dargcstellten
Grundgestalt sind, so findet man, wenn wieder:
der
Winkel ......
BAM= n,
»
„ ......
CAM=r,
n
ii ......
C'BM = m
die halbe Axe ....
AM=a,
ii
„ grossere Diagon.
BM=b,
ii
„ kleinere „
CM*** c ,
ii
scharfe Axenkante .
= 4,
ii
stumpfe „
= B
un A „
Seitenkante ....
=134° 28'; 114o8'; 83« 44'
a : b : c=l : 1/^7033 : 1/1-8761."
Charakter der Combinationen. Prismatisch.
Gevvohnliche Combinationen.
1. (P)1(P + )i Pr + . Pr~ + oo
2. P. (Py. Pr+ oo.~Pr+ec
3. P. (P + oc)°. Pr + oo
2. Naeh Haidinger.
Grundgestalt. Orthotyp.
0=134" 28'; 114° 8'; 83" 44'
a : b : c = 1 : V 3-7033 : V 1 8761
Gevvohnliche Combinationen.
1. iOf, ooOf, oog, oo/7
2. o, loi, ooio, oo7>
3. O, ooOf, ooT)
3. Nach Neumann.
(Rhombisches System.)
a :ft : c = 1 : 19244 : 1-3697
Gevvohnliche Combinationen.
!• T.Pf . oo/*i.ooi>cx>.oo/>oo
2. / . fPi . oo P oo . oo P ac
3. P oo p| - p oo
SiUb. d. mathem.-natunv. CI. Jahrg. 1850. II. Bd. II. Heft. 15
222
.Nachschrlft.
Nachdem die vorliegende Arbeit schon beendigt war, kam
mir das 2. Heft des Bandes LXXIV der Annalen der Chemie
and Pharmacia zu, aus welchem ich ersehe, dass Herr Dauber
zu gleicher Zeit mit mir die Krystallform der Hippursaure
(pag. 202) bestimmte.
Urn die Vergleichung der Resultate beider Messungen zu
erleichtern, will ich dieselben nebeneinander stellen. Die mit
gleichen Buchstaben bezeichneten Winkel wurden durch Messung
an Einem Krystalle crhalten, und die mit Sternchen verse-
hencn aus deu der Reclmung zu Grunde gelegten Werthen
bestimmt.
Nach Dauber
M-.M = 99° 41' 30". ..a
1H':M' =100° l'W...a
W: M (rcchts) =80" 6'3l"...«
M':M (links) = 80" 9' 7"...«
u : M (stumpf) =114° «' 49" ...»
u:M (spitz) = 65° 14' 28"... a
„ : M' (slumpf) =114° 50' 33". . .a
u:M' (spitz) = 65° 7' 51"... a
= 98° 29- 75' 8
Nach oiffcneii
..6
..5
..6
..h
..b
..b
. .e
u : U
= 88° 36- 5'
v : M (spitz) = 56° 47' 46"
99° 58 -25'..
100" 1-50'.
80° 3-25'.
79° 58-00'.
114° 47-50'.
65° 11-75'.
114° 49-75'.
05° 800'... d
98° 33-00'... c
98° 30-75'... 6
88° 34-50'... e
88° 31-25'- • -6
56° 45-50'... d
56° 44-50'... o
Messungen
99° 55 • 25' . . . c
100° 3-75'... d
80° 6-25'... c
79° 59-50'... e
65° 11-25'*
114° 48 -75'*
98° 28-00'... d
98° 29-75'... f
98° 30-25'... d
88° 27-00'... g
56° 43-50'*
Von Herrn Dauber wurden zur Berechnung des Axen-
verhaltnisses beniitzt :
Neigung vou M zu M'=80° 7' 54" «)
und „ „ u „ M - 65° 9' 15"
wodurch
a : b : c=l : 116047 : 0 97603
wird; ein Verhiiltniss, Welches mit dcin von niirgefundenen sehr
nalie ubereinstimmt.
<) Das eigentliche Mittel der beiden von ihm benulzten Winkel ist 80° 7' 49' .
223
Aus dieser Zusammenstellung ist ferner zu erschcn , (lass
die Grossen der durch die beiden Messungen erhaltenen Winkel
nur sehr wenig von einander abweichen , ja dass einzelne Win-
kelablesungen ganz iibereinstimmen.
Die grosste Verschiedenheit zeigt sich bei den Winkeln
des vertikalen Prismas M und des horizontalen v. Es scbeint mir
jedoch, dass der von Herrn D aub er zur Berechnung des Axen-
verhaltnisses beniitzte Winkel etwas zu gross genommen wurde,
weil er sogar ausser meine iiussersten Beobaehtungswerthe
hinausfallt, auch Herr Dauber bei den Resultaten die er an
dem ersten Individuum erhielt, stehen blieb, und die oft scharf
ausgebildeten Kanten der horizontalenPrismen nicht gemessen hat.
Bei dieser Gelegenheit will icb nochmals bemerken, dass ich
die Messungen mit eiiiem Reflexionsgoniometer ausfiihre, wel-
ches zwar nur eine directe Ablesnng bis auf 30" gestattet, aber
mitzweiFernrohren, wovon jedes ein Fadenkreuz enthalt, versehen
ist, und dass ich es dort, wo die Messungen um 10' dift'eriren, fiir
iiberfliissig halte, bei den zur Berechnung des Axenverhaltnisses
beniitzten Werthen noch einzelne Secunden anzugeben.
Herr Dauber misst zwar mit einem Reflexionsgoniome-
ter, das eine directe Ablesung auf 20'' gestattet , jedoch nicht
mit Fernrohr und Fadenkreuz versehen ist. (Annalen der Chemie
und Pharmacie. Band LXXI, Heft 1, pag. 65.)
Herr Director P. Partsch erstattet Bericlit im Namen der
zur Ausarbeitung einer Fauna des osterreichischen Kaiserstaates
niedergesetzten Commission.
Es wurde beschlossen, dass die Commission nunmehr ihre
Arbeiten beginne, und demniichst eine Einladung zur Mitwirkung
an bewahrte osterreichische Naturforschcr, von denen eine niitz-
liche Theilnahme zu erwarten ist, erlasse. Die eingesendeten Auf-
sittze werden nach erfolgter Begutachtung durch die Commission
in die Sitzungsberichte aufgenommen und wie diese honorirt;
iibcr Bevvilligung besonderer Honorare aber wird von Fall zu Fall
die Genehmigung der \kademie eingeholt werden.
15
224
Aiis den Gesammtsilzungeii der k. Akademie.
Sitzunfj vom 87. Juni 1850.
Den Herren Professoren Dr. Hebra und Dr. Elfinger
wurde auf Antrag des w. M. Professors Skoda zur Herausgabe
eines „Atlasses der Hautkrankheiten", bestehend aus 60 Tafeln
in Farbendruck sammt Text, eine Summe von 1500 11. C. ML
jahrlich auf die Dauer von 6 Jahren bewilligt, wogegen das Werk
in das Eigenthum der Akademie fibergeht.
Staling- vom 85. Juli 1850.
Von der lithographischen Anstalt des Herrn Minzinger
in Miinchen wurden Abdriicke der 14 Tafeln eingesendet, welche
zu dem Werke des w. M. Herrn Professors Franz Unger „Land-
schaftliche Darstellungen vorweltlicher Perioden" bestimmt
sind. Dem Herrn Verfasser wurde fiir das jetzt vollendcte Werk,
das ebenfalls Eigenthum der Akademie ist, bereits in der Ge-
sammtsitzung vom 29. Mai 1849 ein Honorar von 1400 fl. C. M.
zuerkannt.
Dem w. M. Herrn Custos Jacob Heckel wurden fiber dessen
Ansuchen zu einer Reise nach Baiern , Tirol und Oberitalien aum
Behufe ichthyologischer Forschungen 350 fl. C. M. bewilligt.
Eine handschriftliche Abhandlung des Herrn J. Mann „Ver-
zeichniss der im croatischen Litorale gesammelten Lcpidop-
teren etc." wurde der zur Ausarbeitung einer Fauna Oester-
reichs zusammengesetzten Commission zur weitereti Beniitzung
ubergeben, und mit 80 11. C. M. honorirt.
Die Herausgabe eines Werkes fiber die ,, Integration der
linearen DiffercntiaKjleichungen" von dem w. M, Herrn Pro-
225
fessor Joseph Petzval, fur Rechnung der Akademie, wurde
genehmigt und dem Verfasser fur Abtretung des Eigenthums-
rechtes ein Honorar von 40 fl. pr. Druckbogen zuerkannt.
Der geognostisch-montanistische Verein fur Innerosterreich
und das Land ob der Enns erhielt uber sein Ansuchen auch fiir
das laufende Jahr einen Beitrag von 100 fl. C. M.
Der provisorische General-Secretar bringt den von dem Hof-
und Gerichts-Advocaten Herrn Dr. Franz Schmitt revidirten
Entwurf eines Contractes mit dem akademischen Buchhandler
Herrn Braumuller zur Kenntniss der Akademie und beantragt
die Genehmigung desselben; nachdem diese erfolgte, wurde der
prov. General-Secretar beauftragt , den Contract Namens der
Akademie abzuschliessen. Herr Dr. Schmitt hatte bei obiger
Gelegenheit erklart , dass er bereit sei, in alien Fallen, wo es
gewiinscht wird, der Akademie seine Dienste unentgeltlich zu
widmen, woruber die Akademie be.schloss , ein Dankschreiben
an denselben zu richten.
Herr Braumuller ubergibt der kais. Akademie eine voll-
stiindige aus 150 Banden bestehende Sammlung der in seinem
Verlage erschienenen Werke, vvofur ihm die Akademie in einem
besonderen Schreiben zu danken beschliesst.
Auf Antrag des prov. General-Secretars wird, dajetzt gewis-
sermassen ein Abschnitt in der Thiitigkeit der Akademie ein-
getreten, und von sammtlichen periodischen Druckschriften der-
selben eine nicht unbedeutende Biindezahl erschienen ist, auch
von den Denkschriften der erste Band vorliegt, beschlossen:
Se. Majestat zu bitten , ein vollstandiges Exemplar der Denk-
schriften , Sitzungsberichte, Fontes und des Archivs Aller-
gnadigst annehmen zu wollen. Im Falle der Genehmigung durch
Se. Majestat werden der Vice-Prasident mit den beiden Secre-
taren zur Ueberffabe bestimmt.
Berichtigung.
1
Pag. 143, Z. 3, lies: Telcosticrn.
„ 154 , „ 19 , „ seine.
„ 154 , „ 21, „ Mcine.
177, „ 8, „ S c hwef e 1 c yankal ie n.
'„ 209, „ 2, „ Taf. VI.
Verzeiehniss
der
eingegangenen Druckschriften.
(Juli.)
Academy, American, of Arts and Sciences, Memoirs. Vol. IV. 1.
Cambridge and Boston 1849; 4°.
Boue, Ami, La Turquie d'Europe. 4 Vol. Paris 1840; 8°. avec
Atlas de 13 Cartes geograph., geol. et ethnogr.
aSranbfg, 3ac. 2lnbr. greilj. »., bie ©efcbi^te ber Sanbe^cmpr*
leute ton Sirol. #eraugg. d. ©.greir;. ». SSranbtg. #eft 4. 5.
3mt86run
unb Oe|lerrciii)ifd)=@d)Ieften. 3Briinnl850; 8°.
Gesellschaft, kon. siichsische , der Wissenschaften. Berichte.
Math. phys. Classe. 3. Heft. Leipzig 1849; 8°.
Kreil, Carl, magnetische und meteorologische Beobachtungen zu
Prag etc. 9. Jahrg. 1849; 4°.
SRo^t, 3$eob. »., Slrd&to fur btc ©efc&id;te ber ffiejwbltf @rau*
fciinben. 33b. I. #eft 3. @^ur 1849; 8°.
Neugart, P. Trudp., Libellus majores maternos Rudolfi I. II. R.
in Gottfrido duce Alemaniae proavo Hildegardae conjugis Ca-
roli M. subsistentes exhibens. Ed. Weber, Lud., Klagen-
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I. Abth. Pragl850^8°.
Patellani, Luigi, 11 Buco dell' Orso sul Lago di Como e le sue
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Societe, R. , des Antiquaires du Nord, Antiquarisk Tidsskrift,
Heft 3. Copenhagen 1849 ; 8°.
Societe, d'Archeologie et de Numismatique de St. Petersbourg.
Memoires. Supplement. St. Petersbourg 1850 ; 8°.
Society, chemical. Quaterly journal; 1850. Nr. 9. London 8°.
Szrzeniawa, Matthias, Wortforschungslehre der polnischen
Sprache. Lemberg 1842; 8°.
„ SBtc ter polnifdje ©ptacEjgeift bie ttrgefdjidjte bit
flawifc&en SBoIKjiamme auffaft. I. Stuffafc. Sem*
£ergl850; 8°.
Verein, Naturforschender zu Riga, Arbeiten des. Bd.T. Rndolstadt
1848; 8°.
Correspondenzblatt. Riga 1849; 8°.
Das Verzeichniss der von Herrn W. Braumtiller der k. Akadcmie iibcrgehcnen
W-crke seines Vcrlages wird dem nachsten Hefte beigegcben wcrdcn.
Bericlif
fin (lit
kaiserliche Akademie der Wissenschafte
ii
fiber eiii
mit tlcieii UnteistiUiKuiig
nach England iinrl Frankreich untemommene wissenschaftliche Reise.
Von
Professor A. Schrotter,
wlrkl. Mitgliede und Pr„v. Bea.-Secretar der k. Akadcmie der WbMudafte.
to Auszuge vorgetragen in den Sitmngen der raatheraatisch-imturwissensctaftlieh^
Classe am 21. Februar, 7. und 14. Maiz 1850.
41s Anhang zu,„ Juli.Hefte tier SiteungsBerichte
H§^m
W i e n.
Ans der kaisci-licli-koniglichen Hot'- und Staatsdruckerei.
Vorbemerkunff,
Uie keis. Akadenr'e bewilligie ni'V einstimmig eine nam-
hafte Unterstutzung zu einer wissenschafth'chen Reise nach
England, und zwar ohne mir bestimmte Pragcn zur Beant-
wortung vorzulegen. Sic mochte hiebei wohl von der Uebcr-
zeugjng geleitet worden sein, dass es bci einem solehen Unter-
nehmen , fur eines ibrer MitgJieder keiner besonderen Instruc-
tion bedarf, um dasseJbe zu besiiramen, alles in das Gebiet seiner
Beobaehtung zu Ziehen, was roil; den Fachern, in denen es
arbeitet, in einiger Vcrbindting steht. Die Natur des Paches
bestimmt aber nothwendig, eben so wohl wie das Land, welches
man besucht, die Art, wie der Zweck einer wissenschaftlichen
Reise erfullt werden soil und kann. Der Geognost besucht
unerforschte Lander, \m\ dort unsere Kenntnisse von der
innercn Bcschriienheit der Erdeindc zu erweitern, auf einer
raschen Reise in schon genau durcbforschten Gegenden, vvird aber
sein Zweck wohl nur der sein konnen, die von andcreu ge-
machten Beobachtungen mit der Natur zu verglcichen , die
Mittel der Erforschung zu studiren und in dcm Umgange mit
den ausgezeichnetsten Miiunern dieses Landes jene Fragen zu
besprcchen, die sich durch schriftlichen Verkehr nicht leicht
geniigend erortern lassen. Der Chemiker ist in dieser Beziehung
weit weniger begiinstigt als der Geoguost, Zoolog oiler Botaniker ;
er ist nicht im Stande von einer Itcise durch cin Land wie Gross-
britannien, neue, dort gemachte Entdeckungen mitzubringen, er
muss sich gliicklich schatzen, wenn es ihm gelingt Gelegenheit
zu linden, bei uns nicht Bekanntes, zu studiren, das Anwendbare
in seiu Vaterland zu iibertragen, Proeesse, welche man ent-
weder noch nicht odcr nnr selu* unvollkommen bcscliricbcn
liudet, oder ondlicb Vorrichtungen, Verfabrungsarten etc.,
die man gesehen haben muss urn sie zu verstelien, kennen
zu lernen. Wenn die kaiserlicbe Akademie die Verpflichtungen er-
fullen soil , welche ibr die §§. 1 und 4 ibrer Statuten auf-
erlegen '), so muss sie ihren Mitgliedern von Zeit zu Zeit
Gelegenheit geben ibre Kenntnisse in dieser Richtung zu cr-
weitern, und icb fiihle micb ihr tief vcrpllichtct , dass sie mir
dieselbe so bereitwillig gewahrtc.
Als bestimmte Aufgabe babe ich mir gestellt:
a) Mich mit der so grdssartig etrtwickelten, chemischen In-
dustrie Englands niiher bekannt zu machen.
b) Die Chemiker Englands, ihre Laboratorien und Hrlfsmittel
kennen zu lernen.
c) Mir eine genaue Kenntniss von den, die Untersuchung der
Koblen England's betreft'enden Arbeiten zu verschaffen.
d) Die meteorologiscben Ahstalten Englands zu sehen 3).
*) In §. 1 heisst es : ,,Die Akademie hat die Wissenschaft durch selbst-
stiindige Forschungen etc. zu fordern , niitzliche Kenntnisse und Erfin-
dungen durch Priifung von Fortschritten und Entdeckungen sicher m
stellen etc., so wie die Zwecke der Regicrung durch Beantwortung sol-
cher Aufgaben und Fragen , welche in das Gebiet der Wissenschaft ge-
hiiren, zu unterstiitzen.'' In §. 4 lautet die bezttgliche Stelle sub A.
sie hat die von der Staatsverwaltuag an sie gerichteten Fragen in reifliche
Ueberlegung zu ziehen und die abverlangten Gutachten zu erstatten.
a) Fur jene Loser, welche mit den in der Akademie stattgel'undenen Ver-
handlungen weniger bekannt sind , will ich nur erwiihnen , dass die von
mir beantragte und von der k. Akademie genehmigte Untersuchung der
t'ossilen Brennmaterialien Oesterreichs nun ins Leben trelen wird, da
*J
Die k. Akademie hat es mir zur Pflicht gemacht, ihr cincn
Bericht fiber raeine Reise vorzulegen, aber erst jetzt, nachdem
diese Arbeit vollcndet vor mir liegt, sehe ich wie gewagi cs ist,
nach einer kurzen Ileisc in einem Lande, das des Merkvviirdigeu
•so vol] ist and das nach alien Richtungen mannigfach durchforscht
nnd beschrieben wurde, mit einer solchen Beschrcibung, die doch
nur cinen ganz relative!. Worth haben kann, vor die Welt zu treten.
Einzelheiten, die fur den Sammlcr oft von grosser Wichtigkeit
sind, schruropfen in der trockenen Form eincs Berichtes zum
Unbcdeutendcn zusammen , zumal da die Anschanung, fur den
Beobachter so unsehatzbar, fiir den Loser wieder ganz verlorcn
ist. Nur dem Urthcilc Jener, die ahnliche Rsisen zu ahniichen
Zwecken gemacht haben nnd die zugleich vvohlwollcnd genug sind
meinen gutcn Willen in die Wagschale zu legen, darf ich mit
einiger Beruhigung entgegen schen.
Es ist unvermeidlich, dass in diesem Berichte manches he-
eler Herr Minister des Handels , dessen Scharlblick nichts entgeht, whs
zur Hcbung des Nationalwohlstandes beitragen kann, 5000 n. zur
Herstellung der nttthigen Localitiilen , Beischaffung des Dampfkessels etc.
bewilligte.
In Bezug auf den Punkl d) bemerke ich, dass der jetzige Viee-Priisi-
dent der Akademie, Ritter von Baumgartner, Em Interesse der
Wisscnschaft , auf seinen Functionsgehalt von 2500 11. verzichtend, den-
selbcn der Anschaffung von meteorologischen Instrumenten widmete,
welche an Eisenbahnbeamte, die bei Bahnhtifen von geeigneter Lage an-
gestellt sind und an andere Beobachter vertheilt werden. Die Akademie
ernannte cine permanente meteorologische Commission, bestehend aus den
P. T. Herren D op pier, E 1 1 in gsh an se n , Gintl, Roller,
Kunzek, Stampfer, Steinheil und mir, dem auch die Ehre zu
Theil wurde zu ihrcm Bericbterstattcr gewiiblt zu werden. Diese Commis-
sion ging von dor Ueberzeugung aus , dass es, ivenn die an den verschie-
denen Stationen angestellten Beobachtungen von h-gend einem Nutzen sein
snllen, nothwendig sei , in Wien cine Centralstation mit einem eigenen
meteorologischen Observatorium zu errichten nnd cinen im Pache der
Meteorologie bereits crfahrenen Gelehrten als Director dessclbcn mit
dem niithigen Personale anzustellen. Die Akademie nabm diesen Antrag
cinstimmig an und bescbloss dcnselben dem Ministerium des Cultus uriil
Unterrichtes vorzulegen.
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rflhrt wird, was einem oder dem andern Mitgliede bereits
bekannt ist, da ich ja eben das Geschene anzuffihren habe.
Von diesem Gesicbtspuncte aus bitte ich nun die geehrte Classe,
meinen Bericht zu beurtheilen, er ist keine gelehrtc Abhandlung,
sondern ein einfacher Reisebericht, der gemiiss unserer Geschafts-
ordnung auch bestimmt ist, in einem grosseren Kreise als dem der
k. Akademie bekannt zu werden; ich muss nur bedauern, dass
ich denselben nicht schon fruher vorzulegen in der Lage war.
./Vis ich am 2. Juni 1849 Wien vcrliess , war Deutsch-
land so sehr durch innere Sturme crschiittert , dass ich eilte
den ruhigen Boden zu erreichen, auf welchem vor nahe zwei
Jahrlninderten jener grosse Kampf dcr Principien zu Ende ge-
fiihrt wurde, der bei uns unter so drohendcn Symptomen be-
gann und eben sein zweites Stadium erreichte.
Ich nahm meinen Weg iiber Giessen , dein Mekka der
Chemiker, weil ich gewiss sein konnte , auf diese Weise die
freundlichsten Erinnerungcn an Deutschland mit nach England
hinuber zu nehmen ; und in der That konnte es fur mich nichts
Erfreulicheres und Erhebenderes geben , als hier , in Mitte der
sturmbewegten Zeit, cine Anzahl jugendkraftiger Manner in
briiderlicher Freundschaft zur Forderung und Verbreitung der
Wissenschaft vereinigt zu sehen. Es gehort wahrlich nicht zu
den kleinsten Vcrdicnsten Liebig's, hier einen Brennpunct
geistigcr Thatigkeit ins Leben gerufen zu haben , wo Manner
wie Buff, Dieff enbach, Ettling, Knapp, Kopp, Will,
Z am miner etc. gemeiusam und in schonster Eiutracht wirken.
Die Zciten Scheele's, wo isolirt stehende Manner die Wis-
senschaft wesentlich lordcrn konnten, sind voruber; Vereinigung
von Kraften, Austausch von Idccn und rasche Mittheilung jedcr
neuen Thatsache sind nothwendig , urn die grosse Masse des
neuen Materiales, das jetzt jede Woche bringt, zu beherrschen.
Von den besten Wunschen begleitet, eilte ich nach
Belgien, diesem durch seine hohe industrielle und politi-
sclic Entwicklung gleich merkwurdigem Lande. Ich war in
Liittich Zeuge des nie enden wollenden Jubels und der
Begcisterung, mit wclcher der Konig empfangen wurdc, und
hatte Gclegenhcit zu sehen, wie sehr das Volk es zu schiitzen
weiss, dass die Regierung den Bediirfnissen der Zeit aufrichtig
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Redlining zu tragen beiniiht ist. Professor Gloser nahm
micli aufs freundlichstc mi, zeigte mir das Sehenswtirdigste,
wovon ich nur die schiinc und reichhaltige physikalische Sanim-
limg der Universitiit mid die so zweckmiissig eingerichtete kiin.
Gewchrfabrik erwiihnen will, in der ich zum crsten Male das
ballistische Pcndel fungiren sail. Unter vielen hochst sinn-
rcich eingerichteten Maschinen fiel mir bcsonders die auf,
welche mittelst einer Prese einen aus Gusseisen verfertigten
Schaft , der als Model dicnt, in wenigen Minuten genau copirt.
Professor Gloser ubergab mir fur die k. Akademie die bei-
den klcinen Schriften , ,,Mcmoire sur la refraction" etc. und
„ Discours prononce a la salle academique do /' Unwersite de
Liege le 12 Oct. 1847 d,t 'occasion de la reouverture solennelle
des cours."
In Brilssel besah ich das unter der Leitung Q net clot's
stehende meteorologische Observatorium , die iiberaus reiche und
instructive Sammluug von physikalischen Instrumeiiten, Modellen
etc. im Gebiiude der Akademie , und besuchte den durch die
Genauigkeit seiner Arbeiten ausgezeichncten Chemiker Stass.
Er war, obwohl leidend, so gefiillig mir nebst manchem Interes-
santen , die Apparate zu zeigen , welche zu seiner letzten
Aequivalcnten-Bcstimmung diontcn und machte mich mit Hrn. S a c r e
bckannt , der Wagen von grosser Vollendung, namentlich fiir
bedeutende Belastungen verfertigt. Einc dcrsclbcn schliigt bei
einer Totalbelastung von 40 Kilogrammen noch den zwei mil-
lionsten Theil dersclben aus , und kostet sammt den zugehorigen
Gewichten nur 4700 Franken.
Ich besuchte audi noch das durch seine ausserste Ilein-
lichkeit , schone Lage und in alien seinen zweckmiissigen Ein-
richtungen von einem hochst wohUhueiideii Geistc der Humanitat
durchwehteneue Hospital, das seiner Vollendung nahe ist, und
das beriihmte geographiscb - statistisch - etnographisch - natur-
historische Institut iinseres correspondirenden Mitgliedes van
der Maelen. Der zoologische Theil, namentlich die Conchilien-
sammlung, scheint einem Forscher reiches Materials darzubie-
tcn, die mineralogische Partie ist jedoch , was Aufstellung und
Inlialt betrifft , sehr untcrgeordnct. Bewunderungswiirdig bleibt
das Sammcltalent und der Fleiss der Grander dieses merk-
wiirdigcn, fiir die Erdkundc wichtigen Institutes, in wel-
chem oinc so enorme Masse von Materiale aufgespcichert ist.
Sehr lobenswerth ist die zuvorkommende Gefalligkcit mit der
geboten
dem Frcmden Zutritt und Einsicht in alle Details
werdcn. Audi die ebenso geriiumige als elegante Pruchthalle zog
meine Aufmerksamkeit auf sich, und ich forschte vergebens nach
den Grtinden, aus welcben dicse so wichtige Einrichtung bei uns
noch ganz fehlt, da man doch glauben sollte, dass wenn einmal
irgendwo etwas derartiges zap Ausfiibrung gckommen ist, und das
ist es seit lange an so vielen Orten, es bald in keiner auch nur
einigermassen bedeutenden Stadt mehr fehlen wird.
So wohlthuend auch der Eindruck Brussels und des dorti-
gen Lebens auf den Fremdcn wirken muss, so eilte ich doch
nach England, dem eigentlichen Ziele meiner Reise.
Am 16. landete ich nach einer Ustiindigen Nachtfahrt
von Ostende beim Customhouse in Blackmail , und ich muss
gestehen, dass mich ein fast unheimliches Gefiihl crgriff, als
ich Englands Bodcn betrat; es mag ein solches wohUedem in
dem Momente beschleichen, wo er im Begriffe steht, einen ganz
neuen Abschnitt seines Lebens anzutreten, und wo so manche
Erwartungen, Wiinsche und Besorgnisse rasch und verworren
vor die Seelc treten. Doch das Wetter war herrlich, eine Regata
versammelte eine Menge heiterer Menschen an und auf dem
Strome, Musik und Gesang schallten uns aus dem Gewimmel
von Fahraeugen aller Art entgegen , die Beamten des Custom-
house waren sehr bescheiden und hoflich , keine Pass- oder
sonstige Quiilerei war zu iiberstehen — ich hatte nichts als ein
Certificate of arrival zu unterschreiben — musste da nicht
bald eine heitere Stimmung jeden sorglichen Gedanken verscheu-
chen?— Ich werde bier weder die sehr sehenswerthe chinesi-
sche Chonhe, welche in den Docks von Blackivall vor Anker
liegt und an deren Bord sich taglich eine grossc Anzahl
von Besuchcrn begibt, noch die herrliche Fahrl; den grossartigen
Strom aufwtirts bis zur Blackfriars Bridge, wo ich ausstieg,
beschreiben; sondern nur anfuhren, dass ich die erslen Tago
meines Aufcnthaltes in London dazu beniitzte in der Riescn-
stadt, die jetet fiber 2 Millionen Einwohner beherbergt, einige
topographische Kenntnisse zu erlangcn , und das zu sehen, was
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alle Fremden selien mu.ssen und was so oft und von so vcrschie-
denen Standpuncten aus viel besser beschrieben wurde, als ich
es zu thun vermiichte. Nachdem ich diesen Zweck einiger-
massen erreicht und meine Neugierde wenigstens vorlaufig be-
friedigt hatte , besuchte ich zuerst meinen deutschen Landsmann,
Professor Dr. Hofmann, der jetzt in London am Royal College
of Chemistry mit Auszeichnung lehrt. Derseibe machte mich
nicht nur aufs freundlichste mit der Einrichtung dieses schonen
Institutes bekannt, sondern offnete mir auch sein Haus, und
erwies mir so viel Preundschaft, dass ich mich gedrungen fiihle,
ihm hier meinen Dank auszusprechen. Er ubergab mir fur die
k. Akademie, den ersten von dem College of Chemistry heraus-
gegebenen Bericht1) welchen ich hiermit der Classe iiberreiche.
Die Art der Entstehung dieses Institutes ist zu bezeichnend
fur die Denkweise der Engliinder, und die Wirksamkeit desselben
jetzt schon zu bedeutend, als dass ich die naheren Details fiber die-
selben hier unerwahnt lassen durftc. Nachdem namlich die che-
mische und mit dieser auch die gesammte Industrie in England,
durch die Erzeugung der Soda aus Kochsals einen so raschen
Aufschwung genommen hatte, ling man an die Wichtigkeit eincr
moglichst grossen Verbreitung chemischcr Kenntnisse immer
lebhafter zu fiihlen. Der grosse Impuls, welchen die organische
Chemie zumal durch Liebig's Genie erhielt, musste bald
seine Wirkung auch auf die Landwirthschaft iiussern , und nun
konnten die bis dahin in England hestandenen Institute dem rait
jedem Tage steigenden Bcdiirfnisse nicht mehr geniigen. Die
neu sich gestaltende Zeit musste sich auch neue Organe
schaffen, und wohl dem Landc, in welchem alle Theile der Ge-
sellschaft diess gleichmiissig erkennen. Am 29. Juni 1845 wurde
in einem offentlichen Meeting die Errichtung einer praktischen
Schule fiir Chemie beschlossen , und ein leitendes Council er-
nannt. Durch Vermittlung des jeden wahren Portschritt unter-
stutzcndenPrinzen Albert, der die Prasidentschaft des Col-
legiums iibernahm, wurde Dr. Hofmann, damals eben zum
ausserordentlichen Professor der Chemie in Bonn ernannt, Or
t) Reports of the Royal College of Chemistry and Researches conductet
in the Laboratories in the Years 1845-1847. London 1849.
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das Institut gewonnen, und schon im October desselben Jahres
eroffnete man in einem iraprovisirten Laboratorium den Curs,
zu dem sich gleich in der ersten Woche 20 Schiiler meldeten.
Mittlervveile crtheilte die Konigin dem Institute die Erlaubniss,
den Namen eines „koniglichen Collegiums der Chemie," der hier
nur ein Titel ist , zu fiihren; cin betrachtlicher Grund am
Hannover-Square wurde gckauft und am 16. Juni 1846 der
Grundstein zu dem zweckmassigen, bleibend der Schule gewid-
meten Gebaudc gelcgt, dessen Fronte sich in einer Hauptader
Londons, der Oxford Street, befindet.
Um die Kosteu fur alle diese Einriehtungen zu bestreiten,
wiirde man sich in den moisten Staaten des Continentes an die
Regierung gewendct haben — nicht so in England, wo das Volk
gevvohnt ist, so viel vvie moglich sich selbst zu helfen und zu
regieren, wo es mit vollem Bewusstsein seiner Rechtc, eifersiich-
tig auf die Erbaltung derselben ist, aber audi die der Regierung
heilig achtet. Hier wurde alles durch Subscription und durch
ausserordentliche Beitriige, welche bis zu 50 Pfund stie-
gen, und durch das Ertragniss des Unterrichtsgeldes gedeckt,
das gleich im ersten Jahre 529, im folgenden 651, im nach-
sten 737 Pfund Sterlinge betrug und im Jahre 1848 auf 1849
gewiss auf 1000 Pfund gesticgen sein wird.
Das Jahr wird in zwei Curse (Sessions) getheilt. Der
Wintercurs dauert vom October bis Februar, der Soinmercurs
vom Mare bis Juli, so dass jeder Curs 20 Wochen hat. Die
Anzahl der Schiiler betrug in den aufeinanderfolgenden Cursen
vom Jahre 1845—1848 63, 89, 97. Das Laboratorium ist von
9 Uhr Morgens bis 5 Uhr Naehmittag geoffnet, mit Aus-
nahme des Sonnabend, wo es um 2 Uhr geschlossen wird. Das
Unterrichtsgeld (Fee) betragt fiir den Semester 15 Pfund
Sterling; wenn der Schiiler taglich arbeitet, 12, fiir vier Tage,
10, fiir drei, 7, fiir zwei und 5 Pfund, fiir einen Tag in der
Woche. Beim Austritte aus dem Institute erbiilt der Schiiler
ein Frequentations - Zeugniss (Certificate of Attendance) in
welchem die Dauer seiner Verwendung und die Zahl der
Wochentage, die er im Laboratorium gearbcitet hat, ange-
gebeu sind. Schiiler , welche im Stande sind im Laborato-
rium eine selbststiindige chemischc Arbeit durchznfuhren , die
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wiirdig befunden wird in don Verhandlungen der Chemical
Society of London und in den Bcrichtcn des Royal College
of Chemistry aufgenommen zu werden , erhalten cine Testi-
monial of Proficiency, und werden als fit hi g betrachtet cine
Reihe von chemischen Untersuchungcn selbststandig durchzu-
fiihren. Man gibt sich also in England nicht der Meinung
hin, dass ein junger Mann, der fiingere Zeit in einem Labo-
ratorium, wenn auch schr fleissig und unter sehr gutcr Lci-
tung arbeitete, als ein ausgcbildeter Techniker aus der
Sclmlc tritt, sondern man beurthcilt die Vcrhitltnisse wie
sic sind, man f'ordert von der Schule nicht mchr als sic
in der Thai; leisten kann. Wie richtig man iiberhaupt die
Stellung der Schule auffasst gcht auch daraus hervor, dass
man in dem Royal College of Chemistry kcine Untersu-
chungen fur das Publikum, nicht einmal fur die unterstiitzenden
Mitglicdcr unternimmt, indem der einzige Zvvcck desselbcn der
Unterricht ist, und die Ausfiihrung von Arbciten, welche die
Wisscnschaft fordern. Unmittclbar auf die Industrie Bezug
habendo Arbciten miissen Privatcn iiberlassen bleiben; dafiir
aber, dass es der dazu befahigten in gehoriger Mcnge und von
gutcr wissenschafllicber Ausbildung gebe, dafiir muss eben die
Schule sorgen.
Professor Hofmann halt gegenwiirtig dreimal in der Woche
Vorlcsungen und hat 3 Assistenten und 2 Subassistentcn, wel-
che sammtlich in der Regel aus den Zdglingen des Institutes
gewiihlt werden. Man ist so eben im Begriffc einen neuen
Horsaal fiir mindestens 200 Zuhorer, mil alien moglichen Be-
quemlichkeiten einzurichten , fur welcben die Summe von
1800 Pfund in Anschlag gcbracht wurde, um, soweit diess
nur immer angeht, in den Vortriigen auch solcbe Versucbc, die
teebnische Verfahren betreffen, sclbst einem grosseren Publikum
zu versinnlichen. Es kann bei der hbchst zwcekmassigen Lei-
tung, dem gediegenen Unterrichte und der in England so allge-
mein gewordencn Ueberzcugung von der Wichtigkeit grundli-
chcr chemischer Studicn nicht bezwcifclt werden, dass dieses
Institut in wenigen Jahren ganz selbststandig da stehen und noch
Ponds eriibrigen wird, um seine Wirksamkcit nach Bcdiirfniss
auszudehnen.
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13 ei Professor Ho I'm aim fand ich Dr. Stenh ous e, mir
schon aus friiherer Zeit bekannt, er l'iihrte raich in die Che-
mical Society ein, deren Presidium gegenwartig der als Astro-
nom bekannte Lord Ross mat vieler Wiirde und in muster-
haft parlamentarischer Form fiihrt. Diese Gesellschaft wurde
durcli ein von alien chemischen Notabilitiiten Londons besuchtes
Meeting gegrfindet, das am 23. Pebruar 1841, auf Veranlassung
des riihmlichst bekannten Cbemikers R. Waring ton zusam-
mentrat. Der Zweck derselben ist Forderung der Chemie und
der damit uninitteibar zusammenluingenden Wissenschaften, so-
wobl durch Discussion als durcb Errichtung eines chemischen
Museums und einer chemischen BibliothelJ Jcdes in London
und zwanzig Meilen iin Umfange der Stadt wohnende Mit-
glied hat jahrlich awei Pfund, alle entfernter wohnenden haben
nur ein Pfund beizutragen. Am 30. Marz 1841 wurde das
erste allgemeine Meeting abgehalten , bei welchem das provi-
sorische Comite einen Bericht iiber Einrichtung, Leitung etc.
der Gesellschaft, welchc bereits aus 77 Mitgliedern bestaud,
vorlegte. Es wurde diesem gcmiiss soglcich zur Wahl der
Functional {first Officers) und des Rallies geschritten, und
Graham zum Priisideuten, Warington zum Secretar er-
nannt. Die Gesellschaft bewarb sich urn ein Charter , welches
sic audi erhielt, halt nun regelmiissig ihre Sitzungen im
Somerset-House, einem der schonsten Gebiiude Londons und
triigt sehr viel zur Forderung und Vcrbreitung chemischer
Kenntnisse bei. Herr Warington ist erster Secretar der
Gesellschaft, seiner aufopferndcn Gefalligkeit verdanke ich zum
grosseii Theil die Erreichung des Zweckes meiner Reisc. In
einem ihrer Meetings lernte ich auoh die Herren Graham,
Miller, Andrews und Reynolds kennen, welchen alien ich
hier meinen Dank fur die vielen Gefiilligkeiten sagen muss, die
sie mir spater erwiesen.
Eines der erstcn Etablissements , welches ich auf meiner
Wanderung durch London besuchte, war die Polijlechnical
Institution, cine Anstalt, die schon, weil sich eine ahnliche
am Continente nicht findet, meine Aufmerksamkeit in Anspruch
"ahm. Die sonderbaren Urtheilc, welche ich von Fremdeu, na-
mentlich von Deutscheu, iiber dieselbe horte , zeigten mir sehr
: - ■
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deutlich, wie fremd uns das Lebea in England doch eigentlich
noch ist. Dieses Institut ist nicht etwa da, um niitaliehe Kennt-
nisse zu verbreiten , sondern um durch die Verbreitung niitzli-
cher Kenntnisse den Unternehmern desselben Gewinn zu brin-
«-en ; dieser Umstand ist so bezcichnend wie der , (lass man
eben auf diesem Wege Geld zu gewinnen hofft und auch wirk-
lich gewinnt.
In einem von oben erleuchteten Saale mit einer rings herum
iaufenden Gallerie, bcfindet sich eine grosse Anzahl von Maschi-
nen, Apparaten, Instrumenten, Naturalien, Mttterialwaaren, Waf-
fen, Geriithschaften aller Art in einer Ordnung aufgestellt, die
man nicht eben eine wissenschaftliche nennen kann; auch sind
diese mannigfaltigen Gegenstiinde keineswegs sammtlich durch
irgend etwas ausgezeichnet , vicles mag da sein, um gerade nur
den Platz auszufiillen , allcs lindet aber bei der eben so gros-
sen Mannigfaltigkeit der Besucher seine Beachtung. Die riesi-
gen stroboskopischenScheiben unsercs auspruchlosen Stampf er,
hier durch einen Mechanismus in Bewegung gesetzt, wurden
nicht vveniger bewundert , als die bedeutende Anzahl von Dampf-
maschinen- und Pumpcn-Modellen , die sich alle in steter Bewe-
gung befinden und wirklich irgend cine Arbeit verrichten. Ein
aus Spiegelplatten zusammengesetzter Bassin in der Mitte des
Saales dicnt einem Zitteraal von seltener Grosse und Schon-
heit zur Bchausung. Das in seinen Bewegungen sehr gravitati-
sche Thier scheint sich ganz hehaglich zu hihlen und die Stosse,
die es zu erthcilen vermag , sollen ausserordentlich heftig sein.
Ein Prosch, den man ihm zum Putter gab, durfte sich lange
ungestraft in seiner Nahe herumtreiben , der Fisch spielte liin-
gere Zeit mit demselben, indem er ihu fing und wieder ausliess,
bis er ihn plotzlich durch eine Entladung todtete. An dem einen
Ende des Saales befindet sich ein tiefes Bassin , von welchem
zwei Arme auslaufen, die Modellc von Schiffen aller Art und
mannigfaltige hydrotechnische Vorrichtungen aufnehmen, wahrend
ersteres zu den Versuchen mit der Taucherglocke dient.
Um 11 Uhrwird dieAnstalt eroffnet, und es beginnt cinclteibe
von Vortriigen, nach demProgramm, das jederEintretendeerhalt. So
erklarte man, als ich das erste Mai gegenwartig war, die Bearbeitung
der Baumwolle vom Anfange his zu Ende, wobei dem Vortrage
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Schritt fiir Scbritt der Versuch folgte, so dass dieZuhorer, von der
rohcn Kapsel bis zum fertigen Faden , alles in die Hand bekam.
Nachher wurden Vorrichtungcn zur Forderung derKohlcnundErze
aus Schachten erklart, wahrend welcher man zu dem einen A>*m
des Bassins gelangte, da begann nun cin Vortrag fiber die ver-
schicdenen Mittel der Forthcwegung von Sebiffen (Propellers)
vom einfachen Ruder bis zur Schraube, jeden Satz durch ein
Modell erlauternd. Darauffolgten die Experiments mit der Tauchcr-
glocke, in welcher 5 Personen obne alle Unbequemlicbkeit den
Versucb machen konnen , wie es sich in diesem Ausnahmszu-
stande lebt, wo der Druck den sonst gewohnlichen um ungefahr
ein Drittel iibcrtrifft, da man cine Wassersaule von etvva 10 Fuss
iiber sich stehen hat. Anfangs bemerkt fast Jcder nicht
barthorige etwas Obrecscbmerzen , durch Hinabschlucken ver-
schvvindet aber auch dieses bald und — man gewohnt sich daran.
Fiir Sicherheit ist iibrigens durch starke Ketten , an denen die
Glocke hangt, und fiir frische Luft durch Pumpen, welche die
verdorbene entfernen und gesunde zufiihren , hinreichend ge-
sorgt. Das magische, durch die betrachtliche Wasserschichte
noch durchdringende Licht gestattet iibrigens noch das Lesen der
^Times'". Ein Mann mit einem wasserdichten Uebcrkleid und cinem
eben so schliessenden Helm, tritt nun hervor und steigt als sehr
prosaischer „Taucher" in die Tiefe hinab, um ein versenktes
kleines Schiff durch Anhangen leerer Passer zum Steigen zu brin-
gen. Zwei mit der Luftpumpe, die friiher bei der Taucherglocke
fungirte, communicirende Schlauche erhalten ihn in der nothwen-
digen Verbindung mit der Oberwelt, indem sie gewissermassen
eine Verlihigeruiig- seiner Athmungsorgane bilden. Ein anderes
Wrack wird unter Wasser gesprengt und das Pulver durch den
elektrischen Strom entziindet. Der Taucher steigt b;nab, um die
Ladung zu befestigen und die Leitung herzustellen. Alles zerstreut
sich nun , und Jeder sucht was ihm besonders interessii te naher zu
sehen und sich daruber noch im Detail belehren zu lassen. Auf ein
gegebenes Zeichen aber stromt alles einem mit schweren Vorhan-
gen geschlossenen Gange zu, durch wclcben man in ein finsteres
Amphitheater tritt, wo man jedoch bald so viel sieht als noting
ist, um in einer der Banke Platz zu nehmen. Plotzlich erscheint
ein grosser kreisformiger Raum an einem veilikal gespanntcn
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Vorhange liell erleuchte,t und bald scheint dieser von clou grasslich-
sten Ungeheuern bev&lkert, ein Anblick, der den zarteren Theil
des Publikums mit Grauen erfiillt, — doch es sind nur Intuso-
rien, die erst bei einer SOOfaltigen Vergrosseroog so entsetalich
erscbeincn, und ilire so drobenden Gcbcrden sind nur durch
die Unbequcmlichkcit ihrcr eigenen Lage eraeugt. Aus deni
ganz finsteren Hintergrunde des Saales ertiint nun eine sonore
Stimme, die uns iiber das Hydrogengas-Mikroskop belebrt, und
das Pikanteste aus dem Lebcn der kleinen Ungeheuer erziihlt, die
untcr sich in so grossem Unfrieden leben. In den grossen Saul
zuruckgekehrt, findet man ein neues Publikum, dessen Wissbe-
gierde wieder von einem andern Gegenstande in Ansprucb ge-
nojnmen vvird. Die Zeit ist jctzt da, wo die Vorlesuug iiber Phy-
sik beginnt. Der Experiment^ -Tisch ist reich mit eleganten Ge-
fassen von eigenthumlicher Form besetzt, denn der Vortrag han-
delt heute von den Mitteln Kalte zu erzeugen und die neu paten-
tirten Gefassc des H. Mas t er bilden den llauptgcgenstand. Nacli
einer sebr kurzen, hochst populiircn Einlcitung wird untcr der
Luftpumpe mittelst Aether auf die bekannte Art Eis erzeugt,
und nun das weit eint'achere Vcrfahren mit Kaltemischungen er-
ortert. Bei den Apparaten des H. Master besteht die Kiilte-
mischung aus Soda und einem Gemenge von % Tb. Salmiak und
V» SalpetePj die den Volumen nach genommen werden ).
Die Zuhorerschal't wurde mit Gefrornem betheilt , und H.
Master hatle wohl nicht leicht ein wirksamcrcs Empfclilungs-
mittel fur seine Apparate wiihlen kiinnen, was offenbar auch der
Zweck desselben war. Dem pbysikaliseJien Vortragc folgt einer
Tiber Chemie, man spracb diesmal iiber die Verbrennung, ein an-
dermal vvird voin Leuchtgase geredct u. s. w. Endlicb werden in den
Theatcrn Nebelbilder, Cosmoramen geaeigt, und sclbst ganz artige
musikalischeProductlonen abgcbalten. Fiir alles dieses bezalilt man
*) Die Wirkung dieser Mischung ist sehr rasch und bei den niedrigen Prei-
ser! beider Artikel (der iistr. Centner Soda kostot 13 — 14 11. CM-,
der Ct. Salmiak 36 fl. CM.) auch nicht kostspielig. Da der k. Rath It e u l e i'
mir eine kleine Summe /.ur Verfiigung slellte, so war ich in der Lage
einige dieser Gerathschailen i'iir das techniscbe Cabinet zu kaufen, wo sie
gegenwiirtig aui'gestellt sind.
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cinen Schilling, urn- der Versuch mil; der Taacherglocke kostet
einen mehr, wenn man ihn nicht bloss sehen, sondern selbst machen
will. Urn 3 Ulu- wird die Anstalt geschlossen, aber schon urn
7 Uhr wiedergeoffnet, wo tier neuc Cyklus von Vortragen etc.
bcginnt, der bis halb eilf Uhr dauert.
Wenn diese Vortrage und Erklarungen, welche nicht etwa
von Mannern, die durch ihre Leistungen in der Wissenschaft be-
kannt sind, gehalten werden, vieles m wunschcu iibrig lassen,
so kanii dock der Nufoicn derselbcn nicht in Abrede gestellt wer-
den, iadem durch sie cine Masse niitzlicher Kenntnisse in einer
Schichte der Gesellschaft verbreitet wird, in die sie auf einem
andcren Wcge nicht leicht dringen wurde.
Da die Anstalt bemiiht sein muss das Ncueste aus dem
Gcbiete der Wissenschaft und Industrie so schncll wie moglich,
und auf eine recht auffallende Art zu zeigen, so gewinnt sie
dadurch selbst fur den Mann von Fach ein Interesse, indem da-
selbst gewisse Versuche , wie die mit der Armstr ong'schen Ma-
schine, mit dem elektrischcn Strome und dgl. mehr, in einem so
grossen Maasstabe gezcigt werden , wie man sie nicht leicht
wo anders schen kann. Unwillkiirlich musste ich mir die Frage
stellen, sollte es denn bei uns in Wien, wo das Elysium so
gute Geschiiftc maeht, wo die Hundscomodie so fashionable
war, und die phantasmagorischen Vorstellungen im Prater so
besueht siud, sollte cs denn da gar nicht moglich sein ein
ahnliches Institut ins Lcben zu rufen ? Je mehr ich hieriiber
nachdachtc desto klarer wurde es mir , dass man unserer so
richtig denkenden Bevolkerung nur etwas besseres zu bieteu
hraucht, uni sich ihrer Theilnahme zu versichcrn ; frcilich
musstc die Sache gleicli von vornherein in die rcchten Hande
konimen und dfirfte nicht etwa wdrtlich aus dem Englischcn
ins Oesterreichische ubersetzt werden, sondern ware erst unse-
ren Verhaltnisseu anzupassen.
Durch II. Waring ton wurde ich mil dem Botaniker
Herrn N. B. Ward bekannt, der mir seine gcschlossencn,
tragbaren Glashiiuser zeigte , in welchen die zartesten Pllan-
zen, trotz der rauchigen Atmospluire Londons, ein so iiber-
raschend frisches Lcben zeigen wie auf don Felsen von Killar-
«ey oder in den duftigen Waldern Teneriffas. Das Princip
Schriittor. j,
18
auf welchem diese nut*zliehe Einrichtang beruht besteht darin,
class die Pflanzen in guter Erde, am besten in der in welcher
sie gewohnlich wachsen , in cinem geschlossenen Raum sich
beflnden, wo sie vor Staub geschiitzt, der Einwirkung des
Lichtes ausgesetzt, sich bei sparlicHem Luftwechsel in einer hin-
reichend feuchten Atmosphare beflnden. Die zartesten Pflanzen
machen auf diese Wcise die grossten Seereisen and halten
sich jahrelang, ohne irgend iiusserer Hilfe zu bediirfen.
Wie niitzlich diese einfache Vorrichtung fur kleinc Lehran-
stalten u. dgl. in der Hand eines rait Sinn fiir die Natur aasge-
riisteten Lehrers werdcn kann , und wie vielseitiger Anwendung
sie fabig ist, darauf hat H. Ward in einer bcsondern Schrift
hingewiesen ).
In Lambeth sail ich die Glasfabrik des Herrn Christie,
wo schones Krystallglas rait Steinkohle erzeugt wird. Sehr schon
sind die nach Art der antiken Vasen, aus Hyalith verfertigten
Geschirre, von denen ich Muster fiir das technische Cabinet
mitbrachtc , dann blassblaue Gliiscr fur Gasflammen und Stand-
flaschen zum Aufbewahren naturhistoriseher Gegenstande in
Weingeist.
Ganz in der Nahe dieser Fabrik beginnen die bedeutenden
Potterien, deren mannigfaltige und wohlfeile Erzeugnisse von
so grossem Eiuflusso auf viele andcre Industrie-Zweige England's
sind und mis noch ganzlich mangclu , was namentlich fiir die
Erzeugung chemischer Productc eine sehr fuhlbare Lucke ist.
Vorziiglieh war es die Fabrik des Herrn Step ha 11 Green,
in der Princess- Sir eel, wclchc ich Gelegenheit hatte genauer
kennen zu lernen und aus deren, mit Zcichnungen versehe-
nen Preisverzeichnissen , die ich vorlege , deullich hervor-
<>-eht, in welcher Richtung daselbst gcarbeitet wird. Die
Apparatc zur Condensation von Siiuren lassen ihrer Dancrhaftig-
keit, Grosse und der genau eingesehlifi'cnen Vcrbindungen wegen
nichts zu wiinschen iibrig. Ich sah bei H. Green ein Gefass
(Store Jar) von 300 Gallonen (939-4 Wiener Mass) Gchalt, mit
luftdicht aufgeschlifl'enem Deckel {Patent air-light cover) und
eingeschliffenem Hahu , das ein wahres Meisterstiick von Potterie
!) „On the growth of Plants in closely glazed Cases; by N. B. Ward,
bondon 18*3,"
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ist. Diese laftdicht schliessendcn Deckel gind ganz ausgezeich-
net; der Versuch, den Deckel durch brennendes, in das Gefiiss
gebraclites Papier so fest haften zu machen, dass man ihn nur
durch Erwarmen des Gefasscs wieder offnen kann, lasst sich
mit jedem derselben anstellen, nnd an einem dieser Gefasse,
das in der Fabrik auf diese Weise geschlossen wurde, halt
der Deckel noch immer unbeweglich fest. Niclit minder be-
merkenswerth sind die schlangenformigen Kiihlrohren , deren
Ho he bei einem Durcbmesser der Schlangenwindimg von 15
engl. Zoll, nalie 4 engl. Fuss betriigt. Ganz nen war mir die
Vcrfertigung der gepressten , grossen , zu Wasserleituiigen be-
stimmten llohren, die einen Durchmesser von 15 Zoll und eine
Lange von 3 Fuss haben. Schr sinnreich ist audi die Art
des Verschlusscs bei den kleinen Gefassen mit laftdichten Deckeln,
die zum Aufbewahren von Gegenstandcn, die mit Luft in Beruh-
rung lcicht verderben, bestimmt sind.
Wenn auch nicht gelaugnet werden kann , dass diese Fa-
brikation in England durch ein von der Natur gegebenes Roh-
materialbegiinstigt ist, welches nur einergeringcnVorarbeit bedarf,
um zu alien diescn Zwccken tauglich zu werden; so ware doch
auch von dieser Scite hci uns kein Hinderniss vorlianden mit
ciniger Umsicht ein eben so nutzliches Product darzustellen.
Obwohl mich nur techuische Iuteressen nach Lambeth fiihr-
ten, so kann ich doch nicht umhin, bier auch des eigenihiimlichen
und iiberraschenden Anblickcs zu erwahnen, der sich fast plotzlich
darbietel, wenn man aus den ziemlich engen und kcineswegs sehr
anmuthigen Strassen dieses industriellen Stadttheiles beidemalter-
thiimliclien Palastc des Lord Erzbischofs von Canterbury anlangt.
Eine weite Aussicht auf die hier weniger belcbtc Themsc eriiff-
net sich plotzlich, und der Blick wird unwillkiirlich an das jen-
seitige Ufcr gezogen, wo die Westminsterabtey und die neuen von
Barry erbautcn Parlamentshauser, in einem herrlieben Bilde zu-
sammengedriingt, sich demsclben darbielen. Ist dieses, seiner
grossartigen Bestimmung im imposantcn Aeussern , so wie in
seiner inneren Einrichtung, wenigstens was Pracht betrifft, so
vollkoinincn entspreebcude Gebau.de , so wie die neu zu er-
richtende Briicko erst vollendet, so wird dieser Punct eincr
der malerischesten und in architektonischcr Hinsicht merkwiir-
b *
20
digsten in Europa sein.' Dei- Gefalligkeit des durch seine gedie
genen Arbeiten fiber Ventilation bekannten Dr. R e i d l) verdankte
ich die Gelegenheit die innere Einrichtung dieser Gebaude ge-
nauer kennen zu lemon. Dcrselbe hat schon in dem alten Par-
lamentsgebaude einen wirklich grossartigen Apparat angelegt, nm
nicht nur die Luft in den Siilen bestandig zu erneuern, sondern
ihr auch den ffir das Wohlbehagen der Sprechenden und Hiiren-
den angemessenstcn Temperaturgrad zu geben. Die angstliche
Sorgfalt, mit welchcr man in England und Frankreicb, besonders
in erstercm, darauf bedaeht ist, nicht nur in alien Raumen, wo
viele Menschen langere Zeit beisammen sind, sondern audi in
den Wohnungen, selbst wenigcr bemittelter Privaten, stets die
Luft gehorig zu erneuern ist bekannt und im hohen Grade lobens-
und nachahmenswerth ; — es war daher sehr interessant fur
mich, diese^ mir nur aus Biichcrn bekannten Einrichtungen , hier
durch eigene Anschauung kennen zu lernen. Ich war nicht we-
ni<>- fiberrascht den enormen, sich nach obcn verj fingenden Thurm
zu sehen, in wclcbem ein machtiges Feuer einen so heftigen
aufsteigenden Luftstrom bewirkt, dass dadurch mittelst eincs im
ganzen Gebaude verzweigten Rohrensystems alle Sale, Corridorc
etc. desselben continuirlich ausgepumpt werden, wahrcnd frische
Luft durch ein System von Raunien einstromt, wo sie von Stauh
gereinigt und je nach Bedfirfniss erwarmt oder erkaltet, getrock-
net oder feucht gemacht werden kann.
Wenn man sieht wie atif diese Weise die Luft unter den
Sitzen der Lords und Commons mit Sorgfalt entfernt wird, indent
die Banke auf treppenformig angeordneten, cisernen, durchlocher-
ten Platten stehen, so muss man unwillkiirlich an so viele un-
serer, sowohl zur gcselligen Unterhaltung als zu ernsten Zweckcn
bestimmten offentlichist ein zweiter oben
geschlossener Glascylinder ,
welcher durch dieOeffnung^
in der den Grundriss des
Brenners darstellenden Fig. 2
besser ersichtlicli, mit der $
MhveFin Verbindung sleht, die ihrerseits in die aussere Luft
miindet.
Die Pfeile zeigen die Richtung des Luftstromes und man
sieht ohne weitere Erklarung, dass die unten bei A eintreteiide
Luft, welche aus dem Saale austromt, nachdem ihr Saucrstoff
zur Verbrennung des Gases gedient hat, durch die Rohre F
ms Freie entweicht, dass somit diese ehen so sinnrcich als
einfach eingerichteten Brenner selbst als Ventilalorcn wirken.
Die den ausseren Cylinder schliessende obere Platte ist doppelt
mid wird von Glimmer geniacht.
Der in jeder Hinsicht so merkwfirdige Bau der Parlamentsh.au-
ser hat eine grosse Anzahl jiingerer Architekten aus den meisten
\A
^
22
Staaten Europas hier ver'sammelt, urn bei dieser nicht leicht wieder
vorkommenden Gelegenheit ihrc Studien zu machcn. Dei- Genius
der edelsten der Kunste, der Baukunst, deren Entwicklung am
sichei'sten fur ein kraftiges Nationalbewusstsein spricht, ist an
dieser classischen Stelle wieder einmal machtig schaffend hervor-
getreten, und man braucht eben nicht Mann vom Fache zu sein, urn
bier so viel Stoff zu Betrachtungen zu linden, dass man gern im-
mer wieder seine Schritte bicber Ienkt, mid aus der Westminster-
Hal!, mil; ihrcn bewegten Gerichtshofen, indie ruhige Westminster-
Abtey wandert. So woiilthuend aber die Oarmonie in dem Baustylc
aller dieser Gebaude ist, so peinlicb storcnd ist der Eindruck, den
die gedrangte Aneinanderhaufung der oft ganz geschmacklosen, mit
dem Baustyle des Domes im grellsten Widerspruche stehenden Mo-
numente auf den Bescbauer maebt. Dieser Uei>elstand ist urn so
mehr zu beklagen als cine Abiinderung desselben so gut wie un-
moglich ist. Das asthetisclie Interesse muss sicb hier dem rein
historischen wohl fur immer unterordnen. — Doch der Chemiker
darf bei diesem Tbema nicht verweilen und muss sich von der
Westminster- Abtey den grossen Westminster- Gaswerken zuwen-
den. Die Besichtigung dieser Anstalt wurde mir durch die Gefal-
ligkeit des Herra II. G. Lowe, Director derselben, gestattet,
und der cbenso unterrichtete als getalligc Ingenieur Hr. H. Gore
opferte mir viele Stunden und liess nichts unversucht, urn mich
mit alien Details dieses vortrefflich eingerichteten Etablissements
bekannt zu machen. In demselben werden nicht weniger als
2 Millionen engl. Kubikfuss Gas (1,792794 W. Kub. Fuss)
taglich erzeugt, fur welche 18 Gasbehalter (Gasometer), die
jedoch zusammen nur 1,100000 Kub. Fuss Gas (986037 W. K. F.)
fassen, da das iibrige wahrend des Fiillens verbraucht wird.
Einige dieser Gasometer fassen nicht weniger als 259000 Kub.
Fuss (232167 W. K. F.). Die Oefen sind fiir 500 Betorten
eingerichtet, deren jede im Mittel IV* Tonne (23 W. Ct.) wiegt
und 5 Ffd. »St. kostet. Die Beinigung des Gases wird, wie jetzt
allgemein, durch Kalkhydrat bewerkstelligt, von dem 1 Bushel!
(0-591 Wien. Metzen) fur 12.000 Kub. Fuss (10757 W. K. F.)
Gas ausreicht.
Zwischen dem zumKuhlen und Absetzen desTheers bestimm-
ten Bohrensysteme und den Kalkgelassen ist, was mir neu war,
23
eine Luftpumpe (Exfiausterj, angebracht, welche (lurch eine
Dampfmaschine in Bewegung gesetzt wird, und dazu dient, das
Gas in die Gasometer zu pumpen und so den Druck desselhen auf
die Retorten zu vermindern, damit es bei den unvermeidliclicn Fu-
gen derselben nicht enhveiche. Nachdem das Gas aus den grossest
Gasmessem austritt, muss es (lurch einen wenigstens 4Klal'ter hohen
Cylinder gchen, der Koaks enthiilt. die mil; kohlensaurem Ammo-
niak getrankt sind , was ein schr wirksames Mittel 1st , die
letzten Spuren von Verunreinigung zu entfcrnen. Audi 1st
bei den Kiisten, in welchen sicb der Kalk befindct, ein durch die
Dampfmaschine in Bewegung gesetzter Saugapparat angebracht,
mittclst welchem die atmosphiirisehc Luft nach abwarts auf den
Kalk gedrangt wird, was fiir die Arbeiter , welche das Wech-
seln des Kalkes zu besorgen haben, eine ausserordentliche Er-
leichterung ist.
Aus den sammtlichen Gasometern stromt das Gas in sehr
sinureich eingerichtete, selhst registi'ireiule Apparate, (lurch
welche die Vertheilung regulirt und controlirt wird.
Da in England nur Leuchtgas zumFiillen der Luftballons ver-
wendet wird, so ist es von Wiehtigkeit die Dicbte desselben, welche
keineswegs ganz constant ist, zu kennen : der praktische Eng-
lander bestimmt diese aber nicht etwa nach den Rcareln der
Kunst, sondern nimmt einen Luftballon von Goldschlagerhautehen.
der etwa 2 Kub. Fuss fasst, und bestimmt die Steigkraft dessel-
ben durch Gewicbte, die in eine unten angebiiugte Wagschale
gelegt werden. Die Gewicbte geben, da das Gewicht des Bal-
lons bekannt ist, unter den vorhandenen Umstanden unmittelbar
die Steigkraft per Kub. Fuss an.
Bis zu welchem Grade die Constitution des Leuchtgases in
England gestiegen ist, kann man daraus sehen, dass nach Herrn
Lowe, in London allein jiihrlich in 22 daselbst bestehenden
Gasfabriken 500000 Tonnen (9,071750 W. Ct.) Kohlenzu die-
sem Behufe verbraucbt werden. Die Menge des jahrlich daselbst
erzeugten Leuchtgases betragt 4500 Millionen Kub. Fuss (nahe
an 4034 Millionen W. K. F.); es stromen also taglich nicht weni-
ger als 12 und eine halbe Million Kub. Fuss (11 Millionen und
200000 W. K. F.) Leuchtgas durch etwas mehr als eine halbe
Million Brenner aus, und das Rohrensystem, in welchem dieses
24
Gas circulirt, bat in London allein einc Liinge von 1800 engl.
oiler nahc 450 deutschen Mcilcn. Das durch diesen Industrie -
»weig in London allein in Bewegung gesetztc Kapital betragt
4 Millionen Pfund Sterling1). Die Menge der in den gesammten
Gaswerkcn Londons gewonnenen Koaks betragt 500000 Cal-
drons (etvvas iiber 10% Millionen W. Metzen), von denen 125000
(etwas iiber 2% Millionen Metzen) in den Gaswerkcn sclbst
vcrbraucht werden, die iibrigen kommen als gesuchtes Brcnn-
material in den Handel. Es gibt jetzt in England keine Stadt von
mehr als 4000 Einwohncrn , die keine Gasbeleuchtung besitzt,
dafiir betragt aber audi die Mengo von Steinkohlen, welclie zur
Gaserzeugung verbraucht werden, 6 Millionen Tonnen, und das
zur Erzeugung des Gases dienende Capital iibertrifft 15 Millionen
Pfd. Stcrl. Bei alien diesen Angabcn ist jedoch nocli nicht
gerechnct , dass, wie ieh mehrfach zu seben Gelegenheit
hatte, in vielen Fabriken das Gas zum eigenen Gcbrancbe selbst
erzeugt wird, da giiicklichcr Wcise in England keinerlei Art von
Monopol in dieser Beziehung besteht.
Es ist wohl kaum zu erwahnen nothig, welcb enormen Ein-
fluss diese noch immer im Steigen begriffene Industrie auf cine
jrrosse Zabl anderer Gewerbc austiben muss , ich will dahcr
hier nicbt von der Riickwirkung auf die Erzeugung von Glas- und
Metall - Waaren, auf den Bergbau und dergleichen mehr spre-
clien ; aber icb muss den Umstand beriihren, dass die unge-
heure Menge, in welcher gewisse Ncbenproducte bei der Destina-
tion erzeugt werden, ganz neue chemische Industriezweigc hcr-
vorgerufen hat. Die Verwendung der ammoniakalisehcn Flussig-
keiten, welche sich bei der Destination der Kohle absondern, zur
Darstellung von Salmiak und scbwefelsaurem Ammoniak hatte zur
Folge, dass sich keine anderc Darstellungsart dieser Korper mehr
lohnt, und man sogar einen Theil des Continentes mil; englischcm
Salmiak versieht. Nicbt minder wichtig ist die Erzeugung von so-
genanntem Naphta, aus dem bei der Gasbereitung sich bildenden
Steinkoblcntbeer, so wie die Bereitung des Benzins im Grossen,
zur Belcuchtung und anderen Zwccken, auf die Dr. Mansfield
J) 100 englische Kubik - Fuss Gas kosten in London 36 kr. C. M. wiihrend
bei uns je nach der Grosse des Verbrauches 36 — 43 kr. filr dieselbe
Menge foezahlt werden.
25
in London ein Patent nahm, und welche audi in anderer Bezie-
hung wichtig zu werden versprieht.
Professor Graham war so gefallig mir sein bequem einge-
richtetcs Laboratorium in der London-University zu zcigen. Es
hat eiriige schr beneidenswerthe Eigenschafteu. namlich zwecknias-
sige Vorrichtungen zum Abzug schadlicher Dampfe, eine ruhige,
dem gcrauschvollen Treiben der Stadt entriickte Lage, obwohl es
sich in der Mitte derselben befindet, und cndlich bestebt es statt aus
grossen Salen , aus vielen manuigfach gestalteten kleineren Locali-
tiiten, in wetcben es nicht an ruhigen Platzen zum Aufstellen der
feineren Iustrumente. an Licht etc. fehlt. Derselbe verscbaffte
mir auch die Bekanntschaft mehrerer ausgezeichneter Manner,
welche mir sehr niiizlicb wnrde. Ich erhielt ferner durch ibn
Eintritt in das sehr interessante Alloy Office der Herren Jon-
son und Cock, in welchem mannigfache cbemiscbe Processe vor-
genommen werden, die ich durch die Gefalligkeit des Urn. Cock
naher kennen zu lernen Gelegenheit fand. Es werden daselbst be-
deutende Mengen von Plalin gcreinigt, und in schmiedbarem
Zustande dargestellt. — Die Methode 1st die bekannte, von
F a v a d a y, nicht wie ge wohnlich angegeben wird , von W o 1 1 a -
s ton erdachte, letzterer hat dieselbe nur zuerst im Grossen aus-
gefiihrt. Die Losung geschieht in Gefiissen aus Porzellan, welche
die Gestalt abgestumpfter Kegel haben, mit flach aufgeschliffenem
Helm. Die ebenfalls bloss in einander geschliiYenen, ohne alien Kitt
verbundenen Ilohren miinden, nacbdem erst mehrere Vorlagen ein-
geschaltet sind, zuletzt in den Schlott, so dass man von den bei
der Operation entweichenden Gasen gar nicht belastigt wird. Die
mit dem Platin vorkommenden Metalle werden ebenfalls von Zeit
zu Zeit, jedoch nur nach Bedarf, weiter geschieden.
Das bei der Losung des Platiiis in Krystallen zuruckbleibende
Osmium -Iridium wird zu den Spitzen der Federn aus Gold oder
Silber (Diamond Pointed, Gold- und Silver- Pen) , die bei
Mordan in London zu 10 Schilling his 1 Vf. St. das Stuck
(wohlfeiler bei VV. E. Welley in Birmingham) verfertigt wer-
•len. Ausser vielen anderen chemischen Praparaten, wie z. B.
Uranoxyd, Goldoxyd, zur Bereitung der Goldsolution fiif die
galvanische Vergoldung u. dgl. mehr, wird auch Kadmium, das
man aus Schlesien bczieht, in nicht unbedeutender Menge, zu
26
einer in der Zahntcchoik Anweudung lindenden Legrrung mit
Quecksilber und Zinn verarbeitet. Nebst dem wird nocb Palla-
dium aus oiner in Siidamerika vorkommenden Verbindung mit Gold
nach einem sinnreichen, bereits bescbriebenen Vcrfahren in bedeu-
tender Menge gewonnen. Man vcrkauft es za 6 fl. CM. pr. Wie-
ner Loth. Es wird jetzt zu Legirungen mit Silber oder audi
mit Silber und Kupi'er h'aufig angewendet. Nacli Dr. Henry dient
eine solche Legirung, die aus 30 Tli. Palladium und 70 Th. Silber
besteht, ihrer Unveraiulcrlichkeit an der Luft wegen, vorziiglieh zu
fcinen Gewichten fiir Cbemiker. Eine anderc oft gebrauchtc Legi-
rung besteht aus gleichen Theileu Silber und Palladium und eine
dritte aus nahe gleichen Theil en Palladium, Silber und Kupfcr. Audi
in der kiiniglichen Miinze in London wird etwas Iridium aus dem
Golde, das ohne Zwcifel aucb Platin halt, gewonnen, jedoch nur
in so geringer Menge, dass auf 1 Million Soverings 2 Loth da-
von kommen.
Da ich eben die Miinze genannt habe, so kann ich nicht
umhin der grossen Freimdlichkeit dankend zu erwiihnen, mit der
Professor Brande, unter dessen Leitung die eigentliche Fabri-
kation steht, mir dieselbe zeigte. Die zweckmassige und gross-
artige Einrichtung dcrselben ist den Faehmannern zu bekannt, als
dass ich noting hatte hier etwas dariiber zu sagen. Die verschic-
denartigstcn Maschinen finden in derselben Anweudung, was frei-
lich in einem Lande nicht Wunder nehmen darf, wo man liingst
"•ewohnt ist, wenn es nur irgend angeht, die rein mechanische Ar-
beit der Menschenhande durch Maschinen zu ersetzen. Werden
daselbst doch Gegenstande mit Maschinen gemacht , von denen
man bei uns noch kaum daran denkt, sie ausser Hause in Vor-
rath verfertigen zu lassen. Einen Beleg hicfiir gibt die sehens-
werthe Fabrik des Hrn. Warren dela Rue, in der durch eine
hochst sinnreich eingerichtete Maschine wochentlich 1,500000
Brief-Enveloppen verfertigt werden. Dem Papier wird zuerst durch
ein Anschlageisen auf einer Presse die geeignete Form gegeben,
dann kommt es auf eine hochst sinnreich eingerichtete, ganz aus
Eisen verfertigte Maschine, welche die Fo meines Tisehes hat. Auf
der Platte derselben befindel sich eine Vertiefung von der Form,
welche das Couvert erhalten soil, auf diese wird das zugeschnit-
tene Papier gehorig gelegt, eine in die Vertiefung passende Platte
27
driickt nun das Papier in dieselbe und bricht so das Couvert ; vier
urn die Kanten der Oeffnung bewegliche Dreiecke driicken dann
die entsprechenden vier aufrechtstehenden Lappen des Couverts
nieder, wodurch dieses bis aufs Leimen fertig ist. Das zusammen-
gelegte Couvert wird durch zwei fingerarlige, an ihrem untercn
Ende mit Kautschuk versehene Stifte, weiche sicii anf dasselbe
herabsenken, aus der Vertiefuiurffchobcn und an die ffelioriffe Stelle
gcbracht. Die ganze Operation geht so geschwiml, dass 40 Stuck
Enveloppen in 1 Minute fertig werden. Ein Arbeitevund eiuKnabe
sind fin- eine Maschine geniigend, da diese um zu arbeiten nur einer
drehenden Bewegung bedarf, wclcJie ibr durch die das ganze
Etablissement mit bewegender Kraft vorsorgende Dampfmaschine
mitgetheilt wird. Bei einer neuen Maschine der Art, die in Bir-
mingham im Gange ist, weiche zu seheu ich aber nicht Gelegenheit
hatte, wird auch das Zusammcnkleben durch die Masebine besorgt.
Von Hrn. de la Rue begab ich mich in das vielbesprochene
Office der „Times" um die beriihmte Appelgarth'sche Maschine,
weiche mit einer Perrotine mit verticalen VValzcn zu vergleichen
ist, zu sehen. Man kennt den grandiosen Maasstab, nach welchem
diese Druckerei belxieben wird, werden doch 8 — 9000 Bogen
in der Stunde bedruckt. Fiir eine Riesenseite der Times sind
4 Grain Schw&rae notbwendig , die Anstalt verbraucht also,
wenn man das Minimimi zu Grande legt ungefahr 655 W. Clr.
Schwarze in einem Jahre.
Um die Arbeiten, weiche in England zur Untersuchung der
Steinkohlen gemacht werden njiher kennen zu lernen , fuhr ich
nach Putney, wo die technischen Proben unter der Leitung des
H. Dr. L. Play fair und des H. Phillips, eines in der Ecole
des Mines zu Paris gebildetcn tiichtigen Ingenieurs, vorgenommen
werden. Das Locale fiir den zu dieser Prufung bestimmten Dampf-
kessel ist an die in landlieher Einsamkeit sehr anmuthiff am rechten
Themse-Ufer liegende Civilingenieur-Schule angebaut, und ist be-
reits in der von der k. Akademie herausnec-ebenen Uebersetauns:
des ersten Berichtes iiber die zur Dampfscbill'ahri; geeigneten Koh-
len Englands, genau beschrieben. Der grossen Gefalligkeit der oben
genannten beiden Herren verdanke ich alle nothigen Auskiinfte und
Bclehrungen, so wie ich auch im Laboratorium des Hrn. Playfair
alle andern Versuche, die mit den Koblen gemacht werden, zu sehen
28
Gelcgenheit fand, woriibter ich das Nahcrc besser an einem anderen
Orte mitlheilen werde.
Ueber die Civilingenieur - Schule selbst kann ich bei
dicser Gelcgenheit nicht umhin, zu bcmerken, dass sic weder
an Vollstandigkcit des Unterrichtes noch an Reichbaltigkeit der
Lehrmittel mit unscren Schulen zu vergleichen ist, jcdocli eine
Seite darbietet, die bei uns noch koine Beachtung gefuuden
hat. Avisser einem gutcn Unterrichte im Zeichnen nnd der Mecha-
nik erhalten namlich die Zoglingc, deren Anzahl iibrigcns nicht
gross ist, auch praktischen Unterricht in alien mechanischen Ar-
beiten, wie dies auch an den technischen Schulen in Berlin und
Liittich geschieht, so dass sie fahig sind Maschinen nicht inir m
projectiren, sondern auch vollstandig anszufiihren; ich sab auf der
Themse ein kleines iibcraus niedlicb.es Dampfboot, dessen Maschme
von zweien dieser jungen Ingenieure ganz vollstandig construirt
wurde, und das, obwohl nur cinemModelle gleichend, ganz guteDienste
zu leisten vermag. Ein Schiiler zahlt oimc Inbegriff der Klcidung
200 Pfund. Eine einzige solcbe Schule wurde bei uns sebr bald
die besten Fruchte tragen und einem sehr gefiihlten Bediirfnisse
abhelfen.
Durch Hrn. Prof. Miller wurde ich an einem Abende bei Hrn.
Gassiot eingefiihrt, wo eine Reihe sehr interessanter Versuche
mit einer ausserst kraftigen Gro ve'schenBatterie vonlOOElemen-
ten angcstellt wurde. Es war daselbst eine grosse Anzahl der aus-
gezeichnetsten Gelehrten Londons vereinigt, unter andern auch
Faraday, der es nicht an erliiuternden, geistreichen Bemcrkungen
fchlen liess, und auch einige, wenigstens fur mich ganz ueue Ver-
suche zeigtc. Hr. Charles Brooke, der sich ebenfalls unter den
Gasten befand, war so gefiillig mich zur Besichtigung der von ihin
construirten, selbstregistrirenden, meteorologischen und magncti-
schen Instrumentc einzuladen, deren Beschreibung sich in den
Philosophical-Transactions, Part. 1 fur das Jahr 1847 iindet. Die-
selbcn bcruhen auf einer der schonsten Anwendungen der Photo-
graphic, die bisher gemacht wurde, indem bei alien diesen meteo-
rologischen Apparaten es ein Biindel Lichtstrahlen ist, der die
magnetische Declination, Inclination, Intcnsitat, den Barometer-,
Thermometer- und Psychrometer- Stand auf der Oberfliiche eines
mit eigens dazu bereitetem photographischen Papier liberzoge-
*i
29
nen Cylinders, der sich dureli cine Uhr urn seine Axe dreht und so
zugleich die Zeit angibt, abbildet. Die Feliler wegen ungleicher
Ausdehnung des Papieres sind auf cine sinnreiche Weise ausgegli-
chen und iiberhaupt alle andere Fehlerquellen mit soldier Umsicht,
wenn nicht ganz beseitigt,
doeh wenigstens so sehr termindert,
dass die Beobachtungen einen ho lien Grad von Genauigkeit erlan-
gen. Da cine Uhr fur zwei Cylinder ausreicht, so sind fiir den
ganzen Apparat nur dreigenaue Uhren nothwendig, welche zusam-
men CO L. St. kosten. Die iibrige Einrichtung kostet 73 L. St., so
dass der ganzc Apparat auf die fflassige Sunune von 133. L. St.
zu stehen kommt. Die einzelnen Apparate baben folgende Preiser
Der fiir Declination und Intensital 50, der fur Inclination und Ba-
rometerstand 45, der fur Thermometer und Psychrometer 3S L. St.
Ich hatte Gclegenheit bei Hrn. Ch. Brooke, die fiir das
Observatorium in Cambridge bestimmtcn Instrumente in Thatiffkeit
zu sehcn , und war cben so sehr von der Einfachheit wie von der
Pritcision in den Lcistungen derselben uberrascbt. — Es ist nicht
m bezweifeln , dass noch fiir lange Zeit , nur auf dem
von Herrn Brooke betretenen Wege brauchbare Instrumente,
welche ununterbrochcn die in der Atmosphare und auf der Erde
vor sich gehenden Bewegungen registriren, erhalten werden kiin-
nen, und die Zuerkennung des Preisesvon 500 L. St., welche Hrn-
B rooke von Seite der englischen Admiralitat fiir die besten,
selbstregistrirenden Instrumente zu Theil wurdc, zeigt wobl den
Werth, den man auf dieselben legt. Gewiss ist, dass diese Instru-
mente jetzt in keinem meteorologiscben Observatorium, das darauf
Ansprueb machen will, auf der Hohe der Wissenschaft zu
stehen, fehlen diirfen.
Bevor ich meine Reise in das Innere des Landcs antral,
machte ich noch einen Ausllug nach Paris, hauptsacblich um
die Gewerbsproducten-Ausstelluiig daselbst zu sehen, was fiir
mich um so interessanter sein musste, als ich eben im Bcgriffe
war mit der englischen Industrie etwas niiher in Beruhrung zu
kommen. Obwohl durch die Gefiilligkeit namentlich der Hcrren
Hegnault, Peligot, Ebelmen, Du mas und W. Wertheim,
sowie durch die Mitglieder der osterreichischen Commission auf's
gefiilligste unterstiitzt, war ich doch nur im Stande die mir
zunachstliegcnden Fiiclier, namlich die chemischen Producte und
30
physikalischen Apparafe, etwas naher ins Auge zu fassen, und
rausste ganz grosse Partien so gut wie unbeachtet lassen.
Ich will daher nur einige der Beobachtungen, die ich zu machen
Gelegenheit fand, hier mittheilen. Zu bedauern ist, dass audi bei
dieser Ausstcllung vveder die Preise, nocb die Menge der erzeug-
ten Gcgenstandeaugegebeu waren, wodurch gerade bei den che-
mischen Producten die Ausstellung einen grossen Theil ihrer
Bedeutung verliert. Viele der numeriscben Daten verdankc ich
dabcr nur derG'ute desIIerrnE. Seybel, der sie in Paris sammeltc.
Im Ganzen genommen habcn 333 der chemischen Industrie
angchorigen Fabrikantcn ibre Producte ausgestellt, und zwar:
84 pharmaceutiscbe Priiparate,
63 Farben und Firnisse,
11 Tinten und Siegcllack,
26 Kerzen,
33 Seifen und Parfiimerien,
11 Asphalte,
21 Leira und Gelatine,
8 Runkelrubenzucker,
76 Nahrungsstoffc aller Art.
Unter den ausgestellten Artikeln fielen folgende als neu
oder ausgezeicbnet sehon, besonders auf:
Kerzen aus Stearinsiiure, die durch einen andern als den
gewohnlichcn Verseifungsprocess gewonnen wurde, namlicb durch
Einwirkung concentrirtcr vSchwefelsaure auf das Fett bei gewisser
Temperatur, und Destination der wohl ausgewascheneu Masse
in einer Atmosphiire von nieht gespannten aber bis 200° erhilz-
ten Wasserdiimpfen. Es ist dies ein Fabrikationszweig, der eine
Zukunft hat, und auch in Wien ni'tchstens ins Lebcn treten
wird.
Eine reichhaltige und ausgczeichnete Reibe von Farbsalzen,
Beizmittel etc. hat Herr Kestner ausgestellt, darunter auch
zinnsaures Natron (von dessenBereitung spater die lledesein wird),
das jetzt fiir Wollen und Halbwollcn-Druck vvicbtig gewordcn ist.
Die Fabrik dessclben befindet sich in Thann, sie beschiiftigt 240
Arbeiter und erzeugt 25000 W. Centner Salzsaure, 22000 Cent-
ner Glaubersalz und 24000 Centner Soda.
31
Auch Herr Sch attcnma un , (lessen, bei Buxweiler in
tier Nahe von Strassburg liegende Fabrik, ich bei einer fru-
hern Reise in Frankreich zu sehen Gelegenheit hatte, erzeugt
18000 Ct. Alaun a 6 fl., 10000 Ct. Vitrol a 2% fl., 4600
Ct. Blutlaugensalz , 800 Ct. Amtnouiaksalze , 1800 Centner
Spodium, 900 Ct. Knochenleim von schoner Qualitiit and 90
Ct. Phosphor. Er beschaftigt 330 Arbeiter und bringt fur
2,000000 Fr. Producte in den Handel. Bedeutende Massen von
Phosphor erzengen auch Coignet pere el fils zu Lyon. Die
monatliche Ausbeute an selbem beliiuft sich auf 3000 Kilogr. oder
52 Centner. Der Wcg, welchen diese Fabrik zur Trennung des
Leimes von der phosphorsauren Kalkerde der Knochen einge-
schlagen, istsehr einfach, und der ausgestellte Leim ausgezeichnet.
Man entfettet liamlich die Knochen auf gewohnlichem Wege durch
Kochen im Wasser und digerirt sic sodann unter einem Dampfdruck
von 4—5 Atmospharen, rait Wasser, urn eine vollstiindige Losung
der Gallerle zu erzielen. Aus dem zuriiekbleibenden Geraenge von
kohlensaurem, pliosphorsaurem Kalke etc. wird unmittelbar wie
aus Knochenasche auf gewohnliche Wcise Phosphor gewonnen.
Jod, Broin und deren Salze sind von Tissier, Cam-
pion et T h e r o u 1 d c und Courne r i e ausgestellt. Aus der
Fabrik des Ietztern gehen jahrlich urn 400,000 Fr. Producte
hervor, welche aus Varec-Asche gezogen werden. Mit der Ein-
samralung der Strandpllanzen beschaftigt Herr C ourn erie die
Bevolkerung von mehr als 30 Comraunen, so dass auf diese Weise
ein bedeutender Werth aus sonst gauz ungeniitzten Bodenproduc-
ten gezogen wird, und was von bosomlerer Wicbtigkeit ist, dies
geschieht in einer Gegend, welche weder for Industrie noch Acker-
ban geeignet ist, wodurch einer armen Bevolkerung ein sicherer
Nabrungszweig gegriindet wurde. Wie bedeutend die hiedurch
gewoimenen Producte sind, geht aus folgender Uebersicht der
jahrlichen Ausbeute in Frankreich aus Seepflanzen hervor. Rohe
Asche werden jahrlich 42000 Ct. gewonnen, diese liefern
Schwefelsaures Kali 4200 Centner.
Chlorkalium 4400
Kochsalz 6300 „
Jod, theils als solches, theils in Salzen . 40 „
Brom (dessgleichen) g%
32
Die Herren Serret, Harmoir, Duquesne et Comp.
aus Valencienne haben Natron unci Kalisalzc ausgestellt, die ans
den Melassen des Ruflkelriibenzuckers gewonnen werden, nach-
dem zuvor durch Fermentation dcr Zucker in Spiritus umgcwan-
dclt und abdestillirt ist. Da die Sake hicbei in vicl Wasser gelSst
sind, so lohntc es sich nicht frtiher dieselben zu gewinnen, bis
ein vortheilhaftes Abdampfverfahren gcfuudcn wurde , was vor
nicht langer Zeit durcli Herrn Robert de Massy geschah,
dcr cs dabin bracbtc mit 1 Pfund Kohle 15 Pfund Fliissigkcit
zu verdampt'en. In dem Etablisscment desselben werden jahrlieh
circa C0000 Centner Melasse vcrarbeitet und daraus circa
1(5800 Eimer Alkohol und 3200 Centner gercinigtc Kalisalze
gewonncn. Bei dcr steigenden Zuckerproduction in Oesterreicb
diirften diese Verbaltnisse voile Oerucksichtigung vcrdienen, zumal
da die Pottaschc iramer im Preise stcigt und wegen der jetzt
allgemcinen Verwendung des Chilisalpetcrs zur Bereitung dcr
SaJpetcrsaure, der Bedarf an Kalisal/.eu fur die Alaunfabrication
kaum mebr gcdeckt werden kann.
Der als Chcmikcr ruhmlichst bekanntc Herr Kuhlmann
hat Soda, Sauren etc. ausgestellt, derselbe arbeitet in drei Fa-
briken zu Loos und Madclaine bei Lille und zu St. Rocb bei
Amiens. In Loos werden jabrlieh 90000 Wiener Centner Kno-
chen theils verkohlt und das Ammoniak gewonncn, theils mittelst
Salzsaure bchandelt um Knochcnlcim zu gewinnen. Der mit dem
rohen kohlensauren Ammoniak aus der Auflosung gefallte pbos-
phorsaure Kalk wird mil Thon, Schwefelsaure, Ammoniak und
den Abfallcn des Spodiums in zweckmassigem Verbaltnisse ge-
mischt, und als vortrefl'lichcr Diinger mit C Fr. das 100 Kilogr.
verkauft. Von diesem Diinger erzeugt die Fabrik zu Loos
jabrlieh 95000 Wiener Centner. Die Knochcnkohle wird den
um Lille bcfindlichen Zuckerfabriken zu 3 Frank die 100 Kilogr.
zur Beniitzung uberlassen, muss dann abcr wiedcr in die Fabrik
geliefert werden, wo man sic darch Miihlsteinc passiren lasst,
um ihre Oberiiache zu erneuern und durch Wiederbelebung
brauchbar zu machen.
Ilcrr Kuhlmann erzeugt in semen Fabriken noch Soda,
Chlorpriiparate etc., vcrbraucht jahflich 40000 W. Ct. Salz und
30000 Ct. Schwefel.
33
Von Grunspan war trotz der bedeutenden Production dieses
Artikels in Frankreich , nur krystallisirter von zwei Fabriken
exponirt, in welchcn derselbe durch Zeriegnng des sehwefelsau-
ren Kupferoxydes mittelst essigsauren Natrons erzeugt wird. —
Es ist diess dasselbe Product, wegen welchem ich vor Jabren
einige Verunglimpfungen von einer Seite zu dulden hattc, von der
sie am wenigsten zu erwarten gewescn waren. Auch der Weg der
Erzeugung ist der daraais vonmir angegebene, auf den ich nur aus
der geringen Verunreinigungdcs Salzesmit schwefelsaurem Natron
schloss. Fiir uns ware dieser Weg das noch immer in so grosser
Menge eingeluhrte Salz darzustellen der einfachste, zumal da es
nicht schwierig ist, reinen eisenfrcien Kupfervitriol zu erzeugen.
Chrompraparate waren von D e 1 a c r e t a z et F o u r c a d e ausge-
Stellt, der in seiner Fabrik jahrlich 1800 Ct. chromsaures Kali erzeugt,
und zvvar aus amcrikaniscben Chromerzen. Ich ko.mte nicht umhin
an unsere reichen in der Steiermark immer noch unbeniitzt liegen-
den Chromerze zu denken, welche in soldier Menge vorhanden
smd, dass Oesterreich leicht wenigstens den Continent mit Chrom-
praparaten versehen kiinnte. Fine von ungeschickten Hiindcn in
Wien vor langerer Zeit vorgenommene Untersuchung hat die-
selben in Misscredit gebracht, da sie als zu arm angegcben wur-
den. Ich habe diese Erze vor vielenJahrenuntersucht undgefunden,
dass sie im Mittel 45 Pet. Chromoxyd enthalten, spater kamen mir
noch reichere vor; sie konnen also gewiss mit Vortheil bearbeitet
werden, zumal jetzt, wo man die Erze nach dem von Du-
pasquier angegebenen, aber schon friiber von H. E. Seybel in
Wien aufgefundenen Verlahren mit Kalk statt mit Kali aufscbliesst.
Von den Herren Mallet, Hessard aine zu Paris, Mar-
tin von Lyon etc. war ein neuer Artikel, Albumin, aus Blut, das
Kilo zu 10 Frk., das als Verdickungs- und Befestigungsmittel fur
Ultramarin und andere Mineralfarben dient, ausgestellt; es ver-
dient dieser Gegenstand alle Berucksichtigung, zumal da die
Bereitung sehr cinfach ist.
Unter den Farben war das von Guimet ausgestellte Ultra-
marin, dessen besonders grosses Vermogen zu decken sehr ge-
I'tthmt wird, die schonste.
Von Let'ehvre et Comp. war Bleiweiss von ausgezeiebne-
ter Gtite und vollkommener Reinheit, nach dem alien Verfahren
Schrotter, c
34
bereitet, ausgestcllt. Diese in der NSrhe von Lille befindliche mit
vorziiglicher Biicksicht auf die Gcsnndheit der Arbeiter cinge-
richtete Fabrik erzeugt jahrlich 30500 W. Ct. Bieiweiss m 15 fl.
20 kr. pr. Centner, wahrend das Blei 13 fl. kostet und jedcr
Centner Bieiweiss 80 Pi'und Blei entspriclit. Im Departement An
Nord bestehen noch sieben Fabriken, welelie 80000 Centner
Bieiweiss erzeugen.
Bei einem Artikel vou so ausgedehnter Production 1st es
tod Wichtigkeit, jeden auf denselben einen Einfluss iiusserndcn
Umstand zai beachten; daher machte auch die Exposition des
Herrn L eel aire, von Zinkweiss, welches wic bckannt, durch
Verbrennen des Zinkes eraeugtes nnd durch Sehlammen gereinig-
tes Zinkoxyd ist, grosses Aul'sehen. Die angegebenen Voraiigedes-
selben sind : ein geringer Preis , vollkommene Unveranderlich-
keit an der Luft und Beseitigung des schadlichen Eiulliisses auf
die Gesundheit der Arbeiter, die damit zu thun haben. Leider hat
sich der letzte Punct nicht bestatigt, da. wie die neucsten in
Paris gemachten Eri'ahrungen zeigen, das als feincr Staub in der
Atmosphiire verbreitete Zinkoxyd fast eben so schadlich wirkt,
als das Bieiweiss. Eine andere Schwierigkeit liegt in dem Firniss,
der, wenn die Farbe in der Luft ibre Wcisse beibelialten soil,
was wegen der weissen Farbo des Schwefclzinkes im Vorhi-
nein zu erwarten war, ami auch durch die Erfahrung bestatigt
wurde, kein Blei enthaltcu darf; es wird daher ein mit Braun-
stein bereiteter Firniss fur das Zinkweiss angewendet, der indess
nicht so schncll trocknet als der gewohnliclie. Es hat sich heraus-
gestellt, dass das Zinkweiss nicht so vollkoinmen decke und niehr
Firniss erfordere als Bieiweiss, was aber; gcgen die andcren Vor-
theile in vielen Fallen weniger in Betrachtung kommt. L eel aire
hat auch die anderen, sons! mit Bleioxyd verfertigten Farben, wie
das chromsaure Bleioxyd etc. durch Zinkfarben zu ersetaen ge-
sucht und bereits recht gelungene Besultate erhalten.
Auf cinige allgemeine, die chemische Industrie Frankreichs
betreffende Bezichungen werde ieh spater, bei der Soda-Erzeu-
gung Englands, zuriickkommen.
Von der bedeutenden Menge von fnstrumenten und Ap-
paraten fur Chemie und Physik will ich nur folgender er-
wahnen.
35
Soleil hatte eine reiche Sammlung von Apparaten zur Er-
lauterung der Erscheinungen der Polarisation und doppelten Bre-
chung etc. ausgestellt , durch welche dieser Theil der Optik aufs
vollstandigstc repriisentirt war: aber auch andere Zweige der
Optik waren gut vertreten, hiezu gehoren insbesondere die
grossen Prismenapparate fur Leuchtthiirme, die bisher nur in
Frankreich nach dera Systeme von Fresnel verfertigt und sogar
nach England versendet werden.
Hrn. Delcuil's Ausstellung physikalischer und chemischer
Apparate zeigte grosse Mannigfaltigkeit, daruuter insbesondere
Wagen von sehr guter Beschaffenbeit und verhaltnissiiuissig nie-
drigcn Preisen. Die Kohlenbattericn desselben sind von vorziig-
licber Wirksamkeit.
Hr. Breton hat nebst viclen anderen Apparaten auch
eine Luftpumpe von ueuer Construction ausgestellt, welcbe, wie
icb glaube, nach und nach die bisher gebrauchlichen Instrumente
dieser Art verdriingen wird. Bei derselben sind sammtliche Hahne
durch eine eigene Art von Stopfbuchsen ersetzt. Statt des Babi-
net'schen Hahnes sowohl, als auch statt der Kolbenventile ist ein
einziges, sehr einfacb.es Gleitventil angebracht, das bloss eine ge-
ringe drcbende Bewegung zu machen hat und docb, sowohl auf
die gewohnliche Weise, als von oinem Cylinder in den anderen zu
purapen erlaubt. Die Pumpe wird ferner durch eine Drehung der
Kurbel, die stets nach derselben Richtung geschieht, in Bewegung
gesetzt, zu welchem Zwecke ein sinnreichcr Mechanismus ange-
bracht ist1).
Hr. Per rot hat unter anderem ein Kathetonteter, dessen Ge-
braucb bei feineren Untersucbungen ein so vielseitigcr ist, und
eine Laiio'entheilmaschine, insbesondere fur Thermometerskalen
eingerichtct, ausgestellt. Beide Apparate sollteu in keiner wohl
eingerichtcten Anstalt feblen, sie sind was Arbeit und zweckmas-
sige Construction betrifft, ausgezeichcet.
Eine nicht sehr in die Augen fallende, nicbts desto weniger
die AufinerksamkeH jedcs Fachmanns sehr in Anspruch nehmende
Ausslelluna: war die des Hrn. Fast re: sie enthiclt Thermometer.
') Dicse Luftpumpe befindet sich jetzt im technischen Cabinet des polyt.
Institutes und unser gescliickter Mechaniker Kusche ist eben beechaltigt
nach diesem Muster einige Instrumente auszufuhren.
c *
36
Barometer, Psychromcter, Hypsometer, Messrohren fur Gase, gc-
theilte Eprouvetten, Piknometer aller Art etc. Sammtliche, fiir den
Chemiker so wichtige Gegenstiinde sind mit Genauigkeit ausge-
fiihrt und wegen Mirer Anordnung and bcquemen Form besonders
empfehlenswerth.
Aus der reichen Auswahl interessanter Ausstellungeu will
ich nur noch folgende erwahnen :
Die impragnirten Hoke des Hrn. Boucher ie, welche sich
sowoH durch ihr Aussehen als durch ihre Dauerhaftigkeit und
Haltbarkeit auszeichnen. Hr. Boucherie ist nach vielen Ver-
suchen wieder zur einfachsten Mcthode, namlich zur Infiltra-
tion nach dem Principe des Verdrangens zuriickgekehrt, und
bedarf bei frisch gefallten Bitumen nicht mehr als drei, bei
zwci
Monate alten vierzehn Tagc zu vollstandiger Impragnirung. Es ist
sehr zu wiinschen, dass dieser Industriezweig endlich audi bei
uns gehorig gewurdigt wcrde, und dass, wenn diess auf keinc an-
dere Weise moglich ist, der Staat sich ran die Sache annchme1).
Die Ausstellung von Metallschwammen, namentlich von Eisen,
welche Herr Chcnot im Grossen aus den Erzen selbst erzeugt,
so wie das daraus dargeslellte schmiedbare Eisen, das einen Grad
von Reinheit besitzt, wie er mir noch nie vorkam, da es sich in
Sauren ohnc alien Geruch lost, verdienen ebenfalls die voile Auf-
merksamkeit der Industrie, wenn sie vielleicht auch nicht jene
Wichtigkeit erlangen werdcn, die sich MerrChenot davon ver-
spricht. Einer ausgedehnten Anwendung durften fcrner die
Metallcemente des Herrn Chenot fahig sein. Derselbe war so
gefallig, mir Muster seiner verschicdenen Erzeugnisse zu senden,
aus welchen hervorgeht, dass 1000 Kilogramme des reinen Ei-
senschwammes in Paris auf 50 Franken zu stchen kommen, wiih-
rend die gleiche Menge Bohcisen 150 Fr. kostet. Urn 1000 Kilog.
des Eisenschwammes zu schweisseu, sind 333 Kilogr. Kohle erfor-
derlich. Von ausgezeichnetcr Giite sind die von II. E. Paris (Rue
de Bercy) ausgcstellten cmaillirten Gerathschaflen aus Eisen, sie
finden daher bereits sowohl in Frankreich als England bedeutendc
Anwendung in der Industrie.
1) Herr Seybel hat bereits Versuche hieriiber angestellt, und kann dicse
Methode nur fur ganz- frisch geschlagenes Holz empfehlen.
37
Selir reich war ferner die Ausstellung an Metallarbeiten und
Maschincii,von denen ich nur erwahne, einer zumKnctcn desTeigcs.
der Centrifugalmaschinen znm Befreien des Zuckers von Syrup,
der Pumpwerke von der Association pour la Construction des
Machines etc. Ferner der Kochapparate aller Art, von den
colossalen ffirLinienschiffebis zu den bescheidenen fiir eine kleine
llaushaltung. Mannigfaltige Apparate zur Erzeugung eines mit
Kohlensaure impragnirten Wassers fiir den hauslichen Gebraucb,
unter denen mir die von Briet {Boulevart Bonne Nouvelle,
i\r. 40) zu 25 Franks, aus zwei iiber einander geschraubtcn Glas-
kugeln bestehend , die geeignetsten scheinen.
Eine reicbe optiscbe Instrumenten-Ausstellung von Plagniol
und Charles Chevalier {Palais National 158) darunter Da-
guerreotyp- Apparate, die besonders grdsse Bilder und Portrate
zu machen erlauben.
Die Societe anonyme des mines et fonderies deZinc machte
eine merkvviirdige Ausstellung ihrer hochst mannigfaltigen Artikel
aus Zink, welche die iiberraschend grosse Vervvendbarkeit dieses
Metalles sehr anschaulich darstellt.
Ferner war sehr schone Wachsleinwand ausgesellt, insbeson-
dere von Lecronier, dann ausgezeichneter Leim durch allc
Farben, besonders aus der Fabrik des Herrn Grenet zu Rouen.
Dieser hatte auch ein reiches Sortiment der mannigfaltigsten Ge-
genstande aus einer Art Gelatine, die unter demNamen Grenetine in
Handel kommt, und den Fischleim vollstandig ersetzt, ausgestellt.
Sehr ausgezeiclmet waren ferner die Gusswaaren in Bronce
und andern Metallen von den zartesten bis zu den grossten, ferner
die Gegenstande der Galvanoplastik u. s. w.
Jedenfalls gehorte diese Ausstellung zu einer der interessantesten
und bot reichen Stoff zu Studien nach alien Richtungen der Industrie ;
der die franzosischen Waaren so auszeichnende Geschmack in An-
ordnung, Form u. s. w. war bei sehr vielenArtikeln mit einer kauni
begveifiichen Wohlfcilheit verbunden. Auch waren namentlich in
Glas und Geweben mehrere ganz neue, in Frankreich bislier nicht
erzeugte Artikel ausgestellt, und sowohl in diesem als auch in
anderen Zweigen war ein bcdeutender Fortschritt unverkennbar.
Nach einem zwolftagigen Aufenthalte verliess ich Paris , und
ging fiber Calais nach London zuriick, von wo ich nach kurzem
l
38
Verweilen am 8. August die Reise in das Inncre von England
antral.
Mein Weg ffihrte mich durch das oft beschriebene , so
mahlerische Chester und von da nach Bangor , wo ich das
ncueste Wcltwunder, die Britania bridge naher zu betrach-
ten beabsichtigte, ein Bauwerk, das ich seiner Merkwiirdig-
keit wegen bier etwas naher beschreiben will ]). Bekanntlich ist
die sehone Insel Anglesey durch eine im Jahre 1822 von dem be-
ruhmten Ingenieur Telford erbaute herrliche Hangebriicke mit
dem Lande verbunden; als sich aber das Netz von Eisenbahnen
mehr und mebr fiber England ausbreitete, wurde es wunschens-
werth die an der westlichen Kuste von Anglesey liegende Stadt
Holyhead durch eine ununterbrochenc Bahn mit London in Ver-
bindung zu setzen. Die beiden grossen Schwierigkeiten, welche
dieser Weg darbot, waren die Bueht von Conway und der Me-
nm'-Kanal. Da Hangebriicken schon ihrer mit der Lange sebr
Kunehmenden Beweglichkeit wegen fur Eisenbahnen nicht ge-
eignet sind, so cntwarf der durch seine kiibnen und genial ge-
dachten Bauten beriihmte Ingenieur Stephenson den Plan,
zwei gusseiserne Bogen von 450 englische Fuss (433-8!) W. F.)
Weite und im Centrum 100 Fuss (96'42 W. F.) Hohe iiber die
Meeresenge zu spannen. Dieser grossartige Plan musste jedoch
aufgegeben werden, da die AdniiraKtat die Bedingung machte,
dass, urn die frequente Schiffahrt auf dem Kanale nicht zu
storen , die Hohe der Briicke auch an den Pfeilern 100 englische
Fuss iiber dem Niveau des Meeres betragen miisse. Es blieb
nun nichts iibrig als entvveder die ununterbrochene Ver-
bindung ganz aufzugeben , was in pecuniarer Rucksicht viel-
leicht das Vortheilhaftere gewesen ware , oder ein ganz ncues
System von Briicken zu erfinden. Von der Ausdauer und der
durch keinen Widerstand zu beugenden Energie des englischen
Charakters war zu erwarten, dass man eher alles mogliche ver-
snehen und selbst grosse Opfer bringen, als den einmal ge-
fassten Plan fallen lassen werde. Und in der That machte Ste-
phenson ein auf den ersten Anblick in der Ausfuhrung ans Un-
mogliche grenzendes Project, namlich acht prismatische, aus
J) Der Maun vom Fache fintlet in h. Forster's geschatzteo Bauzeituug
interesssante Mittheilungen fiber dieselbe.
39
Flatten von Scumiedeciscu zusammengeniclcte Rohren, also gleieh-
sam zwei parallel n-eben einander laufende cisernc, in der Luft
sehwebcnde Tunnels , von nalie V* cngl. Q'/« gcog.) Meile
Lange
breiten Mceresann zu 1c
iiber den bei Hochwasser 1100 F. (1000.62 W. F.)
Dicser Flan wurde aller dac;e-
gen sich erhcbcnden Bcdenken ungeachtet angenommen, mid
man kanu sich eine gate Idee von der Raschheit, mit der in
England zu Werke gegangen wird. und von dee Krafteatwickhmg,
dcrcn die Industrie dieses Landes fahig ist, machen, wenn man
bedenkt, dass, obwohl sich die Chester and Holyhead Rail-
way Company erst im Jahre 1844 bildetc, dennoch schon im
Mai 1846 der Ingenieur F rank F o r s t e r , ohne alle Ceremonien,
den Grundstein zu dem Baue legte. Am 10. August 1847 wurde die
erste Niete cingesehlagen und es kann, nachdem was bereits ge-
schehenist, nicht bezwcifelt werden, dass das Riesenwerk schon im
Laufe dieses Jalires vollendct dastehen wird *).
Dass man den Aul'wand von Scharfsinn von Seite der Erbauer
eben so sehr bewundern muss , wie die industrielle Entwicklung
eines Landes, in dem ein solcbes Unternehmen in so kurzer Zeit
durcligeluhrt werden konnte, wird aus der folgenden kurzen Dar-
stcllung s) klar hervorgehen.
An der Stelle , welchc fur den Ban der Briicke ausersehen
wurde, ragt fast genau in der Mitte des Canals bei der Ebbe ein
aus Chlorilsehiefer bestehender Felsen, Britannia Rock genannt,
hervor , der bei der Fluth 10 engl. Fuss hoch von Wasser
bedeckt ist. Auf diesem Felsen beiindet sich der 200 Fuss
(192-84 W. F.) hohe Mittelpfeiler mit 30 Fuss tiefen Fun-
damenten ; derselbe ist an der Basis 6Va Fuss lang und
52 F. 5 Z. breit. Die Steinmasse desselben wiegt 20000
Tonnen (36,287000 W. Ct.) und das in demselben zur
l) Zeitungsberichten /.ui'olge wurde dieselbe am 5. MSrz X850 eroffnet and
dem Verkehre iibergeben.
z) Die hier angefuhrten numerischen Angaben sind aus einer kleinen in
London bei Chapmann und Hall 186. Strand erschienenen Schrift „ Ge-
neral! Description of the Britannia and Conway tubular bridges , etc.
genommen. Ein griissercs und umfassenderes Werk iiber dieselbe von
einem der dabei betheiligten Ingenieure Edwin Clark ist unter der
Presse.
::i
40
Bcfestigung als KlamnJern dienende Gusseisen 387 Tonnen
(7021-34 W. CI.). Die beiden andern Pfeiler, dcren Hohe 190
Fuss (183-2 W. F.) betragt, stehen an derMste, wo sie nock
von der Fluth , die daselbst bis zu 20 Fuss steigt , bespiilt
werden und enthalten 210 Tonnen (3810-14 W. Ct.) Guss-
eisen. In einer Entfemung von 230 Fuss (221-2 W. F.) von die-
sen Pfeilern beginnt der feste Erdbau, der sich unmittelbar an die
Eisenbahn schliesst, so dass also die ganze Eriicke aus vier Paar
Rohren, welche auf fiinf Untcrlagen ruhen, besteht. An den Fun-
damenten des Mittelpfeilers konnte wegen der Fluth tiiglich nur
dui-cb einige Stunden gearbeitet werden, zumal da diese oft mit
einer Geschwindigkeit von 81A englischen Meilen (nahe 2geogr.) in
der Stunde kommt. Die Entfemung des Mittelpfeilers von jedem
der Hauplpfeiler betragt 460 Fuss (443-53 W. F.) und diese sind
von den Landpfeilern 230 Fuss cntfernt. Die eigentliche Ein-
fahrt ist durch zwei schone, aus Stein gchauene eollossale Lo-
wen in liegender Stellung in aegyptischem Style geziert, deren
jeder 25 Fuss lang ist.
Die Rohren , aus denen diese merkwiirdige Briicke besteht,
sind aus Flatten von bestem Schmiedeisen , deren Dicke 3/8 — %
Zoll (0-03—0-06 W. F.) betragt , ganz nach Art der Dampf-
kessel zusammengenietet, nnd es wird auch sowohl beim Lochen
als beim Nieten selbst ungefabr vvie bei diesen verfahren. Die
Nieten haben einen Durebmesser von 1 Zoll , sind 3 oder 4 Zoll,
je nach ihrer Lage , von einander entfernt und ihre Gesammt-
zahl betragt 2 Million en, Sie werden gliihend eingeschlagen
und driicken die Platten beim Zusammenziehen so stark zu-
sammen, dass fiir jede derselhen eine Reibung von 6 Tonnen
entsteht , dass also , abgesehen von der Festigkeit der Nieten,
eine Kraft von 6 Tonnen (10826 W. Pfd.) dazu gehoren wiirde,
um zwei Platten zu verschieben. Die Construction der Rohren ist
ausserst sinnreich. Ihre verticalen Seitenwande bestehen aus ein-
fachen Eisenplatten von der eben angegebenen Dicke, die bis
zu 12 Fuss lang sind ; der Boden aber worauf die Schie-
nen ruhen sowohl, als auch die Decke sind doppelt, sie beste-
hen namlich aus zwei iibereinamler befindlichen Reihen von
Platten, welche 1 Fuss 9 Zoll von einander abstehen , und
durch verticale, der ganzen Lange der Rohre nach laufende
41
Platten unterstutzt werden. Es bildet also sowohl die Decke als
der Boden eiii Rohrensystem, das zur Vermehrung der Festigkeit
des Ganzen ungemein viel beitragt. Die Dicke ist aus acht, der
Boden aus 6 soldier Rohren gebildet; erstere haben 1 Fuss 9 Zoll
im Gevierte, letztere haben dieselbe Hohe aber 2 Fuss 4 Zoll
Breite. Die Lange einer der vier grosseren Rohren betragt
472 Fuss (455 W. F.), sie wurde also, neben dem Ste-
phanstlmrm aufgcstellt , denselben um 37 Fuss fiberragen und
ware um 107 Fuss (103-15 W, F.) holier als die Paulskirche in
London. Der Boden der Rohren liegt ganz horizontal, die Decke
aller zusamraengenommen aber bildet eine parabolische Curve von
geringer Kriimmung, indem die aussere Hohe in derMitte 30 Fuss
(28-92 W.F.), an den Enden aber nur 22 Fuss 9 Zoll (21-93 W.F.)
betragt. Die innere Weite derselben betragt 13 Fuss 5 Zoll (12-93
W. F.). Eine der grosseren Rohren wiegt 1800 Tonnen = 32558
W. Ct. und alle Rohren zusammen haben das enorme Gewicht von
10000 Tonnen = 181435 W. Ct., gewiss die grosste Masse von
Schmiedeisen, welche vvohl jemals zu einem Bau verwendet wurde.
Die Art, wie diese ungeheueren Masses an den Ort ihrer letzten
Bestimmung gebracht werden, ist so ingeniiis, dass wohl die ganze
Geschichte der Mechanik nichts Aehnliches aufzuweisen hat. Ich
war gliicklich genug, alle Stadien dieses Processes an den vier
grossen Rohren hetrachten zu konnen. Eine derselben fand ich
fertig am Strand e von Carnarvon auf einem Geriiste liegend,
an dessen Enden zwei gemauerte Pfeiler in einer solchen Position
standen, dass die Rohre, wenn das Geriiste entfernt wird, auf
denselben gerade so wie auf den wirkliehen Pfeilern selbst ruht.
Um zu bewirken, dass der Boden der Rohre nach Entfernung des-
selben horizontal bleibe, ist das Geriiste in der Mitte 9 Zoll (0-723
W. F.) fiber dem Niveau, was nach den vorgenommenen Versuchen
gerade ausreicht, um die Kriimmung zu beseiligen. Ist das Ge-
riiste entfernt, so werden unter demselben acht Pontons, von de-
nen jedes 400 Tonnen (7257 VV. Ct.) zu tragen vermag, so grup-
pirt, dass vier an jedcm Ende derselben zu stehen kommen. Diese
Pontons sind so gestellt , dass sie bei der Fluth vom VVasser ge-
hoben warden, wenn nicht am Boden grosse Klappen angebracht
wiiren, durch welche, wenn sie offen sind, das Wasser ungehindert
eindringen und abfliessen kann. Schliesst man aber diese Klappen, so
42
hebt das Meerbei der Fluth die Pontons, und die Rohre beginnt mm
auf dcnsclben zu schwimmen; mittelst cines iiber den Kanal ge-
zogcnenSeiles wird sie uun, ahnlich einerScliitTbriieke, an die Pfeiler
gebracht. Da aber die Rohre um 12 Puss (116 W. F.) IJingcr ist
als die Distanz der zwei Pfeiler, so warden 6 Fuss (5-8 W. F. tiel'e
Nuten (recesses) von der Breite der Rohren in jedem derselben
frei gelassen und auch an den Seiten so vie] von dem Mauer-
werkehcrausgenommen, dass die Rohre in diese Nuten gebracht wer-
den konnte. Da angelangt, werden die Klappen der Pontons geofl'net.
das Wasser dringt in dieselben ein und macbt sie sinken, so dass
die Rohre genau unter die Stelle, an welche sie zuletzt gehort.
mit ihren Enden auf ein Geriistc zu liegen kommt. Nach dicser
sehwierigen Operation werden die Mauern an den Seiten wicder
ausgefiillt and nar die Nuten blciben frei. Es wiirde fiir diesen
Ort vie! za weitlaufig sein, die vielen sinnreicben Einrichtungen zu
beschreiben , welche getroffen warden , am die, eine so grosse
(Juantitiit der Beweguog in sich tragendc Last mit jener Vorsiclrt
zu behandeln, die nothwendig ist, damit sie, obwohl von einem so
leicht beweglichen Elemente getragen, doch keine unbewachte Be-
wegung maclien konne; ich will our beinerkcn, dass die Zeit so !)e-
rechnet wurde, dass die Rohre gerade in dem Momente die Pfeiler
erreicht, in welcliem das Niveau des Meeres zwischen dei- Ebbe
und Fluth stationar ist, and dass in den 15 Minuten. welche ver-
gehen bis die Fluth wieder zurdekkehrt, die gefahrliche Operation,
die Rohre genau an ihre rechte Stelle zwischen die Pfeiler zu
bringen, vollendel sein musste. Zar Ausfiihrung der ganzen Trans-
portirung wurden 700 Mensehcn verwendet, 2 Danipfsehiffe sind
wiihrend derselben bereit, um, wenn es nothig ist, mitzuwirken.
Als ich diese enorme Masse, die nocb uberdiess ihror unge-
heurenLange wegen jede Behandlung nnendlicherscbweren musste,
von einem Boote aus, auf ihren Unterlagen zwischen den Pfei-
lern liegen sah und nun hinauf zu dem 102 Fuss (98-33 W. F.)
holien Lager blickte, das sie aufnehmen sollte, so muss ich geste-
ben, war das erste Gefuhl, das sich meiner bemachtigte, das des
Zweifels an der Moglichkeit einer gliicklichen Losung dieses
Problems, obwohl ich vorher an der Conway - Bri'icke bereits
diese Moglichkeit praktisch bewiesen sah; bei dieser Brucke
wiegt jedoch jede der beiden Rohren nur 1300 Tonnen
43
(22586 W. Ct.) und befindct sich nur 18 Fuss fiber dem
Wasser. Bald aber sah ich , wie fast ohne alle bemerkbare
Anstalten, die Rohre sich regelmiissig und nicht nllzu lang-
sam zu heben begann , was durch zwei hydraulische Prcssen
bewirkt wurde, die 29 Fuss iibcr dem Niveau, in welcliem die
Basis der Rohre zu liegen kommt, aufgestellt vvaren. Bewun-
derungswiirdig bleibt der Scharfsinn, mit welchem diese mach-
tige Vorrichtung, die auch eine englische Erfindung der Neuzeit
st, bier in Anwendung gebracht wurde: Die Presse rulit frei
auf zwei aus zusammengenieteten Platten von Schmiedeiseu
bestelienden Stangen von den Dimensionen eines starken Bal-
kens, die mit ihren Enden in dem Gemauer eingelassen siud
und liber eine in dem Mauerwerke ausgesperrte Note laufen. Diese
kolossalc Presse, denn sie ist in der That die grosste bisher con-
struirte, wirkt mit eincr Kraft von ungefkbr 9000 Pfund auf den
Quadratzoll (7841 W. Pf. auf einen Wiener Quadrat-Zoll) und
ihr im Ganzen gegossener Cylinder hat eine Wanddicke von HZolI
und wiegt 16 Tonnen (290 VV. Ct.), der Piston hat einen
Durchmesser von 20 Zoll und alles zusammen wiegt 40 Tonnen
(726 W. Ct.)- Das Wasser wird mittelst einer Dampfmaschine
von 40 Pferdekraft, deren Kessel nach Art der Locomotivkessel
aus Rohren construirt ist, in die Presse gedruckt. Der Cylin-
der der Dampfmaschine ist namlich horizontal, und die verliin-
gerte, aus beiden Enden desselben hervorragende Kolbenstange
ist zugleich der Piston jeder der zwei kleinen Pumpen, und
dieser hat einen Durchmesser von iVie Zoll (0-085 W. P.).
Die schmiedeisernen Rohren, durch welche das Wasser unter
den grossen Piston gebracht wird, haben einen Durchmesser
von Va Zo" (0-04 W. F.) und uahe dieselbe Wanddicke.
Man hat berechnet, dass, wenn diese Presse mit ganzer Kraft
arbeitet und an einer Stelle plotzlich eine Oeffnung bekame,
das Wasser bis zu einer Hohe von nahe 20000 Fuss empor-
springen wiirde.
Auf dem Piston der Presse ruht ein enormes Querstiick
aus Gusseisen, das an seinen beiden Enden mit Schlizen ver-
sehen ist, welche zur Aufnahme der Glieder der Kette he-
stimmt sind, an welcher die Rohre hiingt. Diese ist wie die
bei Kettenbriicken construirt und besteht abwechselnd aus 8 und
44
9 Gliedern , welchc 6 Fuss (5-8 W. F.J Jang, 7 Zoll (0-56
W. F.) breit und 1 Zoll (0-08 W. F.) dick sind. Diese Ket-
ten sind an ihrem uaiteren Ende mittelst schr massiver Rahmen
aus Schmiedeisen an die Riihre befestigt.
Die Prcsse gestattet eine Hebung von 6 Fuss , welche
in einer halben Stunde gesehieht. Wahrend dor Piston
hcrabgelassen vvird , fassen Klemmen , welche in gcwisser
Entfernung unlerhalb der Presse gleich den Tragstangen fuf
diese, in der Mauer ruhen, die Kcttcn und tragen so die
Rohren. Die obersteu Gliedci' der Kette werden nun bei Seite
gelegt, die nachsten in dem Querstiick der Presse befestiget,
und nun wird wieder die Hebung urn neue 6 Fuss bewirkt. Auf
diese Weise ist die ganze Operation in einem cinzigen Tag voll-
endet und nur 36 Menschen sind fur diesclbe erforderlich !
Nachdem die Rohre in ihr Niveau gchoben ist, werden
drei enorme Riegcl aus Gusseisen , deren jeder 24 Fuss
lang und 4 Fuss boch ist und 11 Tonnen (1996 W. Ct.)
wiegt , vorgeschoben. Diese Riegel liegen in gusseiscrnen
Fassungen, welche zu beiden Seiten der Nuten eingemauert sind,
und durcb welche sie leicht vor- und riickwarts bewegt werden
konnen. Wiibrend dor Hebung der Rohre ruhen sie auf einem
seitwarts an den Pfeiler angebrachten Geriiste.
Die ganze Lange der auf diese Art in der Mitte der Pfeiler
fest verbundenen Rohren betriigt 1841 Fuss (1775 W. F.). Die
Langenanderung einer Rohre von nahe einer viertel Meile (Vi6
gcog. Meile) durch die Wiirme betriigt irn Maximum nicht mebr
als 12 Zoll (096 W. F.)- Urn diese unschadlicb zu niachen,
ruhen die Rohren an den Landpfeilern auf gusseisernen Wal-
zen von 6 Zoll Durchmesser , wahrend sic im Mittel-
pfeiler sehr fest mil, einander verbunden sind. Auch an ihrer
Decke sind sie seitwarts durch Kugeln aus Kanonenmetall unter-
stiitzt, welche sich in kanelirten Schienen bewegen. Die Wir-
kung der Wiirme auf diese Rohren aussert sich noch auf eine
andere Art, indem, wie vorauszusehen war, durch die seit-
warts auffallenden Sonnenstrahlen eine Kriimmung derselben
bewirkt wird, durch welche der Mittelpunct urn 1 Zoll
gegen die erwarmte Seite hinriickt. Obwohl man sich unwillkur-
lich mit einiger Besorgniss an die Molecularveriinderungen crinnert,
45
welche in dem, einer immerfortdauernden Bewegung und der
Einwirkung ungeheurer Krafte ausgesetztem Eisen stattfinden
mfissen, so wird man doch sehr beruhigt durch den Erfolg, der bei
der Conway - Briicke stattfand. Eine ihrer beiden Rohren,
deren jede eine Lange von 400 Fuss (386 W. F.) hat und 1300
Tonnen (223586 W. Ct.) wiegt, wurde mit 300 Tonnen (5443
W. Ct.) Eisen belastet, was vielmal mehr betragt als je eine
Belastung, die sie spater zu tragen haben wird, und erlitt dadurch
eine Biegung von nur 3 Zoll (0-241 W. F.), kehrte aber nach
Entfernung dieser Last wiedcr vollstandig in ihre alte Lage
zuriick; und obwohl dicse Briicke durch linger als ein Jahr im
Gcbraueh ist, so Lassen sich doch durch die scharfsten Mes-
sungen keinc bleibcnden Veriinderungen an derselbcn wahrnchmen.
Wenn sich ein Train durch die Rohre bcvvegt, erfahrt sie eine
vorubergehende Biegung von nur V Zoll (001 W. F.).
Mit welcher Vorsicht man ubrigens bei dein ganzen Ent-
wurf verfuhr , geht unter anderm audi daraus hervor, dass
man sich nicht mit einer theoretischen Bestiminung der Verhiilt-
nissc und Dimensionen begniigte, sondern ein Modell in V40 der
Naturgrosse construirte und daran genaue Versuchc anstellte.
Trotz, aller Umsicht, mit der der Bau gefuhrt wird, hat derselbe
doch schon einigc Menschenlcben gekostet; im Sommer des ver-
llossenen Jahres, kurz nach meiner Anwesenheit daselbst, sprang
eine der Pressen und todtcte zvvei Mann. Stephenson gab in
einer Versammlung der British -Association m Birmingham,
eine scharfsinnige Erklarung der Ursache dieses Ungliicksfalles.
Da namlicli an den Bruchllachen weder eine Ungleichartigkeit
noch eitie Vcranderung des Materiales wahrgenommen wurde, so
konnte das Zerplatzen des Cylinders nur durch eine ungewohnliche
und plbtzliche Vermchrung des Druckes auf denselbcn also "-ewis-
sermassen durch einen Stoss herbcigefiihrt werden: dieser ent-
stand aber nach Stephenson dadurch, dass zufalligerweise die
Intervalle, in welchen die Druckpumpen wirkten , sich so regel-
miissig folgten und von der Art waren, dass in der Rohre eine
transversale Wcllenbeweguug in einer verticalen Ebene entstand,
welche so beschaffen war, dass gerade als der Piston nach auf-
wiirts stieg, die Rohre nach abwarts vibrirte, wo durch natiirlich
ein so heftiger Stoss auf die Wiinde des ausseren Cylinders ausge-
46
iibt wurde, class er, wcnn auch fiir den normalen Druck fesl
genug, bei diesemungewohnlichcn, avis ser all er Berechnung liegen-
den, dennoch bersten musste.
Ehe ich Bdngor verliess, um die angenehme Seefahrt nach
Liverpool zu machen, besichtigte ich noch die so iibenuis merk-
wiirdigcn Schiefervverke bei Pennring -Castle, etvva vier Stunden
von Bangor, welcbe dem Obersten Pennant gehoren. Man kann
sich von der Grosse derselben cine beilaufige Vorslellung ma-
cben, wenn ich sage, dass in denselbcn 2250 Mann beschiiftigt
sind, von denen jeiler in der Woche 30 Schillings bis 2Pfuod ver-
dient. Da der ganze Bruch ein Tagbau isl, so bietet derselbe einen
hochst romantischen Aublick dar, cine Werkstattc der Giganten,
um Felsbliickc zur Bestiirmung des Olympcs loszusprengcn ! Der
Anachronismus wird freilich gleich bemerklich, wenn man zu be-
stimmter Stunde die Felsbliickc reibenweise outer einem Lauf-
feuer von Sprengschiissen sich abbla/ttern sieht. Aus der Masse
der jahrlich gelieferten Schicferplatten, von denen viele, bei sonst
sehr regclmiissiger Gestaltung, eine Hohe von 2 und eine Breite
von l'/a Klaftern und eine Dickc von einigen Zollen haben, kann
man auf die hohe Entwicklung cines Industriezweigcs schlicssen,
der bei uns so gut wie gar nicht bekannt isl, obwobl es uns an
Materiale auch nicht fehlt. Ich sab in Loudon die bedeutendc Fa-
brik der Herren G. North in Lambeth; in welcber die Scbiefer-
platten mit einer Art Hobelmascbine eben gemacbt, gebohrt, mit
Nuten zum Ineinanderschieben versehen und iibcrhaupt so bearbei-
tet werden, dass sie zu grosscn Behaltern fur verschiedenartige
Fliissigkeiten , zu Kliirapparaten fur Trinkwasser und zu
unzahlig vielen andcrn, mitunter sogar eleganten Gerathen dienen.
Die zu Filtrirapparaten bestimmten Gefiisse sind durch eine schief
stehende Platte abgetheilt, welehe aus einem, zu diesem Behufe
eigens von der Kiiste von Barbados nach England gebrachten p§-
rosen Sandsteine, der in grossen Platten vorkommt, besteht, und
durch welcbe sich das Wasser Jiltrirt. Ein Model!, das ich
fiir die technische Sammlung des polytechnischen Institutes
mitbrachte, zeigt genau die Art der Behandlung dieser Platten
zu dcrlci Zwecken. Man iiberzieht dieselben auch mit einer
Art Email, wodurch fere Anwendung noch sehr erweitcrt
wird.
47
Ich verliess noch an demselben Tage Bangor und kain Abends
in dem bewegten Liverpool an. Nachdem ich die ungeheuerenDogg's.
mit ihren unzahligen, namentlich amerikanischen Schiffen gesehen,
begab ich mich zu Dr. S h e r i d a n M u s p r a 1 1, dem bekannten Ciic-
miker, der in seinem Hanse ein sehr bequemes Laboratorium einge-
richtet hat, das sehr besucht wird. Ich fand da die gewohnte freund-
liche Aufnahme und lernte Hrn. Richard Muspratt kennen, der
diegrossen der FamiJie Muspratt gehorigen Sodawerke Ieitet.
Es mussle far mich von grossem Interesse sein, gerade die so
ausgezeichnet gefuhrten Werke kennen zh lernen, da der Grander
derselben H. James Muspratt es war, der im Jahre 1820 das
von Leblanc erfundene hochst sinnreiche Verfahren der Soda-
erzeugung aus Kochsalz mit Vortheil im Grossen ausfiihrte ; und
man kann ohne Uebertreibung behaupten, dass von. dem Augenblicke
an, als dieser Korper zu einem allgemeiuen Handelsartikel wurde,
siclieine neue Periode fur die Gesammt-Industrie eroffnete. Im Jahre
1824 wurden in England aus Spanien noch 5722 Tonnen Barilla,
welche nur 5-6 pCi Alkali enlbiilt und mit 5 L. St. hezahlt wurde,
und 50000 Barrels Pottasche eingefiihrt, wiihrend jetzt gar keine
Barilla und nur der dritte Theil Pottasche eingefiihrt wird; da-
fur werden aber jetzt in England 80000 Tonnen robe Soda [soda
asK) erzeugt, ein Product, in welchem 77 pCt. kohlensaures
Natron, 5— 6 pCt. Aetznatron, also nur 16— 17 pCt. Verunreini-
gung enthalten sind , unter denen sich 03 — 03 pCt. kohlensau-
res Kali befinden, die vondemKalke herriihren, der zur Fabri-
cation verwendet wird. Esfolgtbieraus, dass diese Soda eigent-
lich der dreifachen Menge Barilla entspricht , was , wenn man den
obigen Preis derselben annimmt, bei einer gleichen Entwicklung
der Industrie , eine jahrliche Summe von 5 Millionen L. St. erfor-
derthatte, die jetzt abgesehen von den tibrigen Vortheilen, dem
Landc erspart werden. Noch deutlicher sieht man den enormen
Aufschwung, welchcn die chcmischc Industrie in den letzten
20 Jahren nahm, wenn man einenBlickin die foIgendeTabclle wirft.
Ira Jahre
1820 wurden eingefiihrt
1830 „
1840 „
184S „
Tonnen
Schwci'el
Tonnen
Barilla
Pottasche
in Barrels
Palmiil in
Casks
"3434
8594
34226
^2304
9409
8474
44878
31204
23935
372
17014
41712
21442
nichts
18586
57997
48
Die hicr angegebene Menge Sehwefel entspricht ungefahr 60000
Tonnen Schwcfelsiiurc, indess ist die jetzt in England erzeugte Menge
viel grosser, da seit der beruchtigten Schwefelfrage von 1837, wo
die neapolitanische Regierung einen Ausfnbrzoll von 4 L. St. auf
die Tonne Sehwefel legte, eine bedeutende Menge derselben aus
Schwefelkies erzeugt wird.
Im Jahre 1820 wurden erzeugt 10000 Tonnen
„ „ 1830 „ „ ' 30000 „
„ „ 1840 „ „ 72000 „
» » 1848 » v 90000 „
und jetzt diirfte sich dieselbe auf 100000 Tonnen b el auf en. Die in
Oesterreich erzeugte Menge von Schwefelsaure betragt 150000 Ct.
oder 826'7 Tonnen, und ein grosser Tbeil davon wird auch aus
sicilianiscbem Sehwefel erzeugt.
Der Einfluss, wclcben diese ungclieuere Menge von Soda auf
andere Fabrikationen iibte, geht am schlagendsten aus der stets
zunehmcnden Menge Palmol , die in England zu Seife verarbeitet
wird, bervor, denn Liverpool fiihrt jetzt allein mebr von diesem
Artikel aus, als fruher ganz England.
In Frankreich, dem Lande, in wclchcm die chemische Industrie,
was ihrc wissenschaftlicbe Ausbildung betriiTl, hoher steht als in
irgend einem andern, selbst England nicht ausgenoramen, wurden
eingefiihrt an Sehwefel:
Im Jahre 1820 128000 W. Ct. oder 7035 Tonnen
1825
183000 „
55
„ 10086
1830
225000 „
55
„ 12401
1838
322000 ,,
55
„ 17747
1847
455000 „
55
„ 25078
Im Jahre 1847 wurden also 1400000 Ct. Schwefelsaure in
Frankreich erzeugt; der Preis derselben betragt im Durchschnitte
nur 5 fl. per W. Ct. In England kostet derselbe 4 % fl. (7 L. St. p. Ton.),
in Wien 9 fl. C. M. Die Sodaerzeugung Frankreichs steht hinter
derEnglands weit zuriick, obwohl den Fabrikanten ein bedeutender
Nachlass imPreise desSalzcs von der Regierung vergonnt ist, und
auch keine lastigen Bcdingungen an die Verabfolgung derselben
gekniipft sind. Es kostet namlich der Wiener Centner Scesalz in
Marseille den Fabrikanten nur 14 kr. C. M. und diese Art von Salz
49
spielt iiberhaupt in der dortigen Industrie eine grosse Rollc, indem
all ein in Baynas auf 150 Hectaren Flachenraum 300000 W. Ct.
Kochsalz gewonnen werden, von denen ein grosser Theil zur Soda-
erzeugung dient. Aus derMutterlauge gewiant man noch 24000 W.Ct.
Glaubersalz xind 1600 Ct. Kalisalze. Der Wiener Centner Soda
kostet in Frankreich 9V» fl., in England 6 Vg fl., in Wien 12 Va 11.
Die Fabrik des H. M u s p r a tt befindet sich in Newton zwischeu
Liverpool und Manchester, hat eine ausserstvortheilhafte Lage auf
einem Dreiecke, (lessen eineSeite von einem Kanal, die zwei an der n
durch Eisenbabnen gebildet werden , so dass sie fast von diesen
drei Hauptverbiiulinigswegen beruhrt wird. Es sind in derselben
480 Menschen bescliiiftigt, deren Familien in kleincn wohnlicben
Hausern leben, fur den Unterricht der Kinder ist durch eine Schule
gesorgt. Es werden wocbentlich nicht weniger als 200 Tonnen
Kochsalz verarbeitet, die Tonne kostet an der Grube nur 6 Schil-
linge (3 fl. C. M.) , bis in die Fabrik gestellt kommt sie auf 8.
Es werden auf einmal immer 10 Ct. (907-1 W, Pf.) Salz in iiber-
wolbten , eisernen, von unten zu erhitzenden Kesseln init 9 Ct.
(816-3 Pf.) Schwefelsaure von 1-700 Dichte zerlegt. Das
Gas, dessen Entwicklung nach andertlialb Stunden aufhbrt,
wird durch einen Kauai in einen 40 — ^50 Fuss hohen, vier-
eckigen Thurm geleitet, der ganz mit Koaks gefiilltist, und der
einen Wasscrbehalter tragi, aus welchem ein continuirlicher Strom
von Wasser iiber die Koaks liiuft , um das entweichende Hydro-
chlor , so viel wie moglich zu condensiren. Der zu dieser Operation
dienende ciserne Kessel kann bei gehoriger Behandlung 6 — 8 Mo-
nate ohne alle lleparatur im Gebrauche sein. Die zahe Masse, aus
welcher nun fast kein Hydrocblor entweicht, wird aus dem Kessel
mit eisernen Loffeln in den nebenstehenden Calcinirofen gebracht,
der mit dem Hauptschornstein , der in dieser Fabrik 406 Fuss
hoch ist, in Verbindung steht. Bevor die Gase jedoch dahin gelan-
gen, passircn sie einen langen horizontalen, mit Ziegelsteinen, die
immer durch dariibcr fliessendes Wasser benetzt werden, gefiilllen
Kanal. Das calcinirte schwefelsaure Natron wird nun mit Kohle
und Kalk geinengt und in den bis zum schvvachen Rothglfihen
erhitzten Ofen gebracht. Es lohnt nicht die Kosten, diese Substan-
zen zusammen zu mahlen, sondcrn cs genugt, sie in kleinen vSliickcn
mit einander zu mengen. Die Masse gerath an der Oberflache bald
Schrotter. d
50
ins Schmelzen und muss nun ununtcrbrochcn , wie das Eisen beim
Puddlingprocess , unter einander geriihrt worden, bis sie ganz
geschmolzen ist, und die Entwicklung von Kohlenoxydgas aufge-
horthat, wo dann der Process vollendet ist. Das gutc Gelingen
dieser Arbeit hangt vorztiglich von dem Fleisse und der Geschick-
lichkeit der Arbeiter ab, es herrscht daher, da alle Arbeiter nur
nach ihren Leistungen bezahlt werden, eine bedeutende Differenz
in ihrem Lohoe, der von 1 L, St., was gewohnlich ist, bis zu
3 L. St. steigen kann.
In Newton wendet man , als das beste Verhaltuiss, zu diesem
Processe 168 Pfnnde calcinirtes schwefelsaures Natron , 175 Pfund
kohlensauren Kalk , der aus Irian d bezogen wird und fast frei
von Kieselsaure und Magnesia ist, und 112 Pfund Steinkohlenklein
an, von dem die Tonne 2 — 2% Schilling zu stehen kommt! Im
Ganzen werden in dieser grossartigeu Fabrik nicht weniger als
100 Toiinen Kohle taglich verbraucht. Von dem Kalksteine wurden
wochentlich 200 Tonnen verarbeitet. Die Tonne kommt in Newton
auf 5 Schilling zu steben. Das so erhaltene Rohproduct heisst
Bladiash und enthalt 10 pCt. kohlensaures Natron, 26 pCt.
Aetznatron und bei guter Arbeit kaum 4 Pet. unzersetztes schwe-
felsaures Natron ; es findet also eine fast, vollstandige Zcrsetziing
Statt, was zeigt, dass dieser Process so vollkommen ist, dass er
so leicht nicht durch einen andern verdrangt werden wird, obwohl
von Zeit zu Zeit neue Projecte auftauchen , die aber bisher immer
bald aufgegeben wurden. Die Blackash wird jetzt nicht mehr in
den Handel gebracht, sondern sogleich auf die bekannte Art durch
Auflosen, Abdampfen und Calciniren in Soda ash verwandelt.
Die zu diesem Processe nothige Schwefelsaure wird in New-
ton seit 1838 aus SchweS'elkies erzeugt, der aus der Grafschaft
Wicklow bezogen wird, und von dem 2% Theil einen Theil
Schwefel ersetzen; der Preis des Schwefelkieses betriigt aber nur
ein Fiinftheil von dem des Schwefels. Der Process hiebei ist be-
kannt und geht ganz otme Schwierigkcit vor sich, man hat nur
dafiir zu sorgen, dass die schweflige Saure so kalt wie moglich
in die Kammer tritt 5 auch hat sich gezeigt, dass eine einzige
Kammer, ohne Abtheilung, die besten Dienste leistet, indem sie
weniger angegriffen wird , als die letzte Abtheilung , wo sich am
meisten Untersalpetersaure sammelt.
51
Die Salzsaure, welche lange unbenutzt aus dem Conden-
sator wegfloss, wird nun weiter zur Bereitung von Bleichkalk
(bleaching powder) beniitzt, auf dessen wohlfeiler Erzeugung die
ganze Bauimvollcn-Industrie Englands ruht. Den kieau notlugen
Braunstein beziekt man nm enorm billige Preise aus Deutschland !
Als in England dieTonneKochsalz mit einer Steuer von30 L. St.
belegt war, betrug der Preis der Tonne 36 L. St., also der des
Sfllzes selbst 6 L. St. ; jetzt wo die Salzsteuer ganziich aufgehoben
1st , kostet die Tonne Salz nur 6 Schilling, was gerade der zvvan-
zigste Tlieil des friiheren Preises ist. Oline diese niedrigen Salz-
preise hatte aber die Soda-Erzcugung in England nie die Hohe
erreicht, auf welcber sie jetzt steht. Ein sprechenderer Beweis fur
die nachtheiligen Wirkungen, welche die jetzt noch allgemeine
Besteuerung der Bohproducte auf die Industrie iibt. diirite wold
nicht leicbt zu iinden sein.
Indess in
der Gestalt und den fibrigen Eigenschaften der Gedanke gerecht-
fcrtigt, dass beide trotz des abweichenden Wassergehaltes eine
Species bilden durflen , da, wie wir wissen, die ricbtige Bestim-
mung des Wassergehaltes von verschiedenen Umstanden, nan.ent-
lich von der Bestimraungsraethode selbst abhangig ist. Stellen wir
noch einmal die Aequivalentzahlen zusammen, wie sich dieselben
ergeben, wenn man die der Basen RO gleich 4 sctzt
15
230
SiOs
10,4(5
10,14
10,39
AlzO„ HO no
0,49 4 18,89 (Antrimolith)
6,11 4 15,45 (Poonalith)
6,30 4 17,17 (im Durchschnitt),
so glauhc ich, dass man am besten fur beide die fur den Poonalith
aufgestellte Formel
3 ( 2 | AfeO i 3 ^ ) + 5 (3 //0' * (Si'°s)
annehmen kann, weil jedenfalls der von Gmelin bestimmte Wasser-
gehalt als der des durch die vollkommenere Krystallisation mass-
gebenden Minerals als der richtigere vorgezogen werden darf , in
den iibrigen Bestandtheilen aber das Verhaltniss fast genau das-
selbe ist.
Was schliesslieh das Verhaltniss beider Mineralien zu dem
Skolezit betrifft, dessen Zusammensetzungnach G. Rose durch
die Formel
CaO )
NaO\
8i0, + AI,0ti SiOt-\-3HO
auszudrucken ist, wofiir ich
]\uO) ~ " '
schreibe, dessen rhombisches Prisma nach demselben 91*35' und
88" 25' misst und sich ziemlich vollkommen parallel seinen Fla-
ehen spaltea lasst , und welcher in den iibrigen Eigenschaften
grosse Uebereinstimmung rait den obigen Mineralien zeigt , so
ware es wohl wicht. unmoglich, dass diese, namlich der Poonalith
und Antrimolith rait demselben vereinigt werden konnten, fiir jetzt
"her muss bei der fehlenden Bestimmung oktaedrischer oder hori-
zontal-prismatischer Gestalten der durch beide angefiihrten Ana-
lysen Thomson's und 6 m el Id's dargelhane Unterschied in dem
Verhaltniss der cnthaltenen Thonerde und derBasen ROuns davon
abhalten. Nimmt man namlich das Fiinft'ache der Aequivalentzahlen,
wie sie die Formel des Skolczits ergibt, und stellt sic so mit den
Aequivalentzahlen der dem Poonalith und Antrimolith gemeinschaft-
lich zueetheillen Formel zusammen
240
Si03 Al.fi s HO HO
10 r> S IS (Skolezit)
10 ° 4 15 (Poonalith and Antrimolith).
so sind bei JO Aequivalenten Kieselsaure und 15 Aequivalente
Wasser in alien dreien, 5 Aequivalente Thonerde und ebensoviol
der Basen 110 ira Skolezit, wahrend beide, der Poonalith und Antri-
mohth 6 Aequivalenle Thonerde und nur 4 der Basen HO enthalten
en, Unterschied, welcher bei so verschiedenen Fundorten nnd be-
gleitenden Mineralien nicht als zuffillig ttbereinstimmend, noch we-
uger aber als ein mangelhaftes Resultat der angestellten Untersu-
chungen angesehen werden darf.
Ueber den Harringtonit.
Nachdem ich bereits in dem zweiten Ilefte meiner mineralo-
g.sehcn Untersuchnngen nrick pmg. 152 ft* die Wahrsebeinlichkeit
ausgcsprochen hatte, dass man zu Folge der Analyse Thomson's den
Harringtonit der Species Zeolith, deren Formel
NaO ) ,
CaO\Al*0* + %(ff0> «'0»)
1st, zuzahlen konne und er als eine an Kalkerde reiche Ahande-
rung derselben anzusehen sei, in welcher dicse ungefahr das Don-
pelte des Natrons betrSgt, wurde mir durch mehrere Exemplare
des Harringtonits aus der Grafschaft Antrim in Irland Gelegenheit
gegeben, diese Wahrsebeinlichkeit weiter zu begriinden.
Das eine derselben war ein derfees Stuck von schmutzi- gelb-
l.chwe.sser Farbe, woran cinzelne Stellen auch reinweiss, andere
dagegen durch Eisenoxydhydrat braunlich waren; nicht dicht
sondern genauer betrachtet ein inniges Aggregat verworren grup-
pirter, kurzer und feiner linearer Krystalloide, welche auch in ein-
zelnen leeren Raumen frei auskrystallisirt waren. Die kleinen und
zarlen bis zu einer Linie l.-mcvpn nradeonkniiA, j i«
1L tangen, wasseiiiellen und glanzendcn Kry-
stallehen waren vollkommen durchsichlig uud liesscn durch die Mes-
sung nut dem Reflexions-Goniometer sich als rhombische Prismcn
von 90u54 und 89°6' NeiVuno- fi„iiP„ an ,i„ „ v , ,
iii.i&ung uniicn, an deren linden man audi
durch hinlanglich starke Vergrosserung eine stumpfe vierllachige
/usp.tzung mittriangulnren Fliichcn wahrnehmen konnte. Die Kry-
241
stallchen bildeten sowohl an ireieren Stellen als audi bei dichterer
Verwachsung zuweilen stcrnformige Partien. Das Pulver schnee-
bis gelblichweiss. Die Iliirte ist iiber der dcs Apatites; sie liess
sicb war auf dem gewohnlichen Wege nicht als solche erkennen,
weil die einzelnen Krystalle dazu zu zart and das Ritzen mit
einem auderen Minerale wcgen der mehr oder minder lockeren
Verwachsung unzureichend war, jedoch ritzten die Kauten der
ganzen Masse gewohnliehes Fensterglas.
V. d. L. fiir sieh ruing und ziemlich leicbt zu einem etwas
blasigen, durchscheinenden, weissen Glase schmelzbar, mit Borax,
so wie mit Phosphorsalz leicht zum farblosen klaren Glase,
welches bei Anwendung des letzteren unter Ausscheiduug eines
Kieselskelettes heiss eine iiusserst schwacbe gelbgriinliche Fiir-
bung zeigte; mit Soda zu einer etwas getriibten weisslichen Perle
verschmelzend. In Salzsaure vollkommen loslich , unter Ausschei-
dung der Kieselsiiure in Flocken , welche bald zu Boden sinken,
mit concentrirter aber gelatinirend.
Da nun nach Thomso n 's Bestiunnung der diclite Harringlonit
44,840 Kieselsiiure,
28,484 Thonerde,
10,684 Kalkerde,
5,560 Natron,
10,280 Wasser mit einer Spur von Salzsaure,
enthalt,
und die Aequivalentenzahlen von
oder
SiOs AlzOs #0(=<
9,706 5,498 5,609
1,77 1 1,02
11,422
2,07
belrngcn, so glaube ich, dass man mit grosser Wahrscheinliclikeit
2
die ganzen Zahlen
2 1 1
setzcn und daraus als die entsprechendste die Fonnel
CaO
NuO
Al.fi, -\- 2 (HO, SiOz)
aufstcllen , so wie den Harrington!!; auch nach seinen iibrigcu
Eigenschaftcn und den gefundenen Krystallgestalten als ein an
Sitzb. d. malhem.-naturw. CI. Jahrfr. I8S0. II. Bfl. III. Heft.
17
242
Kalkerde reiches Glied tier Species Zeolith (Hausmann)betrachten
konne, deren Zusammensetzung der Formel.RO, Al^0.s * (2HO, SiOs)
entspricht, und als durch RO ausgedriickte Basis entweder Natron,
Oder Kalkerde, oder beide zugleich in entsprechenden wechseln-
den Mengen entha.lt.
Ein zweites Exemplar dieses Minerals aus der Grafschaft An-
trim zeigte es mehr dicbi, doch war durch massige Vergrosserung
die Krystallisationstendenz deutlich zu erkemien. Einzelne Dru-
senraume waren wie an dem vorigen mit kleinen Krystallchen aus-
gekleidet und durch die dichte an den Kanlen schvvach durchsehei-
nende Masse liefen einzelne Strahlen in ihrer Langsrichtung
gruppirter linearer Krystalloide. Die Farbe des Ganzen war ein
reineres Weiss und die Strahlen schneeweiss.
Hier und an dem zuerst erwahuten Exemplare gaben diejeni-
gen Theile der Oberflache, welche langere Zeit an der Luft gelegen
haben mussen, dem Mineral ein eigenthumliclies zerfressenes An-
sehen, welches durch mehr oder weniger grossere Looker (die
vorherigen Drusenriiume) erhoht wird; dicselben sind zum Theil
mit weicher, erdiger Masse von gleicher Farbung des Ganzen erfullt,
und weisen jedenfalls auf eine allmalige Zersetzung des Minerals
an der Luft bin.
Gleichzeitig muss ich hier ein dem Uarringtonit zuzuzahlen-
des Exemplar erwahnen, welches mit der Etiquette: Lehuntit
von Carneastle bei Glenarm in Irland, versehen war.
Dasselbe brachte mich wegen seiner grossen Aehnlicbkeit auf den
ersten Blick zu dem Gedanken , dass es nicht Lehuntit, sondern
Uarringtonit sein mochte. Es war dicht, im Bruchcuncben, schnee-
weiss mit lichtgclben Stellen, an denKanten durchscheinend und an
alten Bruchflachen von demselben zerfrcssenen Anseben. Durch
Vergrosserung konnte man deutlich die krystallinische Bildung des
Ganzen erkennen, und einzelne Drusenriiume waren mit denselben
Krystallchen erfullt, deren Messung sic auch ubereinstimmend mit
den obigen erwies. Der Winkel der stumpfen Prismenkante wurde
durch wiederholte Messung nahezu gleich 91° gefunden, und ergab
bei guter Spiegelung nur eine Schwankung zwischen 90 52
und 91° 2', so dass man sie unzweifelhaft als den Prisnien des
Barringtonits gleich annehmen kann. Einzelne Enden liessen
glcichfalls eine Zuspitzung erkennen. Das Verhalten v. d. L. unci
243
die Loslichkeit in Salzsaure war ganz fibereinstimmend mit den
obigen Angaben,
Hiernach glaube ich , ilass an dem Fundorte des Lehuntits
auch Harringtonit vorkommen mag und derselbe mit dem ersteren
verwechselt wird, wesshalb ich hiermit auf das Exemplar selbst
aiifmerksam machen zu miissen nicht fur iiberfliissig erachtete, zu-
mal ich keinen anderen Lehuntit zur Vergleiehung zur Stelle hatte
und die Angaben Thomson's fiber denselben durchaus niclit ent-
sprechen. Die da von bekannte Analyse R. D. Thomson's lasst
audi nicht daran zweifeln, dass der vvahre Lehuntit der Species
Skolezit angehoren diirfte , in welcher er eine an Natron reiche
Abandoning bilden wiirde. Da er namlich nach demselben
47,33 Kieselsiiure,
24,00 Thonerde,
13,20 Natron,
1,524 Kalkerde,
13,60 Wasser
enthalt, woraus fur
SiOt Al.fi, RO(=NaO,CaO) HO
die Aequivalentzablen 10,245 4,033 4,802 15,111
"der 2,133 0.905 1 3,147
hervorgehen, und man ohne Bedenken die ganzen Zahlen
2 11 3
gebrauchen kann, so ware die Formel des Lehuntits
Und sorait dieselbe von der des Harringtonits verscliieden.
Ueber Si0* +GH0
wclche Berzelius fur dasselbe aufgestellt hat, den beiden da-
von bekannten Analysen nicht entspricht,
Nach Steinmann niimlich der Karpholith
37,53 Kieselsaure,
26,47 Thonerde,
18,33 Manganoxyd,
0,27 Eisenoxyd,
11,36 Wasser,
wo nach for
SiOs A/,0, Mn%OmFezOt HO
8,1234 5,1100 3,0484 12,62
oder 4 2,516 1,501 6,22
a!s AcuuivalenUahlen hervorgehen, denen die Sauerstofftnehgen
12 7,548 4,503 6,22
entsprecheh. Nimmt man nun an, dass der grossere Theil des
Mangan- und Eisenoxydes nicht als solches, sondern als Oxydul
aufzufassen sei, so wih-de, wenn man noch so viel Oxyd hinweo--
nimmt, um die Sauerstoifmenge der Thonerde plus Metalloxyd auf
9 mi erhohen und den Rest als Oxydul aufzufassen, die Sanerstoff-
SiO,, fl908 (_=AL03, FezO„ Mn2OJ
durch 12 9
oder 12 9
RO^FeO MnO) HO
durch 2,034 6,22
oder 2 6
246
auszudriickensein, woraus nieht die Formel sRO, Si03 + &AhOz1
SiOg + QHO hervorgchcn kann, man musste dcnn gerade der
Formel wegen die Zahl 7,548 auf 9 crhShen und den Mangan-
und Eisenoxydgebalt fur sich auf Oxydul reduciren , wozu kein
Grund vorliegt.
Belrachten wir auf gleiche Weise die Analyse S t r o m e y e r's ,
nach wetcher der Karpholith
36,154 Kieselsaure,
28,669 Thoherde,
1 9,160 Manganoxyd ,
2,290 Eisenoxyd ,
0,271 Kalkerde,
10,180 Wasser,
1,470 Flusssaure
entlralt , so sind die Aeqaivalentzahlen fdr
SiOs ALOs MnJ)., Fe^O,
ode
7,826 5,535
' 4 2,829
und die Sauerstoffmenffen darin
12
8,487
2,706
1,383
4,149
HO
11,98
6,12
6,12.
Bei gleichera Verfahren , wie oben, warden danti die Saiter-
stoffmengen in
SiO„
ft j), no HO
gleich 12 9 2,424 6,12
Iiervorgehen, woraus man eben so wenig die Forme!
3RO, SWB-\-SAtsOs, SiOs-j-GHO
ejilnehmen kann. In beiden Fallen wird die Formel
2 I \r, n\ 3 " ° ) + {SJPe, O, 4S i O.
Fe OS J I "l
; [SMn, OJ
als die richtigere hervorgehen, bei weleher viefleicbt das erste
Glied anstossig erscheinen konnte, weil wir fiir jetzt noch kein
Hydrat der beiden Oxydule in dieser Form kenned gelernt baben ;
jedoch glaube ich , dass durch die fortschreitentle Kenntniss der
chemischen Verbiudungen, namentlich in ihren zusammengesetzten
VerMltnissen fiber diese, sowie fiber andere hypothetische For-
meln entschieden werden wird, fiir einzelne Falle es aber freistebt,
nicbt bokannte Verbindungeu anaunehmen, so lange sie nicht gegen
giiltigc Principien gebildet sind,
Die Hauptfrage in Betreff des Karpholits ist jedenfalls die,
ob iiberhaupt die beiden Oxydule in demselben anzunehmen sind,
oder ob nicht Eisen- mid Manganoxyd als die Thonerde zum Theil
vertretend darin bestehen. In diesem Falle wfirden die Aequiva-
lentzahlen fiir
SiO^R^^AkOz, Mn303, Fe.O^HO
2 2,008
3,107
und 2 2,106 3,062
nach den beiden oben angefuhrten Analysen. und
2 2,057 3.084
im Mittel sein, fiir welche man unfeblbar die Zahlen
2 2 3
setzen kann. Dei dieser Voraussetzung wiirde irh den Karpholith
durch die Formel
IAI,0, AkOA
AHO Mn,,03 -(- M7i203)2SiOs
\Fe,Os Fe2Os)
ausdriicken, und ihn dem Worthit SHO , AJkOt -\r 5 (AlJ)n SiOt)
an die Seite stellen. (Siehe meine min. Unters. Hft. 2, pag. 129.)
Die geringe von Stroineyer angegebene Menge Kalkerde
diirfte einer geringen Menge beigemengten Flussspathes zuzu-
schreiben sein, sowie es auch moglich ist, dass dann nach der von
demselben gcfundenen QuantitJit Flussaure zu urtheilen ein Theil
derselben mit der Kalkerde oder mil dem Kalcium zu verbinden
sein wiirde, oder auch ein wenig Fluor einen Theil des Sauer-
stoffes im Karpholith vertritt, wie es bei manchen Mineralien un-
zweifelhaft der Fall ist.
248
(Jeber die mit den Nameii Abrazit, Berzelin, Gistnondia mid Zeagonit belegten
Miaeralien.
Da wohl liber wenigc Namen und die dazu gehorigcn Mine-
ralien mehr Widerspruche geltend gomaeht wurden , als fiber die-
jenigen, welchen man abwechselnd die Namen Abrazit, Ber-
z e 1 i n , G i s m o n A i n und Z e a g o n i I; beigelegt hat , so habe ich
darch die liachfolgcnde Untersuchung den Zweck m erfiillen
gesucht, einiges zur genaueren Unterscheidung derselben bei-
zutragen.
Ein Exemplar, welches auf der Etiquette die beiden Namcn
Berzelin und Gismondin nachwies, war ein Stuck eines alien
vnlkanischen Ausw iirflings ans der Gegend des Albaner Sees in
dem alien Latiom. Dassclbe ist im Allgemeinen schmutzig grau-
griin gefarbt und zeigte genauer betrachtet drei Hauptgemeng-
theilc, einen graulichweissen , einen dunkelolivengrQnen und einen
blaulichschwarzen.
Der erste derselben bildct eine wasserhelle oder graulich-
weisse oder schneeweisse meist glasige Masse mit muschligem bis
nnebenem Bruche und wechselndem Durchsichtigkeitsgrade, welche
gleicbsam als Cement des Ganzen m dienen seheint. Dieselbe war
an den Contaklstellen mit dem naiier zu erwalmenden grfinen
Minerale meist schneeweiss, gleicbsam als ware sie durch die Be-
riihrung mit demselben in ihrem Aussehen verandert worden ;
starkere Partien namlich zeigten sich regelmassig von wasser-
lieller oder graulichweisser Farbe, rrmschlig oder uneben im Bruche
und durchsichtig bis haibdurchsichtig, nach aussen, d. b. nach den
Contaklstellen hin aber an Dnrchsichtigkeit ab- und an reinerem
Weiss zunehmend, kleine Partien oder einzelne Puncte in der
griinen Masse waren schneeweiss , diclit oder erdig im Bruclie und
undurchsichtig. In freien Raumen trill; diese Masse in bestimmtereii
Geslalten, seltener in vollkommenen Kryslallen auf, welche auf den
ersten Blick sich als regulare Oklaeder erkennen liessen und hin
und wieder Abstumpfungsftachen der freistehenden Kanten zeigen.
Die rait dem Reflexionsgoniometer angestellte Messung bestStigte
bei guter Splegelung die Oktaeder als regulare und vollkommen
die Combination des vorherrschenden Oktaeders mit den unlei-
geordneten Granatoherflachen. 0. ooO.
2W
Diese Krystalle, welch e den Apatit ritzen , flatten zum Tlieil
scharf ausgebildete Kanten, waren wasserhell oder graulichweiss,
durchsichtig oder wenigstens halbdurchsiehtig und glasgliinzend ;
andere zeigten ein geschmolzenes Ansehen , die Kanten erscheinen
abgerundct und die Flachen uneben, und so konnte man allmalig
den Uebergang von der vollkommenen Krystallgestalt bis zur
Tropfenform von glasigem Ansehen verfolgen. Der Bruch ist
mnschlig oder auch bisvveilen uneben mit Spuren ebener Theile,
eine Unterscheidung, welche bei der Betrachtung derselben ureter
der Loupe nicht so genau festgehalten werden kann. Oft hatten
die Krystalle einen weissen durchscheinenden und wenig glanzen-
den emailahnlichen Ueberzug , oder derselbe erschien matt und
erdig. V. d. L. fand ich das Mineral unschmelzbar und an der
Oberflache weiss werdend , wobei nur die Kanten sich ein wenig
abrundeten. Mit Borax loste es sich nicht zu schwierig aber voll-
stiindig zu einem wasserhellen blasenfreien Glase und wahrend des
Auflosens enlvvickeltcn sich fortwahrend aus der Probe zahlreiche
kleine Bliischcn.
Es ist dies dasselbe Mineral , welches L. Gmelin in seiner
Inauguralschrift : Observationes oryctognosticae ct chemicae
de Hauyna et dc quibusdam fossilibus, quae cum hac concreta
inveniuntur, Hcidelbcrgae MDCCCXIV p. 30 ff: beschrieben
hat. Nach ihm bestehen die vulkanischen Auswiirflinge bei Marino
am Albaner See aus Hauyn, griinlichhraunem Glimmer, krystal-
lisirten und kornigem Augit, einem weissen Minerale und kbrnigen
Eisenoxydul , welche in wechselnden Verhaltnissen gemengt sind.
Bisweilen fehlt das weisse Mineral fast ganzlich, der Glimmer ist
sehr reichlicli und der Hauyn griinlich ; bisweilen sind nur cinzehie
Puncte rein himmelblauen Hauyns an dem weissen Minerale ein-
gesprengt zu sehen und der Glimmer sehr sparsam. Ein analoges
Stiick war das von mir untersuchte, nur war der Hauyn nicht so
sparsam und seine Farbe sehr dnnkelblau, fast schwarz und der
sehr sparsame Glimmer braunlich- und griinlichgrau, ins schwiirz-
lichgriine iibergehend. Eisenoxydul oder Eisenoxyd konnte ich bis
auf einen durch Eisenoxydhydrat braun gefiirbten Fleck nicht wahr-
nehmen und selbst durch die Einwirkung auf die Magnetnadel nicht
hcrausfindcn.
250
Das weisse Mineral beschreibt L. G m e I i n wie folgt : Es findet
sich in zweierlei Weise, entweder scheinbar krystallisirt oder fein-
kornig, welche beiden Abanderungen oft in einem Stucke rereinigt
sind. Eine Krystallgestalt konntc nicht erkannt werdcn, es zer-
bricht jedoch die erste Abandoning in kleine hexaederahnlichc
Stucke, welche bestimmt einige ebene Flachen haben, aber nie-
mals mehr als vier; dieselben schneiden sich rechtwinklig, und es
zeigen sich an der Stelle der zwei fehlenden Ebenen nur flach-
muschlige Bruchflachen. Das specifische Gewicht der durchsich-
tigen krystallinischen Stucke isl; gleich 2,727, das der kornigen
Abanderung gleich 2,488. In der Harte stimmt das Mineral mit dem
Hauyn iiberein, ritzt Glas und gibt am Stable keine Funken.
In der Zersprcngbarkeit ahnelt es dem Flusspath , bisweilcn
jedoch haben einzelne Theile so geringen Zusammenhang, dass man
sie mit den Fingern trennen kann. Der Bruch ist nmschlig; der
Glara der spaltbarcn Abanderung stark und glasartig, wiihrend die
kornige Abanderung last crdig erscheint. Die erstere ist fast voll-
kommen durchsichtig, die anderc aber jraraz undurchsichti"-. Die
weisse Farbe des Minerals ist bisvveilen mit wenig Gelb oderBraun
gemischt, was ohne Zweifel von in Eisenoxyd umgewandeltcm
Eisenoxydul herruhrt. Die kornige Abanderung phosphorescirt
mil der Messerspitze gerieben oder mit dem Hammer zerstossen
mit weissem Lichte, die durchsichligen Stiicke phosplioresciren
nicht.
V. d. L. sehmilzt es nur sehr schwierig und wenig an der
Oberfliiche und an den Kanten, wobei es weiss und undurch-
sichtig ist. Mit Borax ist es nach starker und langer Frhitzung zu
klarem Glase loslich. In kalter Salzsiiurc veriindert sich ein durch-
sichtiges Stuck nicht, nach langerer Behandlung aber mil; derselben
lost es sich zum Theil.
Die quantitative Untersuchung crgab kein vollstandiges Rcsul-
tat, indem, urn es kurz anzugeben, durch Gliihen ein Wassergehalt
yon zwei Procent gefunden wurde ; in einer Probe 51,05 Procent
KieseMure, 24,43 Thonerde, 3,72 Kalkcrde mit Spuren von Talk-
erde, 2,50 Eisenoxyd und 0,45 Manganoxyd; in einer zweiten
52,17 Procent Kieselsaure und 11,79 Kali (10,86 nach einer ande-
ren Berechnungsart) gefunden wurden , wiihrend eine dritte Probe
59,9 Procent Kieselsaure linden liess, welche Quantitat im Gegen-
251
satz zu den beiden anderen wahrscheinlieh als unrichtig anzusehen
ist. Hiernach gibt Gmelin als Gehalt des vveissen Minerals
51,05 Kieselsaure,
24,43 Thonerde,
3,72 Kalkerde mil Spuren von Talkerde,
2,50 Eisenoxyd,
0,45 Manganoxyd,
It, 79 Kali mit sehr wenig Natron,
2,00 Wasser,
4,06 Verlust.
100,00
an. Den Gehalt an Eisen- nnd Manganoxyd betrachtet er von sicht-
barer Beimengung berriibrend , so wie auch etwa zwei Procent
Hauyn als beigemengt anzusehen sind, von dem es trotz der ausser-
sten Sorgfalt nicht giinzlich gctrennt werden konnte.
Bevor ieh weiter fiber dieses Mineral spreche, will ich bei
Gelegenheit des vorliegenden Exemplars nur erwahnen, dass
der beigemengte Hauyn von dunkelblauer , zuweilen fast
schwarzer Farbe, auf Krystallflachen mit metallischer gelber und
blauer Farbe angelaufen, meist kornig vorkam, in hohlen Rilumen
aber selir kleine Krystallchen ausgebildet waren, welche sehr deut-
lich das Granatoeder mit geradabgestumpften Kanten, also die
Combination oo0.aOs darstellten. V. d. L. konnte ich ihn nur an
den Kanten schmelzbar finden, in Borax aber war er vollkommen
liislich und das klare durchsichtige Glas war, wenn man es aus der
Flamme] nahm , von der dunkelgclben Farbe des brasilianischen
Topases, beim Abkiihlen aber wurde es gelblichgriin und endlich
wasserhell. Ich fiihre dieses Verhalten der Farbe hier darum an,
weil Gmelin a. a. O. pag. 1 9 sagt, dass G i s m o n d i und er immer
ein durchsichtiges topasfarbiges Glas, nicht aber ein gi-unlichgelbes,
wie es Vauquelin beobachtete, erhalten habe.
Der dritte, wesentliche Gemengtheil ist von dunkler oder hel-
ler olivengriiner Farbe , uneben im Bruche nnd von geringem
Glanze, welcher in der Mitte von Glas- und Fettglanz stent. Er
gleicht im Aussehen sehr dem dunklen feinkornigen Olivin und ist
nach Gmelin's und Anderer Angaben Augit, dessen Gestaltsverhalt-
252
nisse wegen mangelnder ausgebildetcr Gcstalten ich nicht nither
untersuchen konnte.
Da das in Frage stehende weisse Mineral als Berzelin nach
Neckerundals Gismovdina ottaedrira von Medici-Spa da in
Horn selbst bezeichnet war, so ist es nothwendig die Charakteristik
*u vergleichen, welehe L.A. Neckerin seinem Regne mineral
Paris 1835. II. fag. 342 fiir die Species BerzeMinc gege-
ben hat.
Die Krystalle haben die Gestalt rechtwinkliger Oklaeder,
sind weiss und an derOberflache matt; der Bruch ist glasig, uneben
oder fast muscblig. Er ritzt den Apatit und Glas, ist sehr zerbrech-
lieh, aber ohne bestimmte Spallungsflachen ; der GJanz im Inneren
ist glasartig aber schwach. Bildet mit erwarmter Salzsaure eine
griinliche Gallerte , welehe Liisung mit Wasser verdiinnt keinen
JViedersehlag durch zugesetzte Schvvefelsaure gibt. V.d. L. schmilzt
er schwierig in der Zange zu einem blasigen Glase, gibt im Glas-
kolben erhitzt kein Wasser und beUiilt seine Darchsichtigkeit, und
das Pulver farbt nicht den Veilchensjrup griin. Bildet kreuzformio;e
Gruppen. Fundort: Gallaro unfern la Riccia in derNahe Roms.
Ein zweites Exemplar, welches die Etiquette: Berzelin,
Fundort, Latium, Gegend von Rom, ftihrte, enthielt viel des weis-
sen Minerals und mehrere grossere, fast liniengrosse scharf ausge-
bildete reguliire Oktaeder ; dieselben waren aber aussen ganz weiss
und matt, so wie uberhaupt auch in der ganzen Masse die weisse
Farbc vorherrschend auftrat und sieh formlich als Haueh uber den
Augit und Glimmer erstreckte, dessen deutliche Tafeln in kleinen
Drusenriiumen zum Theil dadurch ihre Farbe und Glanz nicht
sehen liessen. Unter den Krystallen des Berzelins konnte man auch
zwei vollstiindige Zwillinge nach dem Spinellgesetze wahrnehmen.
Indem ich keinen Zweifel dariiber haben zu diirfen glaube,
dass das besprochene Mineral, welches icli vor mir gehabt habe
und welches L. Gmelin beschrieben hat, mit dem von Neck er
benannten zusammenzustellen sci, miige cs mir erlaubt sein, bevor
ich auf die anderen hierher gehorigen eingehe, ein zweites namen-
loses zu erwahnen, welches L. Gmelin als Begleiter des vesuvi-
schen Hauyns gefunden hat. Er fend namlich den Hauyn in einem
Gestein an dem Ufer. was le Petrazze heisst, nahe bei Portici,
unter ahnliehen Verhaltnissen. Das Gestein bestand aus Mauyn ei-
253
nem weissen Minerale, aus vielem braunlichgriinen Mattrigen Glim-
mer , vvenig schmutziggriinem Augit von erdiger korniger Textur,
dessen Krysialle er jedoch ofterbestimmt bemerken konnte und mit
sehr vvenig kornigem Eisenoxydul. Das vveisse Mineral (a. a. 0.
pag. 45) bildet grossere Korner, ist nber niemals krystallisirt.
Seine Bruchstiicke zeigen jedoch ganz deutlich einen zweifachen
recbtwinkligen Bliitterdurchgang. Sp. G. = 2,151. Bitzt leieht
das Glas, gibt am Stable keine Funken. In der Zersprengbarkeit
gleicbt es dem obigen von Marino. Bruch, nmschlich; Glanz, stark
glasartig; Farbe, weiss oder gelblichweiss ; durchsichtig bisdurch-
scheinend. Pbosphorescirt nicht, weder wcnn es mit dem Mes-
ser gerieben noch mit dem Hammer gestossen wird. V. d. L.
schmilzt es sehr schwer oline zu schiiumen, zu einer weissen trii-
ben Perle, welche an der Oberflache ein krystallinisch.es Ansehen
hat. Mit Borax gibt es leieht ein klares Glas. In Salzsaure wird es
nach einigen Tagen undurchsichtig. Als Pulver farbt es die Salz-
saure gelb und bildete bei Zusatz von Wasser und durch Erhitzung
eine vollkommene durchscheinende Galleri.e.
Auf diesem Wegc fend Gin el in nahezu 60 Procent Kiesel-
saure, ausserdem enthielt es viel Kalkerde, Thonerde und Kali,
wonach er es und nach dem minder schwierigeren Schmelzcn
v. d. L. sowohl fiir sich als auch mit Borax, well es ferner in
Salzsaure triibe wird und sich leichter mit vollkommener Gallert-
bildung lost, geringeres specifisches Gewicht hat und nicht phos-
phorescirt , als versehieden von dem obigen ansieht und fiir
einen Analcim halt. Der letzteren Ansieht sehe icb micb nicht
geneigt mich anzuschliessen, weil die qualitative Bestimmung
allein nicht binreicht bei dem ohnehin schon abweichenden gros-
scn Kalkerdegehalt ein solches Urtheil zu fallen, welches kei-
nesweges durch die Uebereinstimmunff in den iibriffen Ei»-en-
schaften unterstiitzt wird; es erscheint vielmehr ano-emessen, es
fiir jetzt von unserer Betrachtung auszuschliessen und eine ge-
nauere Bestimmung desselben abzuwarten.
Fassen wir Alles zusammen, so glaube ich, dass wir es in
Bezug auf das zuersl bescbriebene Mineral mit einer bestimmten
Species zu tbun haben , welche sich mit hinliinglicher Sicherheit
als solche feststcllen und charakterisiren liisst. IhrName moge nach
Neeker Berzclin sein. ihre Charakteristik ist folgende:
25k
Berzeliu. Meeker.
Krystallisirt regular. Kryslallformcn: das regulare Oktaeder,
entweder fur sich oiler in Combination mit dera Grauatoeder, wel-
ches schwache Abstumpfung der Kanlcn bildet. Bisweilen audi
Zwillinge nacli dem Spinellgesete. Blatlerdurchgang parallel den
Flachen des Hexacdcrs. Spaltbarkeit ziemlich vollkomnieu. Die
Kry sialic oft uneben und abgerundet. Ausser krystallisirt aueh in
kugligen und getropften Gestalten, derb und eingesprengt. Bruch
muschlich bis uneben.
Farbe : wasserhell, graulichwciss, sehneeweiss, seltener durch
Eisenoxydhydrat gelblieb und braunlich gefarbt. Glanz : mehr oder
weniger starker Glasglanz, selten matt und glanzlos. Durchsiehtig-
keit in alien Graden , vorherrschend die hoheren. Striehpulver
weiss. Hiirte: iiber der des Apatites. Sp. G. 2,727 — 2,488.
Sprode und leicht zersprengbar. I'hospborescirt , wenn es weiss
und undurchsichtig ist mit weissem Lichte, wenn man es mit dem
Messer reibt oder mit dem Hammer zerstiisst.
In Stiicken in der Glasrohre erhitzt bleibt der Berzelin dureh-
sichtig und gibt kein Wasser, pulverisirt aber setzt er wenig
Wasser an den Wanden der Rohre ab. V. d. L. schmilzt er fiir
sich in der Platinzange nur sehr schwierig zu cinem blasigen Glase,
etwas leichter mit Borax zu eineni klaren Glase. In kalter Salz-
siiure bleibt das Mineral unverandcrt, wenn man es aber langere
Zeit damit behandelt, lost es sich grosstenthcils und bildet damit
erhitzt eine Gallcrte.
Die Bestandthcilc desselben sind die uach L. Gmeliu's Be-
stimmung oben angegebenen, wonaeh es als ein wasserhaltiger
Leucit, jedoch mit wenig Wasser zu betrachten sein wiirde.
Das urspriinglich wasserhelle oder graulichweisse, durehsich-
tige bis durchscheinende Mineral erleidel, unbekannt durch weiche
Einflusse , eine allmalige Veriinderung , wodurch es weiss un-
durchsichtig und erdig wird, und weiche sich an den Krystallen
durch eincn schwachen weissen Ueberzug zu erkennen gibt, wo-
durch dieselben oft weiss, matt und undurchsichtig erscheinen. Ahs
diescm veranderlen Zustande geht audi ein wenig abweichendes
Vcrhalten vor dem Lothrohre und gcgen Sauren bervor, weniger
wohl nur die Difl'ercnzen der quantitativen Bestiimnnng, weiche in
der innigen Verwachsung mit anderen Mineralien iliren Grund
255
haben mogen und (lurch wahrseheinliche theihveise Versclimel-
zung erhoht werden.
Der Berzelin bildet einen Gemengtheil alterer vulkanischer
Auswflrflinge, in deren leeren Bitumen er auch krystallisirt ange-
troffen wird. Seine Begleiter sind Hauyn, Augit und Glimmer. (Nach
Gmelin's Angabeu scheint anch Magneteisenerz beigemengt zu sein,
welches zum Thcil in Eisenoxydhydrat umgewandelt ist, vvenigstens
scheinen seine Worle a. a. 0. pag. 17 „augitO eliam rarius est
ferrvm oxydulatum, saepius ex parte aliqua in oxydatum, non
amplius retraclorium, conversum" diess auzudeuten, durch die
hShere Oxydation desselben und gleichzeitige Bildung von Eisen-
oxydhydrat wird der Berzelin stellenweise gelblich und braunlich.)
Er findet sich um den Albaner See in Italien, namentlich bei Ma-
rino und Gallaro.
Wenden wir uns jetzt zu demjenigeu Minerale, welches in
kurzer Zeit seit sein em Bekanntsein die Namen Zeagonit von
Gismondi, Gismondin von v. L eonhard und Abrazit von
Breislack erhalten hat, so haben wir zuniichst auf die Beschrei-
bung zuruckzugehen, welche Gism ondi davon gegeben hat (v.
Leonhard's deutsche Bearbeitung derselben iu seinem Taschen-
buche far die Mineralogie XI. 164 ff.).
Der Zeagonit ist gewohnlich graulichweiss , nur zuweilen
rosenroth; er komint in den Klliften und Hohlungen der Lava derb,
in kleinen halbkugellormigen Massen und selten krystallisirt vor.
Die Krystalle sind regclmassige Oktaeder, kleinaber ungemein deut-
lich, von Glasglanz,durchscheinend bis halbdurchsichtig und musch-
lig im Bruche. Sie ruhen auf kleineu honiggelben Kalkspathsiiulen.
Das Muttergestein ist cine Abanderuna- dor bekannten Gebirjrs-
art von Capo di Bove , von schmutziger blaulichgrauer Farbe und
enthalt kleine griinlichgelbe Pancte, die wahrscheinlich Melilith
sein durften. (v, L eonhard hielt sie fiir Augit und das Gestein nach
cinem ihm vorgelegenen Exemplarc fiir cine VVackenart).
Die Krystalle weichen von regelmiissigem Oktaeder des Arra-
gonits ') wenig ab, ritzen Glas und hinterlassen selbst auf dem
Ghalcedon eine leichte Spur. Gepulvert und mit Salzsaure iibor-
) Hieraus lasst sich wohl entnehmen, dass die Oktaeder nicht gerade regu-
lare in dem Sinne geivesen sein durften , wie wir unter diesem Namen
xu vcrstehen gewohnt sind.
25fi
gossen zeigen sic keiii Braiiseu, gclatinircu aber. V. d. L. phospho-
resciren sie, biissen ihren Glanz ein, erhalten ein erdiges Anselien
mid werden zerreiblich, ohne zu schmeb/en. Gepulvcrt losten sie
sicli zuerst nacb Art der Zeolithc zu eincr wiisserigen kugelformigen
Masse, auf welcher das Pulver bis zur vollkommenen Verdunstung
des Wassers schwamm, bei fortdauernder Erhitzung ein schones
phosphorisches Licht verbreitete und zuletzt sicb ganzlich in ein
trockenes Pulver umwandelte, das rauh anzufuhlen war tind nieht
an dor Zunge hangen blieb. Man land auch Oktaeder mil kleinen
Vertiefungen auf den Flachen, wie bei Alaun, was schliesscn liisst.
dass die Oktacderflachcn die priraitiven Flachen seien. Den Namen
Zeagonit gab Gismondi nach der Eigenschaft, dass das Mineral
weder mit Siiuren aufbraust, noch v. d. L. sich aufblaht; wogegen
v. Leonhard a. a. 0. vorschlagt, das Mineral, wenn es sich als
eigene neue Species bewahren sollte, Gismondin zu nennen.
Breislak (Institutions geologiques trad, da manuscr. Hal.
par Campmas, Milan 18 18. III. p. 108.) nanntc dasselbe Mineral
Abrazit, weil es rait Siiuren nieht aufbraust und v. d. L. weder
aufwallt noch sehmilzt, und fugle zu der von Gismondi gegebenen
Cbarakteristik nichts Niiheres hinzu.
Obgleich es nach den vorliegenden Bestiinmungen nieht zu
sehwierig erscheint, dass nachfolgende IJntersuchungen das in Rede
stehende Mineral zur genaueren Kenntniss gebracht Mitten , so fin-
den wir doch in den verschiedenen Scbriften so abweichende An-
gaben, welche entweder die Geltung der fraglicben Species ganz in
Abrede stellen oder durcb neue Daten so widersprechend charak-
terisiren, dass es bis jefzt das Bestrcben gewesen ist, diesen Wider-
spriichen ein Ziel zu setzen und eine richtige Cbarakteristik des
mit den drei Namen Zeagonit, Gismondin und Abrazit belegten
Minerals zu entwerfen. Ohne daher niiher auf diejenigen Angaben
einzugehen, welche offenbar eine Zusammenstellung an verschiede-
nen Mincralien gel'undener Eigensebaften sind und kerne eigene
Untersuchung voraussetzen lassen, werde ich in Kiirze diejenigen
anfiihren , welche eine endliche Entscheidung herbeifiihren, ohne
•rerade auf die Zeitfolare srenaue Iliicksicht zu nehmen.
Wir linden in dem Journal fur praktische Chemie, herausge-
geben von Erdmann und Marchand Bd. XVIII. p. 105 v. Kobell's
Uutcrsuchuneen des Gismondins, welcher Name nach v. Leon-
257
hard's Vorgange meist beibelialten worden ist, obgleich v. Leonhard
selbst die Zcagonit, Gismondin und A&raait bcnannte Species nicht
mehr beibelialten, sondcrn nach L. Gmelin's Untersu cluing als kali-
halligen Harmotom betrachtet hat (v. Leonh. Handb. d. Oryktogn.
p. 198). Er erhielt das Mineral von dem Fundorte Capo di Bove
durcli Medicis-Spada und fand die Krystalle scheinbar denen des
Harmotoms sehr ahulich, doch bemerkt man nach ilini an den Ge-
slalten, welche man fur cinfache Zwillinge neiimen konnte, niemals
einspringende Winkel an den Seiten. Gewohnlich zeigen die Kry-
stalle die mannigfalttgen Verwachsungen, welche Ko h 1 e r an dem
Harmotom bestimmt hat. Die Winkel des scheinbaren quadratischen
Oktaedcrs fand er annahernd gleich 121°; eigenthumlich ist, dass
sie sehr haufig zwci gegeniiberliegende Flachen des (Zwillings)
Oktaeders bedeu'end ausgedehnt haben , so dass an der Endecke
eine Kante entsteht. Dadurch geschieht es zuweilen , dass cin
scheinbar quadratisch oktaedrischer Krystall vonWinkeln von 120"
und 90° entsteht, welcher axis vier Individtien besteht.
Die Hiirte bestimmte er zwischeu der des Plusspathes und
des Apatite vermittelst der Feile, und bemerkt wegen des schein-
baren Widerspruch.es mit der Angabe Gismondi's u. A., dass,
wenn man mit der Spitsse eines kegelformigen Gismondinhiischels
oder mit der Endecke des (Zwillings) Oktaeders eines einzclnen
Krystalls ritzt, nicht mir Apatit und Feldspath , sondern selbst
Ouarz damit geritzt werden kann, welches Verhalten audi bei
dein Harmotom beobachtet worden ist. Das specifische Gewicht
ist nach Breithaupt = 2,18.
Der Gismondin wird sehr leicht und vollkommen von Salz-
siiure aiifgelost, die Auflosung gibt beim Abdampfen eine voll-
kommene Gallerte. Er fand durch. zwei vollslandige und eine
theilweise ausgcfiiluie Analyse folgende Bestandtbeile:
42,60 42,84 42,4 Kieselsiiure,
25,50
7,50
6,80
17,66
26,04
7,70
5,76
17,66
wonach er
26,0 Thonerde,
Kalkerde,
Kali mit Spuren von Natron,
Wasser,
CaO
KO
Si 08 -J- kAl, 03 Si Os -\- 15 HO
Silzb. (1. mnthem. - natiu-w. CI. Jahrg. 1850. II. Bd. III. Heft.
18
258
als die Formol des Gismondins aufstellte, nnd den Gismondin
als bestimmt vcrschieden von dem Kalkliarmotom , die Krystal-
Iisation aber als noch nicht sicher ermittclt ansieht.
Da wir hief von der Betrachtung dasjenige Mineral aus-
schliessen, welches Brooke als quadratisch in Formen slum-
pfer quadratischer Oktaeder von 122« 54' Endkantenwinkel be-
stimmt | hat und welches als Zeagoint angenommen worden
ist, weil wir spater darauf zuriickkommen werden, so habe ich
namentlich wegen der Krystallisation die Beschreibung des Gis-
mondin zu erwahnen, welehe wir in dem Prodromo delict mi-
neralogia Vesuviana di T. Monticelli et N. Covelli /. Na-
poli 1825, pag. 252 linden. Daselbstwird angegeben, dass der
Gismondin regular krystallisire und die vorkommenden Gestalten
das regularc Oktaeder und das Granatoeder waren, welches letz-
terc abnorm nach einer Hauptaxe verliingert vorkommt und da-
durch als vierflachig zugespitztes quadratisches Prisma erscheint,
die Zuspitzungsflachen gerade auf die Kanten aufgesetzt. Die be-
stimmbarcn Krystalle kommen einzeln oder verschieden gruppirt
vor, warzenformig, excentrisch, strahlig gestellt, biischelformig,
die unbestimmbaren nadelformig und zu warzenformigen Grup-
pen vereinigt, welehe vom glasartigen durchsichtigen bisznm nieh-
ligen undurchsichtigen Zustande sichtbare Uebcrgange darbieten,
oder in Kugeln , bis zur Grosse von Erbsen , welehe glanzend
und glasiger erscheinen ; ausserdem noch als dichte Ueberzugs-
masse. Die Oktaeder wurden nie iiber ein Millimeter iin Durch-
messer angctroffen, die verlangcrten Granatoeder nie lander als
2Va Millimeter. Pulverisirt und mit Salpetersaure behandelt gibt
er eino vollkommene durchsiehtige Gallerte. V. d. L. fur sich
allein mit Aufblahen schmelzbar und eine durchscheinende feste
Email bildend. In der einfachen Flamme einer Larope verlie-
ren die durchsichtigen Krystalle ihr glasiges Anschen , werden
zerbrechlich und crlangen ein crdiges Ausehen. Nach Carpi
enthii.lt er :
41,5
Kieselsiiure
2,5
Thonerdc,
48,6
Kalkerde,
1,5
Talkerde,
2,5
Eisenoxyd.
259
Fundort ist Capo di Bovc bei Rom, audi soil er auf dem
Sorama in Lava vorkommcn.
L. A. Necker fiihrt in seinem Regne mineral II. p. 435
ohngefahr dieselben Krysiallgestalten an, deutet sie aberals denen
des Harmotoms ahnlich, nach ihm kommt das rechtwinkelig vier-
seitige Prisma mit vierflachiger Zuspitzung, die Zuspitzungsfla-
clien auf die Kanten aufgesetzt zu Acireale in Sicilien und am
Somma vor, am Capo di Bove die von v. K obeli auch ange-
gebenen Gestalten, namentlich die, wo anstatt der Endecke eine
Kante gebildet wird und oktaedrische Gestalten durch die Grup-
pirung vieler kleinen Individuen hervorgehen, welche stumpfen
keilfiirmigen Oktaeder (wenn oben eine Kante gebildet wird) sich
zu zwei kreuzen und deren Kanten an den Enden sich rechtwin-
kelig schneiden. In diesen Gruppen sind oft die Prismenflachen
der einzelnen Individuen ganz verschwunden, und die Oktaeder-
flachen der einzelnen geben sich durch schiefwinklig sich schnei-
dende Streifen auf den Oktaederflachen der ganzen Gruppen zu
erkennen. Die Analyse Carpi's halt er nicht fur richtig und
zweifelt auch, dass die von Viviani, von M. R. Allan in
seinem Manual of Mineralogy p.208als dem Gismondin zugehorig
citirte, wirklich ffir denselben giiliig sei. Er soil nach demselben
57,45 Kiesclsaure,
7,36 Thonerde,
25,30 Kalkerde,
2,56 Talkerde,
3,00 Eisenoxyd,
0,50 Manganoxyd bei 3,83 Verlust
entbalten, den Necker durch Wasser herbeigefiihrt glaubt. Die
Hiirte wird ohngefahr gleich der des Feldspathes, das sp. G.
— 2,0 — 2,2 angegeben, die Farbe ist weiss oder rothlich, der
Glanz glas- bis fettartig. Das Mineral ist durchsichtig, loslich in
Sauren und bildet eine Gallerte in ervviirmter Salzsiiure. V. d. L.
m der Glasrohre verliert es seine Durchsichtigkeit, wird weiss,
giut Wasser und wird erdig, fur sich allein aufKohle mit Auf-
schwellen zu weissem nndblasigenGlase schmelzbar. Zu bemerken
>st auch, dass Necker als synonyme Namen anfuhrt: Zeagonite
(GismondiJ, Abrazite (Brocchi), Harmotome de Marbonrg
18 *
260
(Gmelin), Harmotomc n dem
Cirknitzer-Sec" 1761, dass im Jahre 1751 bei einer Ueberschwem-
mung des Muhlthales und der Gegend von Kleinhausel, fiinf Exem-
plare eines unbekannten Fisches in der Unz gefangen wurden,
die eine Spanne lang, von schneeweisser Hautfarbe waren, vier
Fiisse hatten, deren jeder mit vier benagelten Zehen versehen
war und deren Schwanz dem einer Fluss-Ruthe glich.
293
Martens bezieht tlieseStelle in seiner Reise nacli Venedigauf
Proteen und in der That passt sie audi, ungeachtet der fehlcr-
haften Angabe der Zahl und Bildung der Zehen , auf kein anderes
Thier; obgleich M ichah elles hierin nur jungc Manse oder Rat-
ten erkennen wollte.
Nimmt man aber, was das Wabrscheinlichste ist, Proteen da-
fiir an, so ist die Unz der altest bekannte Fundort des Olms.
Laurenti, welcher im Jahre 1768 die erste Beschreibung und
Abbildung dieses Thiercs licferte , nennt den Zirknitzer-See als den
Ort seines Aufenthaltes , in welchem er zur Zeit des Friihjahrs
gefunden werden soil.
Die Namhaftmachung dieses Fundortes konnte jedoch nur auf
Tradition beruhen 5 indem das Exemplar, welches er, wie uns die
Abbildung unbezweifelbar beweiset, nacli einem lebenden Thiere
beschrieb und abbildete, sich seiner eigenen Angabe zufolge im
Besitzc des damaligen General-Vicars zu Klagenfurt Sigismund
v. Hochenwart befand und seiner Beschreibung auch nicht die
geringste Notiz einer eigenen Beobachtung fiber den Fundort
beigegeben ist.
Im Jahre 1772 gab Scopoli cine genauere Beschreibung des
Olms. Er laugnet das Vorkommen desselben im Zirknitzer-See
und gibt eine unterirdische Hohle in der Nithe von Sittich , aus
welcher er zuweilen im Sommer mit dem Wasser herausgespiilet
wird, als den Ort seines Vorkommens an.
Mein hochverehrterLehrer, Hofrath v. Schreibers, welchem
das Verdienst gebtthrt durch seine classische Abhandlung in den
Philosophical Transactions den 01m der Vergessenheit wieder
entzogen zu haben und welchem wir die wichtigsten anatomischen
Auftchliisse fiber dieses rathselhafte Thier verdanken, kannte 1801
ebenfalls nur die Gewasser in der Gegend von Sittich als den
Fundort der Proteen.
Die Exemplare, welche ihm damals zur Untersucbung dienten,
stammten von zweien um die Naturgeschichte Krains hochver-
dienten Mannern, niimlich von Scopoli und Sigismund Freiherrn
v. Z 0 i s , und zwar aus zwei verschiedenen Quellen bei Vir oder
Verch zwischen Sittich und St. Veit.
Ira Jahre 1807 erhielt v. Schreibers durch Freiherrn v.
Zois Proteen, die zwar gleichfalls in der Gegend von Sittich, aber
294
nicht in den Virer-Quellen, sondern in der eine Stunde von Vir
entfernten Rupniza-Quelle an einem Bergabhange zu Rupa bei
Schweinsdorf gefangen wurden.
Nach einem sehr grossen lebenden Exemplare derselben Hess
er das bekannte Wacbsbild anfertigen, welcbes beinahe an alle
Museen in Europa vertheilet wurde.
In der Zwischenzeit entdeckte v. Lowengr eif schon 1797
den Olm auch in der Magdalena-Grotte bei Adelsberg und zwar in
dem in ihrer grossten Tiefe befindlichen Wasserbeckcn ; eine Ent-
deckung, welcbe jedoch bis zum Jahre 1808 nicht weiter bekannt
geworden ist.
Bis zu jener Zeit kannte man daher mit Bestimmtheit nur
vier verschiedene Fundorte der Olme in Krain. Diese haben
sich jedoch in neuerer Zeit ansebnlich vermehrt und sind bis auf
die Zahl von einunddreissig angewachsen.
So erfuhren wir durch Michahe lies 1831, dass auch bei
Weissenstein niichst Sagraz hinter Unter - Blato zuweilen Olme
ausgeworfen werden.
Durch Grafen Franz v. Hochenwart einen der eifrigsten
NaturforscherKrains, welcher durch eine lange Reihe von Jahren
seine voile Thiitigkcit der Erforschung der Naturgeschichte der
1'roteen zugewcndet, wurden wir bald darauf mit fiinf neuen Fund-
orten dieser Thiere bekannt.
Sie sind in semen im Jahre 1838 erschienenen „Beitragen
zur Naturgeschichte, Landwirthschaft und Topographie des Her-
zogthums Krain" aufgeziihlt und detaillirter, schon friiher in brief-
lichen Mittheilungen an v. Schreibers nachgewiesen worden.
Niimlich der Bach Shushiz , wo nachst Shiza bei Toplitz
schon 1825 der Olm gefangen wurde;
fcrner die Quelle Sbtebah zu Laas , woselbst man diese
Thiere ebenfalls 1825 zuerst bemerkte ; dann Verd am Ursprunge
der Laibach; Ober-Laibach; und endlich, dieHiihle Potiskavz nachst
Strug unfern von Reifnitz ; welcbe drei letzteren Orte ihm schon
im Jahre 1836 als Fundorte des Olmes bekannt geworden sind.
Die grosste Erweiterung unserer Kenntniss aber , beziiglich
der Fundorte der Proteen in Krain, verdanken wir den rastlosen
Bemuhungen unseres geehrten correspondirenden Mitgliedes Cu-
stos Freyer zu Laibach, der angeregt und unterstiitzt durch
295
Hofrath v. Schreibers, durch mehrere Jahre hindurch fortgesetzt
seine ganze Aufmerksamkeit diesem Gegenstande mit Liebe und
Aufopferung weihte.
Durch seine grosstentheils selbst an Ort und Stelle gepfloge-
nen Erhebungen, deren Resultat er mir auf die bereitwilligste
Weise zur Veroffentlichung mitzutheilen so giitig war, sind aber-
mals neunzehn neue Fundorte des 01ms bekannt geworden.
Diese sind :
Beden an der Unz, nachst Lase bei Jacobovitz, wosclbst man
schon 1836 zum ersten Male Proteen gewahrte, die beim Austritte
der Unz zum Vorscheine kamen ;
Ober-Planina ;
Haasberg und die Wiesen-Lacben gegen Maunitz ;
die Hohle von Kumpole unfern von Gutenfeld •,
Klein-Podljuben bei Petane am Potok-Bache;
Waltendorf an der Gurk und
Karlovza nachst Waltendorf;
Gradizh am Ursprunge der Gurk;
der Back Globozhez bei Grintovz nachst Sagraz an der Gurk ;
dann
Studenz bei Seisenberg an der Gurk; ferner
die Grotte nebst den Wiesen-Lacben bei Leutsch;
Altenmarkt bei Weichselburg am Vishniza-Bache ;
die Cisternen und Wiesen-Lachen von Dul und Grisha bei St.
"Vert nachst Sittich , wo an vier vcrschiedenen Stellen Olme gefun-
den werden ; und endlich
Palzhje in der Nahe des Ursprunges der Poik.
Fast alle diese Fundorte wurden erst im Jahre 1845 durch
Freyer's Erhebungen nachgewiesen oder bestiitiget.
In neuester Zeit und zwar im August des laufenden Jahres,
hatDr. Schmidl den Olmauch in der Kleinhausler-Grotte an zwei
verschiedencn Stellen aufgefunden. Ihm verdanke ich auch die
Mittheilung, dass in der Zwischenzeit der 01m auch in der St.
Canzian-Grotte beobachtet wurde.
Zu den noch zweifelhaften Fundorten in Krain gehoren nach
Freyer's Untersuclmngen folgende:
DerUrsprung derWippach, wo man 1832 Proteen gesehen
baben will ;
2m
eine Wiese zu Prcsha bei Laibach , woselbst im Jahre 1841
Olme gefunden worden sein sollen ; und
die Quellen bei Swille an der Save naclist Fliidnig.
In Dalmatien sind bisher nur zwei Fundorte des Olmes be-
kannt ge word en und zwar:
der Bach Gorizizza bei Sign, woselbst die Proteen zum ersten
Male im Jahre 1840 beobachtet wurden, und
eine Quelle an der Narenta, welche sich an der Griinze der
Herzegowina, nahe an der Strasse die nach Mostar Mat, befindet.
Mit dem ersteren Fundorte bin ich zuerst durch Dr. Zohar
in Zara bekannt geworden, dieKenntniss des letzteren verdanke ich
der giitigen Mittheilung des Prof. Carrara in Spalato.
Alle fibrigen Orte, welche in einzelnen Handbiichern und
manclierlei anderen Schriften sonst noch als Fundorte der Pro-
teen angegeben wurden, haben sich nicht als solche bewahrt. So
die Lachen bei Brislach im Brtinner-Kreise in Miihren , woselbst
nur Quappen vonTritonen fur Proteen angesehen wurden; dann der
Velebich in Croatien , wo nach dem Tagebuche Kitaibel's Olme
vorkommen sollten, die sich jedoch ebenfalls nur als Quappen und
zwar von Salamandra maculosa herausstellten ; endlich die Ferdi-
nands-Grotte bei Adelsberg und eine Grotte an der Brenta bei Bres-
cia, wohin erwiesenermassen nur Proteen aus der Magdalena-
Grotte absichtlich verpflanzt warcn.
Ein uberraschenderes Besultat bieten aber meine physiographi-
schcn Wahrnehmungen dar,
Mi chahe lies wares, derzuerst in einer in derlsisim J. 1830
erschienenen Abbandlung fiber „Neue sudeuropiiische Amphibien"
darauf aufmerksam machte, dass der Olm von Vir von jenem aus
der Magdalena-Grotte bedeutende Abweicbungen in der Bildung
des Kopfes und des Schwanzes zeige, die auf eine specifische Ver-
schiedenheil derselben schliessen lassen.
Eine ahnliche Vermuthung hatte sich mir gleichfalls und zwar
schon weit friiher aufgedrungen ; ich wagte es aber nicht dieselbe
bffentlich auszusprechen und zwar um so weniger, als auch der
Olm von Rupa, von welchem ich damals nur ein einziges Exemplar
kannte, Verschicdenheiten zeigte, die, wenn nicht grosser, doch
mindestens ebenso gross waren, als jene der Proteen von den gc-
nannten beiden anderen Fundorten.
297
Ich habe seither Gelegenheif gehabt eine sehr bedeutende An-
zahl von Proteen von mehrfachen Fundorten zu untersuchen ; nam-
lich 479 Exemplare und darunter 140 lebende, von 11 verschie-
denen Fundorten, und zwar:
von Rupa 11, wovon 10 lebend,
von dcr Magdalena-Grotte 312, darunter 90 lebende,
von Vir 78, unter diesen 16 lebende,
von Sign 4,
von Bedeii 12, alle lebend,
von Maunitz 1 lebendes,
von Planina 3,
von der Narenta 1,
von Kumpole 16, davon 9 lebend,
von Potiskavz 1 und
von der Kleinhausler-Grotte 40, darunter 2 lebende.
Durch diese grosse Anzahl von Exemplaren bin ich in den Stand
gesetzt worden, meine Vermuthung einer genaucren Priifun"' ztt
unterziehen und ich habe mich zu meinem nicht geringcn Erstau-
nen uberzeugt, dass nicht nur ein und derselbe Fundort bei alien
Alters- und Geschlechtsverschiedcnheiten immer genau dieselbe
Form liefert, sondern audi, dass die Zahl derFormenunterschiede,
vvelche sich nach den einzelnen Fundorten ergeben., noch weit
grosser sei, als ich urspriinglich gedacht hattc; denn ich habe
bis jetzt nicht weniger als sieben verschiedene Formen bemerkt,
von denen sechs in Krain gefunden werden, die siebente aber Dal-
matien angehorig ist.
Diese Formenunterschiede,welche man nach den in der Zoologie
bestehenden Begeln fiir spccifische zu betrachten angewiesen ist,
beruhen nicht bloss auf einer vcrschiedenen Gestaltung der Um-
risse des Kopfes, einer veriinderten Stellung der Augen, einem
deutlicheren oder minder deutlichen Durchscheinen derselben durch
die Haut, auf einer verschiedenartigen Entwickelung des Hautkam-
wes desRuderschwanzes, bei Berucksichtigung der gleicben Jahres-
zeit des Fanges, oder auf einer differenten Bildung und Rieh-
tung rter Kiemen, sondern auch auf durchaus abweichenden
Dimensions-Verhaltnissen der einzelnen Korpertbcile, wodurch die
ganze Physiognomic des Thicres bedingt wird; endlich aber auch
auf einer verschiedenartigen Farbung der Haut.
298
Dass tliese Untorschiede bei lebenden Thieren viel deutlicher
hervortreten, ist einleuchtend, da durch das Aufbewahren derselben
im Weingeiste die wcichen Theile zusammengezogen und veriindert
"werden und die Hantfarbe giinzlich verloren geht.
Doch bleiben auch an diesen immerhin noch so viele Merk-
male iibrig, dass es bei einer einigermassen sorgfiiltigen Ver-
gleichung der einzelnen Formen untereinander nicht sehr schwierig
ist, dieselben scharf und richtig zu sondern.
Auf jene Unterschiede gestiitzt, habe ich sieben verschiedene
Arten von Olmen aufgestellt; diese sind:
Hypochthon Zoisii, von Rupa ;
Hypochthon Schreibersii, von Vir ;
Hypochthon Freyeri, von Kumpole und Potiskavz ;
Hypochthon Haidingeri , von der Kleinhausler-Grotte;
Hypochthon Laurentii, von der Magdalena-Grotte;
Hypochthon xanthostictus , von Beden ; und
Hypochthon Carrarae , von Sign und der Narenta.
Ich gebe hier zum Schlusse die Charakteristik der einzelnen
Arten.
Hypochthon Zoisii.
Kopf kurz, birnformig, an den Seiten in der Augengegend
sehr tief eingebuchtet ; mit kurzer, breiter, abgestutzter Schnauze.
Augen kaura sichtbar, vor der hinteren Granzlinie des ersten Drit-
tels des Kopfes liegend. Kiemen lang, kammformig, nach vorne
und aufwarts gerichtet , ungestielt, stark verastelt und sehr zart
verzweigt. Schwanz mit sehr hoher, am Ende breit gerundeter
Saumflosse.
Weisslich-rosenfarben, mit sehr kleinen hochrothen Puncten
dicht ubersaet. In der Mitte tiber der Schnauze ein schwach ange-
deuteter weisslicher Flecken.
Ganze Liinge des Thieres
Lange des Kopfes . . .
,, „ Schwanzes . .
Durchmcsser des Leibes .
Breite des Hinterhauptes .
„ der Schnauzenspitze .
Abstand der Fiisse , , .
11" 5'"
1"5'"
3" 4'"
__ io"
— 11"
-5'"
5" 9'"
2i)9
Hypochthon Sehreibersii.
Kopf lang, fast birnformig, an den Seiten in der Augengegend
ziemlich tief eingebnchtet ; mit langer , breiter , abgestutzter
Schnauze. Augen wenig sichtbar, in der Mitte der Griinzlinie des
ersten und zweiten Drittels des Kopfes liegend. Kiemen ziemlich
lang, astformig, nach rfickwiirts gerichtet, kurz gestielt, fiber dem
Stiele ziemlich stark verastelt und zart verzweigt. Schwanz mit
holier, am Ende stumpf gerundeter Saumflosse.
Fleischfarben, mit sehr kleinen rothlichen Puncten dicht
ubersaet. In der Mitte fiber der Schnauze ein schwach angedeu-
teter weisslicher Flecken.
Ganze Lange des Thieres . .
. 11 —
1"6'"
„ „ Schwanzes ....
. 3" 2'"
Durchmesser des Leibes . . .
n/l'
Breite des Hinterhauptes. . .
. —10'
„ der Schnauzenspitze ,
. - 5'"
5" 4'"
Hypochthon Freyeri.
Kopf lang, birnformig, an den Seiten in der Augengegend sehr
tief eingebuchtet ; mit langer, ziemlich schmaler, abgestutzter
Schnauze. Augen sehr deutlich sichtbar, in der Mitte der Granz-
linie des ersten und zweiten Drittels des Kopfes liegend. Kiemen
kurz, astformig, nach riickwarts gerichtet , kurz gestielt, fiber dem
Stiele sehr schwach verastelt und zart verzweigt. Schwanz mit
mederer, am Ende zugespitzt gerundeter Saumflosse.
Schmutzig-gelblichweiss, mit kleinen unregelmassigen schwe-
telgelben Flecken sparsam besetzt. In der Mitte fiber der Schnauze
em schwach angedeutcter weisslicher Flecken.
Ganze Lange des Thieres .
. . 10" 8'"
Lange des Kopfes ....
. . 1"3'"
v ,1 Schwanzes . .
. . 3" 4'"
Durchmesser des Leibes . ,
. . -6"'
Breite des Hinterhauptes .
. . —8'"
t, der Schnauzenspitze
— 4'"
Abstand der Ffisse ....
. . . 5" —
300
Hypochthon Carrarae.
Kopf lang, kegelformig, an den Seiten nicht eingebuchtet ;
mit sehr langer , schmaler , stumpf zugespitzter Schnauze. Augen
wcnig sichtbar, in der Mitte der Griinzlinie des ersten und zweiten
Drittels des Kopfes liegend. Kieraen kurz, astformig, nach riick-
vviirts gerichtet, kurz gestielt, iiber dem Stiele ziemlich stark ver-
astelt und zart verzweigt. Scbwanz mit ziemlich hoher, am Endc
zugespitzt gerund eter Saumflosse.
Rothlichweiss.
Ganze Liinge des Thieres ,
Liinge des Kopfes ....
Schwanzes . . .
11 »
Durchmesser des Leibes .
Breite des Ilinterhauptes ,
„ der Schnauzenspitze
Abstand der Fiisse . . .
9" 6"'
1" 4'"
2" 7'"
81!!
—H'"
-4'"
4" 11"
Hypochthon Haidingeri.
Kopf lang, fast dreieckig, an den Seiten in der Augengegcnd
sehrseicht eingebuchtet ; mitkurzer,breiter, abgestutzter Schnauze.
Augen deutlich sichtbar, vor der hinteren Griinzlinie des ersten
Drittels des Kopfes liegend. Kiemen kurz, fast biischelformig, nach
ruckwarts gerichtet, kurz gestielt, fiber dem Stiele ziemlich stark
veriistelt und grob verzweigt. Schwanz mit sehr niederer, am Ende
stumpf zugespitzter Saumflosse.
Schmutzig-fleischfarben , graulich gewolkt und mit kleinen,
unregelmiissigen, schmutziggelben Flecken spiirlich besetzt. In der
Mitte fiber der Schnauze ein schwach angedeuteter weisslicher
Flecken.
Ganze Liinge des Thieres . , , jo" 10'"
Liinge des Kopfes ...... 1"5"
„ „ Schwanzes ..... 3" 2'"
Durchmesser des Leibes .... — 7'"
Breite des Hinterhauptes . . . . — 10'"
„ der Schnauzenspitze ... — 5"
Abstand der Fiisse 5" 4'"
301
Hypochthon Laurentii.
Kopf lang, dreieckig, an den Seiten nicht eingebuchtet ; mit
langer, breiter, abgestutzter Schnauze. Augen wenig sichtbar, vor
der hinteren Granzlinie des ersten Drittels des Kopfes liegend.
Kiemen kurz , astformig , nach rfickwarts gerichtet, lang gestielt,
fiber dem Stiele stark verastelt und grob verzweigt. Schwanz mit
niederer, am Ende zugespitzt gerundeter Saumflosse.
Schmutzig-fleischfarben, mit sehr kleinen graulichen Puncten
dicht iibersaet. Von der Schnauzenspitze bis an's Auge jederseits
eine undeutliche schwiirzlichgraue Binde ; in der Mitte fiber der
Schnauze ein verloschener weisslieher Flecken.
Ganze Lange des Tbieres
Lange des Kopfes . . .
,, „ Schwanzes . .
Durchmesser des Leibes .
Breite des Hinterhauptes .
„ der Schnauzenspitze
Abstand der Fiissc . . ,
♦ *
. 9" —
,
. i"a"'
. ,
. 2" 8'"
, ♦
. — 5'"
* ♦
mill/
, t
4'""
, ,
. 4" 6'"
Hypochthon xauthostictus.
Kopf lang, dreieckig, an den Seiten nicht eingebuchtet ; mit
langer, sehr breiter, abgestutzter Schnauze. Augen kaum sicht-
"a»", hinter der vorderen Griinzlinie des zweiten Drittels des Kopfes
'legend. Kiemen von mittlerer Liinge, btischelformig, nach ruck-
warts gerichtet, sehr lang gestielt, fiber dem Stiele sehr stark
verastelt und grob verzweigt. Schwanz mit niederer , am Ende
stumpf gerundeter Saumflosse.
Schmutzig-violet-fleischfarben, mit kleinen, unregelmiissigen,
^'sweilen zusammeniliessenden schmutziggelben Flecken gespren-
elt. Von der Schnauzenspitze bis ans Augc jederseits eine un-
deutliche schwiirzlichgraue Binde; in der Mitte fiber der Schnauze
e« verloschener weisslieher Flecken.
Ganze Lange des Thieres .
Liinge des Kopfes ....
» „ Schwanzes . . .
Durchmesser des Leibes . .
Breite des Hinterhauptes ,
. 10'
ml//
. V
3'"
, 2'
9'"
er
. —
8'"
302
Brcite der Schnauzenspitze ... — 6'"
Abstand der Fttsse 5" 8'"
Diese Mittheilung, welche fur unsere Sitzungsberichte be-
stimmt ist, ist nur ein Auszug aus einer umfassenderen Abhand-
lung, welche ich fiir die akademischen Denkschriften vorbereitet
habe. Es ist mein Wunsch, dieser Abhandlung die moglichste
Vollstandigkeit zu geben. Dazu sind aber nicht bios die bereits
angefertigten und noch mancherlei andere Zeichnungen nothig, son-
dern auch die Herstellung einer Reihe von Skeleten, nm die alien-
falls sich ergebenden osteologischen Differenzen feststellen zu
konnen; insbesondere aber die Herbeischaffung von Proteen von
solchen Fundorten, von welchen ich bisher nur wenige oder gar
keine ReprSsentanten zu sehen Gelegenheit hatte. Zur Erreichung
dieses Zweckes muss ich mir die Unterstiitzung der kais. Aka-
demie erbitten , welche ich aber auch noch in einer anderen
Richtung hin in Anspruch nehmen mo elite.
Es ist namlich bekannt, dass wir iiber die Fortpflanzung der
Olme noch gar nichts wissen und dass alle Untersuchungen in
dieser Beziehung seither fruchtlos geblieben sind.
Der einzig richtige Weg, hieriiber Aufschluss zu erhalten,
ist derjenige, welchen Hofrath von Schreibers eingeschlagen hat.
Er bat sich namlich durch zwei voile Jahre hindurch und zwar
jeden Monat Proteen, sowohl von Vir als auch von der Magda-
lena-Grotte, kommen lassen , die er alle einer genauen anatomi-
schen Untersuchung in Bezug auf die Geschlechtsorgane un-
terzog.
Unter Hunderten von Weibchen hat er nur einige sehr wenige
mit holier entwickcilen Ovarien gefunden; ebenso hat Rusconi
unter einer grossen Anzahl auch nur ein einziges Mai ein im-
pragnirtes Weibchen aufgefunden, das er im »Giornale di Fisica
di Pavia" 1826 beschrieb und abbildele. Auch ich war so gliick-
lich, unter den mir von Herrn Dr. Schmidl mitgetheilten Pro-
teen aus der Kleinhlusler-Grotte, ein Weibchen mit hochentwikel-
ten Eierstocken aufzufinden; niemals hat man aber Eier oder Em-
bryonen in den Oviclucten selbst getroffen. Die Ursache, wesshalb
der von Hofrath v. Schreibers eingegeschlageneWeg zu keinem
entsprechenden Resultate fiihrte, mag wohl daher riihren, dass
die allermeisten Proteen , welche er erhielt , theils solche waren,
303
welche zur Zeit der Hochwasser im Friihjahre und Sommer aus-
gespttlet warden, wie dies bei den Olmen von Vir der Fall war;
theils solche, welche noch nicht das gehorige Alter erreicht hatten,
welcher Fall sich gewohnlich bei den Olmen der Magdalena-
Grotte ereignete, die von den mit dem Fange beauftragt gewesenen
Fischern , in der Regel nur am Rande des Sees gefangen
wurden; wahrend v. Schreibers zur Zeit der Herbst- und
Winter-Monate nur sehr wenige oder gar keine Proteen erhielt
und aus den bisher gewonnenen Erfabrungen hervorzugehen scheint,
dass die Zeit des Eierlegens oder Gebarens der Proteen gerade
in den Spatherbst oder Winter falle.
Meine Bitte geht daher dahin, die kaiserliche Akademie
miige die Wiederaufnahrae dieses Gegenstandes als eine ihr wiir-
dige Aufgabe betrachten und mir Behufes der Anfertigung der e,r-
forderlichen Zeichnungen und Skelete, dann der Herbeischaffung
von Proteen von solchen Fundorten , von welcben ich bisher nur
wenige oder gar keine gesehen habe, endlich zur Einleitung einer
monatweisen Einsendung derselben von einem Fundorte, welcher
als eine eigentliche Geburtsstiitte dieses Thieres zu betrachten ist,
eine verhaltnissmassige Unterstiitzung bewilligen.
Als einen solchen Fundort erlaube ich mir vorzuscblagen :
die Hohlen von Kumpole, Potiskavz oder Kleinhausel, welche
Wcht so wie die Magdalena-Grotte bereits gepliindert sind und zu
jeder Jahreszeit und jeder Stunde den Fang dieser Thiere ge-
statten.
Das w. M.j Hr. Prof. HyrtI, f'iigte die Bemerkung bei, dass
er an dem von Hrn. Fitzinger ihra iibergebenen Exemplare,
Welches sehr entwickelte Ovarien hatte, am Ende des Eileiters
eine Druse aufgefunden h.ibe, welche nur bei eilegenden
uackten Amphibien (und einigen Fischen) vorkommt. Es ist
hieraus mit grosser Wahrscheinlichkeit anzunehmen , dass der
*roteus ein eilegendes, kein lebendig gebarendes Thier ist.
304
Hierauf hiell das c. ST., Franz Hitter v. Hauer, nachstehenden
Vortrag:„Versuch ciner Classification der Trilobiten".
Von Joachim Barrande.
AUe, bis auf den heutigen Tag vorgeschlagenen Eintheilungen
der Trilobiten sind unvollstiindig, oder auf Beobachtungen gegriin-
det, deren Anwendbarkeit auf das Allgemeine sich nicht bestatigt
hat. Die Gelehrten , welche diese unfruchtbaren Versuche w,v-
ten, hatten Hindernisse vor sich, gegen die die Kraft des
menschlichen Geistes nicht ausrcicht : Mangel an Material und an
Daten, urn die Frage m entscheiden. Die Mehrzah] derselben
kannte nicht die Hiilfle der bis jetzt entdeckten Formen. Wie hat-
ten sie alle die Launen errathen konnen, welche die Natur in der
ausserordentlichen Mannigfaltigkeit der palaozoischen Crustaceen
zu haben schcint ? Wie hatten sie alle die grellen Widerspriiche
vermuthen konnen, die sich in den Gesetzen der Gestaltung der
Trilobiten angchauft finden ? Es ist also kein Wunder, wenn man
ihre Eintheilungen giinzlich unanwendbar fur die Gesammtheit die-
ser Classe, so wie sie jetzt bekannt ist, findet.
Aber darf man den bis jetzt bekannten Reichthum anMaterial
als geniigend betrachten, um das Problem zu Ibsen? Es wird
vielleicht hinreichen fur ein Genie , das die Rathsel der Wissen-
schaft zu losen gewohnt ist, wir sind uns zu sehr unserer eigenen
Schwiiche bewusst, um Anspruch auf die endliche Lbsung der
Frage zu machen. Wie reich auch die silurische Fauna von Bbh-
mcn sein mag, wir vergessen doch nicht, dass Scandinavien,
Russland, Frankreich, England, Amerika und andere palaozoi-
sche Gegenden noch viel zu wenig crforscht sind , um nicht noch
grosse Schatze bergen zu konnen. Ja man sprach sogar schon von
200 Species, die man allein in den Gegenden von Scandinavien auf-
gefunden hat. Wiirde nicht diese Menge unbekannter Arten hinrei-
chen , um uns Misstrauen gegen unsere methodische Darstellung
einzuflossen, da die Erfahrung uns so oft gelehrt hat, dass eine
einzigeneue Form geniige, um das iiusserlich noch so kunstvoll
aufgefiihrte Gebiiudc umzustossen.
In derVoraussetzungubrigens, dass beinahe alle Trilobiten
schon bekannt geworden sind und eine systematische Eintheilung
erwartcn, muss man bcdenken, wie sehr die Korperhiillen, die
einzigen Grundlagen zur natiirlichen Classificirung dieser Thicre,
305
die uns iibrig geblieben sind , unvollstandlg slnd. Die iiussere Um-
hullung dieser Thiere, an der wir allein Beobachtungen anstellen
konnen, sagt uns noch nicht , ob das Nervensystem das Haupt-
merkmal systematischer Eintheilungen bei der ganzen Reihe von
Geschiipfen, die wir unter dem Namen Trilobiten begreifen, das-
sclbe war. Die bekannten Reste konnen uns keinen Aufschluss ge-
ben fiber die Organe der Bewegung, jene zur Ergreifung der
Nahrungsmittel , der Respiration und der Ernahrnng.
Es fehlen uns also die nothwendigsien Daten zu einer guten
naturlichen Eintheilung ganzlich, und wir sind auf das alleinige
Studium der Korperhiillen angewiesen, ohne irgend ein Mittel zu
haben , um die Auslegung , die wir den Formen derselben zu ge-
ben versucht sind, beweisen zu konnen.
Jcde Eintheilung , die sich auf derartige Daten stiitzt , muss
als provisorisch und bloss aus der Erfahrung hervorgegangen be-
trachtet werden. Einen solchen Versucli legen wir nun im Folgenden
vor, um unser Studium zu erleichtern , indem wir die natiirliche
Eintheilung noch erwarten , der sich einst alle wissenschaftlichen
Thatsachen unterordnen werden.
Damit aber unser vorlaufiger Versuch doch auf einer unserm
wesichtspuncte entsprechenden Grundlage beruhe, haben wir all-
miihlig alle einzelnen Theile und Elemente der Korperhullen der
Trilobiten studirt , um den Werth der Charactere , die diese lie-
fern konnen , zu bemessen und anzuwenden. Wir werden nun in
wenig Worten die Ergebnisse dieser Studien zusammenfassen , da-
unt der Leser die praktischc Anwendung begreife , die wir davon
machen miissen.
Indem wir das Wort „ Classification" im weitesten Sinne neh-
inen, scheint es uns die Methode zu bezeichnen, die man anwenden
rouss, um die folgenden Aufgaben zu losen.
§• 1. Die Untcrscheidung der Arten.
§■ 2. Die Begrenzung der Gattungen.
S- 3. Die Grnppirung der Gattungen zu naturlichen Families.
§. 4. Die Grnppirung der Familien in Sectionen und Rciheu.
§• 5. Die Aufeiuanderfolge der Familien in jeder Rcihc.
§• 6. Eine fibersichtliche Tabelle der neu vorgeschlagenen
Classification.
Sitzb. d.
mathem. naturw. CI. Jahrg. 1850. II. Bd. III. lift.
il
306
Untersuchen wir nun, welehe Hilfsmiltel unsere Naehfov-
schungen zur Liisung jeder einzelnen dieser Aufgaben, die cinem
Classificator obliegen , geliefert haben.
§• I-
Untcrscheidung der Species.
Die unaufhorlichen Discussionen, welehe die Zoologen in Be-
treff der Definition einer Species unter den lebenden Wesen be-
schaftigen, zeigen hinlanglich, dass cs der Wissenschaft noch nicht
srelunsren 1st , den Sinn dieses Ausdruckes inner halb scharfer, un-
zweifelhafter und unbcstrittener Grenzen festzustellen. Gibt man
mit Buff on und Cuvier zu, dass den Inbegriff einer
Species alle durch Zcugung aufeinander folgenden , einander ahn-
lichen Wesen bilden, so ist es klar, dass die Thatsache der Auf-
einanderfolge oder ihrer Unmoglichkeit , welehe denkbarer Weise
bei lebenden Wesen festgestellt werden konnte, docb nie bei Un-
lersuehungcn, in Betreff der ausgestorbenen Repriisentanten des
Lebens, ermittelt werden kann. Der Palaontologe ist daher, will
er die Species erkennen, auf die Charaktere der Aehnlichkeit be-
sehrankt, d. h. auf die accessoriselic Idee in der von uns angeftihrten
Definition. Aber die Aehnlichkeit in der Naturgeschichte erlaubt
nicht eine strenge Definition wie in der Geometrie, und die Be-
obachtung der lebenden Schopfung zeigt uns, dass Wesen, die eine
unbegrenzte Fortpflanzungsfahigkeit besitzen, wie in der Species
,,Hund" sehr bedeutende iiussere Versehiedcnheiten darbiethen
konncn. Wenn aucb anatomische und osteologische Vergleichungen
in diesem und in iihnlichen Fallen die anscheinenden Unterschiede
verschwinden machen, so leliren doch derartige Beispiele, dass eine
genaue und strenge Aehnlichkeit bis in die kleinsten Details der
aussern Formen oder der Oberflache der Individucn zur specifischen
Identitat nicht erfordert wird. Diese Betrachtung hat uns oft ge-
leitet, und dahin gefuhrt, Trilobiten, die friiher als besondere
Species beschrieben worden waren, zu vereinigen. Besonders dann
haben wir nicht gezaudert; , eine solche Vereinigung vorzunehmen,
wenn das verschiedene Ansehen durch den v< rschiedenen Grad der
Starke der Verzierungen von ein und derselbcn Art hervorgebracht
wird , wie z. B. beim Cheirurus claviger, Conocephalus Sulzeri,
Proetus bohemicus u. s. w. Wir begreifen in der That, dass derartige
307
Verschiedenheiten der Oberflache leicht durch Local-Umstande be-
dingt sein konnen, dock haben wir geglaubt, unter getrennten Na-
men jene Formen belassen m miisseu , deren Verzierungen keine
Uebergiinge erkennen Iiessen ; wir haben also die Verzierungen als
Speciesmerkmal geltcn lassen, so oft sie sich constant bewahrten.
Es ist diess , wie uns scheint, der wenigst wichtige Charakter, den
man noch zu Hilfe nehmen kann, und leider ist er manchmal bei-
nahe der einzige, wie beigewissen Proetus, Bronteus etc.
Mit Ausnahme dieser Falle, welche zicmlich selten sind, finden
wir in der Form der verschiedenen Elcmente der Schale der Tri-
lobiten vielfaltige und sehr verschiedenartige Charaktere, die uns
bei der Bestimmung der Species leiten. Jedes dieser Elemente
kann in der That als ein Speciesmerkmal angesehen vverden, wenn
es cine unveriinderliche Form zeigt, und in dieser Beziehuno- haben
wir stets die Bemerkung L. v. Buch's, dass die gerin«-sten Ver-
schiedenheiten durch ihre Bestiindigkeit einen Werth erlan«-en.
berucksichtigt. Wenn es wahr ist, was manche Zoologen jreglaubt
haben , dass die feste KSrperhiille der Gliederthiere gleichsam das
an die Aussenseite des Thieres geriickte Knochengeriiste der Wir-
belthiere vorstellt, so erlangen die Veranderungen der Schalen-
tbeile der Trilobitcn eine noch hohere Wichtigkeit, und verdienen
w alien ihren Details studirt zu werden; aber abgesehen von dieser
lllee, notbigt auch der Mangel aller Glieder oder anderer Korper-
heile den Paliiontologen, seine ganze Aufmerksamkeit den ein-
z»gen festen Theilen, die er unter den Augen hat, zuzuwenden,
selbst auf die Gefahr hin, die dabei beobachteten Verschieden-
heiten etwas m iiberschatzen.
Der Leser wird leicht den Eiufluss, den diese Ideen auf die
' peciesbestimmung aiisiiben, erkennen, und wenn einige Gelehrte
en soiiten, dass wir unsere Untcrschcidungcn der Formen zu
1 Setneben haben, so bitten wir sie, zu bedenken, dass in Mittc
j er uiivermeidlichen Unsicherheit in der Feststellung der Species,
esoaders unter den Fossilien, der Zoologe und der Palaontologe
_eicht auf entgegengesetzte Abwege gerathen konnen. Der Erstere,
ein!"1 6r dCn Anal°8'ien eine S1,ossere Fo%e gibt, und Wesen mit
einaader vereinigt, die nur durch einige geringe Unterscheidungs-
nerkmale, selbst wenn sie bcsUindig sind, von einandcr getrennt
rschemen, kann. ohne dass daraus irgend ein Machtheil entsteht,
31 *
308
die Nomenclatur und den ganzen wisscnschaftlichen Apparat we-
sentlich vereinfachen. Der Zweite, vvenn er desselben Vortbeils
sich erfreuen will, muss besorgen, den Hauptzweck palaontolo-
gischer Forschungen theilweise aufzuopfern, niimlich die Feststel-
lung der Beziehungen, welche zwischen der Aufeinanderfolge der
thierischen Formen und jener der Ablagerungen, in denen sie ein-
geschlossen sind, bestehen. Man begreift , welches locale und all-
gemeine Interesse sich an die genaue Unterscheidung der aufeinan-
der folgenden Formationen knupfen kann. Diese Unterscheidung
kann nur mit Hilfe eines sehr genauen Studiums der Wesen,
welche jede einzelne Formation characterisiren , zu Stande kom-
men, und die Geschichte der Wissenschaft liefert mehrereBeispiele,
dass ungeniigende paliiontologischc Bestimmungen viele Zweifel
und Schwierigkeiten veranlassten. Diese Betrachtungen haben
uns bewogen, durch verschiedene Speciesnamen Trilobiten zu
bezeichnen, die, wenn auch in ihren Formen einander sehr ahnlich,
doch keine Uehergange erkenncn liessen. So oft dagegen auch
wesentlich verschiedene Formen durch Uebergange miteinander
verbunden sind, haben wir sie in eine Species zusammengestellt,
wie Dalmania socialis mit Dalmania proacva und die zahl-
reichen Varietiiten von Phacops fecundus,
Wir haben uns enthalten, verschiedene der bohmischen Trilobi-
ten mit sehr analogen auswartigen Trilobiten zu vereinigen, weil die
Erfahrung uns gelehrt hat, dass man, ohne Vergleichung der Fossilien
selbst, durch ungeniigende Beschreibungen und Abbildungen leicht irre
geleitet werden kann. Wir uberlassen die Sorge dieser Vereinigung
jenen Gel ehrten, die mit alien dazu nothigen Documenten versehen sind .
Uebrigens haben wir uns bestrebt, alle Formen, welche wir
durch bestimmte Kennzeichen, die oft auf ihrc geologische Lage-
rungBezug haben, unterscheiden konntcn, vergleichbar underkenn-
bar zu machen. Nach dem originellen Ausdrucke L. v. Buch
werden diese Formen durch das Sieb der Wissenschaft gehen, welche
uur die passenden Trennungen anerkennen und beibehalten wird.
§• 2-
Begrenzung der Oeschlechter.
Das Geschlecht ist in der Zoologie noch viel weniger scharf
begrenzt, als die Species. Fiir die Bediirfnissc der Paliiontologie
309
jedoch glauben wir, dass man sich beschranken kann, es zu betrach-
ten als eine Vereinigung aller jener Arten, die entweder mit einem
gegebenen Typus oder untereinander durch die grosste Summe
der Verwandtschaften zusammenhangen. Wenn diese Definition
cinige Zweifel lasst iiber die gegenseitige Granze gewisser mit-
einander verwandten Typen, so ist diess, glauben wir, ein Uebel-
stand, der sich nicht vermeiden lasst, besonders wenn die Idee des
Geschlechtes nur eine intuitive ist, wie die Gelehrten uns lehren.
Beim Specialstudium der Zunft der Trilobiten konnte man
glauben, dass die Feststellung der Geschlechter sich betrachtlich
erleichtern liesse durch die Betrachtung gewisser Charactere, die
jedem einzelnen ausschliesslich zukommen. Leider hat sich diese
Hoffnung nicht verwirklicht. In dem Masse , in welchem die For-
men durch allmiihlige Entdeckungen sich vermehrten, hat auch die
Bestiindigkeit dieser Charactere so viele Ausnahmen erlitten , dass
man sie nicht mehr mit Sicherheit in Anwendung bringen kann.
Unter diesen Characteren figurirte in erster Linie die Zahl der
Thoraxringc , die man als unveranderlich voraussetzte. Die von
uns beobachteten Thatsachen beweisen, dass eine betrachtliche
Anzahl, ungefa.hr ein Fiinftel der von uns angenommenen Ge-
schlechter, diesem Gesetze nicht unterliegen. Aehnliche Beob-
achtungen haben in gleicher Weise die Hoffnung vereilelt , die
Geschlechter nach dcrTotalzahl derKorpersegmente zu bestimmen.
Ausser diesen Characteren, die, hiitten sie einige Bestiindigkeil
gezeigt, wichtiger gewesen waren, als alle iibrigcn, hatte man audi
gedacht, dass die Gesichtsnath sehr viel Hilfe bei der Feststellung
•l«i- Geschlechter darbiete. Einige Ausnahmen oder Unbestandig-
keiten in ihrem Verlaufe begranzen auch ihre Wichtigkeit , dem-
ungeachtet gehort sie mit zu den wichtigsten Elementen bei der
Feststellung der Geschlechter. Die Form des Hypostoma hat in
dieser Beziehung nicht wcniger Werth, obwohl wir erkaunt haben,
dass es innerhalb der Grenzen ciner und derselben Grundform s eh
hemerkbare Veranderungen erleiden kann. Was die Form der
Glabella und die Zahl ihrer Pleuren betriftt, so kann man
sich auch nur theilweise auf ihre Bestiindigkeit verlassen. Diese
Merkmale zusammengenommen bieten iibrigens beinahe iminer eine
f«r jede Grundform sehr gut erkennbare Facies dar, und in gewissen
Fallen uehmen sie einen so ausgesprochenen Character aa, dass
310
sic fur sich allein d;»s Gcschlcclit beslimtnen koimen. wie bci Aci-
daspis und Lichas. Nicht so ist es mit der Geslalt tier Augen,
die bei verwandten Species oft scbr verschietlcn sind. Wir
haben iibrigens in der Structur dieser Organe drei verschiedene
Typcn erkannt, die sich wechselweise ausscbliessen, und zu den
Geschleclitsbeslinuiiungen wesentlich beUragen kiinnen.
Die Grossenverhaltnisse der Lappen des Thorax erlangen bis-
weilen cine hohe Wichtigkeit, wie bei Homalonotus und Nileus.
Die form der Pleuren dient nicht nur dazu, in den moisten Fallen
das Geschlecht zu unterschcidcn, sondern sie bietet auch cin ge-
meinsehaftliehes Band fiir die Pamilien dar, von deni vvir noch
weitcr sprechen werden. Hire Grundform erscheint wieder am
Pygidium, und bringl; dort einen neuen Charakter hervor, der mil
jenem des Thorax im Einklang steht. Die Form der Axe, die
bald bis /Aim Ende des Korpers vcrliingert ist , bald abgestumpft,
wie bei Bronteus, Aeglina, Illaenus , die gewohnlich siehtbare
Gliederthcilung, oder das ganzliche Verschwinden derselben, wie
bei Nileus , ja bisweilen auch die Zahl der Segmente , wie bei
Acidaspis, geben am Pygidium treffliche HilfsmiUel zur Be-
sxenzunff der Geschlechter.
Im Ganzen also haben uns unsere Studien iiber die Trilo-
biten keinen cinzigen Charakter erkennen lassen, den man als
unveranderlich und vorwaltend wichtig zur Geschlechtsbestim-
mung betrachten konnte. In vielen Fallen hat die Natur das
Geschlecht durch irgend einen eigenthumlichen nicht zu verkcn-
nenden Zug ausgestattet , wie die radiale Form des Pygidium
bei Bronteus, die vorspringenden Faden auf der Glabella von
Sao , die ungewohnliche Lappung des Kopfes der Lichas und
Acidaspis, der Mangel vonFurchen auf dem Kopf und Pygidium
von Nileas und Illaenus, der Vcrlauf der Gcsiehtsnatli und die
Gestalt der Augen von Remopleurides u. s. w. ; der Palaontologc
findct also cine gewisse Sicherheit beim Wicdererkennen so aus-
gesprochener Typen. Aber wir sind zur Ueberzeugung gekommcn,
dass, wenn man nicht durch solche Umstiinde geleitet wird, die
Bestimmung des Geschlechtcs nur durch die Zuhilfenahme der
wichtigsten Elemente des Korpers, von deneu wir gesprochen
haben, zusammen geschehen kann. Gcwiss ware cs sehr iritei'es-
sant, wenn es moglich ware, unter diesen Chaiakteren eine Unter-
311
ordnung oder eine Ordnung des relativen Werthes aufzufinden, um
eine Art von Maasstab zur Schatzung der verschiedenen Combina-
tionen, die sie darbieten, zu gewinnen. Es schien uns lioffnungs-
los, mit einer solchen Arbeit zu Stande zu kommen, welche viel-
leicht unsern Nacbfolgern vorbehalten MeiM ; iibrigens sind wir
beinabc geneigt , die Mogliebkeit des Gelingens in Zweifel zu
ziehen, wenn wir sehen, dass bisweilen ein Charakter , der dem
Anscbeinc nacb von sehr geringer Bedeutung isl , unerwartet ein
verhallnissniassig grosses Uebergewicht erhalt, wie die Gestalt
der Furchen der Glabella bei Lichas.
Indem wir als Basis unserer generischen Unterscheiduiige'n
den gemeinschaftliehen Einfluss aller Hauptelemente der Organi-
sation gelten lassen, betrachten wir die Verwandtscbaften des Ge-
schlechtes noch als aufrecht bestehend, solange diese in Harmonic
bleiben, wenn auch einige Formen besondere Veranderungen dar-
bieten.
Wir wollen als Beispiele der auffallendsten Verschiedenartig-
keit die bemerkenswertbe Ungleicbhcit im Hypostoma , und der
Gesichtsnath des Cheirurus claviger und Ch. insignis , den
Mangel der Augen und der Gesichtsnath bei Conocephalus Suhcri,
den Mangel der Gesichtsnath in der Gruppe der Acidaspis Ver-
neuli anfuhren. In diesen Fallen und in noch einigen andcrn
baben wir geglaubt, die Geschlechter in ihrer urspriinglichen Aus-
delmung belassen zu miissen, tind wir haben die neuen Geschleehts-
namen, die man den abweichenden Species beigelegt hat, nicht
angenommen.
Gewisse Geschlechter, die nach Arten, die nicht in Bohmcu
vorkommen, aufgestellt wurden , wie Symphysurus , Triarthrm,
a- s. w., haben wir in unserer Uebersicht aufgenommen , ohne die
Mittel zu haben , tiber das Recht ihrer Selbststandigkeit zu ui-
theilen. Es sind nur wenig solche Typen in unserer Liste von
45 Geschlechtern , so dass ibrc Anwescnheit keinen Nachtheil mit
sich bringen kann.
In dieser Liste von 45 Geschlechtern gibt es 33 , die in Boh-
men vorkommen, demnach 12, die unsern Gegenden fremd sind;
in der Classificationstabelle, die folgt , sindjene 12 fremden Ge-
schlechter mil einem Sternchen bezeichnet.
312
§• 3.
Gruppirung tier GeschLechter in natiirliche Familien.
Nach den in unseren allgemeinen Studien auseinandcr gesetz-
ten Betrachtungen ist das Thoraxsegment das erstc Element , aus
welchera sich alle Theile des Korpers durch Nathe oder Zusam-
menziehungen entwickeln. Dieses Element stellt sich unter zwei
verschiedenen bestiindigen Formen dar, welche wir durch die Aus-
driicke : Gefurchte Pleura (jdevre a sillon) und g c k i e 1-
te Pleura {jplevrc a bourrelei), bezeichnen ; es muss bei der
Zusammenstelhing von Familien offenbar eine wichtige Rolle spie-
lcn. In derThat haben wir uns durch viele Beispiele iiberzeugt, dass
die Trilobiten einander sehr ahnlich oder sehr verschieden sind,
je nachdem ihre Pleuren nach demselben oder nach einem ver-
schiedenen Typus gebildet sind. Wir konnen daher in ein und
derselben Gruppe nur jene Genera zusammenstellen, bci welchen
die Pleuren nach einem ahnlichen Typus gebildet sind.
Diese Grundlage ist die einzig ausschliessende zur Zusam-
menstellung der Trilobiten in natiirliche Familien , die wir
kennen, denn beim Studium der Elemente des Korpers haben wir
beinahe immer erkannt, dass jedes derselben , selbstbei sehr nahe
verwandten Geschlechtern betriichtlichen Abjinderungen unterliegt.
Aber ungeachtet dieser partiellen Vertinderungen bleibt
noch genug allgemeine Verwandtschaft in der Facies oder dem
Gesammt-Ansehen der Formen, so dass in den meisten Fallen
die Grenzen der Familien sehr augenfallig sind.
Wir nehmen 17 natiirliche Familien unter den Trilobiten
die Unterschei-
an,
und wir werden nun mit wenig Worten
dungsmerkmale , durch welche wir dieselben dcfiniren und ab-
grenzen zu konnen glauben, angebcn. Wir werden nicht suchen,
jede derselben mit einem neuen Namen zu belegen; die Erfah-
rung hat uns gelehrt, dass solche Benennungen, da sie wenig
Nutzen gewiihren und wenig Dauer besitzen, unnothiger Weise
die Nomenclatur belasten. Es scheint uns, dass man sich eben
so leicht verstandigen kann, wenn man jede Familie mit dem
Namen des Geschlcchtes , das ihr als Typus dicnt, bezcichnet,
und so z. B. sagt, die Familie des Paradoxides, die Familie
des Proetus u. s. w.
313
Wir miissen zuerst bemerken, dass es sieben Geschlechter
gibt, deren Charactere so ausgesprochen und so eigenthiimlich
sind, dass man nothwendig dahin gefiihrt wird, jedes fur sich allein
eine eigene Familie bildend anausehen. Es sind diess folgende :
Zahl
der Species.
Haupteharacter der Familien.
Aeglina, Ban-.
Bronteust G o 1 d f u s s.
Bohmen 3
'Veklaspis, March.
Ag-nostus, Brongn.
Mai'pcs, Goldfus
38
l^lias, Dalmann.
•Vemopleurirtes,
Portl.
Eigenthumliche Bildung des Kopfes und der
Augen. — Pleuren gefurcht. — 5 bis 6 Scgmcnte
am Thorax. — Pygidium eben so gross wie der
Kopf. — Axe abgestumpft. — Lappung radial.
Eigenthumliche Bildung des Kopfes. — Pleuren
gekielt. — 10 Thoraxsegmente. — Pygidium sehr
entwiokelt. — Axe abgestumpft. — Lappung
radial.
Ungeaclitet der grossen Analogie , welchc diese
zwei Geschlecliter durch die Form jhres
Pygidium besitzen , glauben wir docb, dass
der Contrast im Typus ihrer Pleuren und
andere characteristisehe Untcrsclieidungs-
merkmale nicht erlauben, sie in cine cinzige
Familie zu vereinigen.
Characteristisehe Lappung der Glabella. —
Pleuren gekielt. — 9 bis 10 Thoraxsegmente, die
beinahe immer in cylindrische Spitzen endigen. —
Pygidium sehr klein , mit Puncten geziert. —
Bcstandige Granulirung au£ alien Theilen der
Schale.
Kopf und Pygidium beinahe gleich, von sehr
wenig verschiedenem Ansehen ; sie walten durch
ihre Ausdehnung gegen den Thorax , der nur
zwei Segmente besitzt, vor. — Pleuren gefurcht.
Eigenthumliche Bildung des Kopfes, Neben-
augen (Yeux a stemmates), ohnc Gesiohtsnatli. —
Rand durchbohrt. — Pleuren gefurcht. — 26 Tho-
raxsegmente. — Pygidium sehr klein. — Be-
stiindige Granulirung nnd Hdhlungen ohne
Streifen.
Wir werden in der Folge bei Trinucleus an-
fuhren , warum wir denselben nicht mit
Harpes vereinigt haben.
Eigenthumliche Bildung und Lappung des
Kopfes. — Pleuren gefurcht. — 11 Thoraxseg-
mente. — Pygidium durch die Ausdehnung iibei
den Kopf vorwaltend und eigenthumliche Formen
darbietend. — Bcstandige Granulirung am Rttk-
kenschild.
Eigenthumliche Bildung, Lappung und Ge-
sichtsnath am Kopfc. — Pleuren gefurcht. —
1 1 Thoraxsegmente. — Pygidium klein, auf zwei
Segmenfe rcducirt.
314
Bcvor wir weiter gehen , miissen wir bemcrken , dass die
Familiencharaktere, wie wir sie eben auseinandersctzlen, wahr-
scheinlich einige Veranderungen werden erleiden miissen, so oft
man ein neues Geschlecht entdecken wird, welches in eine der
sieben angenommenen Gruppen eingereiht werden muss.
In der That, je engcr begranzt eine natiirliche Familie ist,
urn so leichter ist es, sie durch bczeichnende Merkmale zu
charakterisiren , um so mehr sich aber die Zahl der mitein-
ander verwandten Trilobiten vervieifiiltigt, um so schwieriger
wird es, die bezeichnenden Merkmale, welche sie zu einer
Familie vereinigen, anzugeben, und den Werth der Achnlich-
keiten und Verschiedenhciten abzuwiigen, welche man in ihren
einzelnen Elementen beobachtet.
Um die Grenzen der Gruppen festzuslellen , muss man das
allgemeine Aussehen oder die Facies in Betrachtung ziehen,
welche sich aus der Gesammtheit der Bildung der Gcschlcchler
ergibt, und man muss von particllcn Verscbiedenbeiten absehcu,
welche jedes cinzelnc Geschlecht nach einer gewissen Ilichtung
hin darbieten kann. Es ist diese Scluitzung in der That nicht
sehr sicher, und wir begreii'en leicht, dass in derselben die
Meinungen der Palaontologen sehr abweichen kb'nnen, je nach
der Wichtigkeit, die jeder diesem oder jenem Elcmente beimissl.
Wir stellen daher nicht ohne ein gevvisscs Zaudern die folgen-
den Gruppen auf, deren Homogencitjit sclten vollstandig genug
ist , um nicht noch Einwendungen zuUissig zu machen. Wi»*
hiitten diesem Uebelstande ausweichen konnen, wenn wir die
Zahl der Familien vermehrt, und so die am meisten verschie-
denen Gescblechter voneinander getrennt hiitten , aber wir
glauben, dass das Stadium dureh die Anwcndung einer solcheu
Methode nicht gewonnen hatte ; iibrigens sind wir iiberzeugl,
dass es noch viele uns unbekannte Trilobiten gibt ; diese werden,
wie wir hoffen, Mittelglieder darbieten, da, wo die Uebergiinge
jetzt zu plfitzlich erscheinen, oder sie werden Gelegenheit zur
Aufstcllung neuer Gruppen darbieten , in welche sich die Ge-
schlechter, die uns durch, fiir unsere Unvvissenheit allzu zwei-
deutige Merkmale in Verlegenheit setzen , werden einreihen
lassen.
315
der Species.
[" Amplllon, Pa nd. i
•Bucrinurus, E no ra r.
\ Oomus, B air.
[ Asaphus, B r o g n.
"Sympliysurus, Gold.
•Og'yg'ia, Br eg n. j
{Calymene, Brongn.
'Homalonotus, K (in.
i^heiruriis, Beyr.
Jl'lacoparia, Curd
\SphaerexoclUlS,Bey.
|Staurocephalus,Ba
lOeiidio,,, Barr.
Hauptcharakter clcr Familleii.
Boh men 0
Russland I
Russland 1
Biihmen 5
Bohmen
Sebweden 1
England ?
Frankreich ? I
Bohmen it
England ?
Bohmen 12
Kopf, verschieden gestaltet. — Pleuren ge-
kielt, 11-18 Scgmente im Thorax. — Pygidiurn
on mittlerer Gl-bsse, eigenlhiimliclie , bei alien
drei Geschleclitern gleichc Bildung dcsselben. —
Hypostoma, mehr iibereinstimmend , bestjindige
Granulation.
Das erste Geschlecht unterscheidet sicli betrachl-
lich von den zwei andern durcli den Laui
der Gesichtsnath , die Lappung der Glabella
und die Zatil von achtzehn Thoraxsegmenten
Kopf, sclir entwickelt, von verscliicdenem An-
sehen. — Pleuren gefurcht, 7—8 Thoraxsegmentc,
die melir als ein Drittel der Oberflaclie des Kor-
pers einnchmen. — Pygidiurn eben so gross oder
grosser als der Kopf. Streifen oder Poren auf
der Scliale.
Bei den drei vorausgegangenen Geschleclitern
andern die Gesichtsnath, die Lappung der
Glabella und die Gestaltdcs Hypostoma von
einem Geschleeht zum andern, und selbst in-
ncrhalb der Grenzcn des crsten und des
letzten.
Kopf, stark entwickelt. — Pleuren gefurcht,
13 Segmenteim Thorax, welchcr gegen die andern
Theile des Korpers vorwaltet. — Pygidiurn mehr
oderwenigerausgedehnt. — Bestiin&ige Granula-
tion, bisweilen mit Hohlungcn.
Die zwci Gesehlcchter, die wir hier zusammeii-
stellen, unlerschciden sich OT durcli die
Lappung der Glabella und die Gesichtsnath
sehr wescnilich von einandcr , aber ihrc
Formen im Gan7.cn scheinen doch erne grosse
Aehnlichkeit zu besitzen. Die zwci Species
Col. parmla, Barr. und Cat. brevieapt-
tata, Portl. (Mem. geol. Surv. II. p. I.
PI. XI.) deuten einen Uebergang gegen
Ifomalonotus an.
Kopf, dentlich entwickelt, von vcrschieden-
artigem Ansehcn. — Pleuren gekielt , 11—12
Thoraxscgmente , die mehr Raum einnehmen als
der Kopf. — Pygidiurn klein, 3—4 Glieder, sehr
ausgezeichnct durch die Spitzen am Umkreis. Be-
stiindige Granulirung auf alien Sehalenthcilen.
Die Verwandtschaften, welchc die Gesehlcchter
Cheirurus und SphaerexoclMS mit einanttei
verbinden, warden von Professor Bayricn
nach Fragmenten sehr wohl erkannt. Die Be-
obachlirng der Kiirpersegmente macht es am
moglich, dies,. Verwandtschaft zu hestatlgel i.
Placoparia und Staurocephalus nahera si
ebenfalls viel dem Typus dieser f»»»"f' JT-
wir provisoriscb auch das G«s1c,,!o.c',,n|il.1,.
phon asuzahlen, hauptsachlich ^r.^f^Lt
kcit wegen, die sein Pygidiurn nut dim oei
Cheiruren besitzt.
316
Zahl
der Species.
Illaenus, D a l m.
*i\Heus, Dalm.
/'Paradoxides,Brongn.
i HydrocephalusBarr.
ISao, Barr.
jArionellus, Barr.
/EIHpsocopli., Zenk
\*OIcnus, Dalm.
j'Peltura, M. Edw.
r "Triaptlirus, Green.
Conocephalitcs,
Zenk.
(PHagops, Emmr.
I nalmanla, Emmr.
I Proctus, Stein.
\lMiilIipsia, Portl.
*Grifflthiezeichnet, welches ihr als Typus dient, «nd wir haben sie bisher
*mnier in alphabetischer Ordnung auf einander folgen lassen. Wir
320
wollcn nun suchen, ob es nicht m5glich ist, cine wissenschaftlicherc
Ordnung in jedcr Reihe herzustellen, d. h. cine Ordnung, die rait
der Organisation der Trilobiten im Zusammenhange steht.
§• 5.
Eintheilung der Familien in jedcr Reihe.
Es scheint uns, dass die relative Entwicklung das Pygidium
und das Thorax die Grundlage der gesuchten Eintheilung bilden
konne. Zu dieser Idee sind wir durch folgende Betrachtungen
jjcfuhrl; worden :
1. Beim Studium der Metamorphosen des Embryo bei jenem
unserer Trilobiten, welcher dieselbe in Hirer ganzen Ausdehnung
zeigt, bei Sao hirsuta, bemerken wir, dass der Kopf und der Tho-
rax nacheinander erscheinen, bevor man irgend eine Spur des
Pygidium entdeckt. Dieser Theil des Korpers wird daher bei
dieser Species zuletzt gebildet. Eben so ist es bei Arionellus
ceticephalus , von welchem wir Individuen sahen, die erst zwolf
Segmente besitzen, also sieben weniger als im ausgewachsenen
Zustande.
2. Alle andern Trilobiten Bohmens sind ohne Ausnahme mit
einem Pygidium verseben in jedem Alter, in welchem wir sie
beobachteten. Wir kiinnen daher nicht behaupten, dass auch bei
diesen das Pygidium nur am Ende der Entwicklung des Embryo
gebildet werde. Dennoch halten wir bei Einigcn diese Ansicht fiir
nicht unwahrscheinlich. Trotz dieser Ungewissheit, in welcher wir
hinsichtlich der Mehrzahl der Species sind, konnten wir doch
fiir einige derselben als sicher feststellen, dass die Anzahl der
Segmente des Pygidium wahrend dem Wachsthum des Indivi-
daums zunimmt, und fiihren als Beispiele an: Balm, auricu-
lata, Proetus (Phaet.) Archiaci, Proet. (Phaet.) planicauda,
Cromus inter costatus, etc.
3. Beim Studium der aufeinander folgenden Formen, wel-
che dasselbe Genus in den aussersten Granzen seiner Existenz
reprasentiren, haben wir die Bcmerkung gemacht, dass bei Bron-
teus die altesten Arten weniger Segmente im Pygidium hatten,
als jene aus den jiingern Epoclien.
4. Wenn man die Genera, welche die alteste trilobitische
Fauna Bohmens, England's und Scliwedcns bilden, mit jenen ver-
Die Eintheilung,
sachen und ihre Uebcreinstimmung bezeichnen.
gleicht, welche in den jiingera Epochen auftraten, so findei man,
dass die Ersten sieh (lurch ein sehr schwach ausgcbildetes Py-
gidium untcrscheiden, wahrend hingegen bei den letztern das
Pygidium den hochsten Grad dor Entwicklung erreicht.
Wenn man diese Betrachtungen zusammcnfasst , konnte man
sagen :
I. Das Erscheinen des Pygidium oder die hochstc Slufe
seines Wachsthums scheint die Vollendung der Evolution auzu-
dentcn: 1. In der Reihe der Metamorphosen des Individuums. —
2. In der Aufeinanderfolge der Species, welche ein Genus bilden,
3. In der Reihe der Genera, welche die Classe der Trilobiten
in den verschiedenen Epochen ihres Auftretens zusammensetzen.
II. Im Allgemeinen entspricht bei den Trilobiten das Mini-
mum des Pygidium dem Maximum des Thorax, und umgekehrl,
das Maximum des Pygidium dem Minimum des Thorax.
welche wir feststellen , soil diese That-
Wir ordnen die
Familien nach dem verhaltnissmassigcn Wachsthum des Pygidium
und Thorax. Bevor wir eine Uebersicht der nach diesem Prin-
cip geregclten Eintheilung geben , haben wir noch vier Bemer-
kungen zu machen.
1. Bei der Entwicklung des Pygidium kommen zwei Ele-
mente in Betracht , namlich die Anzahl der Segmente und die
Ausdehnung der Oberfliiche. Es zeigt sich, dass diese beiden
Elemente gewobnlich iibereinstimmen, d. h. dass die Oberfliiche
mit der Zahl der Glieder im Einklang steht. Es gibt jedoch
entgegengesetzte Fiille, wie bei den Lichas, deren Pygidium hauflg
n"r drei Segmente hat, wahrend es eine verhallnissmassig sehr
gi'osse Ausdehnung erreicht. In diesem Falle, welcher selten
1SS glauben wir audi die Grosse der Oberfliiche in Rechnung
onngen 7,11 miissen. Dieser Beweggrund wird rechtfertigen, dass
Wlr den Lichas seine Stelle so hoch in der Reihe der Trilo-
rten mit gefurchten Pleuren anwiesen. In dieser Meinung wur-
wen wir noch befestigt durch Thalsachen, welche es wahr-
schemlich machen, dass das Pygidium bei diesen Arten meter als
drei Segmente cnthalten konne.
Das Genus Aeglina gegen das Ende der ersten Reihe stehend,
gibt Anlass zii iihnlichcn Betrachtungen.
s'".l). (1. mathem. - naturw. CI. Jahrg. 1850. II. Bd. III. Heft. '22
322
2. Die nach dem angefiihrten Princip geordneten Families
werden iedoch nicht die Regelmassigkeit einer mathematischen
Progression zeigen, in den Zahlen durch welche man vielleicht
das Verhaltniss des Pygidium zum Thorax auszudriicken versuchen
konnte. Wenn es fiberhaupt schwierig tst, beim Stadium der
Naturgeschichte vollkommen mathematisch genaue Resultate zu
erlangen, so wird der Gelehrte um so leichter begreifen, dass man
sie nicht in der Classe der vorweltlichen Crustazeen erwarten darf,
welche vor alien dazu bestimmt scheint, Anomalien zu zeigen.
Die Unregelmassigkeiten , welche wir in diesem Falle anzuftihren
haben riihren von dem schon erwahnten Mangel an Homogeneitat
her welche in der Gruppirung der Genera zu Familien herrscht,
und wovon wir nur einige Beispiele anf iihren wollen. Die Familie mit
dem Typus der Paradoxes, istaus Geschlechtern gebildet, deren
Pygidium gewohnlich aus zwei Segmenten besteht. Allein unter
4 Conocephaliten, weichen 2 von dieser Regel ab, und einer der-
selben zeigt bis zu 8 Gliedern am Schwanzschild. Paradoxides
desideralus hat auch deren 8. Diese seltenen Ausnahmen heben die
Verwandtschaft der Gattungen nicht auf, sie wiirden jedoch die
Gleichfiirmigkeit einer durch Zahlen ausgedruckten Progression
bedeutend storen. In der Familie der Proetus linden wir bei den
meisten Geschlechtern das Pygidium eher unter als fiber der mitt-
leren Grosse. Phillipsia und Griffdhides hingegen, welche sich
durch ihre ganze Gestaltung am meisten dem Typus dieser Gruppe
nahern, zeigen dabei ein sehr machtig entwickeltes Pygidium. Die
Familie welche Calymene und Homalonotus , so wiejene welche
Phacops und Dalmania enthalt, bieten ahnliche Erscheinungen
dar, welche unnutz ware dem Leser vorzufiihren. Die Mehrzahl
dieser Anomalien und anderer, welche man noch anffihren konnte,
obwohl sie ausser Zweifel sind , sind dennoch nicht von solchem
Gewicht, als man im ersten Augenblicke vermuthen konnte.
3. Die Gruppe der llluenus und Nileus wurde, da sie eine
Art Uebergang zwischen den beiden Typcn der Pleuren bildet,
an den Schluss der ersten Reihe gesetzt. Man wird bemerken,
dass diese Stelle ungefahr dieselbe ist , welche sie nach der Ent-
wicklun"1 des Pygidium in beiden Geschlechtern erhalten musste.
4. Das Genus Telephus, welches nur durch unvollkommene Frag-
mente reprasentirt wird, konnte in keine Familie eingereiht werden.
323
§. 0. Synoptische Uebersicht clues neuen Vcrsuches asur
Kinthellung der Trilobilen.
I. Section. Bildung des Kopfes seharf iinterschieden von jener des Pygidiums.
1. Keihe t
gefurchte Pleuren.
Familie Nr.
Ill
IV
Gone
3
4
5
6
7
8s
9*
10*
11
13
13
l4«
15
16
17"
18
19
20
214i
as
23
24
25
36
87<
38-
29
30
31
Harpes Goldf. \ / XH/
Remopleurides Portl.
Paradoxides . Brong.
Hydrocephalus Barr.
Sao
Arionellus ... „
ElUpsocephalus Zenk.
Olenus Dalm.
Peltura , M. Ed.
Triarthrus . . . Green.
Conocephalites Zenk.
Proetus Stein.
PhiUipsia Portl.
Grifl'ithides ... „
Cyphaspis .... Burm.
Arethusina . . . Barr.
Harpides Beyr.
Phacops Emr,
Dalmania .... „
Calymene .... Brong.
Homalonotus . . Kon.
Lichas Dalm.
Trinuclevs . . . Sluvyd
Ampyx Dalm.
Dionide Barr.
Asaphus Brong. I
Symphysurus . Goldf.
Ogygia Brong.
(Ahgcstumpfte Axe.)
Aeglina Barr. \ § I XVI ) 43
(Uebcrgangs-Gruppe.)
lUaenus Dalm.
Nileus . . .
..... :,
44. Telsphus.. . Barr. (Pleura unbekannt.)
2. Rcilic :
gekielte Pleuren.
Familie Nr.
XI1I<
XIV
XV
33
34
35
36
87
40*
kv
43
Genera
Acidaspis . . .Mureh
Cheirurus . . ,
Placoparia .
Sphaerexoch
Stauroceph.
Deiphon
Zetlius .....
Dindymene .
Amphion . . .
Enerinurus
Cromus ....
Beyr.
Co'rd.
Beyr.
Barr.
v
.Paud.
.Cord.
.Paud.
. Emmr
.Barr.
(Abgestumpfte Axe.)
Broutus Goldf.
II, S
XV 11
e c tion. Bildung des Kopfes vvenig von jener des Pygidiums unterschiedei).
(Gefurchte Pleura.)
Agnostw Brongn,
■a
324
Der Leser wird bemerken, class in tier vorstehenden Ueber-
sicht die erste Section gleichsam in 3 Unterabtheilungen geschie-
den ist, welcbe sich in beiden Reihen entsprechen. Dcnnoch wol-
len wir keiner derselben bestimmte Grenzen anweisen, erstens
weil sich in unserer Kenntniss noch zu viele Liieken finden, und
dann weil die Natur , welcbe liberal] Uebergangc schafft, vielleicht
keine absoluten Abgrzinzungen zulasst. Wir haben uns desshalb
darauf beschriinkt, die deutlich ausgesprochenenundcontrastirenden
Merkmale anzugeben, welche die an den beiden entgegengesetz-
ten Enden jeder Reihe gestellten Familien characterisiren.
Was die Familien in der Mitte der Reihen betrifft, so
haben wir bereits angeftihrt, dass sie Uuregclmassigkeiten auf-
weisen, die man fur wichtiger halten konnte, als sie es wirklich
sind, wenn man nur die absolute Grbsse des Pygidium in Be-
tracht zoge, wie z. B. bei Phillipsia, Dalmania und Homalo-
notus. Allein der Leser darf nicht ausser Acht lassen , dass in
unserm Eintheilungsprincip auch Riicksicht auf die Entwicklung
des Thorax genommen wird. Wenn nun in den 3 erwahnten
Typen das Pygidium sehr ausgcdehnt ist, bildet der Thorax eine
Anzahl von Segmenten, welche wir bei den beiden ersten Ge-
schlechtern als die mittlern bezeichnen, wahrend sie beim letz-
ten Genus die mittlere Zahl iiberstcigt. Das wirkliche Verhalt-
uiss der beiden Korpertheile ist daher noch weit cntfernt von
den Extromen, welche die Geschlechter an den Endpuncten der
beiden parallelen Reihen zeigen.
Herr Prosector Dr. Carl L anger sprach : „Ucber einen
Binnen-Muskel des Cephalopoden-Awges."
Die Knorpelhaut (Sclerotica) des" Ccphalopodcn- Auges,
die an dem hinteren Umkreise des Bulbus sehr diinn ist, ver-
dickt sich nahe der vorderen, viel flacheren Hemispharc und
zwar bei Loligo so plotzlich, dass ein i'esterer Ring entsteht,
an welchem sich der Ciliarkorper befestigt; von diesem Ringe
an verdiinnt sich die Hattt wieder und bildet eine diinne La-
melle, welche bis in die Substanz der Iris verfolgt werden kann.
Auch histologisch unterschciden sich diese drei Theile der Scle-
rotica. Bei Loligo sieht man uamlieh die Gruppen von . Knor-
5232.3 J" Breite, am Rissende undeutlich langsgestreift und mit nur
e»igen hemerkbaren Kernen versehen, nach Zusatz von Essigsiiure
„. Son(|ers an Weigeistexemplaren , an denen ich die Untersuchun-
b_n wiederholte, granulirt. Die Fasern liegen dicht gcdrangt an-
a " er un<* Widen die Radien in diesem muskulosen Ringe; nach
den IF ,e,ntStchen sie vom Knorpelringe, nach innen cndigen sie an
geht a ^ des. Strahlenkranzes ' und da dieser in die Linse ein-
Linse T\h% mMtelbar der andere Angriffspunct des Muskels die
ph
ftrag zur naheren Kenntnif
»«. me Dz bestimmt. Man lasse die horizontale Projections-
Ebene xy ungeandert, und verandere die Lage der zwei Vertical-
Ebenen xz und yzl) gegen das Object.
Will man nun diess Object gegen das neue Coordinaten-
System feststelleu, so hat man zwar dieselben z aber die x
und y der verschiedenen Puncte haben sich geiindert und sind
als die Abstande der einzelnen Puncte von den neuen Vertical-
Ebenen x'z' und y z' annoch zu bestimmen.
Mittelst der neuen Coordinaten ist nun das Object in Be-
zug auf relative Lage der einzelnen Puncte vollkommen be-
stimmt, und das weiter zu entwickelnde Verfahren beruht auf
dem Principe, durch eine ahnliche Transformation der Coordi-
naten oder in der Sprache der darstellenden Geometrie, —
durch die Veriinderung der Lage der Projections -Ebenen oder
der Bildfliiche gegen das darzustellende Object ein nach Ver-
langen nettes und correctes Bild desselben, welches zugleich
das Abnehmen der Dimensionen gestattet, mit geringer Miihe zu
erhalten.
§. 3. Die Operation selbst reducirt sich darauf, die ver-
ticals Projection irgend eines Gegenstandes bei einer gegebenen
Lage im Raume zu bestimmen.
M Hie Letztcre unter dem Namen Kreoariss-Ebene bekaimt.
328
§. 4. Das Eigcuthiimlichc diesor Operation aeigt sicli in
ihrer Anwcndung, die vorzugsweise in Poigendeni besteht:
A. Ein perspectivartiges Bild von irgend einem Gegenstande,
dessen orthogonale Projectionen gegeben sind , mit jcner
Freiheit zu construiren , dass, ebenso wie in der Perspec-
tive, der Effect des Bildes von der Stcllung des Auges ge-
gen den abzubildenden Gegenstand und die Bildiliichc ab-
hiingt, — auch hier der Ausdruck des Bildes ganz in der
Macht des Constructeurs ist, ohne dass die Construction
des Bildes selbst an Einfachheit verlieren sollte.
Viele Schwierigkeiten, die der Perspective den Ein-
gang beim Techniker, namentlich in der Construction jener
Zeichnungen, nach denen unmittelbar ein Object ausgefiihrt
vverden soil, versagten, fallen hier ganz weg, und man kann
in so erzeugten Bildern die Abweichung von dem Charac-
ter eines perspectivischen in vielen Fallen zwischen sehr
nahe Granzen schliessen.
B. Wird man im Stande sein, den Riss von einem Gegenstande ,
dessen Dimensionen bekannt sind, unmittelbar als ein per-
spectivartiges Bild zu construiren, ohne vorcrst die ortho-
gonalen Projectionen des Gegenstandes bestimmen zu miissen.
In der Perspective ist diess wohl auch moglich, aber
mit vvelchen Schwierigkeiten hat nicht der geschickte Pro-
f'essionist zu kampfen, wenn er nach einer perspectivischen
Zeichnung selbst den einfachsten Gegenstand ausfuhren
soil. Hier jedoch wird er mit Leichtigkeit jede Dimen-
sion bestimmen konnen.
€. Wird es moglich sein, den Korper und Schlagschatten irgend
eines Gegenstandes bei einer gegebenen Belcuchtung nn-
mittelbar in der perspectivartigen Zeichnung ganz unabhan-
gig von den orthogonalen Projectionen zu bestimmen.
Die Bestimmung dieses Schattens ist in den meisten Fallen
einfacher als die Bestimmung desselben in den orthogonalen
Projectionen, und man ist der Miihe, den Schatten aus der or-
thogonalen Projection in die perspectivartige zu ubertragen,
ganz enthoben.
Der Sachverstandige wird zu beurtheilen wissen, welche
Scliwierigkeiten man zu uberwiuden hat, uni in der Perspective
329
bei einem nur etwas couiplicirten Falle den Schatten unabhangig
von den orthogonalen Projectionen zu bestimmen.
Fiir den Techniker muss in alien diesen Puiieten die Me-
thode der reinen Perspective gegen diese der Parallel-Perspec-
tive zur Seite stehen, dagegen muss die Natiirlichkeit uud oft
auflallende Tauschung durch die sich rein perspectivische Bil-
der vor jeder andern Darstellungsweise auszeichnen, besonders
beriicksichtigt werden, und es steht so in der Macht des Con-
structeurs, je nach dem Zweck der auszufuhrenden Zeichnung,
auf Kosten dieser Vortheile jene zu opfern, diesen oder andern
nach Umstanden den Vorrang zu geben.
Mit Vortheil kann man diese Methods auf die Bestinimung
der Mohs'schen Projection bei der Darstellung der versehiede-
nen Krystallfiguren anwenden. Eben so soil gezeigt werden,
dass sich die verschiedenen Constructions-Arten der tri-, di-
und isometrischen Projection, je naclidem man zur Bestinimung-
dcrselhen ein oder mehrere Maasstiibe gebraucht hat, auf eine
einzige reduciren.
Die isometrische Projection hat vor den ubrigen Projec-
tionsarten den schatzbaren Vorzug der Einfachheit fiir sich,
doch wieder den unliiugbaren Nachthcil , dass so erzeugte Bil-
den in vielen Fallen ein ungefalliges , grosstentheils unnatfir-
liches Aussehen bekommen, und zwar in dem Grade als die Aus-
dehnung der horizontalen Flachen des darzustellendeu Gegen^
standes zunimmt.
Uebcr eine gewisse Grenze hinaus ist dieselbe gana unait-
vvendbar.
Die tri- und dimetrische Projection liefern zwar ein ge~
falligeres Bild , doch halt ihnen wegen ihrer ausserst miihsamesi
Construction die isometrische Projection fiir die Anwendun»- das
Uebergewicht.
Einen iihnlichen Vergleich kann man audi mit der soge-
naunten Cavalier -Perspective machen. Diese ist bekanntlich
nichts Anderes als eine schiefe Projection, und findet weniger
Auweiidung als die isometrische Projection; bei nicht geho
nger Vorsicht erscheinen einzelne Theile des dargestellten Go
genstandes ofters als Zerrbild, wie diess iiberhaupt aus deist
Wesen mncv schiefen Projection klar ist.
330
Die zu entwickelnde Methode soli Beides vereiuen, das Kin-
fache der isometrischen und das Gefiillige der tri- und dimetri-
schen Projection. Nach der gewohnlichcn Methode der isometri-
schen Projection erhalt man das Bild des in orthogonalen Projec-
tionen bestimraten Gegenstandes in einem vergrosserten Maasstabe,
und will man das Verhaltniss der Dimensions-Aenderung 89:109
beriicksichtigen, so ist die Construction eines isometrischen Bildes
schon weit muhsamer. Bei der fraglichen Methode fiilit dieser Um-
stand ganz weg, sie kann mit FLecht eine Parallel-Perspective
genannt werden , denn sie vereint alle moglichen Arten einer
perspectivartigen orthographischen Projection in sich ; das Cou-
structions-Verfahren fiir dieselbe bleibt sich stets ein ganz gleiches
und ist in jedem Falle noch einfacher als das der isometrischen
Projection. Daren die Unmoglichkcit eines Zerrbildes zeichnet
sich diese Methode von der reinen Perspective, wie spiiter gezeigt
werden soil, noch besonders aus.
Entwicklung der Grimdsatze.
§. 5. Es seien die Coordinaten dreier Puncte a, b, c ge-
geben
t x = 4 Ix = 6 Ix = 5
«|#=4 bly=5 cj#=3
(« = 3 (z = 4 (s = 2
Man verandere die Lage der verticalen Projections-Ebene und
des Kreuzrisses, doch so , dass dieselbcn stets senkrecht auf der
horiaontalen Projections-Ebene bleiben.
Die z der Puncte bleiben dieselben, denn die Lage derselben
gegen die horizontale Projections-Ebene wurde nicht geandert, also
fiir
«{s'=3
6{s'=4
c i z = Z
Fig.t. Die y der Puncte werden gemessen durch die Abstande ihrcr
Fig.2. Ilorizontalprojectionen von der Axe der x, folglich in dem neuen
Coordinaten-System von der Axe A' X' (Fig. 1, 2), man crhall
demnach fur
a [y
b [y'~ 0
ill =7-
331
Die X der Puncte werden gemessen durch die Abstande
ihrer Horizontal-Projectionen von der Axe der Y, also hier ergibt
sich in Bezug auf die Axe Y fiir
a\x = a
blx'^i
c \x =C.
a, p, 7 sollen die Langen der Puncte genannt werden, sie werden
auf der Axe der y gemessen und diese soil der Langen-Maasstab
heissen.
a, 6, c sollen die Breiten der Puncte genannt werden , sic
werden auf der Axe der X gemessen und diese soil der Breiten-
Maasstab heissen.
Ganz analog soil die Axe der Z der Hohen-Maasstab heissen,
clenn dieser zeigt die Hohen der verschiedenen Puncte an.
Es ist klar, dass, wenn aus den Coordinate!!
far =4
aaft bet flBlffenfc&aftett fle*
ftonte fiti$[$tift, Sffiien 1849; 8<>.
— Ueber die jetzige Stellung der Philosophie auf der Uni-
versitat. Ohntttz 1850; 8°.
Sitzungsbericlite
der
lYiatliematisch-naturwissciiscIiaftliclicii
Classc.
Jahrgang 1850. IF. Band. IV. Heft (November).
Sitzb> d' nuthem.-natunv. CI. Jahrg. 1850. II. B.J. IV. Hft. 25
■'6t7-
°§'xhx'mi of % Htusmm
OF
COMPARATIVE ZOOLOGY,
AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS.
jfoutrtcti fig ptftate subscription, fn 1861.
• V* , ..
DR. L. de KONINCK'S LIBRARY.
No. J 31,
347
Sitzungsberichte
der
mathematisch -naturwissenscbaftliclien Classe,
Sitzung vom 7. November 1850.
as hoi,0 k k Ministeriuin fur Landescultur benacbricbtiget
_>« Akadcinie miltelst Erlass vom 26. October d. J., dass es
ei Ansuchcn derselben vom 17. October, an die Direction
*• k. Finanz-Ministerial-Archivcs und die eiVeuc Re«istrahir
ttitrag erlassen habe, dem corresp. Mitgliede der kais. Aka-
*mie» Herrn Ministerialrath Dr. W. Fuchs, in den Amtslokali-
ttie Durchsicht und Exccrpirunestat-
ton fi
en "erselbe zur Vollendung seiner Geschichte des ungari-
Scl'en Hfittenwe8ens bedarf.
Andreas Groll, Diencr im chemischen Laboralorium des
• Polyt. Institutes , iiberrcicbt drei Licbtbilder auf Glas,
api einem neuen Verfabren verfertiget , und Iegt nacbfolgende
fschreibung desselbcn vor: „Phot ographi e ' o der Licht-
"der aaf Glas."
[ up auf Glas ist es moglich den photographischen Bildern
« schon lang gewunschte Feinheit und Scharfe zu geben. Nach
Z« f'\ erSU(;,len ist es n,ir gelungen, dafiir cine passende Methode
•men, die ieh /Avar bis jetzt nur auf arehileklonisebe Gegen-
■ia *
348
stande angewendet habe, die sich aber gcwiss auch fur Portrate
eignenwird, da ich die Zcit, deren sie bedarf, noch bedeutend
abzukiirzcn lioffe. Ausser der iiberraschenden Scbarfe ist ein
grosser Vorlheil der Glasbilder auch der, dass man durch dieselben
unzahlige Bilder auf Papier erzeugen kann, die ebcn so fein sind,
wie die auf Silberplatten hervorgerufenen.
Urn diese Bilder zu erzeugen nimmt man weisse, ganz ebene
Platten von Solin-Glas, welcbe von Blasen und grosseren Ritzen
Kara frei sind, reinigt selbe mit gewohnlichem Spiritus mittebt
eines Stiickchen Badeschwammcs , wascht sie mit destillirtem
Wasscrab, und trocknet sie sogleich mit einem reinen, feinen,
weichen Tuche, welches aber keine Faden lassen darf, damit diese
beim Ablrocknen nicht auf den gereinigten Platten haften bleiben.
In dem Locale, wo man praparirt, darf der Staub mcht in
Bewegunggebrachtwerden, damit die bereits daliegenden Glasplat-
ten nicht davon vcrunreinigt warden. Man legt nun die Glas-
platte auf eine horizontale Tischplatte , und iibergiesst sie mit
einer Fliissigkeit, welcbe aus Eiweiss, Gummi und Jodkalium besteht,
si, dass die ganze Platte damit bedeckt ist, und lasst sie so einige
Minuten liegen. Wiihrend dieser Manipulation legt man erne mit
doppeltem glatten Papier bedeckte Metallplatte auf einen Rost, und
crhitzt dieselbe mittebt einer Spirituslampe. Nun giesst man die
Fliissigkeit von der Glasplatte wieder in die Schale zuriick, lasst
sie ganz abtropfen, bis keine Fliissigkeit mehr davon ablauft. Da
sich an dem untern Bande ctwas mehr Fliissigkeit sammelt, als
auf der anderen Flachc, so streift man diese mit einem Glasstabe
ab, wodurcb die Platte ganz gleichformig mit Fliissigkeit uberzo-
o-en wird. Bilden sich dabci Blaschen, so fuhrt man sie wahrend
des Ablaufcns mit dem Glasstabe hinunter; sollten sich aber nich
alle auf diese Wcisc wegbringen lassen, so iibergiesst man die
Platte schnell noch einmal, wo sie dann sicher verschwinden. Wen"
man die Blasen auf der Platte liisst, hauft sicb rings urn sie die
Fliissigkeit an, sie zerplatzen dann beim Trocknen, und es bilde
sicb ein unbedeckter Raum, der, wenn cr auch noch so klem i »
dem Bible schadct. Nun legt man die nassc Glasplatte aut u
heissgewordene Metallplatte, zieht die Spirituslampe weg, u
trocknet sie so binnen 3 bis 4 Minuten. Man fabrt mit dem ^Reinige
undUeberzieben neuer Flatten so lange fort, bis man alle Hussig
349
aufgcarbeitet hat. Uebrigens habe ich ilicse Flilssigkeit drei Tagc
augedeckt an einem kiihlcn Ort aufbewaliret, und sie hat mir noch
die schonsten Resultate geliel'ert. Die so bereiteten Platten kann
man mehrere Wochen, und gewiss noch langer aufbewahren. Am
hesten geschiebt dies in einem Kiislchen, das wie fiir die daguerri-
schen Metallplatten eingerichtet ist ; oder man sclmeidet von
Kar ten papier sehr schmale Rahmen , welche die Grosse der
Flatten haben, wie cs bei den Silberplatten-Bildern geroacht vver-
den muss, damit das Bild das Glas nicht beriihre; dann kann man
die ganz praparirten Glasplatteu fiber einander liegend aufbe-
wahren.
ESereitung der ersten fAiaung,
Man nimmt von zwei Eiern das ganze Eiweiss, schliigt es in
emer Schale mit einem Messer so Iange, bis sieh ehvas Schauin
biidet, wodurch alle zahen Klumpen zerstSrt wcrden, und lasst es
dann eine Stunde stehen, damit cs sich gut absetzt; indessen lost
man zwanzig Gran ganz rcines, weisses, arabisches Gummi in zwei
■JOth destillirtem Wasser. Nun giesst man znerst das klare Eiweiss,
welches sich zu Boden setat, in ein anderes Gefiiss und gibt zwolf
uran Jodkalium dazu, welches sich soglei'ch auflost, dann gibt
>an die Gummilosung in die Jodkaliumlosung, riihrt gut unterein-
ander, und giesst das Ganze durch ein feines mit destillirtem Was-
ser angefeuehtetes Tuch in ein anderes Gefiiss, worauf die so
* urehgeteuchte Losnng, nach der oben beschriebenen Wcise auf
as Glas aufgetragen wird. Das Eiweiss von einem Ei, welches ziem-
lc ! gross ist, wiegt beilauiig ein Loth; die bier beschriebene Fliis-
S'gkeit wiegt also jetzt 4 Loth, und ich habe mit derselben
*4 Stuck Flatten von 8 Zoll Hohe und 5 Zoll Breite fiberzogen.
ie Eier miissen klar und t'risch sein, sollte jedoch bei dem Ent-
veischlagen des Eies von dem Dotter etwas zur Klare kommen,
So 'at dies nicht den mindesten Einfluss, indem es bei dem Durcb-
8eihen a«f dem Tuche zuriickbleibt.
Bereitung der ssweifen Boosting.
Will man nun ein Bild machen, so nimmt man ein vertical
wiendes Gefiiss von Glas, welches mindestens so breit sein muss,
t,lss dle Glasplatte mit ihrer schmaleren Seite hineinffeht. Es gibt
350
ilache Flaschen, liei denen man nur den obern Theil absprengen
darf, damit sie dem Zwccke cntsprechen, jedoch 1st es besser,
wenn man die scharfen Kanten abschleifen liisst, damit man sich
beim Eintaucben nicbt davan schneidet. In dieses Gcfiiss gibt
man eine Silberlcisung von 1 Theil salpetersauren Silberoxyd,
2 Theilen Radical-Essig, das 1st concentrirte Essigsiiure von
15 Procent Wasscrgehalt, uad 10 Loth destillirtem Wasser, taucht
nun die praparirte Glasplatte so sclinell als moglich und so weit
ein, bis die Finger, welche die Platte halten, die Fliissigkeit be-
riihren, und halt sie so 15 bis 20 Secunden. 1st sie heraus-
gezogen, so muss man sie gut abtropfcn lassen, und d.mn
gleich in die Cassette eiosetzen, aaturlich muss dies bei Kerzen-
licht gemacht wcrden. Nimmt man den Gegenstand in einer Zeit
auf wo die praparirte Glasplatte noch nass ist, so erzielt man
die reinsten Bilder, welche auch gleich hervorgerufen werdcn.
Wenn die Cassette ganz von Holz ist , so trocknet die Fliissig-
keit bei einer Temperatur von 20 ° C binnen einer balben
Slunde, hat aber die Cassette einen Metallscbuhcr , und ist sie gut
mit Firniss iiberzogen , so halt sich die Feucbtigkeit iiber eine
Stunde. Als ich, naelulcm das Bild gleich naeh der Preparation
aufgenommen wurde, erst nach 5 Stunden mm Ilervorrufen scbritt,
zeigte sich, dass das Bild auf dem noch nasscn Theile der
Platte mit der vollsten fteinheit hervortrat, wahrend der Hand,
weleher ein Drittel bildct , ganz unbrauchbar und flcckig
wurde. Dicse Bilder ruft man mit concentrirter Gallussaure her-
vor, der 2 bis 3 Tropl'en von der oben bescbriebenen Silberlo-
snng zugesstat wcrden. Man giesst von der Fliissigkeit so viel in
ein passendes Gefass, dass das Bild ganz davon bedeckt wird. Die
Platte kommt nun auf einen horizontal gestellten Triiger, und wird
mit dor G all ussiiure iibergossen, worauf man die ganze Platte sorgfaltig
soweit crwiirmt, dass die Fliissigkeit zu dampfen anfiingt. Dieses Er-
wiinnen ist 2 bis 3 Mai zu wiederbolen, bis das ganze Bild mit voller
Kraft hervortritt; war der Gegenstand von der Sonne belcuchtet, so
ist das Bild in vveniger als einer Viertelstunde vollendet ; wurde es an
einem triiben Tage aufgenommen, so dauert es wohl eine Stun* e
ehe es gaW zum Vorschein kommt. Man giesst nun dieiiberscbussige
Gallusslure ab , spiiU die Platte mit destillirtem Wasser ab, und
fixirt das Bild mit oinerLosung von einem Loth unlcrschweiligsau-
351
J-eni Natron in 10 Loth desfillirtem Wasser dadurch, dass
man das Bild wieder auf den Trager left, von der letztgenannten
Fliissigkeit auf das Bild giesst, und wieder bis zum Abdampfen
2 Minuten lang erwarmt, worauf endlich mit destillirtem Wasser
abgewaschen wird. Sollte sich auf dem Bilde ein marraorartiger
Ueberzng gebildet baben, was ein Ueberschuss von Gallussaure
mid Silberoxyd berbeifiihri , so kann es ganz ohne Scheu mit
einemBaumwollbuschel gewaschen werden; da derselbe sehr leicht
ohne Schaden fur das Bild heruntergeht, worauf man es wieder
mit destillirtem Wasser abspiilt und iiber der Spirituslampe
trocknet. Was die Zeit der Exposition betrifft, so habe ich mit
eincm Apparate von Prokescb von 10 ZoII Brennweite und
3G Linien Durcbmesser des Objectivs mit der Blende im Freien
10 Minuten im Schatten, in der Sonne 1 Minute mit Diaphragma
von V8 ZoII Oeflfnung gebraucht, um ein gules Bild au bekommen.
Um das Bild vora etwaigen Verderben durch Beibung etc. zu schlitzen,
"berzieht man es mit einem Firniss von Colodium oder Gallerte.
El» so erzeugtes Bild erscheint im durchscheinenden Lichte ne-
S'at'v, bei auffallendem Lichte bingegen positiv und ist im trockenen
Znstande so hart, dass man den Stoff nur mit scharfen Instru-
'"enicn herabkratzen kann. Ich habe sogar ein Bild drei Tage
ang im Wasser liegen lasscn , und konnte dann die aufgetragenen
Swbstanzen nur mit Miihe herabkratzen, um die Platte wieder rein
M machen.
Das an dem bier beschriebenen Verfahren Netie besteht, ausser
_ er m vielen Puncten von der bisherigen abweicbenden Manipulation,
111 der Anwendung von Gummi als Zusata zum Eiweiss und in ilea
veranderten Quanlitaten der iibrigen Bestandtheile.
ie Classe bewilligie demselben eine Remuneration von
30 11. c. M.
Herr Dr. Job. Natterer iiberrcicht naehstehende Abhand-
unS': „Gas verd ichtungs- Versuche".
araday's sinnreiches und einfaches Verfahren, viele Gase,
seiche man fiir permanente bielt, theils durch kiinstliche Abkuh-
"g> theils durch angewandten Druck, theils durch die gleichzei-
352
tige Benlitzung dieser beiden Mittel, aus ilen ausdehnsamcn in den
fliissiiren und manche sogar in den festen Zustand uberzufiihren,
musste jeden Chemiker zu dem Schlusse berechtigen, dass auch
jene jGase, welche durch diese Behandlung noch nicht tropfbar
dargestellt werden konnten, durch Anwendung eines starkeren
Druckes dasselbe Resultat liefcrn wurdcn.
Wenn es schon einerseits sehi* wiinschenswerth sein muss,
durchT)arstellung des Sauerstoffes, Wasserstoffes und Stiekstoffes
in flussigen oder festen Zustand, iiber das Aussehen und iiber die
metallische oder nicht metallische Natur einiger dieser Stoffe Auf-
schliisse zu erhalten, so ware uns dadurch auch andererseils ein
vortrefflicher Weg geboten, sowohl diese Gase als auch das
Kohlenoxydgas und das durch Destination aus Steinkohlen erzeugte
Leuchtgas als Abkiihlungsmittel zu gebrauchen , urn dadurch sebr
bedeutende, vielleicht nie geahnte Temperaturs- Erniedrigungeu
zu erreichen, welche bei vielen chemischen Arbciten, besondcrs
aber bei den von Professor Schr otter zuerst angestellten Ver-
suchen iiber das Aufhoren der chemischen Action bei sehr niederer
Temperatur (Comptes Rendus , T. 20, p. 193. 1845) von grossem
Vortheile wiiren.
Die bisher sogenannten permanenten Gase kiinnen nur durch
einen sehr hohen Druck in den flussigen Zustand ubergefuhrt
werden, dessen Wirksamkcit sich noch durch kunstlichc Abkuhlung,
wenn auch nicht bedeutend, vermehren lasst, indem das Verhalt-
niss der Condensations-Puncte dieser Gase zu der niedrigen Tem-
peratur, welche wir durch die uns bis jetzt zu Gebote stehenden
Abkuhlungsmittel erreichen konnen, gewiss nur ein sehr geringes
ist; und es ware gewiss von weit grosserem Interresse, diese
Gase nichl; bloss in geschlossenen, wenn auch mit durchsichtigen
Wanden versehenen Gefassen, sondcrn auch in freier Luft, niim-
lich bei dem wirklichen Siedepuncte derselben kennen zu lernen.
Da icli in der Anwendung der Oompressions-Maschinc ein
einfaches und zugleich sicheres Mittel fand, sowohl die Kohlen-
saure als auch das Stickstoffoxidnl in jener Menge in flussigen
Zustand zu verwandeln, welche crforderlich ist, urn die starksten
bisher bekannten Tcmperaturs-Erniedrigungen hervorzubringen, so
enlschlossichmich, durch die Staatsverwaltung bereitwilligstuntcr-
stutzt, scbon im Jahre 1844 dieses Vcrfahren audi aufjene Gase anzu-
353
weuden, welche bisher jedem Drucke widerstanden. Bei den
gewohnlichen Compressions-Maschinen liegt aber in dem schad-
lichen Ilaum das Haupthinderniss einer unbeschranktcn Verdichtung,
ich musste daher, sollte die Verdichtung auf eine noch nicht er-
reichte Hohe gebr&cht werden, darauf bedacht sein, diesen Ilaum
unschadlich zu machen, welches mir schon damals gelang, indem
»ch die Compressions-Maschine so einrichten liess, dass das Gas
bereits mit einer Spannung von 10 — 15 Atmospharen in den
Pumpenstiefel gelangte. Das Gas wurde namlich friiher mittelst
einer Pumpe, wie man sie zur Comprimirung des Leuchtgases und
des Sanerstoff- und Wasserstoffgases zum Behufe des Drum-
mond'schen Lichtes beniitzt, in einem zwei bis drei Kubikfuss
lassenden schmideisernen Gcfasse verdichtet , aus welchem es
mittelst einer dickwandigen Blcirohre in den Pumpenstiefel ge-
'eitet wurde.
Theoretisch war uun dieser Apparat vollkommen seeianet,
"Je Compression auf einen sehr hohen Grad zu treiben. Aber nur
Wer selbst Versuche fiber Comprimirung von Gasarten anstelUe,
Weiss, welche mechanische Schwierigkeiten sich einer grossen
ei'diehtung entgegenstellen. Denn obwolil der Apparat von einem
"nserer besten Mechaniker und mit Anwendung aller Sorgfalt auf
* le solideste Weise hergestellt, und manche im Gebrauche als un-
ngUch sich zeigende Theile oftmals von neuem angefertiget wur-
> so entsprach er doch nie den Anforderungen. Es gelang mir
6 en Verschluss zwischcn dem Recipientcn, welcher eine sehr
L wandige, aus Schmideeisen verfertigte Rohre war, und dem
entil-Stiicke so hergestellt zu erhalten, dass er bei 500 Atmos-
P »arcn noch luftdicht geschlossen hatte. Es wurde entweder der
0 'en durch das ofte und schnelle Auf- und Abbewegen zum wei-
o.e,en Verschlusse untauglich, odcr, was in der Mehraahl der Falle
geschah, es wurde das Venl.il durch, theils von unten durch die
nio-l-P-e' lei'S V0" °]jen aus dem Rec'P'enten dahin gelangte Unrei-
& eiten zum ferneren Verschlusse oft in dem Masse unbrauchbar,
bef w S ts "n Zustande einer sehr bedeutenden Verdichtung
Un(|nt lclle Gas Plotzlich in den Pumpenstiefel zoriickstromte,
den P^^ daS Schnelle kraftige Zuriickstossen der Pumpenstange
umpendeii gcfahrdete. Ich war daher genothiget, die Fort-
tZUDS (1« Versuche aufzugeben.
354
Durch diese Versuche liatte ich die Erfahrung gemacht, dass
zur Erzielung giinstiger Rcsultatc 68 unumganglich nothwendig ist,
selbst Mechaniker zu sein, urn sich bei vorkommendenllindernissen
selbst helfen und als schadhaft sich herausstcllcnde Tlieile selbst
erneuern zu kdnnen, da diese gefahrvollen Versuche in der Emeu-
s'
der einzelnen Bestandtheile eine Gewisscnhaftigkeit und Ge-
nauigkeit erfordern, die man nicht so leicht bei einem Geschafts-
mann finden diirfte. Da ich an Doctor Ludwig R edt enb acher
einen bereitwilligen Mitarbeiler bei diesem beschwevliehen und
gefahrvollen Unternchinen fand, so entschloss ich mich dieses Jahr,
die Versuche von Neuem zu beginnen , und da uns hinliingliche
mechanische Handfertigkeit und Hilfsqucllen zu Gebotc standen,
so verfertigten wir uns die wichtigsten und auf das Gelingen der
Versuche am meisten Bezug habenden Bestandtheile des Appa-
ratus selbst.
Dieser Apparat unterscheidet sich von den friiheren im wesent-
lichen dadurch, dass der Kolben nicht durch eine Kurbel, sondern
durch eine starke Schraube auf und ab bewegt wird. welche Ein-
richtung den Vortheil gewiihrt, dass man eine weit grossere Kraft
ausuben kann, und durch die langsame Bewegung des Kolbens
die Eederkappe nicht sobald abniitzt; daher sie zum guten Ver-
schlusse viellanger tauglich bleibt. Ferner ist man beim Gebrauche
dieser Schraubenpumpe nicht der Gefahr ausgesetat, dass, wcnn
das Ventil plotzlich untauglich wird, das Gas den Kolben wie bei
den gcu ■Shnlichcn Pumpen mil Heftigkeit zuriicktreibt. Da die Schrau-
bengange so enge sind, dass erst bei 50 Umdrehungen derselbeu,
der Kolben seinen ganzen VVeg von G Zoll zuriicklegt und der
Pumpenstiefel bei 6 Zoll Langc nur 4 Linien inneren Durchmcsser
hat, daher eine Atmosphiire nur mit einem Drucko von 1 Pfund
auf die Kolbenflache wirkl, so kann man miUclst dieser Pumpe
eine sehr grosse Crompression erziclcn. An der Sauginiiudung
des Pumpensticfels ist eine Rohre angebracht, wodurch die Ver-
bindung desselben mit einer eisernen Flaschc, wie ich sic zur Er-
zeugung der iliissigen Kohlensaure beniitze, hergesteilt werden
kann. In dieser Flasche wurden friiher mittelst der gewolinlichcn
Pumpe die Gase bis zu 130— 150 Atmospharen comprimirt;
durch zeilgeimisse.s Oeil'nen und Schliessen des Schraubenhahiies
an der Flaschc, wain-end des Punipens gelauglc das Gas in diesem
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bereits sehr verdichteten Zustande in den Pumpeiistiefel und wurde
nnltelst der Schraube in den eigentlichen Recipienten gedriickt.
Dieser Apparat gewahrt auch den grossen Vortheil, dass man
wahrend des Pnmpens ziemlieh genau erkennen kann, wie hoch
der Druck im Recipienten bereits gestiegen , man hort namlich
wahrend der Bewegung des Kolbens mittelst der Schraube das
Oeffnen des Venlils im Recipienten, und da an dem unteren Ende
0, kupfer nur dem von 800 Atmospharen Widerstand zu bieten
"j» Stande war. Wir beseitigten daher jedes Zwischenmefall als
» erlag-e xun\ versahcn das neue Vcnlil-Stuck mit einem Conns,
»- icr genau m die entsprechende conische Aushohlung des Heci-
"en passle. Durch sehr starkes Zusammenschrauben dieser
t-n conischen Fliichcn gelang es uns, den Verschluss vollkommen
i/'Ustel!cn, so dass selbst bei mehr als 1000 Atmospharen
ie geringste Spur des hineingepressten Wassers entwich.
a .uertrat ein zweites Hinderniss auf. — Wirbemerkten namlich,
So dfirfte dieser Weg zu giinstigen Resultaten fiihren.
lane nicht unwichtige Bemerkung niachte ich dieses Jahr,
ass namlich fliissige Kohlensaure und fliissiges Stickstofl'oxydul
einem weit grosseren Verhiiltniss zusammendruckbar sind, als
a. 6 ubl-iScn bekannten Fliissigkeiten. Zu diesem Behufe bog ich
innern Durchmesser habende, dickwandige 2 Schuh lange
. asrohre ^ der Mitte unler einem schr stumpfen Winkel. Das
a ] , Q e **lasrohre wurde zugcschmolzen , wahrend an dem
wurd'0" Ende- e'ne MessinSfassnnS "it Schraubenhahn eingefiigt
Ul'(e- In die Rolire brachte icli so viel Quecksilber, dass es
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elnen 2 Zoll langen Faden bildete. Nun stellte ich mittelst der
Messinn-fassung cine Verbindung mit einer, fliissige